Aktenzeichen 26 W (pat) 46/17
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 30 2016 210 927 – S 195/16 Lösch
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2019 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Schödel
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Dem Antragsgegner werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
Gründe
I.
1
Die Wortmarke
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Kirmeskind
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ist am 14. April 2016 angemeldet und am 2. Mai 2016 unter der Nummer 30 2016 210 927 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren der Klassen 14, 24 und 25.
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Am 6. Oktober 2016 hat die Beschwerdegegnerin die Löschung der angegriffenen Marke wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 MarkenG a. F. beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Markenwort “Kirmeskind” bezeichne Personen, die während einer Kirmes gezeugt worden seien, die Spaß und Freude am Besuch von Jahrmärkten, Festplätzen, Rummeln und Kirmessen hätten oder die als Schausteller oder in anderer Weise am Betrieb von Jahrmärkten beteiligt seien. Der Begriff drücke eine besondere Verbundenheit mit dieser Veranstaltungsart aus und beschreibe ein Lebensgefühl im Sinne von Spaß, Ausgelassenheit, Fröhlichkeit sowie Vergnügungen im Allgemeinen, mit dem sich der so Bezeichnete identifiziere. Daher seien ein Lied mit dem Titel “Ich bin ein Kirmeskind” komponiert, ein Buch unter dem Titel “Kirmeskind” verfasst sowie auf Facebook und Instagram zum Hashtag “Kirmeskind” bzw. der entsprechenden Gruppenbezeichnung von begeisterten Kirmesgängern Bildergalerien und Gruppen gegründet worden (Anlagen 2 bis 4). Die Domain “Kirmeskind.de” sei von einem Kirmesbegeisterten erworben worden (Anlage 5). Ein Presseartikel vom 9. August 2012 sei mit “Schausteller: Kirmeskind war ein Aussteiger auf Zeit” betitelt (Anlage 6). In einem Pressebericht vom 2. November 2015 sei zudem eine Schaustellerin als “Kirmeskind” porträtiert worden (Anlage 8). Kleidung, Anstecker und Schlüsselanhänger zeigten dem Gegenüber, dass man sich selbst zur Gruppe der Kirmeskinder zähle. Daher dürften Mitbewerber nicht von der Nutzung dieses gebräuchlichen Wortes der deutschen Sprache ausgegrenzt werden. Als beschreibender Begriff erfülle er auch keine betriebliche Herkunftsfunktion. Da gedanklich stets ein Bezug zu einer bestimmten Kirmesveranstaltung hergestellt werde, entstehe beim Verkehr der Eindruck, die damit gekennzeichneten Produkte stammten von dem jeweiligen offiziellen Veranstalter und nicht von einem Privatunternehmen, so dass er über die wirkliche Herkunft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG getäuscht werde. Die angegriffene Marke sei zudem bösgläubig angemeldet worden, weil der Begriff “Kirmeskind” bereits von einer Vielzahl von Personen, insbesondere auch von ihr genutzt werde. Sie, die Antragstellerin, stelle in Handarbeit und Einzelfertigung (Kosmetik-)Taschen und ähnliche Produkte her, auf die u. a. der Schriftzug “Kirmeskind” auf verschiedene Weise, nämlich durch Einnähen von Buchstaben, Verwendung von Strasssteinen oder sonstigen kleinteiligen Gegenständen, Aufsticken oder Aufnähen aufgebracht werde. Ferner produziere sie Aufnäher für unterschiedliche Textilien. Die Nutzung des Markenworts erfolge, weil sich die Kunden mit ihren Produkten als begeisterte Kirmeskinder bzw. Kirmesfans darstellen könnten. Diese Produkte vertreibe sie seit Jahren stationär und über das Internet. Ferner habe sie ihre Produkte über die Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt Soest zum Verkauf angeboten. Diese organisiere die jährliche Allerheiligenkirmes, die größte Innenstadtkirmes Europas, und betreibe einen Onlineshop sowie Verkaufsstände auf der vorgenannten Kirmes und auf dem städtischen Weihnachtsmarkt. Deren Mitarbeiter hätten die Produkte der Antragstellerin – allerdings ohne Namensnennung – gegenüber der lokalen Presse präsentiert und damit große öffentliche Aufmerksamkeit erregt, wie der Pressebericht für die Kirmes des Jahres 2014 und ein Artikel vom 2. November 2015 belegten (Anlagen 7 u. 8). Der ebenfalls in Soest wohnhafte Antragsgegner habe in Kenntnis dieser Tatsachen den Begriff “Kirmeskind” als Marke eintragen lassen und versuche seitdem, ihr Geschäftsmodell zu torpedieren und sie zur Einstellung ihrer Verkaufsaktivitäten zu zwingen. Sie bestreitet, dass der Antragsgegner die Bezeichnung schon seit 2012 nutze. Die von ihm vorgelegte Rechnung vom 26. November 2012 lasse den Käufer nicht erkennen, weshalb sie unproblematisch rückdatiert worden sein könne. Ferner könne ihr nicht entnommen werden, dass tatsächlich ein Verkauf zustande und welcher konkrete Aufdruck zum Einsatz gekommen sei. Sie bestreitet ferner, dass zugunsten des Antragsgegners eine Verkehrsgeltung bestanden habe und gegenwärtig noch bestehe. Vor der Abmahnung durch den Antragsgegner habe sie keine Kenntnis von der Markeneintragung gehabt. Daher sei ein früherer Löschungsantrag nicht möglich gewesen. Vor der Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Marke habe der Antragsgegner mit zwei Mitarbeiterinnen der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt Soest gesprochen, weil er seine Produkte über die Tourismusinformation bzw. offizielle Verkaufsstände der Stadt Soest habe anbieten wollen. Als das Gespräch auf “Kirmeskind” gekommen sei, hätten die beiden Mitarbeiterinnen mitgeteilt, dass man bereits Produkte mit der Bezeichnung “Kirmeskind” seit Jahren erfolgreich verkaufe. Daraufhin habe der Antragsgegner erklärt, er werde das Zeichen für sich anmelden und exklusiven Schutz erwerben und dann den Verkauf bzw. Vertrieb anderweitiger Produkte unterbinden. Ferner habe er diesen Plan auch für andere Jahrmärkte außerhalb des Gebiets der Soester Allerheiligenkirmes angekündigt.
