Aktenzeichen 26 W (pat) 44/17
Tenor
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2015 062 218.4
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 25. April 2019 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Schödel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Das Wort-/Bildzeichen (pink, grau, hautfarben, schwarz, rot)
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ist am 7. Dezember 2015 unter der Nummer 30 2015 062 218.4 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Dienstleistungen der
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Klasse 35: Werbung; Online-Werbung; Werbung für Dienstleistungen; Auskünfte über Werbung; Werbung für Geschäftsbetriebe; Werbung mittels Datenbanken; Vermittlung von Geschäftskontakten; Vermittlungsdienste in Geschäftsangelegenheiten; Vermittlung und Platzierung von Anzeigen; Veranstaltung von Ausstellungen und Festivals zu Werbezwecken; Organisation von Veranstaltungen, Ausstellungen, Messen und Shows für kommerzielle, verkaufsfördernde und Werbezwecke; Erfassung, Verarbeitung und Ausgabe von Daten in Datenbanken [Büroarbeiten]; Beratung in Bezug auf Anzeigenwerbung; Platzierung von Anzeigen für Dritte; Erstellung von Anzeigen für Dritte;
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Klasse 38: internetbasierte Telekommunikationsdienste; Kommunikationsdienste mittels Internet; Bereitstellung von Internetforen; Bereitstellung von Internetchatlines; Computerkommunikations- und Internetzugriffsdienste; Dienste eines Internet-Providers; Kommunikationsleistungen über das Internet; digitale Datenübertragung via Internet; Bereitstellung von interaktiven Internetforen; Streaming von Tonmaterial im Internet; Drahtloser Datentransfer über das Internet; Streaming von Videomaterial im Internet; Bereitstellung des Zugangs zu Internetforen;
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Klasse 41: Unterhaltung; Unterhaltungsdienstleistungen; Online-Unterhaltung; Durchführung von Ausstellungen für Unterhaltungszwecke; Produktion von Unterhaltungsfilmen; Unterhaltung in Form von Videobändern; Produktion von Filmen zu Unterhaltungszwecken; Organisation von Konferenzen im Bereich Unterhaltung; Veröffentlichung von Büchern mit Bezug zum Unterhaltungsbereich; Beratung über Unterhaltung; Veröffentlichung der redaktionellen Inhalte von Websites mit Zugang über ein weltweites Computernetz; Fotografieren; Fotografie-Dienstleistungen; fotografische Gestaltung für Dritte; Audio- und Videoproduktion sowie Fotografieren.
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Mit Beschlüssen vom 28. Juni 2016 und 7. Juli 2017, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 38 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen setze sich aus den Wortbestandteilen „MODELLE“ im Sinne von „Prostituierte“, der geographischen Herkunftsangabe „HAMBURG“ und der Top-Level-Domain „.DE“ zusammen. Der Begriffsgehalt „Prostituierte in Hamburg“ werde durch die graphische Ausgestaltung in Form einer über dem Wort „MODELLE“ sitzenden Prostituierten noch verstärkt. Das Anmeldezeichen werde nur als Sachhinweis auf die inhaltlich-thematische Ausrichtung der über das Internet angebotenen Dienstleistungen, aber nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden. Die Dienstleistungen der Klassen 35 und 41 könnten sich inhaltlich mit Prostitution bzw. Prostituierten in Hamburg befassen und die Dienstleistungen der Klasse 38 den technischen Zugang zu Inhalten mit diesem Thema bieten.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie trägt vor, bei dem Anmeldezeichen handele es sich um die Aktualisierung ihrer am 25. September 2006 für Erotik-Internetdienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 eingetragenen und bisher als nicht mehr zeitgemäßes Logo verwendeten Marke (30 644 552). Sie ist der Ansicht, die Barbusigkeit der abgebildeten Frau führe nicht zur Sittenwidrigkeit des Anmeldezeichens, weil es nicht überwiegend auf die Erregung sexueller Reize abziele. Dargestellt werde vielmehr eine selbstbewusste und freundlich schauende weibliche Person, die keine Probleme habe, sich zum Teil zu entblößen. Derartiges sei an jedem Strand in Deutschland zu betrachten, ohne dass darin eine Herabwürdigung der jeweiligen Frau zum reinen Sexualobjekt zu besorgen sei.
