Aktenzeichen 25 W (pat) 615/17
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2015 042 539.7
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. Mai 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener sowie des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. April 2017 aufgehoben, soweit die Anmeldung in Bezug auf die nachfolgenden Waren der Klasse 25 zurückgewiesen worden ist:
Kopfbedeckungen; T-Shirts; Hemden; Gürtel; Hüte; Pullover.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Die Wortkombination
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Paletas Berlin
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ist am 17. Juni 2015 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Waren angemeldet worden:
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Klasse 25: Kopfbedeckungen; T-Shirts; Hemden; Gürtel; Hüte; Pullover;
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Klasse 30: Speiseeis; Bindemittel für Speiseeis; Joghurteis [Speiseeis]; Sorbets [Speiseeis]; Speiseeispulver; Wassereis; Fruchteis; Zubereitungen im Wesentlichen bestehend aus Speiseeis; Speiseeiserzeugnisse; Zubereitungen zur Herstellung der vorgenannten Produkte, soweit in Klasse 30 enthalten;
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Klasse 32: Teegetränke, insbesondere Eistee; alkoholfreie Erfrischungsgetränke, insbesondere Limonaden, Kaltgetränke, Brausen, Fruchtsaftgetränke; Fruchtsäfte; Fruchtgetränke; Fruchtnektare; Smoothies [soweit in Klasse 32 enthalten].
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Mit Beschluss vom 10. April 2017 hat die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts durch eine Prüferin des gehobenen Dienstes die unter der Nummer 30 2015 042 539.7 geführte Anmeldung zurückgewiesen. Die angemeldete Wortkombination setze sich aus dem spanischen Wort „Paletas“ und der geografischen Ortsangabe „Berlin“ zusammen. Das Wort „Paletas“ stamme ursprünglich aus Mexiko und bezeichne „Eis am Stiel“ bzw. „Wassereis“. Die geografische Ortsangabe „Berlin“ weise lediglich auf den Sitz des Anbieters bzw. den Ort der Herstellung und des Vertriebs der Waren hin. Der angesprochene Verkehr, zu dem auch der Handel zähle, werde die Gesamtkombination in Verbindung mit den beanspruchten Waren nur als einen beschreibenden Hinweis auf die Art und Bestimmung sowie die geografische Herkunft der Waren auffassen. Bei den Waren der Klassen 30 und 32 könne es sich um in Berlin hergestelltes und/oder vertriebenes Eis am Stiel nach mexikanischer Art bzw. um die Zutaten für dessen Herstellung handeln. Die Waren der Klasse 25 könnten mit der angemeldeten Wortkombination als Motiv ausgestattet werden und für Verkäufer von Eis am Stiel in Berlin bestimmt sein. Insoweit bestehe auch ein Freihaltebedürfnis zugunsten der Mitbewerber des Anmelders nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
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Gegen die Zurückweisung der Anmeldung richtet sich die Beschwerde des Anmelders, die er nicht begründet hat.
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Der Anmelder und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. April 2017 aufzuheben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, den rechtlichen Hinweis des Senats vom 4. Januar 2018 nebst Anlagen, die Schriftsätze des Anmelders und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
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Die zulässige, insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte Beschwerde hat in der Sache Erfolg, soweit die Anmeldung für Waren der Klasse 25 zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen steht der Eintragung der angemeldeten Wortkombination „Paletas Berlin“ als Marke das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher insoweit zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 5 MarkenG).
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1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100 Rn. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi Langstrumpf). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrunde liegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604 Rn. 60 – Libertel; BGH GRUR 2014, 565 Rn. 17 – Smartbook). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT 2; GRUR 2004, 428 Rn. 30 f. – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, 1144 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 482 Rn. 22 – test; EuGH, MarkenR 2010, 439 Rn. 41 – 57 – Flugbörse).
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Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH GRUR 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor) oder sonst gebräuchliche Wörter der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, die – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH a. a. O. – Link economy; GRUR 2009, 778 Rn. 11 – Willkommen im Leben; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006).
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Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Bezeichnung „Paletas Berlin“ im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren der Klassen 30 und 32 jegliche Unterscheidungskraft.
