Aktenzeichen 14 W (pat) 44/19
Art 3 Buchst c EGV 469/2009
Art 3 Abs 1 Buchst c EGV 1610/96
Leitsatz
Fungizide Wirkstoffzusammensetzung
1. Die zu Artikel 3 (c) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 (juris-Abkürzung: EGV 469/2009) ergangene Rechtsprechung des EuGH gilt gleichermaßen für die Auslegung von Artikel 3 Abs. 1 (c) der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 (juris-Abkürzung: EGV 1610/96).
2. Wurde bei einem Grundpatent, das mehrere Erzeugnisse schützt, bereits für einen neuen Monowirkstoff ein Schutzzertifikat erteilt, kommt die Erteilung eines weiteren Schutzzertifikats für eine ebenfalls durch dieses Grundpatent geschützte Kombination aus diesem Monowirkstoff und einen vorbekannten Wirkstoff nach der Actavis-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur dann in Betracht, wenn die Wirkstoffzusammensetzung gegenüber dem Monowirkstoff eine andere, eigenständige Innovation darstellt.
3. Um sich auf synergistische Wirkungen einer Wirkstoffzusammensetzung berufen zu können, müssen diese im Grundpatent konkret benannt sein.
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Schutzzertifikatsanmeldung 12 2017 000 118.7
für das Grundpatent EP 1 282 595 (DE 601 04 306)
…
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2019, unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, sowie der Richter Schell, Dr. Jäger und Dr. Freudenreich
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 282 595 (DE 601 04 306) mit der Bezeichnung
2
„Neue Phenylpropargyletherderivate“.
3
Auf Grundlage dieses Patents wurde der Patentinhaberin am 31. Mai 2016 vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) ein ergänzendes Schutzzertifikat für das Erzeugnis „Mandipropamid“ erteilt (Az. 12 2008 000 008). Am 19. Dezember 2017 beantragte die Patentinhaberin auf Basis desselben Grundpatents die Erteilung eines weiteren Schutzzertifikats für das Erzeugnis „Mandipropamid und Zoxamide in allen den Schutz des Grundpatents unterliegenden Formen“. Als erste Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses in der Bundesrepublik Deutschland benannte sie die Genehmigung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Nr. 008314-00 vom 20. Juni 2017.
4
Mit Beschluss vom 9. Mai 2019 hat die Patentabteilung 44 des DPMA den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Inhaberin des Grundpatents auf Basis dieses Patents bereits ein Schutzzertifikat für den Einzelwirkstoff Mandipropamid erteilt worden sei. Da die verfahrensgegenständliche Kombination aus Mandipropamid und Zoxamide gegenüber diesem Monowirkstoff keine eigenständige erfinderische Qualität aufweise, stehe der Erteilung eines weiteren Schutzzertifikats Art. 3 (1) c) der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 (PSMVO) entgegen.
5
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 6. Juni 2019. In ihrer Beschwerdebegründung vom 3. September 2019 trägt sie vor, die Vorschrift des Art. 3 PSMVO müsse im Hinblick auf den Kontext und die Ziele dieser Verordnung ausgelegt werden. Da die PSMVO und die Verordnung (EG) Nr. 469/2009 (AMVO) im Hinblick auf die einschlägigen Rechtsgrundsätze und Zielsetzungen nicht vergleichbar seien, verbiete sich angesichts des Gleichheitsgrundsatzes sowie des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, dass Art. 3 (1) c) PSMVO und Art. 3 (c) AMVO gleich ausgelegt würden. Die PSMVO weiche in ihrem Sinn und Zweck deutlich von dem der AMVO ab, weshalb der EuGH bei seinen Entscheidungen zur Auslegung der PSMVO bewusst andere Maßstäbe angelegt habe als bei der Auslegung der AMVO. Beispielhaft könne dies anhand der unterschiedlichen Auslegung des Begriffs „Erzeugnis” bzw. „Wirkstoff” in den Rechtssachen C-11/13 („Safener”-Urteil) für den Pflanzenschutzmittelbereich sowie C-210/13 („Adjuvans-Urteil“) und C-443/17 („Abraxis-Urteil“) für den Arzneimittelbereich aufgezeigt werden. Unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Sinn und Zwecks der beiden Verordnungen habe der EuGH den Begriff „Erzeugnis“ bzw. „Wirkstoff“ bei Pflanzenschutzmitteln in einer Weise ausgelegt, die im klaren Gegensatz zu seiner Auslegung der identischen Begriffe in der AMVO stehe. Darüber hinaus habe der EuGH in seinem Urteil „Hogan Lovells“ (C-229/09) entschieden, dass im Unterschied zu Arzneimitteln bei Pflanzenschutzmitteln auch eine vorläufige Zulassung für die Erteilung eines Schutzzertifikats ausreichend sein könne. Dies belege anschaulich, dass der EuGH gerade keine analoge Auslegung identischer Sachverhalte in den beiden Bereichen vornehme. Daher könne die im Zusammenhang mit der AMVO ergangene Actavis-Rechtsprechung (C-443/12) nicht ohne weiteres zur Auslegung der PSMVO herangezogen werden.
