Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung; Markenbeschwerdeverfahren – “Volldampf” – fehlende Unterscheidungskraft;

Aktenzeichen  26 W (pat) 531/17

Datum:
29.7.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:290719B26Wpat531.17
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 111 479.7
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 29. Juli 2019 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Schödel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Das Wortzeichen
2
Volldampf
3
ist am 16. Dezember 2016 unter der Nummer 30 2016 111 479.7 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 34 und 35 angemeldet worden. Nach der im Beschwerdeverfahren am 4. Juli 2019 erklärten Rücknahme der Anmeldung für die Waren der Klassen 9 und 34 auf den gerichtlichen Hinweis im Schreiben vom 28. Mai 2019 unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 6, Bl. 29 – 78 GA), dass das angemeldete Wortzeichen nicht für schutzfähig erachtet werde, wird die Anmeldung nur noch aufrechterhalten für die Dienstleistungen der
4
Klasse 35: Einzelhandels- und Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf Tabak, Tabakwaren, elektronische Zigaretten und Pfeifen, Teile, Komponenten und Bestandteile für elektronische Zigaretten und Pfeifen, Zubehör für elektronische Zigaretten und Pfeifen, einschließlich Patronen, Ladegeräte, USB-Kabel, wiederaufladbare Batterien und Etuis, auch über das Internet.
5
Mit Beschluss vom 4. April 2017 hat die Markenstelle für Klasse 34 des DPMA durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Wortzeichen sei wie die Wortkombinationen „Vollversorgung, Volltext, Vollautomatisierung, Vollzeit, Vollmilch, Vollschaden, Vollunterricht“ eine sprachüblich gebildete Wortverbindung mit der Bedeutung „sehr intensives oder starkes Rauchen, elektronisches Rauchen bei großen Dampfwolken“. Beim elektrischen Rauchen werde eine Flüssigkeit verdampft, wodurch Dampf entstehe. Daher würden Raucher von E-Zigaretten auch „Dampfer“ und der Konsum solcher Zigaretten selbst „dampfen“ genannt. Das Zeichen „Volldampf“ stelle daher die unmittelbar beschreibende Angabe dar, dass die beanspruchten Dienstleistungen Waren zum Inhalt, Zweck oder Gegenstand hätten, die für ein sehr intensives oder starkes elektronisches Rauchen oder Dampfen bestimmt seien. Die beschreibende Verwendung des Begriffs „Volldampf“ im Zusammenhang mit E-Zigaretten habe eine Internetrecherche ergeben.
6
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, dass der Verkehr das geläufige deutsche Wort „Volldampf“ in seiner lexikalischen Bedeutung „volle Maschinenkraft“ oder als umgangssprachliche Umschreibung von mit hoher Energie, unter Volllast oder mit Nachdruck betriebenen Tätigkeiten verstehe. Diese Bedeutungen beschrieben aber nicht die noch beschwerdegegenständlichen Handelsdienstleistungen der Klasse 35. Dass die Verwendung von E-Zigaretten unter Ausstoß von Dampf erfolge, genüge nicht für eine beschreibende Funktion des Begriffs „Volldampf“, weil dieser nicht den Ausstoß von Dampf zum Ausdruck bringe. Der Verbraucher denke bei „Volldampf“ auch nicht an die Leistungsfähigkeit von E-Zigaretten. Die mit dem Senatshinweis übersandten Pressebeispiele seien Nachweise rein journalistischer Natur, die nicht der Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers entsprächen. Die für eine Ausgabe der Zeitschrift „Dampfer-Magazin“ im Jahr 2014 festgestellte Verwendung von „Volldampf“ sei eine einmalige Verwendung gewesen. Eine Vielzahl weiterer Presseartikel verwende das Aufmerksamkeit erregende und interpretationsfähige Schlagwort „Volldampf“ im Zusammenhang mit Eisenbahnen, Restaurants, Kochsendungen, Vereinen, Wäscheservice, Musik, Radio etc., aber nicht in Bezug auf E-Zigaretten. Ein Begriff, der auf verschiedenen Gebieten einsetzbar sei, könne keine beschreibende Funktion für einen Bereich aufweisen. Im Übrigen seien Verwendungen des Wortes „Volldampf“ vor dem Anmeldezeitpunkt nicht relevant, weil es maßgeblich auf den Anmeldezeitpunkt ankomme. Ferner seien zwei gleichlautende Marken (302 011 045 154, 302 012 002 889) bereits eingetragen.