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Der Antragsgegner, an den der Löschungsantrag als Übergabeeinschreiben am 3. November 2016 abgesandt worden ist, hat diesem am 19. Dezember 2016 widersprochen mit der Begründung, das Markenwort “Kirmeskind” sei nicht geeignet, Merkmale der geschützten Waren zu beschreiben. Geschützt seien nicht nur T-Shirts mit dem großflächigen Aufdruck “Kirmeskind”, sondern auch T-Shirts mit einem entsprechend beschrifteten Etikett. Das Markenwort sei weder lexikalisch nachweisbar noch allgemein bekannt, sondern vielmehr ungewöhnlich und damit unterscheidungskräftig. Die drei von der Antragstellerin vorgelegten Quellen belegten noch nicht, dass “Kirmeskind” ein gebräuchliches Wort sei. Sobald das Markenwort bei der Internetsuchmaschine “Google” als Suchwort eingegeben werde, erscheine seine Webseite. Auf der Webseite “www.kirmeskind.de” sei kein Content hinterlegt. Der Begriff sei für die registrierten Waren auch nicht üblich geworden im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Da es keine geographische Herkunftsangabe sei, bestehe keine Täuschungsgefahr. Eingetragen worden seien auch die vergleichbaren Wortmarken “Wunderkind” (397 46 170) u. a. für Bekleidungsstücke, “Liebeskind” (303 66 411) u. a. für Taschen und Schuhwaren sowie “Gutmensch” (30 2014 066 000) für T-Shirts. Die Markenanmeldung sei auch nicht bösgläubig erfolgt. Während die Antragstellerin die Bezeichnung erst seit dem Jahr 2014 für ihre Produkte benutze, er aber bereits seit dem Jahr 2012, wie sich aus der vorgelegten Rechnung vom 26. November 2012 ergebe, habe keine Vorbenutzung durch die Antragstellerin stattgefunden. Die Rechnung lasse den Käufer aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erkennen. Eine Vordatierung sei nicht vorgenommen worden. Er betreibe in Soest sogar ein lokales Ladengeschäft, in dem er die geschützten Waren unter der Marke “Kirmeskind” vertreibe. Daher habe zu seinen Gunsten bereits Verkehrsgeltung bestanden, weshalb er ein berechtigtes Interesse daran gehabt habe, diese Verkehrsgeltung durch förmliche Markeneintragung abzusichern sowie sich rechtlich gegen Nachahmer wie die Antragstellerin zu schützen. Der Löschungsantrag sei eine bloße Retourkutsche der Beschwerdegegnerin, weil er sie am 22. September 2016 abgemahnt und aufgefordert habe, die Zeichenbenutzung für Taschen und T-Shirts zu unterlassen. Seine Abmahnung sei erst erfolgt, nachdem er die Antragstellerin zur schnellen Beilegung der Angelegenheit und zur Vermeidung unnötiger Kosten mehrfach per E-Mail angeschrieben und gebeten habe, das Wortzeichen nicht mehr für ihre T-Shirts und Kosmetiktaschen zu benutzen, worauf sie die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts angekündigt habe.
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Mit Beschluss vom 17. August 2017 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA die angegriffene Marke überwiegend gelöscht, nämlich für die Waren der
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Klasse 14: Revers-Pins aus Edelmetall [Juwelier- und Schmuckwaren]; Revers-Pins aus Edelmetall [Schmuckwaren]; Schlüsselanhänger;
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Klasse 24: Bedruckte Textilwaren;
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Klasse 25: Bedruckte T-Shirts; Kurz- oder langärmelige T-Shirts; Kurzärmelige T-Shirts; T-Shirts.
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Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Begriff “Kirmeskind” habe mehrere Bedeutungen. Er bezeichne während einer Kirmes gezeugte Kinder und im Schaustellergewerbe aufwachsende oder aufgewachsene Kinder. Wie die Internetrecherche gezeigt habe, finde das Wort darüber hinaus lebhafte Verwendung zur (Selbst-) Beschreibung begeisterter Kirmesgänger, die damit ihre große Verbundenheit zur Kirmes zum Ausdruck brächten sowie ihre langjährige, regelmäßige Teilnahme und die besondere Beziehung bzw. Liebe zur Kirmes betonten. Damit sei der Begriff zwar nicht unmittelbar beschreibend. Für die gelöschten Waren fehle ihm aber aus sonstigen Gründen sowohl im Anmelde- als auch im Entscheidungszeitpunkt die erforderliche Unterscheidungskraft. Das Markenwort beinhalte die bekenntnishafte Aussage, ein begeisterter Kirmesfreund zu sein. Solche Bekenntnisse würden gerne auf der Vorderseite von Bekleidungsoberteilen angebracht. Sie würden auch bei Anbringung auf Ansteckern, Schmuckwaren, Schlüsselanhängern und bedruckten Textilwaren, wie Tüchern oder Schürzen, nicht als Hinweis auf den Hersteller, sondern als eine Art Sinnspruch oder Botschaft verstanden, die der Träger nach außen transportieren möchte. Der Antragsgegner könne sich nicht auf vergleichbare Voreintragungen berufen, da diese keine Bindungswirkung entfalteten. Die Eintragungen der Marken “Wunderkind” und “Liebeskind” stammten aus den Jahren 1997 und 2003. Seither hätten sich die Verwendung derartiger Begriffe an der Ware und die Rechtsprechung deutlich weiterentwickelt.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Er wiederholt seine Argumentation im patentamtlichen Löschungsverfahren und ist der Ansicht, schon die vom DPMA festgestellte Mehrdeutigkeit des Markenworts begründe die Unterscheidungskraft. Die von der Markenstelle angeführten Quellen belegten keine Gebräuchlichkeit dieses Wortes. Zum Kostenantrag der Antragstellerin trägt er vor, eine Vorbenutzung der Bezeichnung “Kirmeskind” sei ihm nicht bekannt gewesen. Die Einreichung der Beschwerdebegründung habe sich verzögert, weil eine sinnvolle Lösung im Vergleichswege versucht worden sei. Die Verteidigung im Löschungsverfahren sei legitim, zumal das DPMA die Marke selbst eingetragen habe.
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Er beantragt,
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den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des DPMA vom 17. August 2017 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, den Löschungsantrag auch im Übrigen zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin beantragt,
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1. die Beschwerde zurückzuweisen;
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2. dem Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
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Der Antragsgegner stellte den Antrag,
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den Kostenantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung, nimmt Bezug auf ihre bisherige Argumentation und vertritt hinsichtlich ihres Kostenantrages die Auffassung, sie sei durch die Abmahnung des Antragsgegners zur Stellung des Löschungsantrages gezwungen worden. Sie habe ihm unmittelbar nach dem Erhalt der Abmahnung per E-Mail mitgeteilt, dass die Marke wegen Freihaltebedürftigkeit löschungsreif sei. Sein Anwalt hätte bei kritischer Prüfung feststellen können, dass seinem Mandanten keine markenrechtlichen Ansprüche zustehen.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 3. Dezember 2018 sind die Verfahrensbeteiligten unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 2, Bl. 32 – 37 GA) darauf hingewiesen worden, dass die Wortmarke im Umfang der Beschwerde für löschungsreif erachtet werde.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin ergänzend vorgetragen, sie habe auf die Abmahnung des Antragsgegners am 29. September 2016 schriftlich reagiert, sei ihr aber nicht nachgekommen. Daraufhin habe der Antragsgegner am 15. November 2016 eine Verletzungsklage beim Landgericht Düsseldorf – 37 O 90/16 – erhoben. Dieses Verfahren sei im Hinblick auf die verfahrensgegenständliche Löschungsanordnung des DPMA mit Beschluss vom 19. Oktober 2017 ausgesetzt worden.
