Aktenzeichen 25 W (pat) 79/14
Verfahrensgang
nachgehend BGH, 18. Oktober 2017, Az: I ZB 106/16, Beschluss
Tenor
In der Beschwerdesache
…
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betreffend die Marke 398 69 970
(hier: Löschungsverfahren S 307/10 Lösch)
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juli 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener sowie des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Februar 2014 in der Hauptsache aufgehoben. Auf den Löschungsantrag hin wird die Löschung der Marke 398 69 970 angeordnet.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
1
Die nachfolgende dreidimensionale Gestaltung
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
2
ist am 28. August 2001 unter der Nr. 398 69 970 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Ware der Klasse 30:
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Tafelschokolade
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eingetragen worden.
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Am 25. November 2010 hat die Löschungsantragstellerin das für Löschungsanträge vorgesehene amtliche Formblatt eingereicht, das ohne weitere Differenzierungen drei Gründe für eine Löschung vorsieht, nämlich § 3, § 7 und § 8 MarkenG, und gestützt auf § 50 Abs. 1 i. V. m. § 3 MarkenG die Löschung der streitgegenständlichen Marke beantragt. Mit dem beigefügten Schriftsatz hat sie im Einzelnen begründet, warum die Marke nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu löschen sei. Dem ihr am 13. Dezember 2010 zugestellten Löschungsantrag hat die Markeninhaberin mit dem am 11. Februar 2011 beim DPMA eingegangenen Schriftsatz vom 8. Februar 2011 widersprochen. In einem weiteren Schriftsatz vom 5. April 2011 hat die Löschungsantragstellerin ihren Vortrag dahingehend ergänzt, dass auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 1 MarkenG der Eintragung entgegenstehe, weil die der Anmeldung zugrundeliegenden Abbildungen des Schutzgegenstandes nicht erkennen ließen, um was es sich bei der dargestellten Gestaltung handle.
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Mit Beschluss vom 26. Februar 2014 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA den Löschungsantrag zurückgewiesen. Nach Zustellung dieses Beschlusses und dem Eingang der Beschwerde hat die Löschungsantragstellerin mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2015 vorgetragen, dass der Löschungsantrag nicht mehr mit § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG begründet werde, sondern nur noch auf Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 MarkenG gestützt werde. Die Markeninhaberin hat in der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2016 eine von ihr in Auftrag gegebene Online-Verkehrsbefragung zum Thema Schokolade vorgelegt und hierzu im Einzelnen Ausführungen gemacht, die sie u. a. in dem nach der mündlichen Verhandlung eingereichten, nicht nachgelassenen Schriftsatz vertieft hat.
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Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die Markenabteilung ausgeführt, dass Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bzw. § 8 Abs. 1 MarkenG vorliegend nicht gegeben seien. Vom Markenschutz ausgeschlossen seien nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG Warenformen, die technisch bedingt seien, wobei es ausreiche, dass die wesentlichen Merkmale der Form eine technische Funktion erfüllten. Dagegen komme es nicht darauf an, ob sich die gleiche technische Wirkung auch unter Verwendung anderer Formalternativen erreichen lasse. Sofern aber die beanspruchte Warenform weitere Merkmale aufweise, die über die bloße technische Gestaltung hinausgingen, komme der Ausschlussgrund nicht mehr in Betracht. Beim Zusammentreffen von technischen und nicht technisch bedingten Merkmalen in einer Form komme es darauf an, ob ein technischer Überschuss des entsprechenden Formmerkmals bestehe und ob dieser Überschuss den Gesamteindruck der Form wesentlich mitbestimme. Bei der vorliegenden Marke falle die quadratische Form der Verpackung und des Inhalts auf, die sich von den üblichen Formen im Bereich der Tafelschokolade abhebe. Weiterhin würden die geriffelten seitlichen Quernähte und die Längsnaht an der Unterseite, die zum Öffnen der Verpackung bestimmt seien, ins Auge fallen. Nach der Verkehrsauffassung würden daher die folgenden Merkmale den Gesamteindruck der Form wesentlich mitbestimmen: die quadratische Form des tafelförmigen Inhalts, die quadratische Form der Verpackung, die Längsnaht an der Unterseite, die Riffelung der Quernähte, die gerändelte Längsnaht sowie das Zickzack-Muster der Außenkanten der Quernähte und des Endbereichs der Längsnaht. Das nach § 29 Abs. 1 PatG hinzugezogene technische Mitglied des DPMA sei zu dem Ergebnis gekommen, dass von den oben genannten Merkmalen die Längsnaht an der Unterseite, die Riffelung der Quernähte und die gerändelte Längsnaht technisch bedingt seien (wobei die genaue Positionierung der Längsnaht nicht technisch bedingt sei). Das Zickzack-Muster an den Außenkanten der Quernähte sei deshalb nicht technisch bedingt, weil die Zacken auffällig klein seien und deswegen das Aufreißen der Verpackung nicht erleichtern würden. Auch die exakte Platzierung der Längsnaht sei keine technisch bedingte Entscheidung. Die quadratische Form des Inhalts, die quadratische Form der Verpackung, die Positionierung der Längsnaht und das Zickzack-Muster an den Außenkanten der Quernähte seien nicht technisch bedingt und damit ein gestalterisches Merkmal der Form. Dem stehe nicht entgegen, dass eine Offenlegungsschrift vom 10. Dezember 1974 mit der Registernummer DE 24 58 462, die eine Schlauchverpackung für tafelförmiges Stückgut beschreibe, die quadratische Form von Inhalt und Verpackung als bevorzugte Ausführungsform offenbare. Die quadratische Form sei nicht der Gegenstand des Patents und zur Lösung der Aufgabe auch nicht erforderlich gewesen. Die Herstellung der Verpackung von Tafelschokolade sei immer ein technischer Vorgang, wohingegen die Wahl der Form der Tafelschokolade eine gestalterische Entscheidung sei. Lediglich die Umsetzung dieser gestalterischen Entscheidung müsse technisch erfolgen. Damit würden die gestalterischen Merkmale der Verpackung überwiegen, wobei der quadratischen Form eine besondere Bedeutung zukomme. Sie hebe sich merklich von den üblichen Formen ab und werde derart mit der Markeninhaberin in Verbindung gebracht, dass die Blankoverpackung im Wege der Verkehrsdurchsetzung ins Markenregister eingetragen worden sei.