7
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
8
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. April 2017 aufzuheben.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
10
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
11
1. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „Volldampf“ als Marke steht in Bezug auf die noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen insoweit zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
12
a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unter-scheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2018, 932 Rdnr. 7 – #darferdas?; GRUR 2018, 301 Rdnr. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
13
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
14
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH a. a. O. Rdnr. 8 – #darferdas?; GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht (BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT).
15
b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt das angemeldete Wortzeichen „Volldampf“ nicht. Die angesprochenen inländischen Verkehrskreise haben es in Bezug auf die noch beanspruchten Einzel- und Großhandelsdienstleistungen mit Raucherartikeln der Klasse 35 schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 16. Dezember 2016, nur als werblich anpreisendes, beschreibendes Schlagwort, nicht aber als betrieblichen Herkunftshinweis aufgefasst.
16
aa) Die in Rede stehenden Dienstleistungen richten sich an breite Verkehrskreise, nämlich sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher als auch an den Fachhandel für Tabakwaren und elektronischen Raucherbedarf.
17
bb) Das Anmeldezeichen besteht aus dem deutschen Substantiv „Volldampf“, das lexikalisch mit „volle Maschinenkraft“ erläutert wird (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 10, 3. Aufl. 1999, S. 4345; www.duden.de/rechtschreibung/Volldampf; Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006, S. 1606). Es wird zudem in den bekannten Redewendungen „Volldampf hinter etwas machen“, also umgangssprachlich „etwas mit Nachdruck betreiben“, oder „mit Volldampf“, d. h. umgangssprachlich „mit höchstem Tempo, höchster Eile [und Anstrengung]: mit Volldampf arbeiten“, verwendet. Diese Erläuterungen zeigen, dass der ursprünglich aus der Dampfschifffahrt stammende Begriff „Volldampf“ in der Allgemein- und Umgangssprache längst universell im übertragenen Sinne zur Umschreibung von mit hoher Energie, unter Volllast oder mit Nachdruck stattfindenden Tätigkeiten oder Vorgängen verwendet wird.
18
cc) In Bezug auf die noch beanspruchten Einzel- und Großhandelsdienstleistungen der Klasse 35 mit Tabakwaren und E-Zigaretten-Bedarf haben die angesprochenen Verkehrskreise das Anmeldezeichen zum Anmeldezeitpunkt, dem 16. Dezember 2016, entweder als schlagwortartigen, beschreibenden Hinweis auf die Erbringungsart dieser Dienstleistungen oder als wortspielartige, beschreibende Bezeichnung der Waren aufgefasst, mit denen Handel getrieben werden soll. Sogar die Kombination beider Aspekte konnte festgestellt werden. Für eine Schutzversagung reicht es jedoch bereits aus, dass das Wortzeichen in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH a. a. O. – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2014, 872 Rdnr. 25 – Gute Laune Drops; a. a. O. – HOT).
19
aaa) Zunächst kann das Anmeldezeichen die verfahrensgegenständlichen Handelsdienstleistungen unmittelbar dahingehend beschreiben, dass diese mit Volldampf, also mit Nachdruck, höchstem Tempo oder voller Kraft erbracht werden.
