Aktenzeichen 26 W (pat) 528/20
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2018 113 938.8
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 15. Juni 2020 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Schödel
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 21. Oktober 2019 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
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Das Wortzeichen
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pizzadrone
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ist am 11. Dezember 2018 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Dienstleistungen der
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Klasse 38: Bereitstellung des Zugriffs auf einen virtuellen Marktplatz für Waren und Dienstleistungen auf lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Computernetzwerken, insbesondere dem Internet und Bereitstellen von entsprechenden Telekom-munikationskanälen; Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk, auf Computerprogramme in Datennetzen und auf Informationen im Internet; Bereitstellen von Telekommunikationsverbindungen zu einem weltweiten Computernetzwerk; Bereitstellung von Internet-Chatrooms; Bereitstellung von Telekommunikationskanälen für Teleshopping-Dienste; Telekommunikation, insbesondere elektronische Anzeigen-vermittlung und Nachrichtenüber-mittlung sowie elektronischer Austausch von Nachrichten mittels Chatlines, Chatrooms und Internetforen; Kommu-nikationsdienste mittels Computer-terminals und Telefon; Leitungs-, Routing- und Verbindungsdienstleistungen für die Telekommunikation; Mobiltelefondienste; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; Sprachübermittlungsdienste und Sprachmitteilungsdienste; Telefax- und Telefondienste; Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken; Ausstrahlung von Internet-Seiten; Ausstrahlung von Fernseh- und/oder Radio-sendungen über das Internet; Bereitstellung von Tele-kommunikationskanälen im Internet für den Betrieb eines Fernseh- und/oder Radiosenders; Ausstrahlung von Filmen, Fernseh- und Rundfunkprogrammen, Videos und Musikstücken in digitaler Form; Ausstrahlung und On-demand-Abfrage von Laufbildern, Videos und Filmen auf lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Computernetzen [Telekommunikation]; Liefern von Nachrichten [Presse-agenturen]; Übermittlung von Nachrichten; Dienstleistungen eines Online-Dienstes, nämlich Übermittlung von Datenbanken, Informationen und Nachrichten aller Art; Übermittlung von Informationen aller Art über ein Internet-Portal, insbesondere in Form elektronischer Zeitschriften und Zeitungen, insbesondere Internet-Guides, Branchenver-zeichnissen, Programmzeitschriften, Website-Verzeichnissen; Online-Dienste, nämlich Bereitstellung eines Internetportals mit Informationen, Daten und Bildern über Waren und Dienstleistungen; Online-Dienste, nämlich elektronische Übermittlung von Informationen, Daten und Bildern über Waren und Dienstleistungen mittels eines Internetportals; Dienstleistungen eines Online-Dienstes, nämlich Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken, Informationen und Wirt-schaftsnachrichten sowie Sammeln und Liefern von Informationen und Wirtschaftsnachrichten [Presseagenturen]; Übermitteln von Informationen über ein Internetportal; Bereitstellen des Zugriffs auf ein Internetportal; Sammeln von Nachrichten, Bildern und Informationen, insbesondere mittels neuer Medien, im Internet, in digitalen Netzwerken, in elektronischen Medien, im Rahmen von Online-Diensten sowie in lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Computernetzwerken, alle Bestandteile der vorgenannten Dienstleistung im Rahmen der Dienstleistungen von Presse-agenturen; E-mail-Dienste; Sammeln von Nachrichten in Computerdatenbanken, insbesondere mittels neuer Medien, im Internet, in digitalen Netzwerken, in elektronischen Medien, im Rahmen von Online-Diensten sowie in lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Computernetzwerken;
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Klasse 39: Transportwesen; Verpackung von Waren; Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen; Liefern von Waren; Lieferservice; Transport- und Lieferdienste auf dem Luftweg, der Straße, der Schiene und dem Seeweg; zeitweilige Lagerung von Lieferungen;
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Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen; Dienstleistungen zur Beherbergung von Gästen; Lieferdienste von Speisen für den sofortigen Verzehr; Lieferung von Mahlzeiten; Catering; mobiles Catering; Outdoor-Catering.
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Mit Beschluss vom 21. Oktober 2019 hat die Markenstelle für Klasse 39 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen setze sich aus den Bestandteilen „pizza“ und „drone“ zusammen. Als „Pizza“ werde eine meist heiß servierte, aus dünn ausgerolltem und mit Tomatenscheiben, Käse u. a. belegtem Hefeteig gebackene, pikante italienische Spezialität bezeichnet. Der englische Begriff „drone“ werde mit „Drohne“ ins Deutsche übersetzt. Hierunter verstehe man ein unbemanntes Luftfahrzeug, das außer im militärischen und geheimdienstlichen Bereich auch für kommerzielle und wissenschaftliche Zwecke eingesetzt werde. Die angemeldete Wortkombination werde von den angesprochenen Verkehrskreisen lediglich als schlagwortartiger, werbender Sachhinweis verstanden. Dieser suggeriere, dass sich die mit dem Anmeldezeichen gekennzeichneten Dienstleistungen auf Liefer- und Verpflegungsdienste mit Pizza mit Hilfe von Drohnen bezögen. Die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 38 könnten hierfür bestimmt sein bzw. in einem engen Sachzusammenhang dazu stehen. Daher sei das angemeldete Zeichen im Interesse der Mitbewerber auch freihaltebedürftig.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er hat sich weder im patentamtlichen noch im gerichtlichen Verfahren in der Sache geäußert.
