Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “MAXTRA/Maxtra” – fehlende Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit – keine Verwechslungsgefahr

Aktenzeichen  26 W (pat) 573/18

Datum:
22.4.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:220420B26Wpat573.18.0
Normen:
§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2014 064 358
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. April 2020 unter Mitwirkung des Richters Kätker als Vorsitzenden sowie der Richter Schödel und Dr. von Hartz
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Wortmarke
2
MAXTRA
3
ist am 30. Oktober 2014 angemeldet und am 13. Januar 2015 unter der Nummer 30 2014 064 358 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 21 und 35.
4
Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 13. Februar 2015 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben aus der deutschen Wortmarke
5
Maxtra
6
die am 7. Juli 2004 angemeldet und am 22. Juli 2004 in das beim DPMA geführte Register unter der Nummer 304 38 685 eingetragen worden ist für Waren der
7
Klasse 11: Wasserfilter für Haushaltszwecke und für gewerbliche Zwecke, Wasseraufbereitungsgeräte, Filterkartuschen mit Ionenaustauschern und/oder Adsorptionsmitteln für Wasserfilter.
8
Mit Beschluss vom 1. August 2018 hat die Markenstelle für Klasse 21 des DPMA den Widerspruch teilweise, nämlich in Bezug auf die Dienstleistungen der
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Klasse 35: Werbung; Plakatanschlagwerbung; Vorführung von Waren für Werbezwecke; Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien, für den Einzelhandel; Schaufensterdekoration; Fernsehwerbung; Verkaufsförderung (Sales promotion) (für Dritte); Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Betrieb einer Im- und Exportagentur
10
zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der von der Inhaberin der angegriffenen Marke erhobenen Einrede der Nichtbenutzung, davon auszugehen sei, dass für die Frage der Verwechslungsgefahr auf Seiten der Widerspruchsmarke die Waren „Wasserfilter; Kartuschen“ zu berücksichtigen seien. In Bezug auf die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren der Klassen 7 und 21 halte diese den geforderten Abstand nicht ein, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Ausführungen in Bezug auf die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 fehlen.
11
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Ansicht, zwischen den Waren der Klasse 11 der Widerspruchsmarke und den von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 liege eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit vor. Die Dienstleistungen „Vorführung von Waren für Werbezwecke; Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien, Verkaufsförderung; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Betrieb einer Im- und Exportagentur“ beträfen Waren, die entweder mit den für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren identisch seien oder die in deren relevanten Ähnlichkeitsbereich lägen. Der angesprochene Verkehr nehme daher an, dass zumindest zwischen beiden Unternehmen eine wirtschaftliche Verbundenheit bestehe. So werde in der Rechtsprechung angenommen, dass zwischen Handelsdienstleistungen für bestimmte Waren und den Waren als solchen ein Ähnlichkeitsverhältnis bestehe. Ferner könne generell eine gewisse Branchennähe zwischen einem Handelsbetrieb und der Herstellung und dem Vertrieb der gehandelten Ware angenommen werden. Dies gelte insbesondere für die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen „Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Betrieb einer Im- und Exportagentur“, gelte aber auch für die weiteren Dienstleistungen in analoger Weise. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass die zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen keinerlei Bezug zueinander hätten.
12
Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Widersprechende ein schutzwürdiges Interesse daran habe, dass die angegriffene Marke vollständig gelöscht werde. Die angegriffene Marke diene nur dazu, den guten Ruf der Widerspruchsmarke auszubeuten; es handele sich um eine bösgläubige Markenanmeldung mit dem alleinigen Ziel, die geschäftlichen Tätigkeiten der Widersprechenden zu stören.
13
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
14
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 21 des DPMA vom 1. August 2018 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 304 38 685 zu löschen.
15
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Im Amtsverfahren hat sie – soweit für das Beschwerdeverfahren noch von Interesse – die Ansicht vertreten, dass zwischen den zu vergleichenden Waren der Widerspruchsmarke und den von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 von einer Unähnlichkeit auszugehen sei. Diese Dienstleistungen hätten keinerlei Bezug zu Wasseraufbereitungsgeräten und –filtern. Beschaffungsdienstleistungen sowie Import- und Exportdienstleistungen würden – wenn die Waren der Klasse 11 betroffen seien – allenfalls nebenbei erbracht. Geschützt seien nur solche Dienstleistungen, die für Dritte erbracht werden würden. Diese würden regelmäßig von spezialisierten Unternehmen wie Werbeagenturen, Einzel- und Großhändlern oder Spediteuren erbracht. Die Widersprechende habe auch nicht dargelegt, dass Hersteller von Wasseraufbereitungsanlagen und Wasserfilter auch Produkte der Konkurrenz vertreiben.