6
Die Unanwendbarkeit der auf die AMVO bezogenen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe sich auch unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Gesetzesänderungen, wie etwa der neuen Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln. Diese habe zu massiven Nachteilen für die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln geführt, die der europäische Gesetzgeber bei der Formulierung der PSMVO nicht habe berücksichtigen können. Durch verlängerte Zulassungsverfahren bei gleichzeitigem Kostenanstieg habe sich die Dauer der exklusiven wirtschaftlichen Verwertung einer Erfindung durch den Patentinhaber seit dem Inkrafttreten der PSMVO signifikant reduziert. Diese Entwicklung höhle den Sinn und Zweck der PSMVO aus, der im Gegensatz zur AMVO klar wirtschaftlich und wettbewerbsfördernd sei, was sich auch in unterschiedlichen Erwägungsgründen niedergeschlagen habe. Unter Berücksichtigung der auf dem Spiel stehenden Interessen sowie der Motivation des europäischen Gesetzgebers würde eine Gleichbehandlung von Pflanzenschutzmittelkombinations-Schutzzertifikaten und Arzneimittelkombinations-Schutzzertifikaten diese bestehenden Unterschiede unberücksichtigt lassen und sei daher unzulässig. Dies gelte umso mehr, als Arzneimittel aufgrund zusätzlicher Markt- und Datenexklusivität und anderer Verlängerungsverfahren der Marktzulassungen ohnehin gegenüber Pflanzenschutzmitteln ungerechtfertigt privilegiert würden. Dies gelte auch im Hinblick auf die Verordnung (EU) 2019/933, die für den Arzneimittelbereich eine Ausnahmeregelung betreffend die Herstellung von für die Ausfuhr in Drittländer bestimmten Arzneimitteln eingeführt habe, wie sie für den Pflanzenschutzmittelbereich nicht existiere.
7
Das verfahrensgegenständliche Erzeugnis weise auch eine eigenständige erfinderische Qualität auf, da die vorliegende Mischung eine bessere Kontrolle biete als die für sich genommenen Einzelwirkstoffe. Der im Patent angesprochene verbesserte bzw. synergistische Effekt in der fungiziden Wirkung, der durch die in das Verfahren eingeführten Versuchsdaten belegt werde, reiche aus, um deren eigene erfinderische Qualität erkennen zu können. Diese Versuchsdaten seien im Rahmen des Biological Assessment Dossiers für die Zulassung des Produktes eingereicht worden, das die vorliegende Mischung enthalte. Es müsse zudem berücksichtigt werden, dass aus den vorgenannten Gründen andere Kriterien bei der Prüfung einer erfinderischen Qualität von Pflanzenschutzmitteln anzulegen seien als bei Arzneimitteln. Außerdem habe der EuGH nicht eindeutig definiert, was genau unter der zentralen erfinderischen Tätigkeit zu verstehen sei bzw. was den entscheidenden qualitativen Unterschied zur Bejahung oder Verneinung des Vorliegens eines weiteren Erzeugnisses ausmache. In den Mitgliedstaaten gebe es im Hinblick auf die Anwendung des Art. 3 (1) c) PSMVO bzw. der vom EuGH im Zusammenhang mit der AMVO aufgestellten Grundsätze verschiedene Auffassungen, was die Gefahr von dauerhaften Divergenzen in der Erteilungspraxis belege. Sofern der Senat der Beschwerde nicht stattgeben könne, bestehe deshalb jedenfalls die Verpflichtung eine höchstrichterliche Klärung der hierzu formulierten Rechtsfragen herbeizuführen.
8
Die Beschwerdeführerin beantragt,
9
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein ergänzendes Schutzzertifikat für das Erzeugnis „Mandipropamid mit Zoxamide“ zu erteilen,
10
hilfsweise die Aussetzung der Sache bis zu einer Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-650/17.
11
Weiter hilfsweise regt sie an, dem EuGH die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
12
„1. In Anbetracht der signifikanten Unterschiede in den tatsächlichen und wirtschaftlichen Bedingungen des Pflanzenschutzmittelsektors gegenüber dem pharmazeutischen Sektor,
13
ferner in Anbetracht der Tatsache, dass das Inkrafttreten der Verordnung 1107/2009 unter anderem zu einer Aushöhlung der Datenexklusivität für Pflanzenschutzmittel geführt hat,
14
ferner unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der europäische Gesetzgeber im Hinblick auf die Ziele der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik die PM-VO bei der Formulierung von Erwägungsgrund 12 der PM-VO als wettbewerbsregulierend interpretieren wollte, während er Erwägungsgrund 10 der AM-VO im Hinblick auf das Allgemeinwohl und die Volksgesundheit formuliert hat,
15
ferner in Anbetracht der Tatsache, dass die Kosten eines Pflanzenschutzmittels im Gegensatz zu einem Arzneimittel nicht von den staatlichen Gesundheitssystemen erstattet werden, sondern unter Wettbewerbsdruck zu Marktpreisen an Landwirte verkauft werden,
16
ferner in Anbetracht der Tatsache, dass der europäische Gerichtshof in seinen Erwägungsgründen in den Rechtssachen C-577/13 und C-443/12 auf die Bedeutung der Volksgesundheit bei der Abwägung aller auf dem Spiel stehenden Interessen abstellt, wohingegen diese im Pflanzenschutzmittelsektor keine Rolle spielt, und
17
ferner unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Patentinhaber bereits ein ergänzendes Schutzzertifikat für einen innovativen Wirkstoff auf der Grundlage eines Basispatents erhalten hat,
18
ist Artikel 3, Abs. 1, Buchst. c der Verordnung Nr. 1610/96 – dessen Wortlaut Artikel 3, Buchst. c der Verordnung Nr. 469/2009 entspricht – dahingehend auszulegen, dass der Inhaber des Basispatentes auf der Grundlage desselben Basispatents, aber einer späteren Zulassung für ein anderes Pflanzenschutzmittel, bestehend aus einer Kombination, die diesen innovativen Wirkstoff zusammen mit einem anderen Wirkstoff enthält, wobei die Ansprüche des Basispatents auch diese Kombination schützen (gemäß Artikel 3, Abs. 1, Buchst. a der Verordnung Nr. 1610/96) ein weiteres ergänzendes Schutzzertifikat für besagte Kombination von Wirkstoffen erlangen kann, wenn besagte Wirkstoffkombination nicht die zentrale erfinderische Tätigkeit des Grundpatentes darstellt?