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Es bestehe auch kein Schutzhindernis nach § 8 Abs.1 MarkenG. Die Marke sei graphisch darstellbar. Die zur Markenanmeldung vorgelegte Abbildung des Schutzgegenstandes zeige klar und scharf die Ober- und Unterseite der Blankoverpackung. Die Längsnaht auf der Unterseite und die Quernähte seien deutlich und klar erkennbar. Mögliche Unschärfen bei der Registerabbildung seien nicht ausschlaggebend.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Löschungsantragstellerin.
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Im Beschwerdeverfahren hat sie zunächst im Wesentlichen in gleicher Weise argumentiert, wie im Verfahren vor dem DPMA, nämlich dass die angegriffene Gestaltung ausschließlich aus einer Form bestehe, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei. Die Markeninhaberin habe die Patentanmeldung DE 24 58 462 vom 10. Dezember 1974 zum Gegenstand der Markenanmeldung gemacht. Die Merkmale der angegriffenen Marke stimmten sämtlich mit der zum Patent angemeldeten wiederverschließbaren Schlauchfolienverpackung überein, einschließlich der bevorzugten quadratischen Ausführungsform. In der Offenlegungsschrift würden deren technischen Vorzüge hervorgehoben. Diese Form sei eine technisch bedingte Wahl bzw. das Ergebnis eines technischen Prozesses. Die Markeninhaberin selbst betone in ihrer Werbung mit dem Slogan: „Der Trick mit dem Knick und die Masche mit der Tasche“ die Funktionalität der Verpackungsform. Zudem führe die quadratische Verpackung gegenüber den üblichen Langverpackungen nach den eigenen Angaben der Markeninhaberin zu einer signifikanten Einsparung von Verpackungsmaterial und sei auch deswegen technisch bedingt. Die Platzierung der Längsnaht sei gemäß der Patentschrift abhängig von der Lage der Sollbruchstellen der Tafel. Selbst eine gewisse gestalterische Freiheit bei der Platzierung der Längsnaht oder der Gestaltung der Quernähte könne die Verpackungsform nicht schutzfähig machen. Die quadratische Form des tafelförmigen Inhalts könne nicht Gegenstand des Markenschutzes sein, da der Verpackungsinhalt nicht zu sehen sei. Im Übrigen gehöre die quadratische Verpackung einer Tafelschokolade ebenso wie die länglich-rechteckige Verpackung zu den Grundformen und müsse allen Marktteilnehmern zugänglich sein. Wie die Quaderform bei Ziegelsteinen sei die quadratische Verpackung eines tafelförmigen Produkts vom Markenschutz ausgeschlossen.
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Der Schutzfähigkeit der Marke stehe auch § 8 Abs. 1 MarkenG entgegen, da die Markeneintragung nicht dem Erfordernis der Bestimmtheit der Wiedergabe des Zeichens entspreche. Maßgeblich für die Prüfung der graphischen Darstellbarkeit sei die veröffentlichte Wiedergabe des Zeichens im Register, die der Unterrichtung der Öffentlichkeit diene. Es komme nicht auf die beim DPMA eingereichten (Anmelde-)Unterlagen an. Etwaige Unzulänglichkeiten der Markenwiedergabe, die vom Patentamt zu verantworten seien, gingen zu Lasten des Anmelders. Die Darstellung der streitgegenständlichen Gestaltung im Register lasse den Schutzgegenstand nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit und Klarheit erkennen. Es sei nicht ersichtlich, um was es sich bei der Gestaltung eigentlich handle. Genauso wie Umverpackungen für Schokolade (worauf nichts hinweise) könne es sich bei den Abbildungen um Kissen, Schwämme oder Matten handeln. Die Darstellungen erweckten nur den Eindruck eines weißen Vierecks.
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Nach der Veröffentlichung der Entscheidung des EuGH vom 18. September 2014 – C-205/13 = H… GmbH & Co. KG/S… A/S u. a. = Tripp-Trapp-Kinderstuhl (= GRUR 2014, 1097) hat die Löschungsantragstellerin erklärt, dass sie ihren Löschungsantrag nunmehr nur noch auf Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 MarkenG stütze. Die Marke bestehe ausschließlich aus einer Form, die durch die Art der Ware selbst bedingt sei. Die quadratische Form sei bei Tafelschokolade gattungstypisch und gebrauchstauglich. Diese Form sei eine wesentliche Eigenschaft der Ware, die vom Verbraucher auch bei Waren der Mitbewerber nachgesucht werde. Sie verleihe der Ware auch im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG einen wesentlichen Wert, da es sich beim Quadrat um eine besonders geeignete, zweckmäßige und gebrauchstaugliche Form handle. Hier gelte der Werbespruch der Markeninhaberin „Quadratisch. Praktisch. Gut“. Der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sei im vorliegenden Fall auch auf eine Warenverpackungsmarke anzuwenden. Der EuGH habe die Gleichbehandlung der Form der Ware mit der Form der Verpackung damit begründet, dass bestimmte Waren ohne Verpackung überhaupt nicht in den Verkehr gebracht werden könnten. Bei anderen Waren ergebe sich deren Form aus der Ware selbst und nicht aus der Verpackung. Dies treffe aber nicht auf die hier gewählte Verpackung zu, da deren Form nicht von der Ware abweiche, sondern gerade der Form der Schokoladentafel entspreche. Dies gelte umso mehr, als hier die Verpackung nicht als Marke für Verpackungen sondern für die verpackte Ware selbst geschützt sei.
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Die Löschungsantragstellerin sei auch nicht aus prozessualen Gründen daran gehindert, sich bei ihrem Löschungsantrag abweichend von ihrem ursprünglichen Vortrag nunmehr auf die Schutzhindernisse aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 MarkenG zu berufen.
