Aktenzeichen 29 W (pat) 529/18
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2014 052 231
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2020 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie der Richterinnen Akintche und Lachenmayr-Nikolaou
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19.04.2018 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Marke UM 012 176 624 zurückgewiesen wurde für die Waren der
Klasse 11: Leuchten für Fahrzeuge; Leuchten für Kraftfahrzeuge; Scheinwerfer für Kraftfahrzeuge; Beleuchtungsgeräte für Fahrzeuge; Blendschutzvorrichtungen für Fahrzeuge [Lampenzubehör]; Beleuchtungseinrichtungen für das Fahrzeuginnere; Gasentladungslampen; Blendschutzvorrichtungen für Kraftfahrzeuge [Lampenzubehör]; LED-Leuchtmittel;
Klasse 12: Bauteile für Fahrzeuge.
Im Umfang der vorgenannten Waren wird wegen des Widerspruchs aus der Marke UM 012 176 624 die Löschung der Marke 30 2014 052 231 angeordnet.
Gründe
I.
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Die angegriffene Wortmarke
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VINSTAR
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ist am 10. Juli 2014 angemeldet und am 16. September 2014 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen eingetragen worden:
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Klasse 11: Leuchten für Fahrzeuge; Leuchten für Kraftfahrzeuge; Scheinwerfer für Kraftfahrzeuge; Beleuchtungsgeräte für Fahrzeuge; Blendschutzvorrichtungen für Fahrzeuge [Lampenzubehör]; Beleuchtungseinrichtungen für das Fahrzeuginnere; Gasentladungslampen; Blendschutzvorrichtungen für Kraftfahrzeuge [Lampenzubehör]; LED-Leuchtmittel;
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Klasse 12: Abdeckhauben für Fahrzeuge; Anhänger; Anhängerkupplungen für Fahrzeuge; Autoreifen; Bezüge für Fahrrad- oder Motorradsättel; Bremsbeläge für Autos; Bauteile für Kraftfahrzeuge; Chassis für Kraftfahrzeuge; Fahrzeugtüren; Spoiler für Kraftfahrzeuge; Sonnenblenden für Kraftfahrzeuge;
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Klasse 35: Online-Werbung für Waren und Dienstleistungen auf Websites; Online-Werbung in computergestützten Kommunikationsnetzen; Online-Werbung in einem Computernetzwerk; Durchführung von Online-Auktionen; Online-Werbung für Computernetze und Websites; Durchführung von Online-Auktionen, wobei die öffentliche Bekanntgabe der zu versteigernden Artikel durch den Verkäufer und die Abgabe von Angeboten elektronisch über das Internet erfolgt.
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Gegen die Eintragung der Marke, die am 17. Oktober 2014 veröffentlicht wurde, hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben aus ihrer Unionswortmarke UM 012 176 624
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WINSTA
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die am 19. Februar 2014 für die Waren der
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Klasse 8: Handbetätigte Werkzeuge und Geräte, insbesondere Abisolierzangen [Handwerkzeuge]; Schraubenzieher;
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Klasse 9: Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Anschlussteile für elektrische Leitungen, insbesondere Steckverbinder Anschlussdosen, -kästen [Elektrizität]; Abzweigdosen, -kästen [Elektrizität]; Drucker für Computer; Elektrische Anlagen für die Fernsteuerung industrieller Arbeitsvorgänge; Elektronische Anzeigetafeln; Fernsteuerungsgeräte; Interfaces [Schnittstellengeräte oder -programme für Computer]; Kabelkanal [elektrisch]; Kabelkennfäden für elektrische Leitungen; Klemmen [Elektrizität], insbesondere Reihenklemmen; Kabelmäntel für elektrische Leitungen; Kabelklemmen [Elektrizität]; Kabelkennmäntel für elektrische Leitungen; Koppler [Datenverarbeitung]; Kontakte [elektrisch]; Kontrollapparate [elektrisch]; elektrische Kupplungen; Leiter [elektrisch]; Schaltanschlusstafeln; Schaltgeräte [elektrisch]; Schaltpulte [Elektrizität]; Schalttafeln [Elektrizität]; Signalfernsteuergeräte [elektrodynamisch]; Verbindungsmuffen für Elektrokabel; Verbindungsteile [Elektrizität]; Verteilertafeln [Elektrizität]; Verteilerschränke [Elektrizität]
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eingetragen worden war.