19
2. Falls Frage 1 zu verneinen ist,
20
reicht die Vorlage von Daten, die eine verbesserte Wirkung der besagten Wirkstoffkombination belegen, aus, um ein weiteres ergänzendes Schutzzertifikat basierend auf demselben Basispatent für besagte Wirkstoffkombination zu erteilen?”
21
3. Was sind die Kriterien, damit ein weiteres Erzeugnis (wie z. B. eine Wirkstoffkombination) im Sinne von Art. 3 (1) c) PSM-VO eine „eigenständige Innovation“ gegenüber einem Wirkstoff besagter Wirkstoffkombination im Sinne der Entscheidung C-443/12 Actavis (siehe Rn. 42 der C-443/12) darstellt?
22
4. Kann eine synergistische Wirkung einer Wirkstoffkombination im Vergleich zu den Wirkstoffen besagter Kombination eine „eigenständige Innovation“ und somit ein weiteres Erzeugnis im Sinne von Art. 3 (1) c) PSM-VO begründen?
23
5. Sollte die zweite Frage positiv beantwortet werden, kann die Erteilung eines zweiten oder weiteren Schutzzertifikats für besagtes weiteres Erzeugnis allein aus dem Grund versagt werden, dass der Synergismus dieses weiteren Erzeugnisses zwar im Grundpatent explizit offenbart ist, jedoch das Grundpatent für dieses weitere Erzeugnis keine experimentellen Daten enthält?
24
Zudem regt die Beschwerdeführerin die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu diesen Fragen an.
25
Mit Zwischenbescheiden vom 5. und 10. September 2019 hat der Senat die Beschwerdeführerin auf seine vorläufige Rechtsansicht hingewiesen. Dabei hat der Senat für die Entscheidung über die Beschwerde zu Gunsten der Beschwerdeführerin außer Streit gestellt, dass (1) bei der Auslegung des Unionsrechts der auch im europäischen Recht geltende Gleichheitsgrundsatz sowie der Grundsatz der Nichtdiskriminierung zu beachten ist, wonach vergleichbare Situationen nicht unterschiedlich und unterschiedliche Situationen nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt; (2) die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verkürzung der exklusiven wirtschaftlichen Verwertung einer Erfindung durch den Patentinhaber aufgrund verlängerter Zulassungsverfahren bei gleichzeitigem Kostenanstieg; (3) die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Tatsache, dass bei Arzneimitteln im Vergleich mit der Situation bei Pflanzenschutzmitteln Möglichkeiten zusätzlicher Markt- und Datenexklusivität bestehen, wie sie für Pflanzenschutzmittel nicht gegeben sind; sowie (4) die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Tatsache, dass zwischen den beiden Produktgruppen Unterschiede in den Verlängerungsverfahren der Marktzulassungen bestehen.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
27
Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.
28
1. Die zu Art. 3 (c) AMVO ergangene Rechtsprechung des EuGH gilt gleichermaßen für die Auslegung von Art. 3 (1) c) PSMVO.
29
2. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sind die PSMVO und die AMVO in Zielsetzung, Regelungsstruktur, Gegenstand und Wortlaut weitgehend identisch. Sowohl die PSMVO als auch die AMVO sind auf die Förderung von Forschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe in Produktbereichen ausgerichtet, deren Erzeugnisse einer vorherigen Genehmigung bedürfen und daher einer verkürzten effektiven Patentschutzdauer unterliegen. Aus diesem Grund sollte mit der Einführung eines ergänzenden Schutzzertifikats die Wiederherstellung einer ausreichenden Dauer des wirksamen Schutzes des Grundpatents für Arznei- bzw. Pflanzenschutzwirkstoffe erreicht werden, indem dem Inhaber nach Ablauf seines Patents eine zusätzliche Ausschließlichkeitsfrist eingeräumt wird, die den Rückstand in der wirtschaftlichen Verwertung seiner Erfindung zumindest teilweise ausgleichen soll, der aufgrund der Zeitspanne von der Einreichung der Patentanmeldung bis zur Erteilung der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses in der Europäischen Union eingetreten ist (vgl. EuGH, GRUR 2014, 157 – Actavis/Sanofi, Rdn. 31; GRUR 2011, 213 – Hogan Lovells, Rdn. 48-50; GRUR 2014, 756 – Bayer CropScience/Safener, Rdn. 39). Zielsetzung bei Erlass der PSMVO war es deshalb, durch einen ausreichenden Schutz der Innovationen das Rechtsumfeld der in der Forschung und Entwicklung neuer Pflanzenschutzmittel tätigen Unternehmen und somit deren Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt zu verbessern (vgl. Begründung des Vorschlags für eine Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel, vom 9. Dezember 1994, Rdn. 4 = im Folgenden KOM (94) 579 endg., sowie zu den entsprechenden Zielsetzungen der AMVO die Begründung des Vorschlags für eine Verordnung (EWG) des Rates über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel, vom 4. Mai 1990, Rdn. 8 = im Folgenden KOM (90) 101 endg.). Dabei waren im Hinblick auf die Förderung von Pflanzenschutzmitteln selbstverständlich auch öffentliche Bedürfnisse, wie die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Menschen und Tieren, zu beachten (vgl. KOM (94) 579 endg., Rdn. 35; EuGH, a. a. O. – Bayer CropScience/Safener, Rdn. 3; Schennen, GRUR Int. 1996, S. 102, 103). Dass beide Verordnungen mit wenigen Ausnahmen identische Zielsetzungen teilen und ähnliche Zwecke benennen, betont im Übrigen auch der Bericht der Europäischen Kommission „Study and annexes on the legal Aspects of Supplementary Protection Certificates in the EU, Final Report“ des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb, unter 19.5.3 (im Folgenden: Kommissionsstudie).