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Die vom Senat im Ladungszusatz vom 30. Juni bzw. 1. Juli 2016 hierzu gegebenen Hinweise hat die Löschungsantragstellerin nach der mündlichen Verhandlung aufgegriffen und hierzu im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12. September 2016 weitere Rechtsausführungen gemacht, die im Wesentlichen dem Ladungszusatz und ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung entsprechen.
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Sie führt dazu aus, dass die vom BGH für Markenverletzungs- und Wettbewerbsverfahren entwickelte Streitgegenstandslehre auch auf Markenlöschungsverfahren anzuwenden sei. Der Streitgegenstand bestehe aus zwei Bestandteilen, nämlich aus „Antrag plus Lebenssachverhalt“. Der Lebenssachverhalt sei vorliegend die dreidimensionale Gestaltung der Marke. Als Löschungstatbestände kämen die mangelnde Unterscheidungskraft bzw. der beschreibende Charakter und die fehlende Markenfähigkeit der angegriffenen Marke im Sinne des § 3 Abs. 2 MarkenG in Betracht. Dabei bildeten die drei Untertatbestände des § 3 Abs. 2 MarkenG in dem Sinne eine Einheit, als es sich bei der Berufung auf § 3 Abs. 2 MarkenG stets um denselben Streitgegenstand handle, unabhängig davon, welcher der drei Untertatbestände geltend gemacht werde. Im Verletzungsverfahren sehe der BGH in der Geltendmachung der Verletzung mehrerer Schutzrechte auch mehrere Streitgegenstände. Soweit aber die Verletzung desselben Schutzrechtes geltend gemacht werde, sei vom BGH anerkannt, dass auch bei unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen – etwa der drei Untertatbestände des § 14 Abs. 2 MarkenG – derselbe Streitgegenstand betroffen sei. Dieses Streitgegenstandsverständnis sei ohne weiteres auf die Geltendmachung von Löschungsgründen anzuwenden, welche sich gegen die Form der angegriffenen Marke selbst richteten und keinen völlig anderen Lebenssachverhalt beträfen, wie dies z. B. bei einer behaupteten bösgläubigen Markenanmeldung der Fall sei.
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Die von der Markeninhaberin vorgelegte Verkehrsbefragung belege, sofern die Ergebnisse überhaupt von Relevanz seien, nur die Begründetheit des Löschungsantrages. Zudem habe der EuGH in der „Tripp-Trapp-Kinderstuhl-Entscheidung“ bestätigt, dass es nicht auf das Verständnis der Marke beim angesprochenen Publikum ankomme. Im Übrigen werde die Vorlage der Verkehrsbefragung in der mündlichen Verhandlung als verspätet gerügt.
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Die Löschungsantragstellerin beantragt,
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auf die Beschwerde hin den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Februar 2014 aufzuheben und die Marke 302 63 696 zu löschen.
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Die Markeninhaberin beantragt,
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die Beschwerde der Löschungsantragstellerin zurückzuweisen.
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Nach Auffassung der Markeninhaberin besteht kein Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Zu Recht habe das DPMA festgestellt, dass die Marke vier technische Merkmale und vier Merkmale ohne technische Wirkung aufweise, nämlich die quadratische Form des Inhalts und der Verpackung, die Platzierung der Längsnaht und das Zickzack-Muster an den Außenkanten der Quernähte. Tafelschokolade könne in jeder beliebigen Form hergestellt werden. Dass die Wahl der Form Auswirkung auf die Verpackung habe, liege auf der Hand. Die Wahl einer quadratischen Tafelschokolade sei nicht Gegenstand der von der Antragstellerin angeführten Offenlegungsschrift. Die Form sei weder patentiert, noch sei sie zur Lösung einer technischen Aufgabe erforderlich. Auch Schlauchverpackungen seien bereits vor der Offenlegungsschrift bekannt gewesen. Gegenstand der Offenlegungsschrift sei lediglich eine Verpackung gewesen, die bequem zu öffnen sei, indem eine Naht der Verpackung längs einer ersten Sollbruchstelle der Tafel angeordnet werde, was ein dichtes Wiederverschließen der Packung erlaube. Dass dies mit einer quadratischen Schokolade nichts zu tun habe, liege auf der Hand. Der Vorteil der quadratischen Verpackung bzw. Form sei bereits seit 1932 vorbekannt und habe schon deswegen nicht Gegenstand der Offenlegungsschrift sein können. Auch die Längsnaht sei gestalterisch platziert, da diese wahlweise zwischen den Quernähten platziert werden könne. Zudem sei nach der Darstellung der Marke nicht zwingend vorgesehen, dass die Längsnaht über einer Sollbruchstelle liege. Die Zacken des Zick-Zack-Musters der Quernähte seien so klein, dass sie keine technische Wirkung hätten. Die maschinelle Trennung der einzelnen Schlauchbeutelpackungen im Herstellungsprozess könne in beliebigen Mustern erfolgen. Entgegen der Auffassung des DPMA seien auch die Quernähte ein gestalterisches Element, da diese beliebig breit gestaltet werden könnten.