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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des DPMA vom 28. Juni 2016 und 7. Juli 2017 aufzuheben.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 2. Mai 2018 ist die Beschwerdeführerin unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 4, Bl. 18 – 24 GA) darauf hingewiesen worden, dass das angemeldete Wort-/Bildzeichen nicht für schutzfähig erachtet werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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Der Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens als Marke steht in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen die absoluten Schutzhindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG oder des Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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1. Dem Anmeldezeichen fehlt es in Bezug auf die in Rede stehenden Dienstleistungen der Klassen 35, 38 und 41 mit Ausnahme der Dienstleistungen „Erfassung, Verarbeitung und Ausgabe von Daten in Datenbanken [Büroarbeiten]“ der Klasse 35 an der erforderlichen Unterscheidungskraft.
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a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2018, 932 Rdnr. 7 – #darferdas?; GRUR 2018, 301 Rdnr. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH a. a. O. Rdnr. 8 – #darferdas?; GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht (BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 16 – DüsseldorfCongress).
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b) Diesen Anforderungen genügt das angemeldete Wort-/Bildzeichen nicht. Die angesprochenen inländischen Verkehrskreise haben ihm in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen mit Ausnahme der Dienstleistungen „Erfassung, Verarbeitung und Ausgabe von Daten in Datenbanken [Büroarbeiten]“ der Klasse 35 schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 7. Dezember 2015, ausschließlich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt entnommen, so dass es sich nicht als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen eignet.
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aa) Von den angemeldeten Dienstleistungen der Klasse 41 werden breite Verbraucherkreise, von den in Rede stehenden Diensten der Klasse 38 auch gewerbliche Kunden angesprochen. Die Dienstleistungen der Klasse 35 richten sich vor allem an Unternehmer und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene.
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bb) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den Wörtern „MODELLE“ und „HAMBURG“, dem Zusatz „.DE“ sowie mehreren Bildelementen zusammen.
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aaa) Das vorliegend in der Pluralform verwendete Substantiv „Modell“ hat viele Bedeutungen. Es kann Form, Beschaffenheit, die veranschaulichende Ausführung der Maßverhältnisse eines vorhandenen oder noch zu schaffenden Gegenstandes in bestimmtem (besonders verkleinerndem) Maßstab bezeichnen. In der bildenden Kunst und in der Technik bedeutet es „Muster, Entwurf einer Plastik, eines technischen o. ä., durch Guss herzustellenden Gegenstandes, nach dem die Guss- bzw. Gipsform hergestellt wird“. In der Wissenschaft ist es das „Objekt, Gebilde, das die inneren Beziehungen und Funktionen von etwas abbildet bzw. [schematisch] veranschaulicht [und vereinfacht, idealisiert]“. In der mathematischen Logik stellt es die Interpretation eines Axiomensystems dar, „nach der alle Axiome des Systems wahre Aussagen sind“. Ein Modell kann „Gegenstand der bildnerischen, künstlerischen o. ä. Darstellung oder Gestaltung benutztes Objekt, Lebewesen etc.“ sein. In der Mode versteht man unter einem Modell ein einzeln angefertigtes Kleidungsstück, das als Muster für die serienweise Herstellung verwendet wird. Bildungssprachlich drückt es eine Vorbildfunktion oder einen als Muster gedachten Entwurf aus. Als Modell werden eine „Person, die sich [berufsmäßig] als Gegenstand bildnerischer oder fotografischer Darstellung, Gestaltung zur Verfügung stellt“ sowie ein „Model“ bezeichnet. Das Wort „Modell“ dient aber auch als verhüllender Begriff für eine Prostituierte (www.duden.de, s. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis).
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bbb) Aufgrund des Bildbestandteils ist das Wort „MODELLE“ ausschließlich im Sinne von Personen zu verstehen, die sich im Erotikbereich berufsmäßig als Gegenstand bildnerischer oder fotografischer Darstellung oder als Models zur Verfügung stellen oder gar als Prostituierte arbeiten wollen. Denn die Grafik zeigt eine sitzende, nur mit einer Korsage und langen Handschuhen bekleidete Frau mit großen, nackten Brüsten und bis unter die Knie geschnürten, schwarzen hochhackigen Plateauschuhen.