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Mit Beschluss vom 19. April 2018 hat die Markenstelle für Klasse 11 des DPMA den Widerspruch – sowie einen weiteren Widerspruch, der nicht beschwerdegegenständlich ist – zurückgewiesen. Zwischen den Marken bestehe keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, da es bereits an einer Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen mangele.
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Bei den Waren der Klassen 11 und 12 der angegriffenen Marke handle es sich um spezielle Lampen und Beleuchtungen und deren Zubehör für Fahrzeuge, die von einem ganz speziellen Unternehmen für Kraftfahrzeughersteller produziert und üblicherweise auch direkt an diese geliefert würden. Die Waren der Widerspruchsmarke seien demgegenüber überwiegend für Handwerker und Elektriker gedacht. Die Vergleichswaren würden nicht von denselben Unternehmen hergestellt, hätten unterschiedliche Abnehmerkreise und verschiedene Vertriebskanäle und träten den Abnehmern auch nicht gemeinsam entgegen. In Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 35 der angegriffenen Marke bestehe eine offensichtliche Unähnlichkeit zu den Waren der Widerspruchsmarke.
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Hiergegen richtet sich die eingeschränkt erhobene Beschwerde der Widersprechenden, die zunächst die Zurückweisung des Widerspruchs in Bezug auf alle Waren der Klassen 11 und 12 der angegriffenen Marke zum Gegenstand hatte.
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Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass zwischen den Vergleichmarken, jedenfalls soweit die angegriffene Marke Waren der Klasse 11 umfasse, Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Denn von einer gänzlich fehlenden Unähnlichkeit zwischen den Waren der Klasse 11 der angegriffenen Marke und den Waren der Klasse 9 der Widerspruchsmarke könne nicht ausgegangen werden. Das Warenverzeichnis der angegriffenen Marke umfasse in Klasse 11 auch „Gasentladungslampen“ und „LED-Leuchtmittel“, die nicht auf einen Verbau in Fahrzeugen beschränkt seien, so dass die Annahme der Markenstelle, die Waren der angegriffenen Marke würden ausschließlich von speziellen Unternehmen speziell für Kraftfahrzeughersteller produziert und geliefert, nicht zutreffe. Des Weiteren habe die Markenstelle verkannt, dass auch die Elektrowaren der Widerspruchsmarke in Klasse 9 nicht auf eine bestimmte Branche beschränkt seien und damit die entsprechenden Waren auch insoweit umfasse, als sie für einen Verbau in Kraftfahrzeugen gedacht oder geeignet seien.
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Die angegriffenen „Lampen“ oder „Beleuchtungsgeräte“ der Klasse 11 und „Elektrozubehör“, wie etwa Kabel, Klemmen etc. in Klasse 9 seien markenrechtlich als ähnlich anzusehen. So würden einerseits „Kabelklemmen [Elektrizität]; Kontakte [elektrisch]; Klemmen [Elektrizität], insbesondere Reihenklemmen“ zur Installation von „Lampen“ und „Beleuchtungsgeräten“ benötigt. Zum anderen würden „Lampen“ und „Beleuchtungsgeräte“ aufgrund ihrer Komplexität regelmäßig den Einbau von „Kontrollapparaten [elektrisch]; elektrischen Kupplungen; Leitern [elektrisch]; Schaltanschlusstafeln; Schaltgeräten [elektrisch]; Schaltpulten [Elektrizität], Schalttafeln [Elektrizität]; Signalfernsteuergeräten [elektrodynamisch]; Verbindungsmuffen für Elektrokabel, Verbindungsteilen [Elektrizität]; Verteilertafeln [Elektrizität] und Verteilerschränken [Elektrizität]“ erfordern. Da darüber hinaus die Stromzufuhr für den Einsatz von „Lampen“ und „Beleuchtungsgeräten“ eine wichtige Voraussetzung sei, nehme der Verkehr ohne weiteres eine gemeinsame betriebliche Herkunft der sich gegenüberstehenden Waren an.