16
Die Verfahrensbeteiligten sind mit Schreiben vom 19. Februar 2020 auf die vorläufige Auffassung des Senats hingewiesen worden.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
18
Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.
19
Zwischen der angegriffenen Marke MAXTRA und der Widerspruchsmarke Maxtra besteht in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35 keine Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Eine Verwechslungsgefahr ist wegen Unähnlichkeit der Vergleichswaren und -dienstleistungen zu verneinen.
20
1. Da es sich vorliegend um ein Verfahren über einen Widerspruch handelt, der nach dem 1. Oktober 2009, aber vor dem 14. Januar 2019 erhoben worden ist, ist die Bestimmung des § 42 Absatz 1 und 2 MarkenG in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden (§ 158 Abs. 3 MarkenG).
21
2. Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 45 f. – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2018, 79 Rdnr. 9 – OXFORD/Oxford Club m. w. N.).
22
a) Zu Gunsten der Widersprechenden kann unterstellt werden, dass für die Entscheidung über den Widerspruch auf Seiten der Widerspruchsmarke die Waren „Wasserfilter; Kartuschen“ zu berücksichtigen sind (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG a.F.). Hiergegen erinnert auch die Widersprechende nichts.
23
b) Trotzdem fehlt es vorliegend in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35, für die die angegriffene Marke Schutz beansprucht, an einer Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit.
24
aa) Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2014, 488 Rdnr. 12 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2015, 176 Rdnr. 16 – ZOOM). Von einer absoluten Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (BGH a. a. O. – DESPERADOS/DESPERADO; a. a. O. Rdnr. 17 – ZOOM). Angesichts der fehlenden Körperlichkeit von Dienstleistungen sind für die Beurteilung ihrer Ähnlichkeit in erster Linie Art und Zweck, also der Nutzen für den Empfänger der Dienstleistungen sowie die Vorstellung des Verkehrs maßgeblich, dass die Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortlichkeit erbracht werden (BGH GRUR 2018, 79 Rdnr. 11 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2002, 544, 546 – BANK 24).
25
Im Vergleich zwischen Waren und Dienstleistungen ist zu berücksichtigen, dass Dienstleistungen generell weder mit den zu ihrer Erbringung verwendeten Waren und Hilfsmitteln noch mit den durch sie erzielten Ergebnissen, soweit sie Waren hervorbringen, ohne weiteres als ähnlich anzusehen sind. Besondere Umstände können jedoch die Feststellung der Ähnlichkeit nahelegen, wenn beim angesprochenen Verkehr der Eindruck entsteht, Ware und Dienstleistung unterlägen der Kontrolle desselben Unternehmens (vgl. BGH GRUR 1999, 586 Rdnr. 22 – White Lion). Dies kann der Fall sein, wenn sich das Dienstleistungsunternehmen selbständig auch mit der Herstellung bzw. den Vertrieb der Ware befasst oder der Warenhersteller oder –vertreiber sich auf dem entsprechenden Dienstleistungsbereich selbständig gewerblich betätigt (vgl. BGH GRUR 2012, 1145 Rdnr. 35 – PELIKAN; BPatG 27 W (pat) 506/17 – kodi professional/KODi). Die Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit ist allerdings losgelöst von der konkreten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu bestimmen (vgl. BGH GRUR 2002, 544, 546 – BANK 24).
26
bb) Die zu berücksichtigenden Waren der Widerspruchsmarke („Wasserfilter; Kartuschen“) weisen unter Anwendung der obigen Grundsätze dagegen keine Ähnlichkeit mit den von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen auf.
27
aaa) Die zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen haben bereits hinsichtlich ihrer stofflichen Beschaffenheit keine Gemeinsamkeiten.
28
bbb) Sie weisen in Bezug auf ihren Verwendungszweck und ihre Abnehmerkreise keine Berührungspunkte auf.
29
Während die zu berücksichtigenden Waren der Widerspruchsmarke letztendlich dem täglichen Konsum von Wasser und somit dem Endverbraucher dienen, bezwecken die Dienstleistungen der Klasse 35, eine Verkaufsmöglichkeit zu schaffen bzw. den Verkauf von Waren zu fördern. Dementsprechend unterscheiden sich auch die angesprochenen Verkehrskreise. Die Dienstleistungen der Klasse 35 richten sich an Unternehmen bzw. leitende Angestellte von Unternehmen und den Fachverkehr (vgl. BPatG 27 W (pat) 48/18 – GTA und GTarcade). Die zu berücksichtigenden Waren auf Seiten der Widerspruchsmarke richten sich an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher.
