Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Sharedlife” – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  25 W (pat) 607/17

Datum:
23.5.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:230519B25Wpat607.17.0
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
25. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 203 898.1
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 23. Mai 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Juli 2017 aufgehoben.

Gründe

I.
1
Die Bezeichnung
2
Sharedlife
3
ist am 4. Februar 2017 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Dienstleistungen angemeldet worden:
4
Klasse 35: Dienstleistungen des elektronischen Handels, nämlich Verbraucherberatung mittels Telekommunikationsnetzwerken für Werbe und Verkaufszwecke;
5
Klasse 36: Abwicklung von Zahlungen über eine Webseite; Beratung in Bezug auf Versicherungsdienstleistungen; Beratung über Versicherungen; Beratung über Versicherungsverträge; Dienstleistungen der Vermittlung von Versicherungen; Dienstleistungen einer Versicherungsagentur und Vermittlung von Versicherungen;
6
Klasse 42: Computerprogrammierung für das Internet; Computerprogrammierung und Softwareentwicklung; Computersoftwareentwicklungsleistungen; Computersoftwareprogrammierung.
7
Die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese unter der Nummer 30 2017 203 898.1 geführte Anmeldung mit Beschluss eines Beamten des gehobenen Dienstes vom 7. Juli 2017 wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Wortneuschöpfung „Sharedlife“ aus den Bestandteilen „Shared“ und „life“ gebildet sei und so viel bedeute wie „geteilter, gemeinsam genutzter, mitbenutzter Lebensweg, Lebenszeit, Leben“. Insoweit stelle die angemeldete Bezeichnung aus Sicht des angesprochenen Verkehrs ohne weiteres Nachdenken einen konkreten beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen her. Im Bereich der Dienstleistung „Versicherungen“ teilten sich Versicherungsgeber und Versicherungsnehmer über die Laufzeit des Vertrags das Risiko, also ein Leben lang. Derartigen verständlichen Beschaffenheits- und oder Bestimmungsangaben im Sinne eines Verwendungszwecks billigten die angesprochenen Verkehrskreise keinen betriebsbezogenen Unternehmenshinweis zu. Die Dienstleistungen der Klasse 42 seien insoweit nur „Hilfsdienstleistungen“ zur Erbringung der Dienstleistungen der Klasse 36. Diese befassten sich inhaltlich mit den notwendigen, lebenslang aufzuteilenden Anforderungen im Bereich der Versicherungen. Das Vorbringen des Anmelders, dass die angemeldete Bezeichnung eine Kombination aus einem Adjektiv und einem Substantiv sei bzw. dass die Großschreibung der Bezeichnung nicht sprachregelgerecht sei, führe zu keiner anderen Beurteilung. Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände werde der angesprochene Verkehr die angemeldete Bezeichnung sofort und unmittelbar als Sachhinweis verstehen. Der angemeldeten Bezeichnung komme auch in ihrer Gesamtheit gegenüber ihren einzelnen Bestandteilen kein merklicher Unterschied zu, der über die bloße Summenwirkung hinausgehe. Daher komme es nicht darauf an, ob es sich bei der angemeldeten Bezeichnung um eine „Erfindung“ bzw. „Wortneubildung“ seitens des Anmelders handle. Insoweit bedürfe es zur Bejahung des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft keines lexikalischen Nachweises oder der Nachweise schon erfolgter Benutzungen.
8
Hiergegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde. Der angemeldeten Bezeichnung „Sharedlife“ könne die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, da sie eine eigentümliche, nicht sprachregelgerecht gebildete und zudem mehrdeutige Wortneuschöpfung im Sinne einer sprechenden Marke sei. Es sei zwar zutreffend, dass die angemeldete Bezeichnung im Deutschen in etwa „gemeinsames/geteiltes Leben/Lebenszeit“ bedeute. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen ergebe sich insoweit aber kein sachlich-beschreibender Sinngehalt. Die Bezeichnung löse insoweit nur Assoziationen aus. Insbesondere werde nicht die Beziehung zwischen dem Versicherungsgeber und dem Versicherungsnehmer beschrieben. Diese seien weder typischerweise lebenslang miteinander verbunden noch teilten sie eine gemeinsame Lebensführung. Weiterhin differenziere der Beschluss des DPMA nur ungenügend zwischen den im Einzelnen beanspruchten Dienstleistungen. Es werde beispielsweise nicht dargelegt, inwiefern in der angemeldeten Bezeichnung für die Dienstleistung „Softwareentwicklung“ oder „Zahlungen über eine Webseite“ ein sachlich beschreibender Hinweis zu erkennen sei. Im Übrigen würden in der englischen Sprache Adjektive und Substantive nicht in der vorliegenden Art und Weise verbunden, so dass schon aus diesem Grund ein Freihaltebedürfnis nicht mehr bejaht werden könne.
9
Der Anmelder und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
10
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Juli 2017 aufzuheben.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze des Markenanmelders und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