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Der Anmelder beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des DPMA vom 21. Oktober 2019 aufzuheben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und führt gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt.
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1. Das Verfahren vor dem DPMA leidet an einem wesentlichen Mangel, weil die Entscheidung auf eine nicht zwischen den einzelnen Waren differenzierende Begründung gestützt worden ist.
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a) Nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG kann das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Verfahren vor dem Patent- und Markenamt an einem wesentlichen Mangel leidet. Von einem wesentlichen Mangel des Verfahrens im Sinne des § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG ist auszugehen, wenn es nicht mehr als ordnungsgemäße Grundlage für die darauf beruhende Entscheidung des DPMA anzusehen ist (BGH GRUR 1962, 86, 87 – Fischereifahrzeug). Das gilt insbesondere für völlig ungenügende oder widersprüchliche Begründungen (BPatGE 7, 26, 31 ff.; 21, 75).
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b) Bei der Prüfung der absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 MarkenG sind grundsätzlich alle beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen zu würdigen (EuGH GRUR 2007, 425 Rdnr. 32, 36 – MT&C/BMB; BGH GRUR 2009, 952 Rdnr. 9 – DeutschlandCard), wobei eine globale Begründung ausreicht, soweit dieselben Erwägungen eine Kategorie oder Gruppe der angemeldeten Waren und/oder Dienstleistungen betreffen (EuGH a. a. O. Rdnr. 37 – MT&C/BMB; GRUR 2008, 339 Rdnr. 91 – Develey/HABM). Das bedeutet aber nur, dass dieselbe für verschiedene Waren und/oder Dienstleistungen maßgebliche Begründung nicht für jede einzelne Position des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses wiederholt werden muss, sondern dass Gruppen von Waren und/oder Dienstleistungen zusammengefasst beurteilt werden können. Gegen diese Begründungspflicht wird daher verstoßen, wenn verschiedene Waren und/oder Dienstleistungen ohne weitere Begründung gleich behandelt oder überhaupt nicht gewürdigt werden.
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c) Die Markenstelle hat nur pauschal behauptet, das Anmeldezeichen suggeriere, die so gekennzeichneten Dienstleistungen bezögen sich auf Liefer- und Verpflegungsdienste mit Pizza mit Hilfe von Drohnen. Die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 38 könnten hierfür bestimmt sein bzw. in einem engen Sachzusammenhang dazu stehen. Eine Begründung zu dem Bedeutungsgehalt im Hinblick auf die zahlreichen Dienstleistungen des angemeldeten Verzeichnisses fehlt vollständig.
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Die Markenstelle hat es damit vorliegend versäumt, den verfahrensgegenständlichen Zurückweisungsbeschluss zu begründen (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 MarkenG).
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e) Da eine inhaltliche Auseinandersetzung der Markenstelle mit dem angemeldeten Dienstleistungsverzeichnis nicht erkennbar ist, sieht der Senat nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG von einer eigenen abschließenden Sachentscheidung ab und verweist die Sache an das DPMA zurück. Ungeachtet der Bedeutung, die dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie im Rahmen der gebotenen Ermessensausübung zukommt, kann es nicht zu den Aufgaben des Patentgerichts gehören, in der Sache die dem DPMA obliegende differenzierte Erstprüfung einer Anmeldung zu übernehmen (vgl. BPatG 24 W (pat) 524/15 – kerzenzauber; 26 W (pat) 518/17 – modulmaster). Dabei sind ferner sowohl der sonst eintretende Verlust einer Entscheidungsinstanz als auch die Belastung des Senats mit einem hohen Stand an vorrangigen Altverfahren zu berücksichtigen, der eine zeitnahe Behandlung des vorliegenden, erst im Jahr 2020 anhängig gewordenen Verfahrens nicht zulässt.
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Die Markenstelle wird daher erneut in die Prüfung einzutreten haben, ob und gegebenenfalls für welche konkreten Dienstleistungen ein Freihaltebedürfnis bzw. eine fehlende Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens festzustellen ist.
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2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nach § 71 Abs. 3 MarkenG anzuordnen. Dies entspricht der Billigkeit, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beschwerde bei korrekter Sachbehandlung vermieden worden wäre.