30
ccc) Hinreichende Berührungspunkte weisen die zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen auch nicht in Bezug auf ihre regelmäßige betriebliche Herkunft auf.
31
Erforderlich wäre, dass sich das Dienstleistungsunternehmen selbständig auch mit der Herstellung bzw. den Vertrieb der Waren befasst oder der Warenhersteller oder –vertreiber sich auf dem entsprechenden Dienstleistungsbereich selbständig gewerblich betätigt (vgl. BGH GRUR 2012, 1145 Rdnr. 35 – PELIKAN). Hieran fehlt es.
32
aaaa) Der markenrechtliche Dienstleistungsbegriff „Werbung“ umfasst alle Beratungs-, Mitteilungs-, Konzeptions-, Gestaltungs- und Realisationsleistungen, die von Werbeunternehmen – in erster Linie Werbeagenturen – gegen Entgelt im Kundenauftrag für Dritte auf dem Gebiet der Werbung erbracht werden (vgl. BPatG 26 W (pat) 4/17 – Domnic/Dominic; 33 W (pat) 45/98 – INDIGO IMAGES; OLG Frankfurt GRUR-RR 2007, 277, 280). Ziel der Werbung ist es, Menschen unter Einsatz spezifischer Werbemittel im Sinne des Werbenden zu beeinflussen (vgl. Der Brockhaus Wirtschaft, 2. Aufl., Stichwort: Werbung; Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, 2. Aufl., Band 2, Stichwort: Werbung).
33
Weder hat die Widersprechende dargelegt, noch konnte der Senat eine Branchenübung dahingehend feststellen, dass Unternehmen, die die hier maßgeblichen Dienstleistungen anbieten, auch selbst mit der Herstellung bzw. dem Vertrieb von Wasserfiltern/Kartuschen befasst sind oder dass die Widersprechende bzw. Konkurrenten der Widersprechenden sich auf dem entsprechenden Dienstleistungsbereich selbständig gewerblich betätigen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Dienstleistung gegenüber Dritten zu erbringen ist. Dienstleistungen im markenrechtlichen Sinne sind nur solche Tätigkeiten, die Dritten in der Regel gegen Entgelt im wirtschaftlichen Verkehr angeboten werden und die eine selbständige wirtschaftliche Bedeutung besitzen (vgl. EuGH GRUR 2005, 764 Rdnr. 28, 30, 33 – Praktiker; BPatG 29 W (pat) 530/13 – entertainweb/entertain). Dies schließt eine sogenannte Eigenwerbung aus. Ferner werden gerade sogenannte Werbedienstleistungen von spezialisierten Unternehmen erbracht, die üblicherweise nicht auf den Waren- und Geschäftsgebieten der von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren tätig sind (vgl. BPatG 27 W (pat) 48/18 – GTA und GTarcade), so dass die Annahme der Widersprechenden, der angesprochene Verkehr gehe davon aus, dass die Dienstleistung und die Waren zumindest aus einem verbundenen Unternehmen stammten, nicht belegt ist.
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Selbst wenn in Bezug auf wenige Unternehmen, wie z. B. Großkonzernen, festgestellt werden könnte, dass diese die Waren Wasserfilter und –kartuschen vertreiben und gleichzeitig Werbedienstleistungen und Ein- bzw. Verkaufsdienstleistungen (gegenüber Dritten) anbieten, wäre die Voraussetzung einer regelmäßigen gemeinsamen betrieblichen Herkunft dadurch noch nicht erfüllt (vgl. BPatG 25 W (pat) 29/06 – STELLA/Stella).
35
bbbb) Gleiches gilt für die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen „Plakatanschlagwerbung; Vorführung von Waren zu Werbezwecken; Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien, für den Einzelhandel; Fernsehwerbung; Verkaufsförderung [Sales promotion] [für Dritte]; Schaufensterdekoration“, welche typische Werbedienstleistungen darstellen.
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cccc) Schließlich führen diese Erwägungen auch dazu, von einer Unähnlichkeit zwischen den Dienstleistungen „Beschaffungsdienstleistungen für Dritte [Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen]; Betrieb einer Im- und Exportagentur“ der angegriffenen Marke und den zu berücksichtigenden Widerspruchswaren auszugehen.