30
3. Die in Struktur und Wortlaut weitgehend mit der AMVO identische PSMVO lässt unzweideutig erkennen, dass der Verordnungsgeber mit der PSMVO auch inhaltlich die gleichen Regelungen treffen wollte, wie bereits mit der AMVO. Im Hinblick auf den Fortbestand einer möglichst vollständigen Einheitlichkeit auf dem Gebiet der gewerblichen Schutzrechte hat der Verordnungsgeber – worauf auch die Beschwerdeführerin hingewiesen hat (Beschwerdebegründung vom 3. September 2019, Rdn. 95-97) – in Kenntnis der besonderen Merkmale des Pflanzenschutzmittelsektors (vgl. KOM (94) 579 endg., Rdn. 29 ff.) mit der PSMVO eine Regelung erlassen, die grundsätzlich nicht von der AMVO abweichen sollte. Dabei war sich der europäische Gesetzgeber der wesentlich schwierigeren Bedingungen des Pflanzenschutzmittelsektors, insbesondere der höheren Wettbewerbsintensität und der fehlenden Preisbindung, verglichen mit dem Arzneimittelbereich bewusst, wie dies auch die Beschwerdeführerin vorgetragen hat. Im Bewusstsein dieser Gesichtspunkte hat der Verordnungsgeber die materiell-rechtlichen Regeln, das Verfahren und den ganzen Mechanismus des ergänzenden Schutzzertifikates so gestaltet, dass sie mit denen der AMVO identisch sind.
31
In der Begründung des Verordnungsvorschlags wird dies wie folgt formuliert (KOM (94) 579 endg., Rdn. 61-62):
32
61. – Wie 1992 bei den Arzneimitteln soll auch dieser Verordnungsvorschlag die Voraussetzungen für die Erteilung und die Laufzeit der ergänzenden Schutzzertifikate angleichen; …
33
62. – Im Hinblick auf den Fortbestand einer möglichst vollständigen Einheitlichkeit auf dem Gebiet der gewerblichen Schutzrechte ist die Kommission der Auffassung, dass ein Vorschlag für die Einführung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel grundsätzlich nicht von der Verordnung 1768/92 des Rates für Arzneimittel abweichen sollte.
34
Dies setzt voraus, dass die materiell-rechtlichen Regeln, das Verfahren und der ganze Mechanismus des ergänzenden Schutzzertifikates, vor allem dessen Laufzeit identisch sind. … Bei der Prüfung der Bestimmungen in Einzelheiten (siehe Teil V) werden die wenigen Änderungen gegenüber der Verordnung 1768/92 hervorgehoben.
35
Bei den angesprochenen Änderungen handelt es sich zum einen um spezielle Besonderheiten des Pflanzenschutzmittelsektors (vgl. hierzu etwa Kommissionsstudie unter Punkt 19.3; sowie Schennen, a. a. O., 102 ff.), zum anderen um Änderungen, die aufgrund der Erfahrungen mit der zuvor erlassenen AMVO in die PSMVO aufgenommen wurden und nach dem 17. Erwägungsgrund der PSMVO auch für die Auslegung der AMVO gelten.
36
4. Die beiden wort- und funktionsgleichen und in die gleiche Regelungsstruktur eingebundenen Vorschriften des Art. 3 (c) AMVO bzw. Art. 3 (1) c) PSMVO weisen im Hinblick auf die jeweiligen Erzeugnisgruppen keinerlei produktspezifische (also auf medizinische Fragen bzw. auf den Pflanzenschutzmittelsektor bezogene) Besonderheiten des Pharma- bzw. des Agrochemiebereichs auf. Beide Vorschriften beinhalten die identischen materiell-rechtlichen Voraussetzungen, die für die Erteilung eines Zertifikats erfüllt sein müssen und sollen durch ihre Schrankenwirkung unzulässige Mehrfacherteilungen von Schutzzertifikaten für eigentlich dieselbe Innovation verhindern (KOM (94) 579 endg, Rdn. 68; EuGH, a. a. O., Actavis/Sanofi, Rdn. 42). Denn die Erteilung von ungerechtfertigten Ausschließlichkeitsrechten hätte negative Auswirkungen auf die Mitbewerber. Außerdem würden sich die Preise der Pflanzenschutzmittel zum Nachteil der Landwirte und der Verbraucher von landwirtschaftlichen Erzeugnissen erhöhen. Da Schutzzertifikate zur Entwicklung neuer Arznei- bzw. Pflanzenschutzmittel anregen sollen, indem die zusätzliche Schutzfrist, die sie verleihen, dazu beitragen soll, die Investitionen in die Forschung zu amortisieren, wäre es nicht annehmbar, wenn für ein Erzeugnis die gesetzlich vorgesehene Gesamtschutzdauer überschritten würde, wie dies durch die Erteilung mehrerer aufeinanderfolgender Zertifikate für ein Erzeugnis geschehen könnte (KOM (94) 579 endg, Rdn. 68).