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ccc) Hamburg ist eine geographische Herkunftsangabe, nämlich der Name der zweitgrößten Stadt Deutschlands, die mit der Reeperbahn im Stadtteil St. Pauli ein weltweit bekanntes Rotlicht- und Vergnügungsviertel besitzt (BPatG 25 W (pat) 526/13 – Kiez-Waren St. Pauli). Allein die in der Nähe der Reeperbahn gelegene Herbertstraße wird seit dem 19. Jahrhundert von – gegenwärtig rund 250 – Frauen zur Prostitution genutzt (www.wikipedia.de, s. Anlage 4 zum gerichtlichen Hinweis). Auch dieser Umstand stützt das oben dargelegte Verständnis des Wortbestandteils „MODELLE“.
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ddd) Die Anfügung eines Punktes und der Buchstabenkombination „de“ ist den inländischen Internetnutzern und damit breitesten Verkehrskreisen als länderspezifische Top-Level-Domain der Bundesrepublik Deutschland bekannt. (vgl. BGH GRUR 2016, 939 Rdnr. 37 – wetter.de; BPatG 30 W (pat) 46/16 – rheuma-online.de; 28 W (pat) 3/17 – Dachtuning.de; 29 W (pat) 13/16 – ek-steuer.de). Ihr entnimmt der Verkehr nur den Hinweis auf ein Internetangebot aus Deutschland bzw. dass die fraglichen Waren und Dienstleistungen – zumindest auch – über das Internet bezogen werden können (BPatG 28 W (pat) 3/17 – Dachtuning.de; 24 W (pat) 516/14 – Faschingshop 24.de; 29 W (pat) 525/10 – fashion.de), während der kennzeichnende Gesamteindruck nur durch die jeweilige Second-Level-Domain bestimmt wird (vgl. BGH GRUR 2012, 1040 Rdnr. 43 – pjur/pure; GRUR a. a. O. – wetter.de).
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cc) In der Gesamtheit kann dem Anmeldezeichen die Bedeutung entnommen werden „über das Internet kontaktierbare Personen aus oder in Hamburg, die sich im Erotikbereich berufsmäßig als Gegenstand bildnerischer oder fotografischer Darstellung, als Models oder gar als Prostituierte zur Verfügung stellen“.
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dd) Aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise weist die angemeldete Wort-/Bildmarke nur auf den (thematischen) Gegenstand der beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35, 38 und 41, nicht aber auf deren betriebliche Herkunft hin.
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aaa) Da Werbedienstleistungen unabhängig von dem konkret beworbenen Gegenstand universell einsetzbar sind, genügt der Umstand, dass im Internet verfügbare Hamburger Modelle werblich angepriesen werden können, noch nicht, um die in Klasse 35 beanspruchten Werbedienstleistungen, nämlich
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„Werbung; Online-Werbung; Werbung für Dienstleistungen; Auskünfte über Werbung; Werbung für Geschäftsbetriebe; Werbung mittels Datenbanken; Vermittlung und Platzierung von Anzeigen; Veranstaltung von Ausstellungen und Festivals zu Werbezwecken; Organisation von Veranstaltungen, Ausstellungen, Messen und Shows für kommerzielle, verkaufsfördernde und Werbezwecke; Beratung in Bezug auf Anzeigenwerbung; Platzierung von Anzeigen für Dritte; Erstellung von Anzeigen für Dritte“,
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selbst zu beschreiben. Eine Bezeichnung hat nur dann beschreibenden Charakter, wenn sie die Art des Mediums oder die Branche angibt, auf die die Werbedienstleistungen bezogen sind (BGH GRUR 2009, 949 Rdnr. 24 – My World; BPatG 29 W (pat) 35/15 – Immer eine Frische voraus).
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Vorliegend enthält die angemeldete Wort-/Bildmarke einen eindeutigen Hinweis auf die Erotik- oder Sexbranche sowie die Art des Mediums, nämlich den Onlinebereich, so dass sie für sämtliche Werbedienstleistungen eine Sachangabe darstellt.