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Bei den angegriffenen Waren „LED-Leuchtmittel“ handele es sich letztlich um „Apparate und Instrumente zum Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“, so dass insoweit Warenidentität bestehe. Zwischen „Beleuchtungsgeräten für Fahrzeuge“ und „Apparaten zum Regeln von Elektrizität; Schaltanschlusstafeln; Schaltgeräten [elektrisch]; Schaltpulten [Elektrizität]; Schalttafeln [Elektrizität] und Verteilertafeln [Elektrizität]“ bestehe Warenidentität, da es sich bei „Beleuchtungsgeräte(n) für Fahrzeuge“ um komplexe Instrumente handele, die aus den genannten Waren der Klasse 9 zusammengesetzt seien. Die Beschwerdeführerin verweist zudem auf eine Entscheidung des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum vom 13. Juli 2017 (EUIPO, AZ: R 2143/2015 -5), in dem eine Ähnlichkeit zwischen Beleuchtungsmitteln der Klasse 11 und Elektrowaren der Klasse 9 bejaht worden war.
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Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei als durchschnittlich zu beurteilen. Die sich gegenüberstehenden Zeichen „VINSTAR“ und „WINSTA“ würden vor allem in klanglicher, aber auch in schriftbildlicher Hinsicht eine erhebliche Ähnlichkeit aufweisen, was auch von der Markenstelle in dem angegriffenen Beschluss nicht infrage gestellt werde. Die angegriffene Marke sei daher im angegriffenen Umfang wegen Verwechslungsgefahr zu löschen.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde nochmals eingeschränkt. Sie beantragt zuletzt:
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Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19.04.2018 wird insoweit aufgehoben, als der Widerspruch im Umfang der Waren der Klasse 11 insgesamt und der Klasse 12, soweit er Bauteile für Fahrzeuge betrifft, zurückgewiesen worden ist. Die Eintragung der Marke 30 2014 052 231 ist wegen des Widerspruchs aus der Marke UM 012 176 624 diesbezüglich zu löschen.
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Der Beschwerdegegner und Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren weder zur Sache geäußert noch einen Antrag gestellt.
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Im Amtsverfahren ist er dem Widerspruch entgegengetreten und hat die Ansicht vertreten, zwischen den sich gegenüberstehenden Marken bestehe keine Verwechslungsgefahr. Er hat sinngemäß ausgeführt, dass sich die gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen unähnlich seien, insbesondere weil sie keine identischen Abnehmerkreise oder Vertriebskanäle aufwiesen. Des Weiteren hat er geltend gemacht, die Widersprechende benutze die Widerspruchsmarke ausschließlich als Bezeichnung für ein Steckverbindungssystem.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
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Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung der Rechtslage maßgebliche Änderung folgt daraus nicht (BGH WRP 2019, 1316 Rn. 11 – KNEIPP). Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen diese Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 3 MarkenG in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung 2019 (MarkenG n. F.) weiterhin § 42 Abs. 1 und 2 MarkenG in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung (MarkenG a. F., im Folgenden nur MarkenG) anzuwenden.
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Nicht bzw. nicht mehr beschwerdegegenständlich sind die Dienstleistungen der Klasse 35 und die Waren der Klasse 12 mit Ausnahme der Waren „Bauteile für Kraftfahrzeuge“.
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Im zuletzt beschwerdegegenständlichen Umfang ist zwischen den Vergleichsmarken eine unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr zu besorgen (§§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 125 b Nr. 1 MarkenG), so dass der Beschluss der Markenstelle insoweit aufzuheben und diesbezüglich auf den Widerspruch aus der Unionsmarke UM 012 176 624 die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen war.
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Die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/ HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – Barbara Becker; BGH GRUR 2019, 1058 Rn. 17 – KNEIPP; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – OXFORD/Oxford Club; WRP 2017, 1104 ff. – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet; GRUR 2016, 283 Rn. 7 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie unter anderem etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
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1. Ausgehend von der hier maßgeblichen Registerlage liegen die Vergleichswaren im Ähnlichkeitsbereich, wenngleich teilweise eine nur geringe Ähnlichkeit zu bejahen ist.