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Der Senat hat im Anschluss an die mündliche Verhandlung beschlossen, eine Entscheidung an Verkündungs statt zuzustellen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung haben die Verfahrensbeteiligten zur Frage der Kostentragung weiter schriftsätzlich vorgetragen. Danach vertritt der Antragsgegner die Ansicht, mangels bösgläubiger Markenanmeldung liege kein Ausnahmefall vor, der eine Kostenauferlegung zu seinen Lasten rechtfertigen könne. Wegen ihrer fehlenden Einigungsbereitschaft sei eher die Antragstellerin mit Kosten zu belasten. Die Antragstellerin erwidert, der Antragsgegner habe weder dargelegt noch nachgewiesen, dass er die angegriffene Marke tatsächlich benutze. Ihr Vorbringen zur Bösgläubigkeit habe der Antragsgegner weder einfach noch substantiiert bestritten. Sein Verhalten im vorliegenden Verfahren und im Verletzungsverfahren vor dem LG Düsseldorf sei als rechtsmissbräuchlich einzustufen.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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1. Der Eintragung der angegriffenen Wortmarke “Kirmeskind” hat bereits zum Anmeldezeitpunkt am 14. April 2016 in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren der Klassen 14, 24 und 25 das Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegengestanden (§ 50 Abs. 1 MarkenG a. F.) und dieser Löschungsgrund besteht auch noch bis zum Entscheidungszeitpunkt fort (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG a. F.). Die Markenabteilung hat die Marke insoweit deshalb im Ergebnis zu Recht gelöscht.
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a) Da der Löschungsantrag am 6. Oktober 2016 gestellt und die Streitmarke am 14. April 2016 angemeldet wurden, sind auf das vorliegende Verfahren gemäß § 158 Abs. 8 Satz 2 MarkenG die Vorschrift des § 50 Abs. 2 MarkenG sowie gemäß § 158 Abs. 7 MarkenG die Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 10 in der jeweils bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden.
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b) Die Eintragung einer Marke wird auf Antrag, der von jedermann gestellt werden kann (§ 54 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), nach rechtzeitig erhobenem Widerspruch wegen Nichtigkeit gelöscht, wenn die Marke entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist (§ 50 Abs. 1 MarkenG) und wenn Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 MarkenG auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Löschung bestehen (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG). Ist eine solche Feststellung, auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (BGH GRUR 2014, 483 Rdnr. 38 – test m. w. N.). Für die Prüfung der Schutzhindernisse ist auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Marke und das zu diesem Zeitpunkt bestehende Verkehrsverständnis abzustellen (BGH, Beschl. v. 13. September 2018 – I ZB 25/17 Rdnr. 11 – Pippi Langstrumpf II; GRUR 2017, 1262 Rdnr. 13 – Schokoladenstäbchen III; GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten). Soweit der Löschungsantrag auf Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG gestützt wird, kommt eine Löschung gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG nur in Betracht, wenn der Antrag innerhalb von zehn Jahren seit dem Tag der Eintragung gestellt worden ist.
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c) Der Antragsgegner hat dem Löschungsantrag, der am 6. November 2016 als zugestellt gilt, fristgerecht innerhalb der Zweimonatsfrist mit einem am 19. Dezember 2016 beim DPMA eingegangenen Schriftsatz widersprochen (§ 54 Abs. 2 MarkenG).
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Der Löschungsantrag ist am 3. November 2016 als Übergabeeinschreiben an den Antragsgegner abgesandt worden. Gemäß § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG gilt ein mittels Einschreiben übersandtes Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Danach gilt vorliegend die Zustellung als am 6. November 2016 erfolgt.
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d) Der am 6. Oktober 2016 beim DPMA eingegangene Löschungsantrag ist innerhalb der seit der Eintragung der angegriffenen Marke am 2. Mai 2016 laufenden Zehnjahresfrist gestellt worden (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).
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e) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.
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Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (EuGH GRUR 2011, 1035 Rdnr. 37 – 1000; BGH GRUR 2017, 186 Rdnr. 38 – Stadtwerke Bremen). Für die Beurteilung der Eignung eines Zeichens als beschreibende Angabe ist auf die Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise zum maßgeblichen Anmeldezeitpunkt abzustellen. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfordert nicht, dass die fraglichen Zeichen oder Angaben bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen der angemeldeten Art verwendet werden. Vielmehr genügt es, dass sie zu diesen Zwecken verwendet werden können (EuGH GRUR 2004, 146, 147 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; GRUR 2010, 534, juris-Tz. 52 – PRANAHAUS). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es – in üblicher Sprachform und für die beteiligten Verkehrskreise verständlich – ein oder mehrere Merkmale der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH a. a. O. – DOUBLEMINT).
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aa) Unmittelbar warenbeschreibend und damit freizuhalten sind auch Bestimmungsangaben, die die branchentypische Verwendung der beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen beschreiben. Diese können allgemeiner Art sein oder sich auf einzelne Bestimmungen beziehen, wie z. B. auf Abnehmerkreise (BGH GRUR 2003, 1040 Rdnr. 32 u. 42 – Kinder I; GRUR 2007, 1071 Rdnr. 25 – Kinder II; BPatG 27 W (pat) 521/12 – Naturbursche; 30 W (pat) 26/14 – Entdecker; 27 W (pat) 520/12 – Hausmeister;30 W (pat) 27/11 – REMEDIAN; 30 W (pat) 187/98 – Smart Shopper; 24 W (pat) 8/14 – KIDZ ONLY; 25 W (pat) 554/14 – MüesliFreund; 24 W (pat) 568/14 – e-FRIEND; 24 W (pat) 545/14 – Funny Knet Freund; 26 W (pat) 204/95 – Holzfreund). Sie geben dann die Personengruppe an, für die die so gekennzeichneten Waren bestimmt sein sollen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sich die Waren und Dienstleistungen ausschließlich an den betreffenden Abnehmerkreis richten, vielmehr genügt es, wenn dieser neben anderen in Betracht kommt (BPatG 30 W (pat) 27/11 – REMEDIAN). Denn die meisten Waren und Dienstleistungen sind nicht für alle Verbrauchergruppen in gleicher Weise interessant, ohne sich jedoch nach ihrer Art nur für eine ganz bestimmte Gruppe von Personen zu eignen. Gerade deshalb werden in der Werbung die Gruppen, für die die Waren in erster Linie gedacht sind, durch herausgestellte Überschriften angesprochen, wie z. B. Radfahrer, Wanderer, Jugendliche oder Musikfreunde. Kommt für eine Ware nach deren Natur nur eine ganz spezielle Verbrauchergruppe in Betracht, wäre es für die Hersteller unnötig, wenn nicht sogar wettbewerbswidrig, nämlich als Werbung mit Selbstverständlichkeiten, hierauf hinzuweisen (BGH GRUR 2014, 1007 Rdnr. 15 – Geld-Zurück-Garantie III; BPatG 30 W (pat) 52/98 – JAZZMAN).
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bb) Auch im hier betroffenen Schmuck-, Textilwaren- und Bekleidungsbereich sind werblich hervorgehobene Zielgruppen häufig anzutreffen, z. B. Zielgruppen nach demografischen Merkmalen wie Geschlecht und Alter oder nach personenbezogenen Merkmalen wie Interessen, Hobbys oder Freizeitgestaltung, so dass eine derartige Hervorhebung des Adressaten nichts Ungewöhnliches ist und die angesprochenen Verbraucher nicht zu Interpretationen oder Deutungen veranlasst, in welchem Zusammenhang die Zielgruppe zu dem Produkt selbst stehen mag (vgl. zum Lebensmittelbereich: BPatG 25 W (pat) 554/14 – MüesliFreund m. w. N.)
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f) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Wortmarke “Kirmeskind” im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Waren freihaltebedürftig.
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aa) Von den gelöschten Waren werden sowohl der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Chiemsee) als auch der Schmuck-, Textil- und Bekleidungsfachhandel angesprochen.