37
5. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, der EuGH habe bereits in der Vergangenheit die beiden Verordnungen unterschiedlich ausgelegt, waren diese Entscheidungen auf produktspezifische Fallgestaltungen bezogen, die in der jeweils anderen Verordnung keine Entsprechung hatten. Vorliegend sind solche produktspezifischen Besonderheiten aber nicht gegeben. Soweit die Beschwerdeführerin ihre gegenteilige Auffassung auf vermeintlich voneinander abweichende Erzeugnis- bzw. Wirkstoffbegriffe in den beiden Verordnungen stützt, trifft dies nicht zu. Auch in der PSMVO ist „Erzeugnis“ nach den Vorgaben des Verordnungsgebers im engeren Sinne als Wirkstoff oder Verbindung von Wirkstoffen zu verstehen und nicht etwa im Sinne eines „agrochemischen Produkts“ oder eines „Pflanzenschutzmittels im weiteren Sinne“ (KOM (94) 579 endg, Rdn. 66). Soweit die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die von ihr geltend gemachte Unanwendbarkeit der zur AMVO ergangenen Rechtsprechung des EuGH auf die PSMVO geltend macht, der Gerichtshof habe zur PSMVO eine ganz andere Auslegung des Wirkstoffbegriffs vorgenommen, hat sie insbesondere auf dessen Safener-Entscheidung verwiesen. In der mündlichen Verhandlung hat sie ergänzend vorgetragen, der EuGH habe es in dieser Entscheidung als unerheblich angesehen, ob die toxische, phytotoxische oder pflanzenschützende Wirkung eines Wirkstoffes unmittelbar oder mittelbar sei. Dagegen habe der Gerichtshof in seinen zur AMVO ergangenen Entscheidungen „Glaxosmithkline“ (PharmR 2014, 98) und „Abraxis“ (GRUR 2019, 603) zwischen einem Wirkstoff und einem Adjuvans bzw. Trägerstoff unterschieden, obwohl diese die arzneilichen Wirkungen des Arzneimittels verstärkten. Insoweit ist aber darauf hinzuweisen, dass es der EuGH in den genannten Entscheidungen zur AMVO lediglich abgelehnt hat, Stoffe ohne eigene arzneiliche Wirkung (ein Adjuvans bzw. einen Transportstoff) als Wirkstoff zu werten (vgl. EuGH, PharmR 2014, 98 – Glaxosmithkline, Rdn. 28; EuGH, GRUR 2019, 603 – Abraxis, Rdn. 30), während er es in seinem Safener-Urteil als unerheblich angesehen hat, ob die Wirkung eines Wirkstoffes unmittelbar oder mittelbar ist (vgl. EuGH, a. a. O. – Bayer CropScience/Safener, Rdn. 33). Eine gegenüber der AMVO abweichende Auslegung des Wirkstoffbegriffs hat er dabei also gerade nicht vorgenommen. Stattdessen hat der EuGH in der Safener-Entscheidung sogar ausdrücklich die übereinstimmende Auslegung des Begriffes „Wirkstoff“ in den beiden Verordnungen hervorgehoben (vgl. EuGH, a. a. O. – Bayer CropScience/Safener, Rdn. 33: „… entsprechend in Bezug auf Arzneimittel“, sowie Rdn. 34: „Diese Auslegung entspricht der Auslegung im Bereich Arzneimittel“). Auch sonst hat sich der Gerichtshof in seinen auf die Auslegung der AMVO bezogenen Entscheidungen immer wieder gleichermaßen auf zur PSMVO und zur AMVO ergangene Entscheidungen gestützt (vgl. EuGH, a. a. O., Actavis/Sanofi, Rdn. 28, 31, 42; GRUR 2006, 694 – Massachusetts Institute of Technology, Rdn. 22 ff.; GRUR Int. 2010, 41 – AHP Manufacturing BV (Leitsatz); GRUR 2012, 257 – Medeva, Rdn. 27 f.) und so die übereinstimmende Auslegung der beiden Verordnungen betont. Dass die zu Vorschriften der AMVO ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung auch für die identischen Vorschriften der PSMVO gilt, wurde vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Vorgaben seit Inkrafttreten der PSMVO weder vom EuGH noch von einem einzelstaatlichen Gericht in Frage gestellt. Auch die von der Beschwerdeführerin zitierte Kommissionsstudie sieht diese Tatsache im Übrigen als selbstverständlich an (vgl. dort unter 19.4.1, 19.5.1 und 19.5.3).
38
6. Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Verordnungsgebers und der diesen Vorgaben entsprechenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Gleichbehandlung von Schutzzertifikaten für Erzeugnisse auf den Gebieten der Pflanzenschutz- und Arzneimittel im Rahmen der Erteilungsvorschriften Art. 3 (c) AMVO bzw. Art. 3 (1) c) PSMVO nicht nur objektiv gerechtfertigt, sondern rechtlich zwingend geboten. Demnach gilt, dass bei einem Grundpatent, das mehrere Erzeugnisse i. S. v. Art. 1 Nr. 8 PSMVO schützt, es grundsätzlich möglich ist, für jedes dieser Erzeugnisse ein Schutzzertifikat zu erteilen (EuGH, a. a. O. – Actavis/Sanofi, Rdn. 29). Die zentrale Aussage der Actavis-Rechtsprechung besteht jedoch darin, dass es unzulässig ist, mehrere Zertifikate für die gleiche Innovation zu erteilen. Deshalb ist es nach der Rechtsprechung des EuGH nicht schon ausreichend, dass es sich bei mehreren durch ein Grundpatent geschützte Erzeugnisse, um verschiedene Erzeugnisse i. S. v. Art. 1 Nr. 8 PSMVO handelt. Vielmehr leitet der EuGH in derartigen Fällen aus der Schrankenfunktion der beiden Vorschriften Art. 3 (c) AMVO und Art. 3 (1) c) PSMVO die zusätzliche Voraussetzung ab, dass im Fall, dass ein Grundpatent mehrere Erzeugnisse i. S. v. Art. 1 Nr. 8 PSMVO schützt, die Erteilung von Schutzzertifikaten für diese Erzeugnisse nur zulässig ist, wenn es sich bei den fraglichen Erzeugnissen um unterschiedliche Innovationen handelt. Dagegen ist die Erteilung mehrerer Schutzzertifikate für jedes sukzessive Inverkehrbringen eines innovativen Wirkstoffs in Kombination mit einem anderen, durch das Grundpatent nicht als solches geschützten Wirkstoff unzulässig (EuGH, a. a. O. – Actavis/Sanofi, Rdn. 41). Denn Zertifikatsschutz soll ausschließlich für solche Erzeugnisse gewährt werden, die gemäß den Zielen der Verordnung eine echte Neuerung darstellen.