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Mit dem Schriftsatz vom 16. Dezember 2015 und der Berufung auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 MarkenG führe die Antragstellerin zwei neue Streitgegenstände ins Verfahren ein. Dem trete die Markeninhaberin entgegen. Die nachträgliche Erweiterung des Beschwerdeverfahrens um zwei weitere Streitgegenstände sei auch nicht sachdienlich. Im Übrigen seien die Schutzhindernisse aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 MarkenG nicht gegeben. Ein Kinderstuhl, wie er Gegenstand des EuGH- Verfahren „H… GmbH & Co. KG/S… A/S u. a. = Tripp-Trapp-Kinderstuhl“ gewesen sei, werde wegen seiner Gebrauchseigenschaften gekauft, insbesondere unter den Gesichtspunkten Sicherheit und Bequemlichkeit sowie der flexiblen Anpassungsmöglichen. Die Gebrauchseigenschaften würden sich in dem in diesem Verfahren streitgegenständlichen Kinderstuhl zu einem gewissen Grad wiederspiegeln. Dagegen handle es sich bei der angegriffenen Gestaltung nicht um eine wesentliche Gebrauchseigenschaft der beanspruchten Ware „Tafelschokolade“, die der gattungstypischen Funktion dieser Ware innewohne und nach der die Verbraucher auch bei Waren der Mitbewerber suchten. Wesentliche Gebrauchseigenschaften seien nur solche, die von grundlegender Bedeutung seien. Tafelschokolade werde aber nicht wegen ihrer Form, sondern nur wegen ihres Geschmacks und der darin enthaltenen Zutaten gekauft. Auch wenn die quadratische Form praktisch sei, weil die Schokolade leichter eingesteckt werden könne, sei dies keine wesentliche Gebrauchseigenschaft von Tafelschokolade. So verkaufe die Markeninhaberin in den streitgegenständlichen Verpackungsformen die bekannten 16,67 g schweren „Ritter Sport minis“. Daneben verkaufe sie aber auch Schokolade in quadratischen 250-Gramm-Tafeln, die sich nicht in Jackentaschen stecken ließen. Im Übrigen komme es bei der Frage, welche Form leicht verstaut werden könne, entscheidend auf das Behältnis an, in das verstaut werden solle. Die angegriffene Gestaltung sei daher nicht durch die Art der beanspruchten Ware selbst bedingt, sondern beinhalte eine gestalterische Entscheidung. Die quadratische Form verleihe der Ware „Schokolade“ auch nicht ihren wesentlichen Wert. Ein Kinderstuhl, wie er Gegenstand des genannten EuGH-Verfahren gewesen sei, müsse demgegenüber verschiedene Gebrauchseigenschaften erfüllen. Diese Eigenschaften ergäben sich unmittelbar aus der Gestaltung des Stuhles, weshalb diese Gestaltung dem Stuhl einen wesentlichen Wert verleihen könne. Das sei bei Tafelschokolade anders. Hier gelte, dass der Verbraucher die Schokolade wegen der Zutaten und des Geschmacks kaufe. Die Verkehrsdurchsetzung der von der Markeninhaberin verwendeten quadratischen Form (und der Wert für sie) dürfe nicht damit verwechselt bzw. gleichgesetzt werden, dass die quadratische Form etwa im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG der Ware einen besonderen Wert verleihe. Die Wertschätzung, welche die angegriffene Form bei den Verbrauchern genieße, beruhe nicht auf der quadratischen Form, sondern auf der besonderen Bekanntheit der Schokolade der Markeninhaberin. Die von ihr veranlasste Verbraucherbefragung zeige im Übrigen, dass die Form von Tafelschokolade keine wesentliche Gebrauchseigenschaft dieser Ware sei. Sie belege vielmehr, dass der Geschmack, die bevorzugte Marke, die Qualität und die Sortenauswahl für den Verbraucher weit wichtiger seien als die Geeignetheit der Schokolade zum Mitnehmen, die Verpackungsgröße oder die Form von Ware und Verpackung. Die Tatsache, dass die quadratische Verpackung nicht „so praktisch sei“ zeige sich nicht zuletzt darin, dass diese Form seit 1932 von keinem anderen Wettbewerber, sondern ausschließlich von der Markeninhaberin benutzt worden sei, auch nicht in der Zeit, als die streitgegenständliche Form noch keinen markenrechtlichen Schutz genossen habe.
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Im Übrigen bestehe auch kein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 1 MarkenG. Die angegriffene dreidimensionale Gestaltung sei mittels zweier perspektivischer Abbildungen wiedergegeben und erfülle damit alle Anforderungen des § 8 Abs. 1 MarkenG. Dies gelte insbesondere auch – ohne dass es darauf ankomme – für die Wiedergabe der Gestaltung im Markenregister des DPMA.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung, die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
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Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Löschungsantragstellerin hat in der Sache Erfolg.
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Eine Marke ist auf Antrag gemäß § 50 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 MarkenG wegen absoluter Schutzhindernisse nach §§ 3, 7, 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 MarkenG zu löschen, wenn sie sowohl bezogen auf den Anmeldezeitpunkt – dahingehend wird der Wortlaut des § 50 Abs. 1 MarkenG vom BGH im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH aktuell ausgelegt (vgl. BGH, GRUR 2013, 1143, Rn. 9 ff., Rn. 12 ff., insbesondere Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) – als auch bezogen auf den Zeitpunkt der anstehenden Entscheidung über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Markenabteilung vom 26. Februar 2014 (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) schutzunfähig war bzw. ist. Die angegriffene dreidimensionale Marke ist bzw. war gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu beiden maßgeblichen Zeitpunkten nicht schutzfähig. Deshalb ist sie aus dem Markenregister zu löschen, §§ 50, 54 MarkenG.
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1. Die Löschungsantragstellerin kann ihren Löschungsantrag, bei dem sie im amtlichen Antragsformular zwar § 50 Abs. 1 i. V. m. § 3 MarkenG als Löschungsgrund angegeben hat, in der gleichzeitig eingereichten Antragsbegründung aber lediglich § 50 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG als Rechtsgrundlage für den Löschungsantrag genannt hat, gleichwohl nunmehr auch auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG stützen. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat insoweit die Auffassung geäußert, dass jeder der drei Ausschlussgründe unterschiedliche Voraussetzungen habe, wobei zur Begründung der drei Schutzverbote des § 3 Abs. 2 MarkenG auch unterschiedliche Lebenssachverhalte erforderlich seien, so dass eine solche Antragsänderung im laufenden Beschwerdeverfahren nicht zulässig sei. In diese Richtung könnte auch die jüngst veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. Februar 2016 – I ZB 87/14 (= GRUR 2016, 500 Rn. 9 ff. – Fünf-Streifen-Schuh) deuten. Danach soll das konkrete, auf einen bestimmten Löschungsgrund gestützte Löschungsverlangen mit einem prozessualen Streitgegenstand vergleichbar sein. Weiter ist ausgeführt, dass dem Patentamt etwa eine Überprüfung von Fristerfordernissen bei Marken, die vor mehr als zehn Jahre eingetragen seien, nur dann möglich sei, wenn der Antragsteller konkrete Schutzhindernisse benenne, auf die er den Löschungsantrag stütze.