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Die Markenstelle hat zu Recht festgestellt, dass der Begriff „Paletas“ als sachbeschreibende Bezeichnung für „Eis am Stiel“ auch im deutschen Sprachgebrauch Verwendung findet. Die Bedeutung dieser aus Mexiko stammenden Bezeichnung ist jedenfalls den inländischen Fachkreisen der Lebensmittelbranche bekannt. Dabei ist für die Frage der Unterscheidungskraft schon das Verständnis der Fachkreise für sich genommen ausreichend maßgeblich (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2018, 25 W (pat) 10/16 – Sallaki, die Entscheidung ist über die Homepage des Bundespatentgerichts öffentlich zugänglich). Insoweit kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben, ob auch ein relevanter Teil der Verbraucher den Begriff „Paletas“ als Bezeichnung für „Eis am Stiel“ kennt. Das entsprechende sachbeschreibende Verkehrsverständnis der Fachkreise lässt sich auch schon für den Zeitpunkt der Markenanmeldungen am 10. September 2015 nachweisen, auf den es insoweit entscheidend ankommt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten). Auf die Rechercheergebnisse der Markenstelle und die Rechercheunterlagen des Senats, die dem Anmelder mit dem Senatshinweis vom 4. Januar 2018 übersandt worden sind, wird insoweit Bezug genommen. So wird beispielsweise in einem von zahlreichen Internetblogs vom 15. Juni 2014 der Begriff „Paletas“ wie folgt beschrieben: „Paletas stammen aus Mexiko und sind nichts anderes als eine gefrorene Mischung aus Fruchtstücken, -saft und Wasser“. Ein weiteres Beispiel für den inländischen Sprachgebrauch im Anmeldezeitpunkt ist das Kochbuch „Eis“ von Elisabeth Johansson, das im März 2013 in Deutschland erschienen ist und verschiedene Rezepte für „Paletas“ vorstellt. Im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Waren schließt das rein sachbeschreibende Verkehrsverständnis neben der Ware „Speiseeis“ selbst auch die entsprechenden Grundstoffe und Zutaten ein, die mit der Anmeldung in den Klassen 30 und 32 beansprucht werden. So lässt sich Speiseeis bzw. Eis am Stiel beispielsweise auch aus Teegetränken, Fruchtgetränken oder Smoothies herstellen. Der zweite Wortbestandteil der angemeldeten Wortkombination „Berlin“ ist eine allgemein bekannte Ortsbezeichnung und als geografische Angabe nicht geeignet, die Schutzfähigkeit des Zeichens für sich genommen zu begründen. Im Übrigen kommt dem angemeldeten Zeichen auch in seiner Gesamtheit im Zusammenhang mit den noch beschwerdegegenständlichen Waren keine Unterscheidungskraft zu. Die Markenstelle hat hierzu zutreffend festgestellt, dass auch die Kombination der sachbeschreibenden Begriffe „Paletas“ und „Berlin“ in ihrer Gesamtwirkung nicht über die schlichte Summenwirkung der einzelnen Bestandteile hinausgeht.
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2. Es spricht vieles dafür, dass der Anmeldung zumindest im Zusammenhang mit einem Teil der Waren der Klasse 30 auch ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht. Dies kann aber im Ergebnis als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
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3. Im Zusammenhang mit Bekleidung (Klasse 25) wird der angesprochene Verkehr die angemeldete Wortkombination allerdings nicht sachbeschreibend verstehen. Insoweit besteht kein ausreichender sachlicher Zusammenhang zwischen „Eis am Stiel mexikanischer Art“ und den Waren „Kopfbedeckungen; T-Shirts; Hemden; Gürteln; Hüten und Pullovern“, selbst wenn die angemeldete Wortfolge in der Art eines Motivs auf den Bekleidungsstücken angebracht wird. Es gibt insbesondere keine besondere Berufsbekleidung, die speziell für die Herstellung oder den Vertrieb der Ware „Speiseeis“ bestimmt ist. Soweit die Markenstelle ein Freihaltebedürfnis bejaht hat, weil anderenfalls Mitbewerber des Anmelders gehindert wären, zu Werbezwecken Bekleidungsstücke mit der Bezeichnung „Paletas“ und/ oder „Berlin“ zu benutzen, besteht nach Auffassung des Senats kein Schutzhindernis. Wenn Mitbewerber beim Verkauf von Speiseeis entsprechend bedruckte Bekleidungsstücke tragen, wird die Wortfolge nicht kennzeichenmäßig für die Ware „Bekleidungsstücke“, sondern im Zusammenhang mit dem Verkauf der Ware „Speiseeis“ benutzt, wobei in einem solchen Fall eine markenmäßigen Benutzung der Wortfolge für Bekleidung nicht gegeben sein dürfte. Deshalb war der angefochtene Beschluss der Markenstelle in Bezug auf die angemeldeten Waren der Klasse 25 aufzuheben.