20
bbb) Dann kann es eine beschreibende Aussage über die gehandelten Waren treffen. Denn bereits vor dem Anmeldetag ist im Zusammenhang mit E-Zigaretten, E-Liquids und Zubehör für E-Zigaretten schon von „Dampf“, „Dampfern“ und „Dampfen“ gesprochen worden (s. Anlagenkonvolut 4 zum gerichtlichen Hinweis). Damit bietet sich das Wort „Volldampf“ an, um schlagwortartig, auch ironisch-wortspielartig auf den intensiven Konsum von Tabak, insbesondere das intensive Dampfen von E-Zigaretten und E-Liquiden hinzuweisen (s. Anlagenkonvolut 5 zum gerichtlichen Hinweis). Wenn ein Zeichen für eine Ware beschreibend ist, führt dies regelmäßig auch zur Schutzunfähigkeit für die entsprechenden Einzel- und Großhandelsdienstleistungen, da zwischen diesen Tätigkeiten und den Waren, mit denen Handel getrieben werden soll, eine funktionelle Nähe besteht (vgl. BPatG 29 W (pat) 28/16 – Bodenarena; 29 W (pat) 41/12 – CAMOMILLA; 29 W (pat) 525/10 – fashion.de; 29 W (pat) 196/10 – Küchenzauber; 29 W (pat) 62/10 – winestyle; 29 W (pat) 505/10 – Klebewelten.de; 29 W (pat) 43/04 – print24).
21
ccc) Die Internetrecherche des Senats hat sogar ergeben, dass schon vor und kurz nach dem Anmeldezeitpunkt in begrifflich verknüpfender Weise der Aspekt des „Dampfens“ als Synonym für den E-Tabak- und E-Zigarettenkonsum mit dem Aspekt des mit Hochdruck bzw. Volldampf betriebenen Groß- und Einzelhandels in beschreibender Weise kombiniert worden ist (s. Anlagenkonvolute 5 und 6 zum gerichtlichen Hinweis):
22
– „Unter Volldampf … Schon im Jahr 2013 war der weltweite Handel mit E-Zigaretten ein Milliardengeschäft …“ (Allgemeine Zeitung Ingelheim vom 8. April 2016);
23
– „Mit Volldampf voraus: was hat es mit der E-Zigarette auf sich? …“ Face2Face hat sich beim Einzelhandelskaufmann … – er betreibt das Vapor´s Inn in Mannheim – und … bei dem … Betreiber eines Shishabedarf-Geschäfts schlau gemacht …“ (https://face2face-magazin.de vom 19. November 2013);
24
– „… Lehnen Sie sich zurück, bestellen Sie in unserem Online-Shop, oder im Laden in München, eine E Zigarette und dazu ein Aroma, also ein Liquid, Ihrer Wahl und los geht’s mit Volldampf in ein gesünderes Leben! …“ (www.facebook.com/Grainau/posts/e-zigarette-in-weilheim-einfach-…; 19. November 2015);
25
– „Unter Volldampf – Wie aus „einfach mal ausprobieren“ ein erfolgreiches Vape-Business wurde“ (Titelblatt des Fachmagazins InnoCigs – Magazin Wissenswertes für den Fachhandel, Ausgabe 04/2017);
26
„Volldampf für ein erfolgreiches Business“ (Titelthema des vorgenannten Fachmagazins, S. 7);
27
– „Mit Volldampf an die Spitze“ – GermanFLAVOURS , der Spezialist für E-Liquids, Aromen und Basen für E-Zigaretten strebt nach Perfektion … Unseren Umsatz haben wir bisher überwiegend im Online-Geschäft erzielt, setzen aber seit Mitte 2015 auch auf den … stationären Handel. … Bis Ende 2017 will GermanFLAVOURS in allen deutschen Großstädten mit einem Store vertreten sein.“
28
(www.regiomanager.de/rhein-wupper/themen/titelportraet/mit-volldampf-…);
29
– „Hier kommt Umsatz mit Volldampf!“ – Der Tabakmarkt verändert sich. … So wird der Gesamtumsatz mit E-Zigaretten in Deutschland bis Ende dieses Jahres auf bis zu 900 Millionen Euro klettern … 2010 hatte er noch bei 5 Millionen Euro gelegen. Was das für Sie als Shopbetreiber bedeutet? …“
30
(www.lekkerland.de/le/de/sortiment/tabakwaren/e_zigarette/zigaretten_1.html);
31
– „Unter Volldampf erfolgreich – Bereits während ihres Studiums an der TU Chemnitz gründeten André Jäntsch und Felix Gabler zwei Unternehmen und feiern damit bis heute weltweite Erfolge – … 2010 kam der damalige Maschinenbaustudent auf die Idee, den Tabak in Wasserpfeifen durch ein Alternativprodukt zu ersetzen und entwickelte zu diesem Zweck aromatisierte Dampfsteine, die unter dem Markennamen Shiazo mittlerweile weltweit vertrieben werden.“ (Uni aktuell, TU Chemnitz vom 4. Dezember 2012).