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Daraus könnte unzutreffend gefolgert werden, dass im Rahmen eines Löschungsantrags konkrete Schutzhindernisse etwa § 3 Abs. 2 Nr. 1 oder § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG genannt werden müssten, wobei es allerdings bei diesen Schutzhindernissen gerade nicht auf die Einhaltung der Frist des § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG ankommt. Die Auffassung der Markeninhaberin berücksichtigt auch nicht die Tatsache, dass – zumindest im Zeitpunkt der Antragstellung – im Formblatt des DPMA eine differenzierende Auswahlmöglichkeit gar nicht vorgesehen war. Zudem wäre eine nähere Darlegung der Schutzhindernisse aus § 3 MarkenG außerhalb des Formblattes durch die Löschungsantragstellerin nicht erforderlich gewesen, um das DPMA zur inhaltlichen Prüfung des Löschungsantrages zu veranlassen.
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Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der genannten Entscheidung „Fünf-Streifen-Schuh“ zum zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff und die daraus gezogene Schlussfolgerung, dass der Antragsteller konkrete Schutzhindernisse angeben müsse, könnten dahingehend fehlinterpretiert werden, dass zur Bestimmung bzw. Festlegung des Streitgegenstands des Löschungsverfahrens die Angabe konkreter Paragraphen oder deren inhaltliche Wiedergabe (fehlende Unterscheidungskraft, Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten usw.) erforderlich sei. Ein solches Verständnis wäre nicht sachgerecht, da es geradezu im Widerspruch zur allgemein anerkannten Definition des zivilprozessualen Streitgegenstandes (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) steht. Der zivilprozessuale Streitgegenstandsbegriff verlangt nämlich nach einhelliger Auffassung – vereinfacht formuliert – nur einen Antrag und den antragsbegründenden (Lebens)-Sachverhalt (zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff; vgl. dazu nur beispielhaft Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., Einl. II Rn. 11 ff. und Rn. 24 ff.). Die Angabe der Rechtsgrundlage ist danach nicht erforderlich (iura novit curia = das Gericht kennt das anzuwendende Recht). Dies gilt entsprechend in dem justizförmig ausgestalteten Patentamtsverfahren. Durch den Löschungsantrag (= Antrag i. S. d. Rechtsschutzbegehrens) und die Benennung der angegriffenen Registermarke (= Lebenssachverhalt) ist eine Überprüfung der angegriffenen Marke in Bezug auf Schutzhindernisse im registerrechtlichen Verfahren, bei dem zudem der Untersuchungsgrundsatz gilt (teilweise wird im Schrifttum bei Geltung des Untersuchungsgrundsatzes sogar ein weitergehender, eher globaler Streitgegenstandsbegriff als sachgerecht angesehen, vgl. dazu etwa Jauernig, Zivilprozessrecht, 30. Aufl., § 37 VIII), im Verfahren vor dem Patentamt nach § 59 Abs. 1 MarkenG und im Verfahren vor dem Bundespatentgericht nach § 73 Abs. 1 MarkenG, unter fast allen rechtlichen Aspekten, also nach § 3 MarkenG und nach § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 9 MarkenG grundsätzlich möglich. Eine Ausnahme bildet nur ein auf § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG gestützter Löschungsantrag, da hierzu fast immer ein Vortrag zur Bösgläubigkeit des Markeninhabers (= entsprechender Lebenssachverhalt) erforderlich ist, der sich regelmäßig nicht aus dem Registereintrag und allgemein zugänglichen Erkenntnis- und Rechtsquellen erschließt. Allenfalls im Hinblick auf das Fristerfordernis des § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG gibt es noch Argumente, zwischen den Schutzhindernissen § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG und den übrigen in § 50 Abs. 1 MarkenG aufgeführten Schutzhindernissen zu differenzieren. Ob aus registerrechtlichen Gründen im Löschungsverfahren die Bildung von Fallgruppen angezeigt ist mit der Folge, dass die im Löschungsantrag genannte Vorschrift aus dieser Fallgruppe den Prüfungsumfang auf diese Fallgruppe begrenzt und quasi einen speziellen registerrechtlichen Streitgegenstand bildet, kann im vorliegenden Verfahren als nicht entscheidungserheblich dahinstehen.
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Soweit nämlich ein Antragsteller während des laufenden Verfahrens seine rechtliche Argumentation zur Begründung seines Löschungsantrags von § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 MarkenG umstellt, liegt darin nach Auffassung des Senats jedenfalls keine Änderung des Streitgegenstands. Denn es wird weder der bloße Antrag (Rechtsschutzbegehren) umgestellt, da nach wie vor die Löschung derselben Marke begehrt wird, noch wird dieser Antrag auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt, der insoweit ausreichend durch die konkrete Markeneintragung umrissen ist. Es genügt, dass die Löschungsantragstellerin vorbringt, dass die Marke wegen der fehlenden Markenfähigkeit des Zeichens zu löschen sei. Nach Auffassung des Senats dürfte die für die Entscheidung über den Löschungsantrag zuständige Stelle sogar bei einem nur auf § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gestützten Löschungsantrag nicht gehindert sein, eine Löschungsanordnung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 MarkenG zu begründen, zumal sich die Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 MarkenG , ähnlich wie das bei § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG der Fall ist, nur schwer voneinander abgrenzen lassen und sich teilweise in ihrem Anwendungsbereich auch überschneiden. Bei einer zivilrechtlichen Streitigkeit vor einem ordentlichen Gericht kann der Kläger seinen mit einem bestimmten Lebenssachverhalt begründeten Klageantrag auch nicht auf bestimmte Anspruchsnormen, z. B. nur auf vertragliche oder nur auf deliktische Anspruchsgrundlagen beschränken bzw. wenn er ihn entsprechend beschränken würde, wäre das Gericht nicht daran gehindert, eine Verurteilung des Beklagten auf eine vom Kläger nicht benannte Anspruchsgrundlage zu stützen. Hier gilt ohne jede Einschränkung der Grundsatz „iura novit curia“.