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bb) Die Streitmarke setzt sich aus den beiden Substantiven “Kirmes” und “Kind” zusammen.
38
aaa) Das Wort “Kirmes” entstammt dem mittelhochdeutschen Wort “kirmesse” für eine “Messe zur Einweihung der Kirche”. Deshalb kommt ihm die Bedeutung “Kirchweih” zu. Synonyme sind “Jahrmarkt, Rummel, Volksfest” (www.duden.de, s. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis).
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bbb) Der Begriff “Kind” bezeichnet ein “noch nicht geborenes, gerade oder vor noch nicht langer Zeit zur Welt gekommenes menschliches Lebewesen; Neugeborenes, Baby, Kleinkind”, einen “Menschen, der sich noch im Lebensabschnitt der Kindheit befindet (etwa bis zum Eintritt der Geschlechtsreife)” oder “eine von jemandem leiblich abstammende Person; einen unmittelbaren Nachkommen” (www.duden.de, s. Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis). Das Wort findet sich in vielen Sprichwörtern, von denen hier allein die Redensart “kein Kind von Traurigkeit” mit der Bedeutung “lebenslustiger Mensch” relevant ist (www.duden.de, s. Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis).
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cc) In seiner Gesamtheit ist das lexikalisch nicht nachweisbare Markenwort “Kirmeskind” schon lange vor dem Anmeldezeitpunkt, dem 14. April 2016, von den angesprochenen breiten Verkehrskreisen verstanden worden entweder im Sinne einer Person, die gerne und regelmäßig Volksfeste besucht, oder im Sinne eines im Schaustellergewerbe aufgewachsenen, aufwachsenden und/oder beschäftigten Menschen.
41
In beiden Bedeutungen ist der Gesamtbegriff “Kirmeskind” schon vor dem Anmeldezeitpunkt häufig verwendet worden, wie einige Belege der Antragstellerin (Anlagen 2 bis 4, 6 und 8 zum Löschungsantrag) und der Markenabteilung sowie die in der mündlichen Verhandlung überreichten Internetrechercheergebnisse des Senats gezeigt haben:
42
– “Zehn Fragen und Antworten nach 100 Tagen – 15.10.2009 – Morbach. Am 9. Juli löste Georg Schuh Hans Jung als Ortsvorsteher ab. … Naja, zur Morbacher Kirmes habe ich eine ganz besondere Beziehung. Ich bin ein richtiges Kirmeskind. Ich habe bei der Morbacher Großveranstaltung noch nie gefehlt (www.volksfreund.de, Anlage 4 zum angefochtenen Beschluss);
43
– “Mister Kirmes Unrau feiert mit Feuerwerk … 12.08.10 … Er ist ein richtiges Kirmeskind …” (Kölnische Rundschau, Anlage 8 zum angefochtenen Beschluss);
44
– “Familienfeste und Kinderkirmes in Deutschland … Familiennachmittag des Kirmesvereins Hohenkirchen e. V. am 22. August 2010 … ein Kindersprecher der Kirmesgesellschaft eröffnete mit den Einmarsch der Kirmeskinder den Familiennachmittag …” (www.mauersberger-haarhausen.dewww.mauersberger-haarhausen.de);
45
– www.mauersberger-haarhausen.de);
46
– “Wo hält sich wohl ein echtes Bennunger Kirmeskind auf? Natürlich auf dem Kirmesplatz. … Für ihn war klar, dass die Schausteller besonders gern für ihn und andere Kirmesgeburtstagskinder gekommen waren.” (25.9.2011, www.mz-web.de);
47
– “09.12.2011 … Im Urlaub geht´s mit dem Märchenkarussell rund … Er habe sich damals von seiner Frau anstecken lassen und sei ein richtiges Kirmeskind geworden, …” (Westfälische Nachrichten, Anlage 7 zum angefochtenen Beschluss);
48
– “Re: FEBRUARMAMIS 2012 … Gestern waren wir alle zusammen mit den Kindern auf die Kirmes. War ein richtig schöner Nachmittag. Jonas ist ein echtes Kirmeskind. …” (www.hipp.de/forum, Anlage 2 zum angefochtenen Beschluss);
49
– “Kirmeskinder stürmen Erlebnispark – Blaukittel wecken Vorfreude auf die Kirmes 2012 …” (www.kirmesverein.de, Anlage 11 zum angefochtenen Beschluss);
50
– “5. September 2012 … Bewunderung für … Peter Brueghels (d.J.) Große Bauernkirmes … Ich mag das Bild sehr, sagt sie lachend, denn ich bin ein richtiges Kirmes-Kind. …” (NGZ ONLINE, Anlage 6 zum angefochtenen Beschluss);
51
– “Kirmeskind: ein Leben als Schul-Nomade … Knapp 40 Orte in einem Jahr. Sie sind das Zuhause von Schaustellern. Das Reisen gehört zu ihrer Arbeit, genauso wie die ständigen Schulwechsel für ihre Kinder …” (RP ONLINE vom 19.7.2013);
52
– “Kirmeskind Jorden erlebt ersten Schultag in Rhede … Am ersten Schultag ist … auch ein “Kirmeskind” eingeschult worden. Jorden M[…], dessen Familie wegen der Rheder Kirmes in der Stadt ist, wird gut eine Woche die Ludgerusschule besuchen. …” (Bocholter-Borkener Volksblatt vom 21.8.2014);
53
– “Off-Topic: Historischer Jahrmarkt in der Jahrhunderthalle Bochum 2014 … Grüße aus Essen nach Schwerte von einem echten Wanne-Eickeler Kirmeskind!” (www.teil-der-maschine.de);
54
– “Allerheiligenkirmes 2015 Soest – Das neue Soester Jägerken wurde vorgestellt – … Zunächst freut sich das “Kirmeskind” Andre auf die Kirmes … (www.soester-anzeiger.de vom 30.10.2015).
55
dd) Schon vor dem Anmeldezeitpunkt hat die Bezeichnung “Kirmeskind” daher aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise schlagwortartig und werbeüblich die Bestimmung der beschwerdegegenständlichen Waren der Klassen 14, 24 und 25 angegeben. Denn diese Angabe ist geeignet gewesen, die Zielgruppe bzw. den Abnehmerkreis der gelöschten Waren unmittelbar zu beschreiben. Der angesprochene Verkehr hat das Markenwort “Kirmeskind” daher als Hinweis auf eine in irgendeiner Weise ausschließlich für regelmäßige Besucher von Volksfesten oder für Angehörige des Schaustellergewerbes vorgesehene Beschaffenheit der Waren und nicht als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen aufgefasst.
56
ee) Dabei ist es unerheblich, dass dem Begriff mehrere Bedeutungen zukommen können. Denn zum einen kann von einem beschreibenden Begriff auch dann ausgegangen werden, wenn das Zeichenwort verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage und nicht klar umrissen ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt (EuGH a. a. O. – DOUBLEMINT; GRUR 2004, 680 Rdnr. 38 – 42 – BIOMILD; BGH GRUR 2014, 872 Rdnr. 25 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT; GRUR 2013, 522 Rdnr. 13 – Deutschlands schönste Seiten). Zum anderen eignet sich vorliegend jede Bedeutung zur Beschreibung des Abnehmerkreises der in Rede stehenden Waren.
