Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Reve rouge” – Freihaltungsbedürfnis – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  27 W (pat) 557/13

Datum:
19.2.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
27. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 000 208.3
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. Februar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Hermann und den Richter k. A. Schmid
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der Wortmarke 30 2013 000 208
2
Reve rouge
3
nach vorangegangener Beanstandung vom 21. März 2013 mit Beschluss vom 12. Juli 2013 für die Waren
4
Klasse 14:
5
Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente
6
Klasse 18:
7
Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme und Sonnenschirme; Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren
8
Klasse 25:
9
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen
10
wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedarfs zurückgewiesen.
11
Die angemeldete Bezeichnung “Reve rouge” sei aus Worten des Grundwortschatzes der französischen Sprache zusammengesetzt. “Rouge” bedeute “rot” und stelle lediglich eine auch in die deutsche Sprache eingegangene Farbangabe dar. “Reve” als das französische Wort für “Traum, Wunschtraum” werde als Grundwort von einem großen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise in diesem Sinne verstanden, wobei “Traum” in der deutschen Sprache seit langem und in verstärkten Umfang werbesprachlich besonders im Modebereich verwendet werde. Ohne analysierende Betrachtungsweise erkenne das Publikum, dem französisch-sprachige Begriffe zu dem vorliegenden Warenbereich nicht selten begegnen, dass es sich um eine – auch im Französischen – sprachregelkonforme Zusammensetzung aus einem Adjektiv und einem Substantiv handele, so dass sich für die Verkehrskreise der Bedeutungsgehalt “roter Traum”, “traumhaft roter Artikel” als im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt ergebe. Der beschreibende Aussagegehalt “traumhaft schöner roter Artikel” sei dabei so deutlich und unmissverständlich, dass die beteiligten Verkehrskreise, die den Waren in den einschlägigen Fachgeschäften begegneten, in dem Zeichen lediglich eine werbeschlagwortartige Anpreisung der Waren und keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen würden.
12
Gegen diesen Beschluss richtet sich die nicht schriftsätzlich begründete Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,
13
den Beschluss der Markenstelle vom 12. Juli 2013 aufzuheben und die Eintragung der Marke zu beschließen.
II.
14
Die zulässige Beschwerde, über die nachdem die Anmelderin keine mündliche Verhandlung beantragt hat und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, ohne eine solche entschieden werden kann, hat in der Sache keinen Erfolg, weil einer Eintragung der Marke die Schutzhindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und eines Freihaltungsbedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen.
15
1. Der angemeldeten Wortmarke fehlt für die beanspruchten Waren die erforderliche Unterscheidungskraft.
16
Unterscheidungskraft im Sinn dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren abzustellen ist. Ausgehend hiervon besitzen Marken keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden.
17
Die Unterscheidungskraft fehlt einer fremdsprachigen Angabe nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dann, wenn die beteiligten inländischen Kreise im Stande sind, die Bedeutung eines Wortes zu erkennen. Die insoweit maßgeblichen beteiligten Kreise definiert der EuGH dabei als den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 – Matratzen Concord/Hukla).
18
Die Bedeutung der aus dem französischen Grundwortschatz stammenden Zeichenbestandteile hat die Markenstelle zutreffend herausgearbeitet, ebenso die Sprachüblichkeit der Wortkombination. Dem ist auch die Anmelderin nicht entgegengetreten. Selbst wenn man annehmen wollte, dem deutschen Durchschnittsverbraucher sei die genaue Bedeutung des Begriffes mangels französischer Sprachkenntnisse eher nicht bekannt, was angesichts der Allgegenwart französischer Begriffe im einschlägigen Werbebereich Zweifeln unterliegt, so gilt dies nicht für die inländischen Fachkreise auf dem Gebiet der hier relevanten Waren. Französisch hat gerade im Modebereich in Deutschland ein besonderes Gewicht. Im Bereich der hier relevanten Waren verfügen daher erhebliche Teile der inländischen Fachkreise über Französischkenntnisse und werden deshalb in der Lage sein, „reve rouge“ mit „roter Traum“ zu übersetzen.
19
In Bezug auf die beanspruchten Waren werden jedenfalls die inländischen Fachkreise der Bezeichnung somit lediglich einen beschreibenden Hinweis auf die Farbgebung der fraglichen Produkte und deren traumhafte Güte sehen. Dies hat die Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss in Verbindung mit dem Beanstandungsbescheid eingehend und mit zutreffenden Erwägungen dargelegt und belegt. Der Senat kann sich den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung nur anschließen. Die Aussage der Wortkombination ist nicht erläuterungsbedürftig, weshalb die Lesart der Markenstelle, die sloganartige Wortfolge weise unmittelbar und in erster Linie darauf hin, die Artikel seien „ein roter Traum“ keinen Bedenken ausgesetzt ist. Ein Herkunftshinweis ist hierin nicht zu erkennen.
20
2. Einer Registrierung der angemeldeten Bezeichnung als Marke steht zudem für alle beanspruchten Waren das Schutzhindernis des Freihaltungsbedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Diese Vorschrift verbietet es, Zeichen als Marken einzutragen, die ausschließlich aus Teilen bestehen, welche zur Bezeichnung der Art, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren dienen können, unabhängig davon, ob und inwieweit sie bereits bekannt sind oder verwendet werden (vgl. Ströbele, FS für Ullmann, S. 425, 428).
21
Der Ausschluss solcher zur Beschreibung geeigneter Zeichen oder Angaben dient dazu, dass sie jedermann frei verwenden kann. Es ist daher nicht erlaubt, solche Zeichen oder Angaben durch ihre Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorzubehalten (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Rn. 25 – Windsurfing Chiemsee; GRUR Int. 2003, 632, Rn. 73 – Linde).
22
Dies trifft mit dem oben erläuterten Verständnis für „reve rouge“ zu. Die angesprochenen Verkehrskreise werden dieser Bezeichnung lediglich einen beschreibenden Hinweis auf die Waren entnehmen.
23
3. Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.
24
4. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sieht der Senat keine Veranlassung. Es ist weder ersichtlich noch von der Anmelderin aufgezeigt, dass der vorliegende Fall eine grundsätzliche Rechtsfrage aufwirft. Die Entscheidung des Senats erschöpft sich vielmehr in der einzelfallbezogenen Anwendung höchstrichterlich geklärter Beurteilungsgrundsätze.

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