32
ddd) Es kann dahinstehen, ob der Begriff „Volldampf“ in Alleinstellung bereits eine ohne weitere Überlegungen verständliche Beschreibung der Handelsdienstleistungen oder der gehandelten Produkte darstellt. Jedenfalls ist belegt, dass das Wort „Volldampf“ sowohl bei Waren der E-Tabake und E-Zigaretten als auch bei den darauf bezogenen Handelsdienstleistungen schon vor dem Anmeldezeitpunkt ein häufig verwendetes, wortspielartiges Werbeschlagwort gewesen ist, das keine über das bloße Wortverständnis hinausgehende Aussage enthalten hat, mithin vom Verkehr nur als solches, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen verstanden worden ist (BGH, GRUR 2016, 934 Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops; a. a. O. Rdnr. 26 – HOT).
33
dd) Die hiergegen von der Anmelderin vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen.
34
aaa) Gegen die Verwertbarkeit der Senatsrecherche spricht es keineswegs, dass die mit dem Senatshinweis übersandten Verwendungsbeispiele zahlreiche Presseartikel enthalten, bei denen es sich, wie die Anmelderin es ausdrückt, um „Nachweise rein journalistischer Natur“ handelt. Im Gegenteil sind journalistische Artikel in besonderer Weise geeignet, die Verwendung von Wörtern, Wortgruppen oder Redewendungen im Rahmen der lebenden Sprache aufzuzeigen. Sowohl der berufsbedingt geschulte Umgang von Journalisten mit der deutschen Sprache als auch der mit Pressebeispielen naturgemäß verbundene Beachtungs- und Vervielfältigungseffekt lassen solche Beispiele geeignet erscheinen, ergänzend zu den eher trockenen Erläuterungen in Wörterbüchern oder Lexika die lebende Verwendung von Ausdrücken in der Praxis aufzuzeigen. Dem Senat ist auch nicht bekannt, dass in der europäischen oder deutschen Rechtsprechung jemals Einwände gegen die Verwertung von Verwendungsbeispielen allein wegen deren journalistischer Urheberschaft erhoben worden sind.
35
bbb) Ferner ist es unerheblich, ob ein einzelnes Magazin der Fachpresse den Begriff „Volldampf“ nur ein einziges Mal verwendet haben soll, wie die Anmelderin gegen den Beleg „Dampfer-Magazin“ im Jahr 2014 aus der Senatsrecherche einwendet und was sie mit der Einreichung von Kopien (nur) der Titelblätter weiterer Ausgaben dieses Fachmagazins zu belegen versucht. Der Senat hat zahlreiche Verwendungsbeispiele aus der allgemeinen Presse, der Fachpresse, aus Internetforen und aus der Online-Werbung aufgezeigt, die in ihrer Gesamtschau einen Rückschluss auf das Verkehrsverständnis erlauben. Auf die Einmaligkeit der Verwendung in einem einzelnen Pressemagazin, die hier zugunsten der Anmelderin unterstellt werden soll, kommt es daher nicht an.