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ff) Sämtliche gelöschten Produkte können sich an Kirmesgänger oder Schausteller richten oder dazu bestimmt sein, von ihnen auf und außerhalb von Jahrmärkten als Zeichen ihrer Begeisterung für Volksfeste oder ihrer Zugehörigkeit zum Kirmespersonal getragen zu werden.
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Die Internetrecherche des Senats, deren Ergebnisse in der mündlichen Verhandlung überreicht worden sind, hat ergeben, dass schon vor dem Anmeldetag, dem 14. April 2016, eine Vielzahl an Bekleidungsstücken, vor allem aber auch T-Shirts, Pins und andere Artikel zum Kauf angeboten worden sind, die eine bekenntnishafte Aussage zur Kirmes enthalten:
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– “Oktoberfest Damen – Kirmes Mädchen – Damen T-Shirt mit V-Ausschnitt … Wenn du noch auf der Suche nach der passenden Ausstattung bist, liegst du mit diesem sexy Motiv zum Thema “Kirmes Mädchen” richtig! Im Zusammenspiel wirken Dirndl, Comic, Bierkrug und Bier, die gemeinsam den Oktoberfest-Look für Frauen und Damen zaubern …” (im Angebot von Amazon seit 5.9.2015);
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– “CRANGER KIRMES 2015 – Zwei Kirmesfans aus Herne entwerfen T-Shirt mit Crange-Motiv … Was tun, wenn man ein schönes T-Shirt von der Cranger Kirmes sucht und keins findet? …” (www.waz.de vom 6.7.2015);
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– Zum 475. Jubiläum der Beecker Kirmes, ihres Zeichens die größte Kirmes am Niederrhein, hatten sich der Veranstalter FrischeKontor und die zahlreichen Schausteller jede Menge vorgenommen … Zum Jubiläum legte FrischeKontor Merchandise-Artikel auf. Das T-Shirt und der Pin wurden von Schaustellern wie auch Besuchern stark nachgefragt …” (www.duisburgkontor.de von 2014);
62
– “Kirmes-Pin – Im Jahr 1997 wurde erstmals ein Anstecker mit dem Jägerken von Soest – der Symbolfigur der Soester Allerheiligenkirmes – herausgegeben. Seitdem gibt es jedes Jahr einen Pin mit neuem Motiv zum Sammeln und Anstecken. Die Auflage des Pins ist limitiert und der Ansturm auf die Sammelpins traditionell groß. …” (www.allerheiligenkirmes.de).
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Daher gibt der Begriff “Kirmeskind” den Abnehmerkreis der beschwerdegegenständlichen Waren “Bedruckte T-Shirts; Kurz- oder langärmelige T-Shirts; Kurzärmelige T-Shirts; T-Shirts” der Klasse 25 sowie der Produkte “Bedruckte Textilwaren” der Klasse 24 an. Dies gilt auch für die in Klasse 14 gelöschten Waren “Revers-Pins aus Edelmetall [Juwelier- und Schmuckwaren]; Revers-Pins aus Edelmetall [Schmuckwaren]; Schlüsselanhänger”, weil es ausweislich der vorgenannten Senatsrecherche schon vor dem Anmeldetag üblich gewesen ist, zur Erinnerung an den Besuch einer Kirmes oder als Zugehörigkeitsausweis Anstecker herauszugeben, so dass die Aufschrift “Kirmeskind” auf den in Rede stehenden Produkten nur die Begeisterung für oder die Zugehörigkeit zur Kirmes zum Ausdruck bringt, aber nicht auf einen bestimmten Hersteller hinweist.
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gg) Der Umfang der nachgewiesenen Verwendung dieses Begriffs vor dem Anmeldezeitpunkt reicht aus, um eine generelle Beschreibungseignung anzunehmen. Er ist zudem ein bedeutendes Indiz für das erhebliche Interesse der Mitbewerber daran, diese Bezeichnung weiterhin ungestört von Markenrechten Dritter nutzen zu können. Soweit die Eignung zur Beschreibung festgestellt worden ist, bedarf es entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers für die Begründung des Eintragungshindernisses der Freihaltebedürftigkeit keines weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweises, dass und in welchem Umfang die angemeldete Marke als beschreibende Angabe bereits bekannt ist oder verwendet wird. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt, dass die Zeichen oder Angaben diesem Zweck “dienen können” (BPatG a. a. O. – Sportsfreund).
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hh) Wegen seiner Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der Zielgruppe der in Rede stehenden Waren kommt auch keine Schutzfähigkeit aufgrund markenmäßiger Verwendungsmöglichkeit in Betracht.
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aaa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt es für die Bejahung der Unterscheidungskraft, wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, das angemeldete Zeichen bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen tatsächlich so zu verwenden, dass die Verkehrskreise es ohne weiteres als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen. Zur Beurteilung sind die üblichen Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Waren- oder Dienstleistungssektor einzubeziehen (GRUR 2014, 1204 Rdnr. 21 – DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 1044 Rdnr. 20 – Neuschwanstein; BGHZ 185, 152 Rdnr. 21 f. – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 1100 Rdnr. 28 – TOOOR!). Seinen früheren Standpunkt, wonach die prüfenden Stellen nur die nach ihrer Sachkunde auf dem jeweils betroffenen Waren- oder Dienstleistungsgebiet wahrscheinlichste Verwendung zugrunde zu legen hatten (EuGH GRUR 2013, 519 Rdnr. 55 Deichmann SE/HABM [umsäumter Winkel]), hat der Europäische Gerichtshof aufgegeben und verlangt nunmehr, alle wahrscheinlichen Verwendungsarten zu prüfen, soweit sie wegen ihrer Üblichkeit in der betreffenden Branche praktisch bedeutsam sein können (EuGH GRUR 2019, 1194 Rdnr. 17 ff. – AS/DPMA [#darferdas?]). Die Anbringung eines Zeichens in der Art einer Marke auf der Ware, auf Etiketten der fraglichen Ware oder auf der Verpackung führt aber nicht ausnahmslos dazu, dass der Verkehr es als Herkunftshinweis versteht. Vielmehr kann auch bei dieser Art der Anbringung die Frage, ob der Verkehr das Zeichen als Herkunftshinweis ansieht, nach der Art des Zeichens und der Waren variieren, an denen es angebracht wird (vgl. BGH a. a. O. – Neuschwanstein; GRUR 2010, 838 Rdnr. 20 – DDR-Logo). Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Verkehr das Markenwort wegen einer besonderen Nähe zu den Verwendungsmöglichkeiten der Waren unabhängig von der konkreten Präsentation auf der Ware, auf Etiketten, Anhängern, Aufnähern oder der Verpackung jeweils nur in einem beschreibenden Sinne auffasst und ihm deshalb keinen Herkunftshinweis entnimmt (vgl. BGH a. a. O. – Neuschwanstein; GRUR 2009, 411 Rdnr. 13 – STREETBALL; BGH a. a. O. Rdnr. 30 – TOOOR!; BGH a. a. O. Rdnr. 23 – Marlene-Dietrich-Bildnis II).
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bbb) Da es sich bei der vorliegenden Zielgruppenangabe um eine unmittelbar beschreibende Angabe handelt, wird die angegriffene Marke auch auf Etiketten, Anhängern, Aufnähern oder der Verpackung der Waren als auf dem Schmuck-, Textilwaren- und Bekleidungssektor übliche und praktisch bedeutsame Verwendungsarten nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst.