37
aaaaa) Die Widersprechende führt aus, für eine Ähnlichkeit spreche der Umstand, dass der angesprochene Verkehr in den Fällen, in denen die Dienstleistungen gerade die Waren betreffen, die mit den auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren identisch oder ähnlich seien, davon ausgehe, dass sie zumindest aus einem verbundenen Unternehmen stammten. Dem kann jedoch kein hinreichend konkreter Sachvortrag entnommen werden, dass sie oder andere wirtschaftlich vergleichbare Unternehmen mit demselben Produktschwerpunkt „Beschaffungsdienstleistungen für Dritte [Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen] oder Betrieb einer Im- und Exportagentur“ selbständig erbringen. Der Senat konnte nicht feststellen, dass Import- und Exportunternehmen allein die zu berücksichtigenden Widerspruchswaren im- oder exportieren.
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bbbbb) Soweit die Widersprechende vorträgt, dass die Dienstleistungen (der angegriffenen Marke) im konkreten Zusammenhang mit den (zu berücksichtigenden) Waren der Widerspruchsmarke erbracht werden würden, erschöpft sich ihr Vortrag in allgemeinen Annahmen. Es kommt nicht darauf an, ob sich die entsprechenden Dienstleistungen der Klasse 35 mit dem Produkt Filterwaren theoretisch beschäftigen können. Dies allein begründet kein Ähnlichkeitsverhältnis zwischen Ware und Dienstleistung. Erforderlich im Sinne einer funktionellen Ergänzung von Waren und Dienstleistungen ist ein enger Zusammenhang in dem Sinne, dass die Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist (BGH a. a. O. Rdnr. 16 – DESPERADOS/DESPERADO m. w. N.; BPatG 26 W (pat) 18/14 – Cada Design/CADA; EuG GRUR Int. 2007, 1023 Rdnr. 36, 37 – TOSCA BLU). Dies ist aber nicht der Fall.
39
ccccc) Schließlich ist der Nutzen der Dienstleistung und der Waren unterschiedlich. Hierfür spricht nicht nur der Umstand, dass von den Dienstleistungen und Waren unterschiedliche Verkehrskreise angesprochen werden, sondern der Nutzen als solcher. Während die Waren „Wasserfilter; Kartuschen“ dazu dienen, Wasser für den Endverbraucher zu filtern, dienen die Dienstleistungen dazu, diese erst für den Endverbraucher zu beschaffen oder hierbei unterstützend zu wirken. Es geht primär um den Absatz der Waren, nicht um deren Wirkungsweise.
40
ddd) Auch der weitere Einwand der Widersprechenden, es sei auf den Vergleich zwischen Einzelhandelsdienstleistung und darauf bezogenen Waren zurückzugreifen, verfängt nicht. Die angegriffene Marke beansprucht keine Einzelhandelsdienstleistungen. Dieser Grundsatz ist entgegen der Auffassung der Widersprechenden auch nicht zu verallgemeinern. Entscheidend für die Annahme eines Ähnlichkeitsverhältnisses von Ware und Dienstleistung sind besondere (tatsächliche) Umstände, die die Feststellung tragen, dass beim angesprochenen Verkehr – ausnahmsweise – der Eindruck entsteht, Ware und Dienstleistung unterlägen der Kontrolle desselben Unternehmens.
41
cc) Schließlich führt der Einwand der Widersprechenden, die Anmeldung der angegriffenen Marke sei bösgläubig erfolgt, weil sie allein dazu diene, den guten Ruf der Widerspruchsmarke auszubeuten, nicht zum Erfolg. Es ist darauf hinzuweisen, dass Widersprüche nur auf die in § 42 Abs. 2 MarkenG a. F. (§ 158 Abs. 3 MarkenG) abschließend aufgeführten relativen Schutzhindernisse gestützt werden können. Die Prüfung einer bösgläubigen Markenanmeldung im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung (§ 158 Abs. 7 MarkenG) ist nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens, sondern kann ausschließlich in einem Löschungsverfahren beantragt werden (vgl. BPatG 26 W (pat) 2/14 – WEINHANDLUNG MÜLLER/Weinhandlung Müller).
42
c) Sind sich die gegenüber stehenden Dienstleistungen und Waren einander nicht ähnlich, ist eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen. Eine absolute Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann selbst bei Identität der Zeichen nicht einmal durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922 Rdnr. 22 – Canon; GRUR Int. 2009, 911 Rdnr. 34 – Waterford Wedgwood/HABM [WATERFORD STELLENBOSCH]; BGH a. a. O. Rdnr. 9 – DESPERADOS/DESPERADO; a.a.O. Rdnr. 10 – ZOOM).
III.
43
Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind nicht gegeben.

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