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a) Der Inhaber der angegriffenen Marke hat im Amtsverfahren mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2015 ausgeführt, die Widerspruchsmarke werde ausschließlich für ein Steckverbindungssystem, nämlich für Kunststoffstecker für elektrische Leitungen, benutzt. Es kann dahinstehen, ob hierin die Erhebung der Nichtbenutzungseinrede im Sinne von § 43 Abs. 1 MarkenG zu sehen ist, da beide Einreden zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht zulässig waren bzw. gewesen wären. Gemäß § 158 Abs. 5 MarkenG ist im vorliegenden Verfahren § 43 Abs. 1 MarkenG in der bis 13. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden. Die Einreden mangelnder Benutzung der Widerspruchmarke sind bzw. wären danach gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG (a. F.) vorliegend nicht zulässig, da die Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke (Veröffentlichung: 17. Oktober 2014) wie auch zum Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes des Markeninhabers am 23. Oktober 2015 nicht seit mindestens fünf Jahren eingetragen war (Eintragung: 19. Februar 2014). Zwar ist die Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke in der Zwischenzeit abgelaufen. Eine unzulässig vor Ablauf der Benutzungsschonfrist erhobene Nichtbenutzungseinrede wird jedoch nicht mit Ablauf der Benutzungsschonfrist automatisch zulässig, sondern muss erneut erhoben werden (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 29), was vorliegend nicht geschehen ist. Es ist daher allein die Registerlage maßgeblich.
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b) Danach beanspruchen die Vergleichsmarken im zuletzt beschwerdegegenständlichen Umfang Schutz für ähnliche Waren.
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Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Hierzu gehören insbesondere die Art der Waren und Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen (EuGH GRUR 1998, 922 Rn. 15 – CANON; BGH GRUR 2014, 488 Rn. 12 – DESPERADOS/DESPERADO). Von einer Unähnlichkeit der Waren kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Zeichen die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstandes der Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH a. a. O. – DESPERADOS/DESPERADO).
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aa) Die angegriffenen Waren der Klasse 11 liegen im Ähnlichkeitsbereich zu Widerspruchswaren der Klasse 9. Die Waren der Klasse 9 sind – worauf die Beschwerdeführerin zutreffend hingewiesen hat – hinsichtlich ihres Einsatzes nicht auf eine bestimmte Branche oder einen bestimmten Verwendungszweck beschränkt, so dass diese auch speziell für den Fahrzeugbereich angepasste Produkte, nämlich Fahrzeug-Elektronik und Fahrzeug-Elektrik umfassen.
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Die Waren der angegriffenen Marke aus Klasse 11 „Leuchten für Fahrzeuge; Leuchten für Kraftfahrzeuge; Scheinwerfer für Kraftfahrzeuge; Beleuchtungsgeräte für Fahrzeuge; Beleuchtungseinrichtungen für das Fahrzeuginnere“ sowie entsprechende Zubehörteile „Blendschutzvorrichtungen für Fahrzeuge [Lampenzubehör]; Blendschutzvorrichtungen für Kraftfahrzeuge [Lampenzubehör]“ sind ähnlich zu den Widerspruchswaren „Anschlussteile für elektrische Leitungen; Klemmen [Elektrizität]; Kabelklemmen [Elektrizität]; Kontakte [elektrisch]; elektrische Kupplungen; Leiter [elektrisch]“. Denn bei diesen kann es sich um angepasste elektrische Zubehörteile zur genannten Fahrzeugbeleuchtung handeln. Die Vergleichswaren richten sich insofern nicht nur an die gleichen Verkehrskreise und weisen beim Vertrieb Berührungspunkte auf. Als Spezialwaren für den Fahrzeugbau werden die vorgenannten Vergleichswaren zudem jeweils von denselben Unternehmen hergestellt, wie die im Zusammenhang mit der mündlichen Verhandlung übergebenen bzw. mit dem Protokoll übersandten Rechercheunterlagen des Senats belegen (vgl. Anbieter wie VDO, Bosch, Amber-Products-Germany, winkler, WeTelCo und Hella sowie die Produktübersichten von KFZ-Teilen, Fahrzeugbeleuchtung und Fahrzeugelektronik und –elektrik, Bl. 46-83 d. A.).