68
ii) Der Umstand, dass bei einer Internetrecherche nach dem Markenwort die Webseite des Antragsgegners erscheint, ist wenig aussagekräftig. Ohne die Mitteilung von Umsatzzahlen, getätigten Werbeaufwendungen und Angaben zum Marktanteil der Streitmarke sowie den Nachweis, dass diese vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis wahrgenommen wird, lässt dieses Internetergebnis keine Rückschlüsse auf einen möglichen Durchsetzungsgrad zu.
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g) Das Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit der Streitmarke in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren besteht auch noch zum Entscheidungszeitpunkt fort.
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“Kirmeskind” enthält auch gegenwärtig nur eine Sachaussage über den Träger der Textilwaren und Anstecker, nämlich, dass es sich um einen leidenschaftlichen Kirmesbesucher oder Angehörigen der Schausteller handelt. An diesem Verständnis hat sich bis zum Entscheidungszeitpunkt nichts geändert, wie eine weitere, in der Sitzung überreichte Internetrecherche des Senats gezeigt hat:
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– Wie sich Kirmes-Fans auf die fünfte Herner Jahreszeit vorbereiten – Die größten Fans der Cranger Kirmes …Eine Familie echter Kirmeskinder ist die Familie B[ …]. Die drei Brüder … sind in unmittelbarer Nähe zum Kirmesplatz aufgewachsen. … Auch Nela ist ein richtiges Kirmeskind: Sie ist währen der Kirmes geboren …” (https://inherne.net, Das Stadtmagazin Online vom 20.7.2018);
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– “VREDENER KIRMESKIND – DAS ACCESSOIRE ZUR VREDENER KIRMES – Bereits im vergangenen Jahr schmückte das Armband “Vredener Kirmeskind” viele Kirmesfreunde, die sich mit Vreden und hier vor allem mit seinem Volksfest verbunden fühlen und dieses auch gerne nach außen zum Ausdruck bringen. … Die Armbänder gibt es auch dieses Jahr wieder! … Sie können voraussichtlich ab Mittwochnachmittag, den 28.08.2019 am Bürgerbüro der Stadt Vreden zum Preis von 1 EUR erworben werden (www.vreden.de);
73
– “Online-Hit “Kirmeskind” wird am Montag auf der Vredener Kirmes live präsentiert” (Münsterland Zeitung vom 31.8.2019);
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– “Zwischen Tradition und Moderne – Der Präsident der Europäischen Schaustellerunion kommt zur Eröffnung des Backfischfests … Er ist ein waschechtes Kirmeskind. …” (WORMSER WOCHENBLATT).
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Auch gegenwärtig werden T-Shirts und Pins für begeisterte Kirmesgänger oder Angehörige der Schausteller mit entsprechenden Aufdrucken angeboten, wie bei der in der mündlichen Verhandlung bekannt gemachten Internetrecherche des Senats vom 7. und 28. Oktober 2019 festgestellt worden ist:
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– “Teenager T-Shirt mit dem Aufdruck “Kirmes Zicke” (www.spreadshirt.de);
77
– Kirmes T-Shirt BuXsbaum mit den Aufdrucken “KIRMES” oder einer Rie-senrad-Silhouette (www.buysomeshirts.com);
78
– T-Shirt mit dem Aufdruck “KIRMES ENDLICH NORMALE LEUTE” (www.teezily.com);
79
– T-Shirt mit dem Aufdruck “GEHT ZUR KIRMES” (www.freenet.de);
80
– Schausteller-T-Shirts mit den Aufdrucken “EAT SLEEP KIRMES REPEAT” oder “Schausteller Dad” und Baby Body mit dem Aufdruck “Schausteller Kind” (www.amazon.de);
81
– Schausteller-T-Shirt mit dem Aufdruck “THE GREATEST SHOWMAN” (www.redbubble.com);
82
– T-Shirt mit dem Aufdruck “BEECK ROCKT – BEECKER KIRMES”, angeboten unter der Überschrift “Beeck rockt! Zeit für ein einzigartiges Kirmes-Shirt!” (www.beecker-kirmes.de);
83
– “Cranger Kirmes Fritz Pin 2015 (www.ebay.de) und
84
– “HÜSTENER KIRMES 2019 …Dies war für die Veranstalter der Grund, mit dem diesjährigen Kirmes-Pin auf das große Comet-Feuerwerk aufmerksam zu machen. …” (www.kirmes-info.de).
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Der Umfang der nachgewiesenen Verwendung dieses Begriffs zum Entscheidungszeitpunkt reicht ebenfalls aus, um eine generelle Beschreibungseignung für die in Rede stehenden Waren der Klassen 14, 24 und 25 anzunehmen.
86
2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob die Marke darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1, 4 oder 10 MarkenG schutzunfähig ist.
87
3. Die vom Antragsgegner angeführten Voreintragungen rechtfertigen keine andere Entscheidung.
88
a) Die Eintragung der Wortmarke “Wunderkind” (397 46 170) für Schmuck- und Textilwaren sowie Bekleidung in den Klassen 14, 24 und 25 ist am 14. September 1998 erfolgt und liegt somit mehr als 20 Jahre zurück. Sie ist zudem noch vor der Rechtsprechungsänderung durch den EuGH in den Entscheidungen zu “DOUBLEMINT” und “BIOMILD” (EuGH a. a. O.) ergangen, wonach ein Wortzeichen schon dann von der Eintragung ausgeschlossen werden kann, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen beschreibt. Hinzu kommt, dass es eine relevante Zielgruppe “Wunderkinder” nicht geben dürfte, weil eine Ausrichtung auf diesen speziellen Abnehmerkreis wirtschaftlich nicht sinnvoll wäre.
89
b) Die am 2. August 2004 und damit vor 15 Jahren registrierte Wortmarke “Liebeskind” (303 66 411) ist vor allem für Leder- und Schuhwaren und damit für andere Produkte eingetragen worden. Ferner handelt es sich weder in der registrierten Zusammenschreibung noch in getrennter Form als Anrede eines braven kleinen Menschen um eine typische Zielgruppenbezeichnung.
90
c) Die am 21. Januar 2015 u. a. ebenfalls für T-Shirts eingetragene Wortmarke “Gutmensch” (30 2014 066 000) ist schon von der Zeichenbildung her nicht ver-gleichbar, weil er weder aus zwei Substantiven besteht noch irgendein Element der Streitmarke enthält.
91
d) Aber selbst wenn diese Voreintragungen vergleichbar wären, könnte es sich um rechtswidrig vorgenommene Eintragungen handeln. Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rdnr. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und SCHWABENPOST). Für die erforderliche Bereinigung des Markenregisters sieht das Gesetz gerade das Löschungsverfahren vor, das von jedermann eingeleitet werden kann.
III.
92
Der Antrag der Beschwerdegegnerin, dem Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, hat Erfolg.