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2. Die nach § 3 Abs. 1 MarkenG grundsätzlich markenfähige dreidimensionale angegriffene Gestaltung ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG schutzunfähig und deshalb auf den Löschungsantrag hin zu löschen (vgl. zur Systematik von § 3 Abs. 1 und 2 MarkenG: Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., Rn. 88). Die angegriffene Gestaltung besteht ausschließlich aus einer (Verpackungs-)Form, die i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG durch die Art der Ware selbst bedingt ist.
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Die deutsche Rechtsprechung hat bislang das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG restriktiv ausgelegt. Als Voraussetzung für das Schutzhindernis wurde angesehen, dass die Form ausschließlich aus Merkmalen besteht, die für die Warenart wesensnotwendig sind, um ihren Zweck zu erfüllen. Dies könne nur angenommen werden, wenn die Merkmale der Form die Grundform der Warengattung ausmachten, für die Schutz beansprucht werde (BGH GRUR 2004, 506, 507 – Stabtaschenlampe II; GRUR 2006, 679, Rn. 12 – Porsche Boxter; GRUR 2008, 420, Rn. 14 – ROCHER-Kugel; GRUR 2008, 510, Rn. 13-16 – Milchschnitte; GRUR 2010, 231 Rn. 28 – Legostein). In der Kommentarliteratur wurde die Anwendbarkeit von § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gleichfalls nur in engen Ausnahmefällen für möglich gehalten (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl. § 3 Rn. 113). Nach der neueren maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH ist jedoch ein Schutzhindernis nach dieser Vorschrift bereits dann zu bejahen, wenn bei einer Warenformmarke, die ausschließlich aus der Form einer Ware besteht, die Form eine oder mehrere Gebrauchseigenschaften aufweist, die der oder den gattungstypischen Funktion(en) dieser Ware innewohnt, nach denen der Verbraucher auch bei den Waren der Mitbewerber sucht (so Urteil des EuGH vom 18. September 2014 – C-205/13 – = GRUR 2014, 1097, Leitsatz 1 = Antwort 1 und Rn. 21 ff., insbesondere Rn. 23 ff. und 27 – H… GmbH & Co. KG/S… A/S u. a. = Tripp-Trapp-Kinderstuhl). Nach diesen maßgeblichen Kriterien ist vorliegend das Schutzhindernis zu bejahen.
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2.1 Als Marke eingetragene Warenverpackungsformen können in gewissem Umfang im Löschungsverfahren in gleicher Weise wie Warenformen auf Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 MarkenG zu prüfen sein. Der Anwendung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG steht im Zusammenhang mit der vorliegenden dreidimensionalen Gestaltung einer quadratischen Schlauchbeutelverpackung für die Ware „Tafelschokolade“ nach Auffassung des Senats nicht das Urteil des EuGH vom 12. Februar 2004 – C-218/01 (= GRUR 2004, 428 – Henkel) entgegen. Der EuGH hat in dieser Entscheidung zwar im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 e) bzw. Art. 3 Abs. 1 c) MRRL (entspricht § 3 Abs. 2 und § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) eine Gleichstellung von Ware und Warenverpackung als beschreibendes Zeichen lediglich bei notwendigen Verpackungsformen, d. h. Verpackungen von Waren, die z. B. körnige, pudrige oder flüssige Konsistenz und damit keine eigene Form aufweisen, für gegeben erachtet. In diesem Zusammenhang hat der EuGH die Ware „Nägel“ als Gegenbeispiel für eine Ware angeführt, die zwar regelmäßig verpackt Gegenstand des Wirtschaftsverkehrs sei, bei der aber gleichwohl kein hinreichend enger Zusammenhang zwischen der Verpackung der Ware und der Ware selbst bestehe. Daraus schließt der EuGH, dass im Zusammenhang mit derartigen Waren bei Prüfung der Schutzfähigkeit die Verpackung der Ware und die Form der Ware (selbst) nicht gleichgesetzt werden können (siehe dazu EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 32 und 33 – Henkel zur Vorlagefrage nach Art. 3 Abs. 1 c und e MRRL, vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 3 Rn. 93, § 8 Rn. 297, 517). Bei undifferenzierter Betrachtungsweise könnte daraus geschlossen werden, dass bei der Beurteilung von Schutzhindernissen nach § 3 Abs. 2 MarkenG eine Gleichsetzung von Verpackungsgestaltung und Warengestaltung grundsätzlich nicht gerechtfertigt ist. Danach wäre eine Schlauchverpackung bei der Ware „Tafelschokolade“ unter dem Gesichtspunkt des § 3 Abs. 1 MarkenG – entspricht Art. 3 Abs. 1 e MRRL – nicht anwendbar, da „Tafelschokolade“ eine eigene Form aufweist. Abschließend dürfte die Frage gleichwohl noch nicht entschieden sein, da der EuGH in der genannten Entscheidung Art. 3 Abs. 1 e MRRL nur als Argument im Zusammenhang mit der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 c MRRL und der Frage, ob ein Zeichen eine beschreibende Angabe darstellt, verwendet, wobei eine der vorliegenden Warenverpackung vergleichbare Gestaltung einer Warenformverpackung nicht Gegenstand des EuGH-Verfahrens und der dort angestellten Überlegungen im Zusammenhang mit der Ware „Nägel“ war. Die Kommentarliteratur scheint gleichwohl teilweise entsprechend weite Konsequenzen auch in Bezug auf die Schutzhindernisse nach Art. 3 Abs. 1 e MRRL (= § 3 Abs. 2 MarkenG) ziehen zu wollen (vgl. z. B. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 3 Rn. 93; etwas offener bei dieser Fragestellung dagegen Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 3 Rn. 43). Dies ist nach Auffassung des Senats aber verfehlt bei Warenumverpackungen, welche die Form der verpackten Ware – wie bei der vorliegend angemeldeten Darstellung – deutlich erkennen lassen (Warenformverpackungen), weil diese Art der Verpackung schon optisch nah an der bloßen (unverpackten) Warenform liegt und deshalb unter dem Gesichtspunkt des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eine entsprechende Gleichsetzung mit Warenformmarken sogar eher angezeigt erscheint als bei zwingend notwendigen Verpackungsformen „formloser“ Waren mit körniger, pudriger oder flüssiger Konsistenz. Bei einer gegenteiligen Sichtweise könnte sehr einfach der Schutzzweck der Vorschrift vereitelt werden, nämlich die Monopolisierung warenbedingter Formen zu verhindern, indem nicht die Warenform selbst angemeldet wird, sondern nur eine entsprechend geformte Verpackung. Bei Tafelschokolade kommt hinzu, dass diese zwar eine eigene Form besitzt, aber aus praktischen und hygienischen Gründen ausnahmslos in verpackter Form verkauft wird. Schokolade schmilzt in der Hand, so dass unverpackte Schokolade allenfalls zum sofortigen Verzehr angeboten werden könnte. In einem solchen Zusammenhang erscheint es wenig nachvollziehbar, weshalb z. B. Flaschenformen oder auch technische Ausgussmechanismen von Flaschenformen für beanspruchte flüssige Waren nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG beurteilt werden können, nicht dagegen aber aus anderen Gründen notwendige Warenverpackungen, welche die verpackte Ware selbst zumindest in ihrer Grundform erkennen lassen. Mit diesem Gesichtspunkt der Warenumverpackungen, welche die Form der verpackten Ware deutlich erkennen lassen (= Warenformverpackungen), haben sich – soweit ersichtlich – bislang weder der EuGH noch der BGH befasst.
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2.2 Zur Prüfung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sind zunächst die wesentlichen Merkmale der Form zu bestimmen. Vorliegend sind die augenfälligen Merkmale der angegriffenen Warenformverpackung die Wahl einer flachen, quadratischen Schlauchbeutelverpackung, die an einer der zwei großflächigen Seiten eine Längsnaht aufweist. Das DPMA hat zwar im angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt, dass die Marke weitere Details aufweist, wie etwa Riffelungen, Rändelungen und Einkerbungen. Diese Details, die bei der für die Öffentlichkeit zugänglichen Registereintragung kaum zu erkennen sind, sind aber keine wesentlichen Merkmale der angegriffenen Marke. Sie bewegen sich gestalterisch absolut in dem Rahmen dessen, was bei Schlauchbeutelverpackungen auf dem entsprechenden Warengebiet seit Jahrzehnten üblich ist und werden bzw. wurden daher vom Verkehr auch nur entsprechend wahrgenommen. Der Senat hat den Beteiligten im Parallelverfahren 25 W (pat) 78/14 zahlreiche Beispiele von Schlauchbeutelverpackungen von Tafelschokoladen bzw. aus dem Schokoladenbereich zur Kenntnis gegeben, die ähnliche Gestaltungsmerkmale aufweisen, wie Riffelungen der Schweißnähte bzw. Quernähte und/oder Zick-Zack-Muster bzw. Einkerbungen an den Außenkanten der Schlauchfolie (siehe dazu die im oben genannten Verfahren dem Senatshinweis vom 12./13. Juli beigefügten Unterlagen, dort Bl. 238/252 d. A.). Weiterhin hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Verwendung einer Längsnaht, die dem Öffnen der Verpackung dient, häufig bei Verpackungen für Schokolade und Schokoladenwaren anzutreffen ist. Nach dem Urteil des EuGH in Sachen „Tripp-Trapp-Kinderstuhl“ reicht das Hinzutreten von dekorativen oder phantasievollen, aber unwesentlichen Gestaltungselementen nicht aus, um die Markenfähigkeit des Zeichens zu begründen bzw. das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden (siehe dazu EuGH a. a. O. Rn. 22), wobei bei der vorliegend zu beurteilenden Verpackung die neben der Quadratform vorhandenen Gestaltungselemente im Hinblick auf ihre Produktüblichkeit jedenfalls unwesentlich sind und bestenfalls schwach dekorativen Charakter aufweisen. Insofern kann zusammenfassend festgestellt werden, dass es sich bei der angegriffenen Warenverpackungsgestaltung um eine übliche Schlauchbeutelverpackung handelt, die allein dahingehend eine Besonderheit aufweist, als sie in einer besonderen Form des Rechtecks, nämlich in der des Quadrats gestaltet ist. Daher könnte allein in der quadratischen Form der Warenverpackung eine gestalterische Ausprägung gesehen werden, die von der Grundform der Ware abweichen könnte und deswegen – im Sinne der bisheriger Rechtsprechung – nicht durch die Art der Ware selbst bedingt wäre.