39
7. Die Prüfungskriterien, die im Rahmen von Art. 3 (c) AMVO und Art. 3 (1) c) PSMVO insoweit anzulegen sind, hat der EuGH wie folgt definiert: die anmeldegegenständliche Wirkstoffkombination darf nicht ganz oder teilweise in Zusammenhang mit demselben Erzeugnis stehen, für das der Patentinhaberin auf Basis des Grundpatents bereits ein Schutzzertifikat erteilt worden ist (EuGH, a. a. O. – Actavis/Sanofi, Rdn. 42). Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass sich die Kombination aus dem innovativen Wirkstoff Mandipropamid und dem vorbekannten Wirkstoff Zoxamide gegenüber dem Monowirkstoff Mandipropamid als eine andere, eigenständige Innovation erweisen muss (vgl. zur Unzweideutigkeit dieser Kriterien bspw. das zu Art. 3 (c) AMVO ergangene Urteil des Gerichtshofs Den Haag, Az. 200.242.287/01, vom 23. Oktober 2018, Rdn. 4.7). Das verfahrensgegenständliche Erzeugnis darf sich also nicht lediglich als sukzessives Inverkehrbringen des innovativen Wirkstoffs in Kombination mit einem anderen, durch das Grundpatent nicht als solches geschützten Wirkstoff darstellen (EuGH, a. a. O. – Actavis/Sanofi, Rdn. 41), was dann der Fall ist, wenn die Innovation der Kombination ausschließlich durch die Verwendung des neuen Wirkstoffs Mandipropamid getragen wird.
40
8. Bei dem verfahrensgegenständlichen Erzeugnis handelt es sich um die Kombination zweier Wirkstoffe mit komplementären Wirkmechanismen. Das zur Gruppe der Benzamide zählende Zoxamide besitzt als protektives Fungizid mit Kontaktwirkung eine lange Wirkdauer und hohe Regenfestigkeit. Mandipropamid ist ein systemischer Wirkstoff aus der Gruppe der Carbonsäureamide mit translaminaren Eigenschaften, der die Cellulosesynthase blockiert und auf diese Weise den Zellwandaufbau des Schädlings verhindert. Beide Wirkstoffe verhalten sich unterschiedlich auf und in der Pflanze und bieten in ihrer Addition eine umfassendere Schutzwirkung bzw. eine verbesserte Wirkungssicherheit.
41
9. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, die eingereichten Unterlagen zeigten, dass die fragliche Kombination fungizide Wirkungen ermögliche, die über den Erfolg hinausgehen, der durch eine Anwendung der beiden Monowirkstoffe allein erzielt werden könne. Dies entspricht allerdings dem schon zum Prioritätsdatum auf dem Pflanzenschutzmittelsektor allgemein bekannten Erfahrungswert, dass eine Kombination von komplementär wirkenden Wirkstoffen bzw. Wirkstoffklassen gegenüber der Anwendung von Monowirkstoffen regelmäßig ein vorteilhafteres Wirkungsspektrum besitzt, wie etwa eine umfassendere Schutzwirkung, Arbeitseffizienz und Anwenderfreundlichkeit. Dementsprechend sind Kombinationen aus zwei (oder mehr) Wirkstoffen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen auf dem hier einschlägigen Produktsektor völlig gebräuchlich, um verschiedene Schädlingsarten ansprechen bzw. einen Schädling umfassender bekämpfen zu können und gleichzeitig die Anzahl der Anwendungsrunden zu verringern (vgl. hierzu etwa Kommissionsstudie, unter 19.3.2).
42
10. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, die fragliche Wirkstoffkombination besitze synergistische Wirkungen. Um sich auf das Vorhandensein synergistischer Wirkungen berufen zu können, müssen diese im Grundpatent zunächst konkret benannt sein. Im vorliegenden Fall fehlt es aber an entsprechenden Angaben. Konkrete synergistische Effekte werden nicht beschrieben und kommen in der Patentschrift auch sonst nicht zum Ausdruck. In den Abschnitten [0051 und 0052] der deutschen Übersetzung der Patentschrift wird insoweit lediglich ausgeführt (Hervorhebungen durch den Senat):
43
„Die Verbindungen der Formel I können mit anderen Fungiziden gemischt werden, was in
einigen
Fällen zu unerwarteten synergistischen Wirkungen führt. Derartige Gemische sind nicht auf zwei Wirkstoffe begrenzt … jedoch umfassen andererseits viele mehr als einen Wirkstoff der Komponente der Formel I und mehr als ein anderes Fungizid.“ (Abschnitt [0051])
44
„Einige
besonders interessante Gemische im Hinblick auf den technischen Wert in der Landwirtschaft (umfassend zumindest eine genannte Verbindung der Formel I zusammen mit den oben genannten anderen Fungiziden, jedoch nicht darauf beschränkt, das heißt, solche Gemische können zusätzliche Komponenten gemäß der Bedürfnisse, wenn bestimmte Pilze auf bestimmten Nutzpflanzen kontrolliert werden, enthalten), die erhöhte synergistische Niveaus an fungizider Wirkung aufweisen
oder
insbesondere für die Kontrolle von beständigen oder sehr schädlichen phytopathogenen Pilzen
gut geeignet
sind …“ (Abschnitt [0052])
45
Diese Angaben sind jedoch weder näher konkretisiert noch ausschließlich auf das hier verfahrensgegenständliche Erzeugnis bezogen. Vielmehr beziehen sie sich auf eine Vielzahl möglicher, nicht abschließend benannter Wirkstoffkombinationen und lassen zudem völlig offen, ob die hier verfahrensgegenständliche Kombination zu den „
einigen Fällen
“ gehört, die unerwartete synergistische Wirkungen aufweisen oder ob sie zu den Gemischen zählt, die von der Patentschrift (lediglich) als „
gut geeignet
“ beschrieben werden. Eine konkrete Benennung der unerwarteten synergistischen Wirkungen bzw. erhöhten synergistischen Niveaus an fungizider Wirkung fehlt. Die Beschwerdeführerin hat insoweit darauf verwiesen, dass vorliegend – im Unterschied zur Fallgestaltung in der Rechtssache Actavis/Sanofi – der Kombinationspartner von Mandipropamid im Grundpatent explizit offenbart sei. Die Tatsache, dass ein Kombinationsprodukt durch das Grundpatent geschützt ist, reicht jedoch nicht aus, um zu belegen, dass es sich bei dem Erzeugnis um ein anderes Erzeugnis i. S. v. Art. 3 (1) a) PSMVO handelt (in diesem Sinne auch der Gerichtshof Den Haag, Az. 200.242.287/01, vom 23. Oktober 2018, Rdn. 4.10).