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Auch die Waren „Gasentladungslampen; LED-Leuchtmittel“ werden als fahrzeugspezifische Produkte angeboten, z. B. LED´s für Autoscheinwerfer, für Blinker, für ein digitales Anzeigensystem beim Armaturenbrett oder für ein Head-up-Display. Gasentladungslampen im Fahrzeugbereich werden als Xenon-Scheinwerfer bezeichnet. Auch diese Produkte aus dem Bereich der Fahrzeugbeleuchtung sind im Hinblick auf die vorgenannten Kriterien ähnlich zu den elektrischen Komponenten der Klasse 9. Ferner kann zwischen den LED-Leuchtmitteln und den Widerspruchswaren „Elektronische Anzeigetafeln“ unter dem Gesichtspunkt einander ergänzender Waren eine Ähnlichkeit angenommen werden.
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bb) Die in Klasse 12 allein noch angegriffenen Waren „
Bauteile für Kraftfahrzeuge
“, bei denen es sich beispielsweise um „Anhänger“ und „Anhängerkupplungen“ handeln kann, liegen ebenfalls noch im Ähnlichkeitsbereich zu den elektrischen Produkten der Widerspruchsmarke aus Klasse 9 z. B. „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Anschlussteile für elektrische Leitungen, insbesondere Steckverbinder; Klemmen [Elektrizität], insbesondere Reihenklemmen; Kabelklemmen [Elektrizität]; Kontakte [elektrisch]; Kontrollapparate [elektrisch]; elektrische Kupplungen; Leiter [elektrisch]; Schaltgeräte [elektrisch]“, weil diese einander jeweils ergänzen bzw. notwendiges Zubehör darstellen.
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Letztlich braucht die Frage, in welchem konkreten Grad die jeweiligen Vergleichswaren ähnlich sind, nicht abschließend beantwortet zu werden, weil selbst im Bereich der jedenfalls vorliegenden geringen (unterdurchschnittlichen) Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr zu besorgen ist, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen.
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2. Die Widerspruchsmarke verfügt über durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit einen normalen Schutzumfang (vgl. BGH GRUR 2013, 833, 838, Rn. 55 – Culinaria/ Villa Culinaria, zu den Graden der Kennzeichnungskraft). Bei der Widerspruchsmarke „Winsta“ handelt es sich um eine Fantasiebezeichnung ohne erkennbare Bedeutung. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich das Wort für die angesprochenen Verkehrskreise – hier im Wesentlichen Fachkreise und Handel aus dem Bereich der (Kraft)Fahrzeug-Technik sowie zudem technisch interessierte und versierte Verbraucher – erkennbar an einen für die Waren der Widerspruchsmarke beschreibenden Begriff anlehnt.
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3. Die Vergleichsmarken sind klanglich hochgradig ähnlich.
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Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild oder in der Bedeutung zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Für die Bejahung der Markenähnlichkeit reicht in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem dieser Wahrnehmungsbereiche aus (vgl. BGH GRUR 2017, 1104 Rn. 27 – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke; GRUR 2015, 1004 Rn. 22 – IPS/ISP; GRUR 2011, 824 Rn. 26 – Kappa); es genügt daher, wenn die Zeichen – wie im Streitfall – im Klang verwechslungsbegründend ähnlich sind. Auf die Frage der schriftbildlichen und der – hier ohnehin ersichtlich nicht vorliegenden – begrifflichen Ähnlichkeit kommt es daher nicht an.
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Die Widerspruchsmarke WINSTA wird „win-sta“ ausgesprochen. Bei der angegriffenen Marke VINSTAR liegt neben einer englischen oder französischen auch eine deutsche Aussprache wie „win-staa(r)“ nahe. Da der Endbuchstabe „r“ der angegriffenen Marke – ohnehin ein klangschwacher Konsonant – nicht oder jedenfalls kaum hörbar gesprochen wird, sind die Gesamtklangbilder der Markenwörter nahezu identisch.
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Angesichts der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der hochgradigen klanglichen Ähnlichkeit der Kollisionszeichen kann in der Gesamtabwägung eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken auch im nur geringen Ähnlichkeitsbereich der sich gegenüberstehenden Waren nicht verneint werden.
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Auf die Beschwerde der Widersprechenden war der Beschluss der Markenstelle daher teilweise aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke im beantragten Umfang anzuordnen.
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Zu einer vom gesetzlichen Regelfall abweichenden Kostenentscheidung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.