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2.3 Aber auch dieses wesentliche Gestaltungselement der quadratischen Form der Warenverpackung rechtfertigt nicht die Bejahung der Schutzfähigkeit bzw. hindert nicht die Anwendung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Wenn § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nämlich nur bei solche Waren bzw. Warenverpackungen anzuwenden wären, die ausschließlich aus für die Funktion der betreffenden Ware unentbehrlichen Formen bestünden, würden auch wesentliche Gestaltungselemente aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG herausführen, was der ratio legis der Vorschrift in der maßgeblichen und nach Auffassung des Senats zutreffenden Rechtsprechung des EuGH widersprechen würde. Eine solche (enge) Auslegung würde nämlich dazu führen, dass das Eintragungshindernis nur bei natürlichen Waren, für die es keinen Ersatz gibt, oder bei sogenannten reglementierte Waren, deren Form durch Normen vorgeschrieben ist, anwendbar wäre. Andere Formen, die über die Norm hinausgehende, aber gleichwohl für die Verbraucher wesentliche Wareneigenschaften aufweisen oder denen gattungstypische Warenfunktionen zukommen, wären dann jedenfalls unter dem Aspekt des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG markenfähig und demnach monopolisierbar. Eine solche Sichtweise würde es Konkurrenten erheblich erschweren, ihren Waren gebrauchstaugliche Formen in einer gewissen Variationsbreite zu geben. Es handelt sich bei solchen über die Norm hinausgehenden wesentlichen Wareneigenschaften oder -funktionen um solche, nach denen die Verbraucher i. S. d. Rechtsprechung des EuGH auch bei den Waren der Mitbewerber suchen könnten (EuGH, a. a. O. Rn. 23 – 27). Im Ergebnis sind deshalb auch solche Waren oder Verpackungsformen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, die in ihrem Aussehen den Erwartungen des Verbrauchers an das Aussehen der beanspruchten Ware im Wesentlichen entsprechen. Dabei muss im vorliegenden Fall die Tatsache, dass die Markeninhaberin für ihre Schokoladentafeln in quadratischer Form eine besondere Bekanntheit genießt, außer Acht gelassen werden. Die Verkehrsdurchsetzung kann nur Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG überwinden, nicht aber solche nach § 3 Abs. 2 MarkenG.
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2.3.1 Der Verkehr wird aber quadratische Formen schon deswegen bei Mitbewerbern der Markeninhaberin nachsuchen, weil Tafelschokolade in aller Regel in rechteckiger Form angeboten wird und das Quadrat nur eine besondere Form des Rechtecks ist. Andere geometrische Formen wie das Dreieck oder der Kreis finden bei Tafelschokolade in der Regel keine Verwendung. Der Verkauf von Tafelschokolade in Form von unregelmäßiger Bruchschokolade bedient nur eine kleine Marktlücke und ist deswegen (gelegentlich) in Feinkostgeschäften anzutreffen. Die regelmäßige Form von Tafelschokolade in Gestalt eines Rechtecks bzw. eines Quadrats bringt gegenüber unregelmäßigen Formen auch praktische Vorteile mit sich. Sie erleichtert die Verpackung, die Lagerung, den Transport und die Portionierung der Schokolade wesentlich.
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2.3.2 Die quadratische Form der angegriffenen (Schokoladen-)Schlauchverpackung wird der Verkehr zudem angesichts der praktischen Möglichkeit der Unterbringung einer derart dimensionierten Schokoladentafel – mit den entsprechenden Vorteilen gegenüber länglich-rechteckigen Formen – auch bei den Waren der Mitbewerber suchen. Dabei ist es ausreichend, dass der Vorteil der quadratischen Verpackung nur situationsbedingt bemerkbar wird, etwa beim Einstecken der Schokoladentafel in die Tasche eines Anoraks. Es kommt bei der Frage der Gebrauchsvorteile nicht darauf an, in welchen Verpackungsgrößen die Markeninhaberin die Tafelschokolade anbietet. Die angegriffene Marke lässt offen, welche Größe die Verpackung bzw. die enthaltene Schokoladentafel haben. In jedem Fall kann auch eine bei Tafelschokolade übliche Größe (100 Gramm) mit der Warenverpackungsmarke versehen werden. Zumindest in dieser Größe lässt sich quadratische Tafelschokolade verglichen mit rechteckig-länglicher Tafelschokolade besser in einer Jackentasche mitführen.
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2.3.3 Auch der Einwand der Markeninhaberin, dass die Form von Tafelschokolade, anders als die Zutaten und der Geschmack, keine wesentliche Gebrauchseigenschaft sei, gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Zwar wird der Verkehr auch den Geschmack und die Zutaten von Tafelschokolade als wesentlich ansehen. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass die Verpackung oder die Form der Schokolade unwesentlich sind. Es ist nicht erforderlich, dass sämtliche wesentlichen Gebrauchseigenschaften in der Warenform verwirklicht sind. Anderenfalls wäre bei Warenformmarken, bei denen Merkmale besonders wichtig sind, die sich nicht in der Form wiederspiegeln, wie z. B. der Geschmack von Lebensmitteln, ein Anwendungsbereich für § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG grundsätzlich nicht gegeben. Aus der Formulierung des EuGH, dass das Schutzhindernis bestehe, wenn die Form „eine oder mehrere Gebrauchseigenschaften aufweist, die der oder den gattungstypischen Funktion(en) dieser Ware (oder Verpackung) innewohnt und nach denen der Verbraucher auch bei den Waren der Mitbewerber sucht“ (GRUR 2014, 1097 Rn. 27), folgt, dass bereits eine einschlägige relevante Gebrauchseigenschaft, die den Mitbewerbern in irgendeiner Weise Vorteile bietet, den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eröffnet. Nur dann können die Mitbewerber vor unberechtigten Monopolen geschützt werden.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Markeninhaberin veranlassten Online-Verkehrsbefragung vom Juli 2016. Unabhängig von der Frage, ob die Verkehrsbefragung die Anforderungen erfüllt, die an ein Beweismittel zu stellen wären, ist die Frage, welche Eigenschaften einer Ware wesentlich bzw. was wesentliche Gebrauchseigenschaften der entsprechenden Ware sind, eine Rechtsfrage, deren Beantwortung einer empirischen Beweisführung nicht zugänglich ist.
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3. Da das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gegeben ist, können weitere Ausführungen zu den Schutzhindernissen aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 MarkenG dahingestellt bleiben. Aus dem gleichen Grund, kann auch dahingestellt bleiben, ob der Schutzgegenstand in der Anmeldung hinreichend eindeutig definiert ist, § 8 Abs. 1 MarkenG (vgl. hierzu BGH GRUR 2013, 929 – Schokoladenstäbchen II). Sofern auf die Wiedergabe des Zeichens im Markenregister abzustellen ist, können in dieser Hinsicht Zweifel bestehen. Letztlich kann aber sowohl diese Frage offen gelassen werden, wie auch die Frage, ob die Unterlagen der Papieranmeldung oder das Register und die dort öffentlich zugängliche Markenwiedergabe bei der Beurteilung maßgeblich sind.
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Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt nach § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.