46
11. Konkrete synergistische Effekte der hier maßgeblichen Wirkstoffkombination sind somit im Streitpatent weder geltend gemacht noch daraus erkennbar. Vor diesem Hintergrund gab es für den Fachmann keinen Grund für die Annahme, dass die Innovation der Kombination nicht ausschließlich in der Verwendung des neuen Wirkstoffs Mandipropamid bestehen solle. Vielmehr lag es für ihn auf der Hand, in der Kombination des innovativen Wirkstoffs Mandipropamid mit dem bereits bewährten Kombinationspartner Zoxamide lediglich eine einfache, zweckmäßige und im fachüblichen Handeln liegende Ausgestaltung zu erkennen, mit der die Effekte der beiden Wirkstoffe addiert werden sollten. Dies gilt umso mehr, als dem Fachmann zum Prioritätstag des Grundpatents fungizide Kombinationen aus Wirkstoffen der beiden hier einschlägigen Wirkstoffklassen bereits ebenso bekannt waren, wie die Eignung des vorbekannten Wirkstoffs Zoxamide aufgrund seines günstigen Wirkungsprofils in solchen fungiziden Mischungen eingesetzt zu werden (vgl. hierzu die von der Patentabteilung zitierte und in der mündlichen Verhandlung diskutierte Druckschrift EP 753 258 B1, die in Anspruch 1 i. V. m. Anspruch 5 eine solche fungizid aktive Verbindung der fraglichen Wirkstoffgruppen benennt und insoweit Zoxamide als beispielhaften Kombinationspartner aufzeigt).
47
12. Bei dieser Sachlage kam es auf die von der Beschwerdeführerin als Gegenstand eines möglichen Vorabentscheidungsersuchens formulierte Frage nicht mehr an, ob nach dem Prioritätsdatum des Grundpatents gewonnene Erkenntnisse bei der Prüfung von Art. 3 (1) c) PSMVO berücksichtigt werden können oder nicht. Denn eine Berücksichtigungsfähigkeit solcher Erkenntnisse würde zunächst voraussetzen, dass sie sich auf synergistische, also über bloße Additionseffekte hinausgehende, konkrete Merkmale beziehen, die im Grundpatent bereits substantiiert benannt wurden. Dies ist aber, wie dargelegt, vorliegend gerade nicht der Fall. Bei dieser Sach- und Rechtslage kam auch die von der Beschwerdeführerin beantragte Aussetzung der Beschwerdesache bis zu einer Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-650/17 mangels Vorgreiflichkeit nicht in Betracht.
48
13. Die Kombination des neuen Wirkstoffs Mandipropamid mit dem bewährten Kombinationspartner Zoxamide stellt nach alldem keine andere Innovation gegenüber dem Monowirkstoff (Mandipropamid) dar. Vielmehr steht das verfahrensgegenständliche Erzeugnis im Sinne von Art. 3 (1) c) PSMVO im Zusammenhang mit dem Wirkstoff Mandipropamid, für den der Patentinhaberin auf Basis des Grundpatents bereits ein Schutzzertifikat erteilt wurde (vgl. EuGH, a. a. O.– Actavis/Sanofi, Rdn. 42, wo der Gerichtshof auch explizit auf die Übereinstimmung mit der Auslegung bei Pflanzenschutzmitteln hinweist). Die Erteilung des beantragten Schutzzertifikats ist daher nach Art. 3 (1) c PSMVO unzulässig.
49
Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.
III.
50
1. Die von der Beschwerdeführerin angeregte Vorlage an den EuGH war nicht veranlasst, denn die vorliegende Beschwerdesache wirft keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts auf, die nicht aus den gesetzlichen Quellen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung zweifelsfrei zu beantworten wären. Vielmehr ist die richtige Anwendung des Unionsrechts im vorliegenden Fall derart offenkundig, dass auch unter Berücksichtigung der besonderen Schwierigkeiten des Gemeinschaftsrechts und der damit verbundenen Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt. Der Senat ist insoweit überzeugt, dass die gleiche Gewissheit auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den EuGH selbst besteht, weshalb es dahingestellt bleiben kann, ob der EuGH an dieser in seiner von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidung „CILFIT u. a.“ (NJW 1983, 1257) formulierten Anforderung an einen acte clair noch festhält, da er sie in der Entscheidung „Ferreira da Silva e Britto u. a.“ (EuZW 2016, 111) nicht mehr aufgreift.
51
Soweit die von der Beschwerdeführerin formulierten Rechtsfragen für den Fall nicht entscheidungsrelevant waren bzw. die entsprechenden Voraussetzungen (synergistische Wirkung) ersichtlich nicht vorlagen, musste ein darauf gerichtetes Vorabentscheidungsersuchen bereits wegen fehlender Zulässigkeit unterbleiben (vgl. hierzu EuGH, Beschluss vom 5. September 2019, in der Rechtssache C-239/19, Eli Lilly and Company/Genentech, Rdn. 15 ff., veröffentlicht auf der Curia-Homepage des EuGH; sowie unter BeckRS 2019, 22614).