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bbb) Hinsichtlich der in Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen „Vermittlung von Geschäftskontakten; Vermittlungsdienste in Geschäftsangelegenheiten“ versteht der Verkehr das Wort-/Bildzeichen nur dahingehend, dass Modelle, Models oder Prostituierte aus oder in Hamburg online vermittelt werden bzw. Gegenstand dieser Dienstleistungen sind. Es gibt beispielsweise Begleitagenturen, oft auch Escort-Agenturen oder -services genannt, die Frauen oder Männer, sog. Escorts, vermitteln, die gegen Honorar für eine vereinbarte Zeit ihre Gesellschaft und/oder Sexdienste bieten (https://de.wikipedia.org/wiki/Begleitagentur).
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ccc) Da zu den Telekommunikationsdienstleistungen in Klasse 38
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„internetbasierte Telekommunikationsdienste; Kommunikations-dienste mittels Internet; Bereitstellung von Internetforen; Bereitstellung von Internetchatlines; Computerkommunikations- und Internetzugriffsdienste; Dienste eines Internet-Providers; Kommunikationsleistungen über das Internet; digitale Datenübertragung via Internet; Bereitstellung von interaktiven Internetforen; Streaming von Tonmaterial im Internet; Drahtloser Datentransfer über das Internet; Streaming von Videomaterial im Internet; Bereitstellung des Zugangs zu Internetforen“
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neben der rein technischen Komponente die inhaltliche Bereitstellung und Übermittlung von Informationen gehört, weil zwischen der technischen Dienstleistung und der Contentvermittlung ein so enger Bezug besteht, dass das entsprechende Verkehrsverständnis zwischen Technik und Inhalt insoweit nicht mehr trennt (BPatG 29 W (pat) 22/15 – Substantial Media, 29 W (pat) 507/16 – HEADLINE 24; 30 W (pat) 548/14 – DRIVE & TRACK; 29 W (pat) 223/04 – Dating TV; 29 W (pat) 59/10 – dress-for-less; 27 W (pat) 525/14 – Therapie.TV; 29 W (pat) 525/13 – The European; 30 W (pat) 16/14 – eDetect; 26 W (pat) 72/14 – Shopping Compass; 26 W (pat) 67/13 – Bwnet; 26 W (pat) 526/14 – Gold; vgl. auch BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Rdnr. 22 – TOOOR!), fasst das angesprochene Publikum das Anmeldezeichen wegen seines thematischen Bezugs nur als Sachangabe auf. Denn die unter Inanspruchnahme von Telekommunikationsdienstleistungen übermittelten Informationen und Daten können sich mit online angebotenen Modellen, Models oder Prostituierten aus oder in Hamburg befassen.
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ddd) Letztere können auch Gegenstand der Unterhaltungsdienstleistungen der Klasse 41
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„Unterhaltung; Unterhaltungsdienstleistungen; Online-Unterhaltung; Durchführung von Ausstellungen für Unterhaltungszwecke; Organisation von Konferenzen im Bereich Unterhaltung; Veröffentlichung von Büchern mit Bezug zum Unterhaltungsbereich; Beratung über Unterhaltung“
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sein, indem sie durch ihre erotische Gegenwart oder durch das Vornehmen sexueller Handlungen im Internet zur Unterhaltung beitragen oder das Thema auf Ausstellungen, Konferenzen, in Büchern und auf Webseiten bilden. Bei den Dienstleistungen „Produktion von Unterhaltungsfilmen; Unterhaltung in Form von Videobändern; Produktion von Filmen zu Unterhaltungszwecken; Audio- und Videoproduktion“ können im Internet kontaktierbare Modelle, Models und Prostituierte als Darsteller/Innen mitwirken. Bei den Dienstleistungen „Fotografieren; Fotografie-Dienstleistungen; fotografische Gestaltung für Dritte; Fotografieren“ kann das Anmeldezeichen auf ein Hamburger Modelportal im Erotikbereich hinweisen. Bei der „Veröffentlichung der redaktionellen Inhalte von Websites mit Zugang über ein weltweites Computernetz“ können Hamburger Modelle redaktioneller Inhalt im Internet sein.
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ee) Die Bildelemente des angemeldeten Zeichens reichen ebenfalls nicht aus, um ihm die notwendige Unterscheidungskraft zu verleihen.