93
1. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG gilt der Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG kann das Bundespatentgericht die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hierzu bedarf es stets besonderer Umstände (BGH GRUR 1972, 600, 601 – Lewapur; GRUR 1996, 399, 401 – Schutzverkleidung). Solche Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht und dadurch dem Verfahrensgegner vermeidbare Kosten aufbürdet (vgl. BGH a. a. O. – Lewapur; BPatG 29 W (pat) 504/15 – Vital You!®/VITAL/VITAL regional; 27 W (pat) 14/13 – SOLITUDE REVIVAL; 27 W (pat) 40/12 – mcpeople/McDonald′s; BPatGE 12, 238, 240 – Valsette/Garsette). Dabei ist stets ein strenger Maßstab anzulegen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Kostentragung aus Billigkeitsgründen nur ausnahmsweise bei einem sorgfaltswidrigen Verhalten in Betracht kommt. Demnach ist auch der Verfahrensausgang in der Hauptsache für sich genommen kein Grund, einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen (BGH a. a. O. – Lewapur; a. a. O. – Schutzverkleidung).
94
Im Löschungsverfahren sind solche besonderen Umstände gegeben, wenn der Markeninhaber trotz einer ersichtlich begründeten Löschungsaufforderung an einer gemäß § 8 MarkenG schutzunfähigen Marke festhält und damit den Löschungsantrag provoziert, oder wenn eine bösgläubige Markenanmeldung vorliegt (BPatG 26 W (pat) 61/14 – MUC). Denn wer missbräuchlich Markenschutz in Anspruch nimmt, muss sich notwendige Maßnahmen, die auf Beseitigung der rechtswidrigen Zeichenlage gerichtet sind, zurechnen lassen (BPatG GRUR 2001, 744, 748 – S100).
95
2. Im Hinblick darauf, dass die Markenstelle selbst die gegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verstoßende Streitmarke eingetragen hat, kann dem Antragsgegner nicht vorgeworfen werden, dass er den Löschungsantrag provoziert habe.
96
3. Es ist aber von einer bösgläubigen Markenanmeldung auszugehen (§ 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F).
97
a) Eine solche wird angenommen, wenn die anmeldende Person in Kenntnis eines fremden, durch Vorbenutzung entstandenen, bundesweit schutzwürdigen Besitzstandes ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung oder Unterbindung dieses Besitzstandes als Kennzeichen eintragen lässt, wenn sie die mit der Eintragung entstehende Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzen will oder wenn sie die Markenanmeldung allein zu dem Zweck beabsichtigt, den Marktzutritt einer anderen Person zu verhindern, ohne die Marke selbst benutzen zu wollen (EuGH GRUR 2009, 763 Rdnr. 44 – Lindt & Sprüngli/Hauswirth; BGH GRUR 2016, 380 Rdnr. 17 – GLÜCKSPILZ m. w. N.; BGH GRUR 2016, 378 Rn. 18 ff. – LIQUIDROM).
98
b) Über einen eigenen markenrechtlich relevanten schutzwürdigen Besitzstand, in den die Anmeldung der angegriffenen Marke eingreifen könnte, hat die Antragstellerin nicht verfügt. Abgesehen davon, dass sie selbst von einer Freihaltebedürftigkeit des allgemein gebräuchlichen Markenworts “Kirmeskind” ausgeht, hat sie nicht vorgetragen, diese Bezeichnung für die von ihr hergestellten Produkte markenmäßig verwendet zu haben. Sie hat nach ihrem unbestrittenen Vorbringen lediglich auf verschiedene Weise – durch Einnähen von Buchstaben, Verwendung von Strasssteinen oder sonstigen kleinteiligen Gegenständen, Aufsticken oder Aufnähen – den Schriftzug “Kirmeskind” auf (Kosmetik-)Taschen und ähnliche Produkte aufgebracht oder gleichlautende Aufnäher für unterschiedliche Textilien hergestellt sowie stationär, im Internet und über die Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt Soest zum Verkauf angeboten, die die die jährliche Allerheiligenkirmes, einen Onlineshop sowie Verkaufsstände auf der vorgenannten Kirmes und auf dem städtischen Weihnachtsmarkt betreibt.
99
c) Unabhängig vom Bestehen eines schutzwürdigen Besitzstandes eines Dritten kann der Erwerb eines formalen Markenrechts aber auch dann bösgläubig sein, wenn sich die Anmeldung der Marke unter anderen Gesichtspunkten als wettbewerbs- oder sittenwidrig darstellt. Das wettbewerblich Verwerfliche kann insoweit insbesondere darin gesehen werden, dass ein Markenanmelder die mit der Eintragung der Marke verbundene – an sich unbedenkliche – Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (vgl. BGH GRUR 2008, 917 Rdnr. 20 – EROS; GRUR 2008, 621 Rdnr. 21 – AKADEMIKS). Dabei ist die maßgebliche Grenze zur Bösgläubigkeit dann überschritten, wenn das Verhalten des Markenanmelders bei objektiver Würdigung aller Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung eines Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 28 – GLÜCKSPILZ; BGH a. a. O. Rdnr. 23 – EROS; BGH a. a. O. Rdnr. 32 – AKADEMIKS). Für eine Bösgläubigkeit spricht beispielsweise, wenn der Markeninhaber mit der Anmeldung Druck ausübt, um finanzielle oder sonstige Gegenleistungen zu erzwingen (BGH GRUR 2001, 244, juris-Tz. 39 – Classe E; BPatG 30 W (pat) 61/09 – Cali Nails). Die Absicht, die Marke zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen, braucht nicht der einzige Beweggrund für die Anmeldung zu sein; vielmehr reicht es aus, wenn diese Absicht das wesentliche Motiv war (BGH GRUR 2000, 1032, 1034 – EQUI 2000; a. a. O. – AKADEMIKS; a. a. O. – EROS). Die Annahme einer Bösgläubigkeit wird nicht schon durch die Behauptung oder den Nachweis eines eigenen Benutzungswillens ausgeschlossen. Vielmehr ist eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich (vgl. BGH a. a. O. – AKADEMIKS). Je weniger der Markeninhaber die angemeldete Marke sinnvoll für seine eigenen Geschäfte verwenden kann, desto eher kommt eine Behinderungsabsicht in Betracht (EuGH GRUR 2009, 763, 765 – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; BGH GRUR 1984, 210 f. – Arostar). Für die Beurteilung der Bösgläubigkeit ist der Zeitpunkt der Markenanmeldung maßgeblich (BGH GRUR a. a. O. Rdnr. 14 – Glückspilz; BGH a.a.O. Rdnr. 14 – LIQUIDROM; GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten). Dies schließt jedoch eine Berücksichtigung des Verhaltens des Anmelders vor und nach der Markenanmeldung nicht aus, denn aus diesem Verhalten können sich Anhaltspunkte für oder gegen eine zum Anmeldezeitpunkt vorliegende Behinderungsabsicht ergeben (vgl. BGH a. a. O. – Glückspilz; BPatG 29 W (pat) 16/14 – YOU & ME; 25 W (pat) 77/17 – HORSE KICK).
100
aa) Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass der Antragsgegner vor der Markenanmeldung mit zwei Mitarbeiterinnen der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt Soest gesprochen habe, weil er seine Produkte über die Tourismusinformation bzw. offizielle Verkaufsstände der Stadt Soest habe anbieten wollen. Als das Gespräch auf “Kirmeskind” gekommen sei, hätten die beiden Mitarbeiterinnen mitgeteilt, dass man bereits Produkte mit der Bezeichnung “Kirmeskind” seit Jahren erfolgreich verkaufe. Daraufhin habe der Antragsgegner erklärt, er werde das Zeichen für sich anmelden und exklusiven Schutz erwerben und dann den Verkauf bzw. Vertrieb anderweitiger Produkte unterbinden. Ferner habe er diesen Plan auch für andere Jahrmärkte außerhalb des Gebiets der Soester Allerheiligenkirmes angekündigt.