52
2. Dass es zur Erteilung von Schutzzertifikaten durch Patentämter anderer Mitgliedsstaaten gekommen ist bzw. entsprechende Anmeldungen dort noch anhängig sind, hat der Senat bei seiner Entscheidung über die Notwendigkeit einer Vorlage miteinbezogen, dieser Aspekt konnte jedoch ebenfalls kein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH rechtfertigen. Der Gerichtshof knüpft das Kriterium der „Gefahr von Divergenzen“ ausschließlich an die Rechtsprechung an (vgl. EuGH, a. a. O., – Ferreira da Silva e Britto u. a., Rdn. 41) und nimmt nichtgerichtliche Organe wie Verwaltungsbehörden insoweit ausdrücklich aus (vgl. EuGH, Urteil vom 15. September 2005 – Intermodal Transports BV, Rs. C-495/03, Rdn. 39, veröffentlicht unter BeckRS 2005, 70697). Insoweit ist außerdem zu berücksichtigen, dass etliche Mitgliedsstaaten von der in Art. 10 (5) PSMVO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht haben und im Zertifikatserteilungsverfahren auf die Prüfung der in Art. 3 (1) c) PSMVO genannten Voraussetzungen verzichten, wie bspw. das von der Beschwerdeführerin benannte griechische Patentamt. Zudem bestehen auch die – vom Gerichtshof in der vorgenannten Entscheidung geforderten – Mechanismen, die gewährleisten, dass derartige Widersprüche nur vorläufiger Art sind (vgl. nochmals EuGH, a. a. O. – Intermodal Transports BV, Rdn. 41), da der Verordnungsgeber mit Art. 15 PSMVO sichergestellt hat, dass Schutzzertifikate ggf. durch die Erhebung von Nichtigkeitsklagen wieder beseitigt werden können. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund entsprechender Gerichtsentscheidungen, wobei im vorliegenden Fall auf die beiden (auch) zu Art. 3 (c) AMVO ergangenen Urteile des Gerichtshofs Den Haag, vom 23. Oktober 2018 (Az. 200.242.287/01) sowie des Berufungsgerichts Paris, vom 26. Juni 2018 (Az. 18/06769) verwiesen werden kann.
53
3. Soweit die Beschwerdeführerin unter Vorlage einer Studie geltend macht, eine Anwendung von Vorabentscheidungen zur AMVO auf die hier einschlägige PSMVO sei auch im Hinblick auf einen gravierenden Kostenanstieg der Forschungs- und Entwicklungskosten nach Inkrafttreten der PSMVO unzulässig, insbesondere im Zusammenhang mit den verlängerten Zulassungsverfahren und der damit verbundenen Verkürzung des Patentschutzes, müsste dieses Vorbringen an den Verordnungsgeber gerichtet werden, der die angemahnte Korrektur bzw. Anpassung vornehmen könnte und nicht an ein Gericht, das an die gesetzgeberische Grundentscheidung gebunden ist. Derartige Aspekte können auch nicht Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens zur Auslegung der Art. 3 Abs. 1 (c) PSMVO sein bzw. in diesem Rahmen vom Gerichtshof beschieden werden. Gleiches gilt für den Hinweis der Beschwerdeführerin auf eine ungerechtfertigte Privilegierung von Arzneimitteln gegenüber Pflanzenschutzmitteln. In diesem Zusammenhang ist zudem darauf hinzuweisen, dass es die PSMVO – wie auch die AMVO – gerade nicht bezweckt, die Rückstände in der wirtschaftlichen Verwertung einer Erfindung in vollem Umfang oder in Bezug auf alle möglichen Formen dieser Verwertung auszugleichen (vgl. EuGH, a. a. O. – Actavis/Sanofi, Rdn. 31).
54
4. Die Argumentation der Beschwerdeführerin kann unter keinem rechtlich zulässigen Gesichtspunkt dazu führen, dass der Senat – oder ein anderes Gericht – die eindeutigen gesetzgeberischen Absichten des Verordnungsgebers „korrigiert“ bzw. ersetzt. Zwar gehört die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Verhältnisse zu den Aufgaben der Gerichte, insbesondere unter Berücksichtigung des beschleunigten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels und der zeitlich begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers (vgl. BVerfG, NJW 2011, 836, Rdn. 50 ff.). Dieser Aufgabe und Befugnis zur Rechtsfortbildung sind mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung jedoch enge Grenzen gesetzt. In keinem Fall dürfen sich die Gerichte dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes entziehen, vielmehr muss die Grundentscheidung des Gesetzgebers stets respektiert werden. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die gesetzgeberische Grundentscheidung, die materiell-rechtlichen Regeln, das Verfahren und den ganzen Mechanismus des ergänzenden Schutzzertifikates aus der AMVO für die PSMVO identisch zu übernehmen (vgl. nochmals KOM (94) 579 endg, Rdn. 61-62), nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung missachtet bzw. ersetzt werden kann. Ein solches Vorgehen würde die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten, da sich das Gericht damit an die Stelle des Verordnungsgebers setzen würde, was mit der Bindung der Gerichte an Gesetz und Recht unvereinbar wäre.
IV.
55
Die von der Beschwerdeführerin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde war ebenfalls nicht veranlasst, da keine der in § 100 Abs. 2 PatG genannten Voraussetzungen vorliegt. Die hier maßgeblichen Rechtsfragen sind durch den EuGH bereits höchstrichterlich geklärt und der Senat weicht mit seinem Beschluss auch nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Senats des Bundespatentgerichts oder von einer Amtsübung des DPMA ab (vgl. zu diesen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde etwa Schulte/Voß, PatG, 10. Auflage, § 100, Rdn. 15 ff.).