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aaa) Denn an die grafische Ausgestaltung sind umso größere Anforderungen zu stellen, je deutlicher der nicht unterscheidungskräftige Charakter der fraglichen Angabe selbst hervortritt (BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 20 – HOT; GRUR 2010, 640 Rdnr. 17 – hey!; GRUR 2009, 954 Rdnr. 17 – Kinder III; GRUR 2001, 1153 – antiKALK;). Dafür müssten die Bildbestandteile charakteristische Gestaltungsmerkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht. Daran fehlt es, wenn sich das Bildelement in rein dekorativen Hervorhebungsmitteln erschöpft oder ausschließlich die – sachbezo-genen – Aussagen der anderen Zeichenteile illustriert (BGH GRUR 2008, 710 Rdnr. 20 – VISAGE; a. a. O. – antiKALK; a. a. O. Rdnr. 18 – grill meister).
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bbb) Der Bildbestandteil in Form einer über dem Wortelement „MODELLE“ sitzenden, nur mit einer Korsage und langen Handschuhen bekleideten Frau mit großen, nackten Brüsten und bis unter die Knie geschnürten, schwarzen hochhackigen Plateauschuhen illustriert nur den beschreibenden Aussagegehalt der die Second-Level-Domain bildenden Wortbestandteile.
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ccc) Der kräftige Pinkfarbton für die Korsage, die Handschuhe und die Majuskel des Wortelements „MODELLE“ symbolisiert in ausdrucksstarker und anregender Weise Weiblichkeit und Sinnlichkeit und verstärkt somit nur die Sachaussage.
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ddd) Als werbeübliche und unauffällige Stilmittel gelten auch die zweizeilige Anordnung der Wortelemente sowie die graue Farbe der Versalien des Wortbestandteils „HAMBURG.DE“, die daher nicht als charakteristisches Merkmal hervortreten.
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eee) Der transparente wellenförmige Schleier, der den Anfangsbuchstaben des Wortes „MODELLE“ fast zu ¾ bedeckt und sich bis zum Schlussvokal „E“ bis auf ein Drittel verjüngt, stellt zum einen mit seiner Annäherung an den grauen Farbton des darunter angeordneten Wortbestandteils „HAMBURG.DE“ die Verbindung zum Gesamtbegriff „MODELLE HAMBURG.DE“ her, zum anderen dient er der Illustration der Sachaussage dahingehend, dass es sich bei dem teilweise verschleierten Wort „MODELLE“ um den verhüllenden Begriff für eine Prostituierte handeln kann.
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fff) Die angesprochenen Verkehrskreise werden das angemeldete Wort-/Bildzeichen daher als eine Gesamtheit wahrnehmen, in der der sachbezogene Charakter der Wortbestandteile im Vordergrund steht und durch die bildliche Gestaltung nur noch verstärkt wird. Eine komplexe und hinreichend eigentümliche Gestaltung weist es auch in seiner Gesamtheit nicht auf.
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ff) Nur für die Dienstleistungen „Erfassung, Verarbeitung und Ausgabe von Daten in Datenbanken [Büroarbeiten]“ der Klasse 35 kann ein beschreibender Gehalt des Anmeldezeichens nicht festgestellt werden, weil diese Dienstleistungen für Unternehmen schlechthin und nicht nur für bestimmte Personen oder spezifische Branchen erbracht werden.
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2. Ihnen steht jedoch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG entgegen.