101
Diesen Vortrag hat der Antragsgegner nicht, geschweige denn substantiiert bestritten. Seine unstreitige Äußerung zeigt, dass er mit der Markenanmeldung in erster Linie beabsichtigt hat, die Antragstellerin und alle anderen möglichen Wettbewerber beim Warenvertrieb auf Jahrmärkten zu behindern. Offensichtlich hat er die Antragstellerin aus der Geschäftsbeziehung mit der Stadt Soest herausdrängen und selbst ihr Partner werden wollen.
102
bb) Hinzu kommt, dass es hinreichende Anhaltspunkte für das Fehlen eines generellen Benutzungswillens des Antragsgegners gibt.
103
aaa) Zum Nachweis einer Benutzung hat er eine einzige Rechnung vom 26. November 2012, also 1 ½ Jahre vor der Anmeldung, vorgelegt, aus der sich nicht einmal eine markenmäßige Benutzung der Bezeichnung “Kirmeskind” ergibt. Die Rechnung ist vom Antragsgegner als Inhaber der H… ausgestellt für ein unbedrucktes schwarzes T-Shirt zum Preis von 5 €, für 15-minütige Plotarbeiten zum Preis von 16,80 € und für den “Aufdruck Kirmeskind weiß Flex” für 5,60 €. Daraus ergibt sich, dass er ein T-Shirt mit dem Schriftzug “Kirmeskind” bedruckt hat. Seine Druckerei, die in der Rechnung auch als Werbeagentur und Designwerkstatt bezeichnet wird, leistet wohl auch Textildruckarbeiten. Eine markenmäßige Verwendung der Bezeichnung “Kirmeskind” für seine T-Shirts lässt sich dieser Rechnung nicht entnehmen.
104
bbb) Soweit er darüber hinaus vorgetragen hat, dass er die geschützten Waren im Ladengeschäft in Soest unter der angegriffenen Marke vertreibe, ist diese Behauptung angesichts der vorgelegten Rechnung widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Er hätte substantiiert vortragen müssen, ob und in welchem Umfang er neben der Bedruckung von T-Shirts im Kundenauftrag auch fertig bedruckte Textilwaren, Revers-Pins und Schlüsselanhänger unter der Streitmarke in seiner Druckerei/Werbeagentur/Designwerkstatt anbietet oder welches andere Ladengeschäft er für solche Waren in Soest betreibt.
105
ccc) Auch seinem von der Antragstellerin bestrittenen Vorbringen, zu seinen Gunsten habe Verkehrsgeltung für die Bezeichnung bestanden, fehlen konkrete Angaben und Belege zu Art, Form, Beginn, Dauer und Umfang der Benutzung durch Darlegung von Umsätzen, Marktanteilen, Werbeaufwendungen sowie Vorlage von Preislisten, Produktmustern, Werbematerial etc.. In der Regel ist zudem ein empirischer Nachweis der Verkehrsgeltung in Form eines Meinungsforschungsgutachtens erforderlich.
106
ddd) Es ist zudem nicht erkennbar, dass er mit der Markenanmeldung einen berechtigten wirtschaftlichen Zweck bzw. eine wirtschaftliche Logik verfolgt hat (EuGH Urt. v. 12.9.2019 – C-104/18 P (EUIPO), BeckRS 2019, 20743 Rdnr. 46 – Koton/Esteban).
107
(1) Nach der jüngsten EUGH-Rechtsprechung (Urt. v. 12.9.2019 – C-104/18 P (EUIPO), BeckRS 2019, 20743 – Koton/Esteban) ist im Rahmen der Bösgläubigkeit auch zu prüfen, ob der Anmeldung einer Marke für die fraglichen Waren und Dienstleistungen in Anbetracht der Tätigkeiten des Inhabers eine unternehmerische Logik zukam (EuGH a. a. O. Rdnr. 62 – Koton/Esteban).
108
(2) Da der Antragsgegner nachweisbar in erster Linie einen Textildruck, aber keine Anstecker, T-Shirts oder Schlüsselanhänger unter der angegriffenen Marke anbietet, ist eine unternehmerische Logik nicht zu erkennen. Insoweit obliegt ihm aber die Darlegungs- und Beweislast, denn nur er ist in der Lage, zum Inhalt seiner noch nicht nach außen gelangten wirtschaftlichen Pläne bzw. seinem Nutzungskonzept vorzutragen.
109
eee) Ferner hat er, obwohl die Antragstellerin im E-Mail-Verkehr mit ihm Anfang September 2016 gewichtige Argumente für die Freihaltebedürftigkeit der Streitmarke geliefert und um gemeinsame kritische Prüfung gebeten hat, ohne darauf einzugehen, bereits am 22. September 2016 eine schriftliche Abmahnung ausgesprochen und sogar die Benutzung für Taschen untersagt, obwohl diese nicht zu den für ihn geschützten Waren gehören. Nachdem die Antragstellerin ihren Standpunkt am 29. September 2016 schriftlich wiederholt hat, hat der Antragsgegner am 15. November 2016 eine Verletzungsklage gegen sie beim Landgericht Düsseldorf – 37 O 90/16 – erhoben.
110
c) Die Gesamtabwägung aller vorstehenden Umstände des Einzelfalls rechtfertigt vorliegend die Annahme, dass der Antragsgegner die Marke in der Absicht hat eintragen lassen, ihre Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes gegen die Antragstellerin einzusetzen, um sie aus dem Wettbewerb zu verdrängen sowie Unterlassungs- und Geldersatzansprüche gegen sie durchzusetzen.
111
4. Das nach Schluss der mündlichen Verhandlung schriftlich vorgebrachte Vorbringen der Verfahrensbeteiligten sind nicht zu berücksichtigen. Nachdem der Senat entschieden hat, dass gemäß § 79 Abs. 1 Satz 3 MarkenG eine Entscheidung an Verkündungs Statt zugestellt wird, hat diese Entscheidung auf der Grundlage der vorangegangenen mündlichen Verhandlung zu ergehen (BPatGE 77, 80 f. – VISION; MarkenR 2011, 217 Rdnr. 13 – Yoghurt-Gums). Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 296a Satz 1 ZPO können nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die eine gerichtliche Entscheidung ergeht, Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgetragen werden. Eine Ausnahme gilt nach § 296a Satz 2 ZPO nur dann, wenn das Gericht den Verfahrensbeteiligten gemäß § 283 ZPO eine Frist zur Nachreichung von Schriftsätzen gewährt hat. Im vorliegenden Fall ist eine solche Frist weder beantragt noch bewilligt worden.
112
5. Wegen der beiden nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze bestand schon deshalb kein Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß § 76 Abs. 6 Satz 2 MarkenG wiederzueröffnen, weil die Verfahrensbeteiligten keine wesentlichen neuen Umstände vorgetragen, sondern lediglich ihre unterschiedlichen Rechtsauffassungen zur Frage der Kostentragung aufgrund bösgläubiger Markenanmeldung bekräftigt haben. Ein Fall des § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. §§ 156 Abs. 2 Nr. 1, 139 Abs. 5 ZPO ist ebenfalls nicht gegeben. Denn der Senat hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Kostenauferlegung zu Lasten des Antragsgegners wegen Bösgläubigkeit in Betracht komme und beide Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.