36
ccc) Der von der Anmelderin belegte Umstand, dass das Wort „Volldampf“ in der Presse oder im Internet auch in gänzlich anderen Zusammenhängen verwendet wird, etwa in Magazinen, die sich mit dem Eisenbahnwesen beschäftigen, oder im Zusammenhang mit Restaurants, Kochsendungen, Vereinen, Wäscheservice, Musik, Radio etc., zeigt vielmehr eindrucksvoll, dass es sich bei dem Wort „Volldampf“ um einen gängigen Ausdruck der deutschen Sprache und ein geläufiges Schlagwort handelt, das auch schon vor dem Aufkommen von E-Zigaretten und darauf bezogenen Handelsdienstleistungen längst in den verschiedensten Zusammenhängen gegenwärtig war. Für die verfahrensgegenständlichen Einzel- und Großhandelsdienstleistungen im Bereich der Tabakwaren, E-Zigaretten und -pfeifen, deren Teile und Zubehör ist das angemeldete Zeichenwort wegen seiner vielfältigen Verwendung auch in diesem Bereich jedenfalls nur als solches, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst worden.
37
ddd) Im Gegensatz zur Auffassung der Anmelderin sind gerade Belege über die Verwendung des Wortes „Volldampf“ vor und kurz nach dem Anmeldezeitpunkt entscheidend. Zwar kommt es für das Vorliegen von Eintragungshindernissen auf den Anmeldezeitpunkt, also den Anmeldetag an (BGH a. a. O. – Aus Akten werden Fakten). Für die Frage, wie der Verkehr das Anmeldezeichen zum Anmeldezeitpunkt verstanden hat, können aber nur Verwendungsbeispiele herangezogen werden, die aus der Zeit vor dem Anmeldetag stammen und belegen können, dass ein bestimmtes Verständnis bereits zu diesem Zeitpunkt vorgelegen hat. Aufgrund der völlig gleichartigen Verwendungsweise des Zeichenworts „Volldampf“ in den verschiedensten Belegen der Senatsrecherche, die einen überschaubaren Zeitraum vor und nach dem Anmeldetag abdecken, hat der Senat davon ausgehen können, dass das Wort „Volldampf“ bereits zum Anmeldezeitpunkt vom Verkehr nur als wortspielartiges Schlagwort für den gesamten Bereich der Tabakwaren, insbesondere E-Tabake und -zigaretten und auch darauf bezogener Handelsdienstleistungen verstanden worden ist.
38
2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann es dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die in Rede stehenden Dienstleistungen freihaltungsbedürftig ist.
39
3. Die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen rechtfertigen keine andere Entscheidung.
40
a) Die Wortmarke „VOLLDAMPF“ (30 2011 045 154) ist am 13. September 2011 für Waren der Klasse 34, u. a. für elektrische Zigaretten und Pfeifen, deren Teile und Zubehör sowie Aroma-Fluide, eingetragen worden, also zu einem Zeitpunkt, als elektrischer Zigarettenkonsum noch ein sehr junges, exotisches Produktsegment war. Bei der Recherche zum verfahrensgegenständlichen Wortzeichen hat der Senat Belege zur Verwendung des Wortes „Volldampf“ in diesem Waren- und Handelsbereich nur mit Datierungen aufgefunden, die von 2012 oder später stammten, also einer Zeit, in der der fragliche Produktbereich allmählich populärer geworden ist. Deshalb dürfte im September 2011 noch ein anderes Verkehrsverständnis geherrscht haben.
41
b) Die am 23. März 2012 registrierte Wort-/Bildmarke
42
(30 2012 002 889) ist schon wegen anderer Dienstleistungen der Klassen 37, 39 und 43 aus dem Wäschereibereich sowie wegen des Bildelements nicht vergleichbar.
43
c) Im Übrigen kann es sich um rechtswidrig vorgenommene Eintragungen oder um Eintragungen vor Eintritt einer Richtlinien- oder Rechtsprechungsänderung handeln. Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rdnr. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und SCHWABENPOST).

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