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a) Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG sind Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen. Von einem Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG ist auszugehen, wenn das angemeldete Zeichen geeignet ist, das Empfinden der angesprochenen Verkehrskreise erheblich zu verletzen, indem es etwa in sittlicher, politischer oder religiöser Hinsicht anstößig oder herabwürdigend wirkt oder eine grobe Geschmacksverletzung darstellt (BGH 2013, 729 Rdnr. 9 – READY TO FUCK; GRUR 1964, 136, 137 – Schweizer; BGHZ 130, 5, 9 ff. – Busengrapscher). Maßgeblich ist insoweit die Sicht eines durchschnittlichen Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise, wobei nicht nur die Verkehrskreise zu berücksichtigen sind, an die sich die mit dem Anmeldezeichen beanspruchten Waren oder Dienstleistungen unmittelbar richten, sondern auch die Teile des Publikums, die dem Zeichen im Alltag zufällig begegnen. Maßgeblich ist weder eine übertrieben nachlässige noch eine besonders feinfühlige und empfindsame, sondern eine normal tolerante und durchschnittlich sensible Sichtweise (BGH a. a. O. – READY TO FUCK; BPatG 27 W (pat) 534/13 – Zur Ritze; Mitt. 1983, 156 – Schoasdreiber). Auch darf die Prüfung des Schutzversagungsgrunds nicht in einer Geschmackszensur bestehen. Soweit eine Liberalisierung der Anschauungen des angesprochenen Verkehrs im Hinblick auf die Verwendung vulgärer, obszöner oder beleidigender Worte stattgefunden hat, muss ihr Rechnung getragen werden (vgl. BGH a. a. O. – READY TO FUCK; BGHZ a. a. O. – Busengrapscher; BPatGE 46, 66, 68 ff.). Andererseits ist eine noch nicht eingetretene, sondern sich nur in Ansätzen abzeichnende Liberalisierung oder Banalisierung in der Sichtweise grob anstößiger Ausdrücke in der Eintragungspraxis nicht vorwegzunehmen.
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Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist aber dann überschritten, wenn Zeichen einen diskriminierenden, die Menschenwürde verletzenden Eindruck vermitteln, sei es in der Art ihrer bestimmungsmäßigen Verwendung oder in der Art der Darstellung, z. B. wenn sie Frauen als beliebig verfügbare Sexualobjekte darstellen (BGHZ a. a. O. – Busengrapscher; BPatGE 46, 225, 229 – Vibratoren), oder wenn Sexuelles in reißerischer, grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund gerückt ist oder überwiegend auf die Erregung sexueller Reize abgezielt wird (BPatGE a. a. O. – Vibratoren, 30 W (pat) 704/17; 27 W (pat) 96/10 – Gefesselte Frau).
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b) In Anwendung der dargelegten Grundsätze ist vorliegend festzustellen, dass das angemeldete Wort-/Bildzeichen in Bezug auf die Dienstleistung „Erfassung, Verarbeitung und Ausgabe von Daten in Datenbanken [Büroarbeiten]“ der Klasse 35 geeignet ist, das Scham- und Sittlichkeitsgefühl eines beachtlichen Teils des Publikums zu verletzen.
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Da die Dienstleistung „Erfassung, Verarbeitung und Ausgabe von Daten in Datenbanken [Büroarbeiten]“ keinen Bezug zur Erotikbranche oder zum Rotlichtmilieu aufweist, dient die Darstellung einer spärlich bekleideten Frau mit großen, nackten Brüsten in aufreizender Pose ausschließlich als Blickfang. Damit handelt es sich um eine diskriminierende, die Menschenwürde verletzende Darstellung einer Frau als bereitwillig verfügbares Sexualobjekt, die ohne irgendeinen Zusammenhang mit Erotik-Dienstleistungen ausschließlich die Aufmerksamkeit des Betrachters erregen soll. Soweit die Anmelderin einwendet, es sei eine selbstbewusste weibliche Person abgebildet, die keine Probleme habe, sich zum Teil zu entblößen, wie es an jedem Strand in Deutschland beobachtet werden könne, ist dem entgegenzuhalten, dass die dargestellte Frau aufgrund der die Brüste herausstellenden Korsage, des hochhackigen Schuhwerks mit Schnürung und der Langarmhandschuhe keine typische Schwimm- oder Strandkleidung trägt, und zudem keine für das Baden oder den Strand typische Körperhaltung, sondern eine aufreizende Pose einnimmt.
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3. Die von der Anmelderin angeführte Voreintragung kann eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen.
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Die am 25. September 2006, also vor neun Jahren vom DPMA vorgenommene Eintragung der Marke (30 644 552) für Erotik-Internetdienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 liegt zum einen bereits relativ lange zurück, zum anderen besteht zumindest im Hinblick auf die Sittenwidrigkeit der gravierende Unterschied, dass die Brüste der abgebildeten Frau nicht entblößt sind.
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Im Übrigen kann es sich hierbei um eine rechtswidrig vorgenommene Eintragung oder um eine Eintragung vor Eintritt einer Richtlinien- oder Rechtsprechungsänderung handeln. Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rdnr. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und SCHWABENPOST).