12
Die nach § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Anmelders hat in der Sache Erfolg. Es kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass der Eintragung der Bezeichnung „Sharedlife“ als Marke Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG oder § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen. Ausgehend davon war der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Juli 2017 aufzuheben.
13
1. Der angemeldeten Bezeichnung kann das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.
14
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 – FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).
15
Die Bezeichnung „Sharedlife“ setzt sich erkennbar aus den beiden englischen Begriffen „Shared“ und „life“ zusammen, die zum Grundwortschatz der englischen Sprache zählen. Die Begriffe werden jeweils für sich genommen auch von breiten Verkehrskreisen ohne Weiteres im Sinne von „gemeinsam/geteilt“ und „Leben“ verstanden. In ihrer Gesamtheit kann die angemeldete Bezeichnung zwar mit „geteiltes/gemeinsames Leben“ übersetzt werden. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses wird jedoch der angesprochene Verkehr, zu dem sowohl Verbraucher als auch Fachkreise zu zählen sind, der angemeldeten Bezeichnung im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen keinen beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen. Der Sinngehalt der angemeldeten Bezeichnung ist auch vor dem Hintergrund der Bedeutung „geteiltes/gemeinsames Leben“ unklar bzw. unbestimmt. Letztlich kann der angemeldeten Bezeichnung im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen allenfalls in einem assoziativen Sinne ein bestimmter Bedeutungsgehalt zugeordnet werden.
16
Der Verkehr wird die Bezeichnung „Sharedlife“ insbesondere im Zusammenhang mit Versicherungsdienstleistungen nicht ohne Weiteres im Sinne von „lebenslange Verbundenheit von Versicherungsgeber und Versicherungsnehmer“ verstehen. Für ein solches Verständnis sind zumindest weitere gedankliche Schritte erforderlich. Insoweit hat der Anmelder zu Recht darauf hingewiesen, dass es Versicherungsverträgen keineswegs immanent ist, dass diese für die gesamte Lebenszeit des Versicherungsnehmers abgeschlossen werden. Soweit die Markenstelle auf ein „gemeinsames/geteiltes Risiko“ verweist, findet sich in der angemeldeten Bezeichnung kein gedanklicher Hinweis auf ein bestimmtes, geteiltes Risiko, das ein entsprechender Versicherungsvertrag abdecken soll. Der gedankliche Schritt von einem „gemeinsamen Leben“ zu einem „gemeinsamen Risiko“ erscheint eher assoziativ. Die Markenstelle hat insbesondere keine Recherchebelege auffinden können, die ein entsprechendes Sprachverständnis belegen könnten. Auch der Senat hat bei seiner eigenen Recherche keine Nachweise aufgefunden, die ein solches sachbeschreibendes Verständnis der angemeldeten Bezeichnung nahelegen. Soweit bestimmte Versicherungsdienstleistungen (z. B. Risikolebensversicherungen) dazu bestimmt sein können, den Lebenspartner des Versicherungsnehmers abzusichern, liegt auch ein dahingehendes Verständnis der angemeldeten Bezeichnung nicht nahe bzw. erfordert gedankliche Zwischenschritte. Für den englischen Sprachraum lässt sich zwar vereinzelt der Gebrauch der Bezeichnung „Shared Ownership Life Insurance“ nachweisen, die Verträge beschreibt, bei denen zwei oder mehrere Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag gemeinsam abschließen. Ob es sich insoweit um einen (ausländischen) Fachbegriff handelt, lässt sich aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, zumal synonym auch die Wortfolge „Joint Life Insurance“ gebräuchlich ist. Darüber hinaus ist die angemeldete Bezeichnung mit der betreffenden Wortfolge „Shared Ownership Life Insurance“ nicht identisch. Soweit sich in den vergangenen Jahren der Begriff der „Sharing Economy“ etabliert hat, kann die angemeldete Bezeichnung „Sharedlife“ unter Umständen andeuten, dass die so bezeichneten Dienstleistungen in irgendeiner Art und Weise den Prinzipien der „Sharing Economy“ entsprechen. Jedoch bleibt auch insoweit unklar, welche konkrete inhaltliche Bedeutung der angemeldeten Bezeichnung insoweit zukommen soll. Zudem dürften für ein solches Verständnis mehrere Gedankenschritte und ein überdurchschnittliches Assoziationsvermögen notwendig sein, was gegen die Bejahung des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft spricht. Auch im Zusammenhang mit den weiteren beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klassen 35, 36 und 42 ist der Sinngehalt der angemeldeten Bezeichnung „gemeinsames/geteiltes Leben“ so unklar, dass ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG im Ergebnis nicht bejaht werden kann.
17
2. Ausgehend hiervon wird der angesprochene Verkehr die angemeldete Bezeichnung auch nicht als Zeichen oder Angabe verstehen, welches die beanspruchten Dienstleistungen unmittelbar beschreibt, so dass auch ein Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht bejaht werden kann.

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