Steuerrecht

1 K 1466/14

Aktenzeichen  1 K 1466/14

Datum:
12.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
InvZulG 2005 § 1 Abs. 1 InvZulG 2005
InvZulG 2005 § 2 Abs. 1 InvZulG 2005
InvZulG 2005 § 2 Abs. 7 InvZulG 2005
InvZulG 2005 § 2 Abs. 7 Satz 1 InvZulG 2005

 

Leitsatz

Gründe

Finanzgericht Nürnberg
1 K 1466/14
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
A. A-Straße, A-Stadt
– Klägerin –
Prozessbev.: Rechtsanwälte, Steuerberater Dr. B. B-Straße,
gegen
Finanzamt C. C-Straße, C.
– Beklagter –
wegen Investitionszulage 2005
hat der 1. Senat des Finanzgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht … und den Richter am Finanzgericht … sowie den ehrenamtlichen Richter … und den ehrenamtlichen Richter … aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung
vom 12. April 2016
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.
Bei der Einlegung und Begründung der Revision muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.
Postanschrift des Finanzgerichts Nürnberg: Deutschherrnstr. 8, 90429 Nürnberg, Telefax-Anschluss des Finanzgerichts Nürnberg: 0911/27076-290, Postanschrift des Bundesfinanzhofs: Postfach 860240, 81629 München, Hausanschrift des Bundesfinanzhofs: Ismaninger Straße 109, München, Telefax-Anschluss des Bundesfinanzhofs: 089/9231-201
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin als kleines oder mittleres Unternehmen im Sinne der Empfehlung der EU-Kommission einzuordnen ist und ihr deshalb die erhöhte Investitionszulage zusteht.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ihr Unternehmensgegenstand ist die Herstellung und der Vertrieb von Verpackungssystemen aus Kunststoff und sonstigen Materialien. Die Geschäftsanteile werden zu gleichen Teilen von ZZ, seinem Cousin YZ, XZ (Sohn von ZZ) und WZ (Sohn von YZ) gehalten. Geschäftsführer sind XZ und WZ.
Die Gesellschafter sind auch die einzigen Kommanditisten der FIRMA 1. Die FIRMA 1 beschäftigte im Jahr 2004 ca. 450 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von über 130 Mio. €. Geschäftsführer der FIRMA 1 sind die Z GmbH, deren Geschäftsanteile von der FIRMA 1 gehalten werden, und V. Wegen der weiteren Zusammenhänge der Firmen in der Z-gruppe wird auf das Organigramm auf Blatt 111 der InvZul-Akte des Finanzamts verwiesen.
Die Klägerin wurde 1997 gegründet. Ihre Tätigkeit übt sie in A-Stadt (Thüringen) aus. Die Geschäftsleitung befindet sich in den Räumen der FIRMA 1 in D-Stadt (Bayern). Sie erzielte im Streitjahr 2005 ihren Umsatz fast ausschließlich mit der Herstellung und dem Vertrieb von PET-Preforms, die dazu bestimmt sind, zur Abfüllung von Flüssigkeiten zu Kunststoff-Flaschen aufgeblasen zu werden.
Die Klägerin beantragte für das Kalenderjahr 2005 Investitionszulage von 287.907,50 € (1.151.630 € Bemessungsgrundlage x 25% Investitionszulagensatz). In der beigefügten KMU-Erklärung erklärte sie, das sie ein eigenständiges Unternehmen mit 32 Mitarbeitern, einem Umsatz von 42 Mio. € und einer Bilanzsumme von 30 Mio. € im Wirtschaftsjahr 2004 sei. Das Finanzamt E-Stadt setzte am 02.11.2006, im Anschuss an eine Nachschau, die Investitionszulage 2005 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit 268.531,50 € fest.
Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 2004-2006 (Prüfungsanordnung vom 17.04.2008) stellte der Prüfer des Finanzamts E-Stadt fest, dass die Voraussetzungen für eines kleines oder mittleres Unternehmen i. S. d. Kommissionsempfehlung nicht vorlägen, da die Einstufungswerte mit der FIRMA 1 und der von dieser beherrschten Unternehmen zu addieren seien.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen und minderte am 29.01.2009 die Investitionszulage für 2005 auf 134.265,00 € (12,5% von 1.074.126 €). Der fristgerechte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Klägerin hat Klage erhoben und vorgetragen, dass die Klägerin als eigenständiges Unternehmen zu beurteilen sei und deshalb die Einstufungsgrenzen als mittleres Unternehmen entsprechend der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 06.05.2003 nicht überschritten seien.
Eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen liege nicht vor. Eine Beteiligungsidentität, wie sie im Streitfall aber auch nicht gegeben sei, da an der FIRMA 1 die Z GmbH und Herr V beteiligt seien, reiche hierfür nicht, da sonst für dieses Tatbestandsmerkmal kein eigenständiger Prüfungsbereich verbliebe. Die Gesellschaftsverträge der beteiligten Firmen sähen eine Fortführung der Beteiligung nach zwei Familienstämmen vor und es sei kein gemeinsames Abstimmungsverhalten vereinbart. Dies bestätige gerade die bestehenden Interessengegensätze. Zwischen WZ und XZ bestehe nur eine Verwandtschaft 6. Grades. Von einer familiären Verbundenheit könne nicht ausgegangen werden. Das gemeinsame Handeln im Sinne der KMU-Definition müsse sich auf mehrere Unternehmen erstrecken.
Die Klägerin und die FIRMA 1, bzw. die anderen Firmen, seien nicht in benachbarten Märkten tätig. Die Kommission beziehe sich in Tz. 12 der Empfehlung ausdrücklich auf den wettbewerbsrechtlichen Marktbegriff. Die Klägerin und die FIRMA 1 seien im Rahmen der Produktions- bzw. Vertriebskette nicht auf vor- oder nachgelagerten Märkten tätig. Die FIRMA 1 stelle weder das Granulat für die PET-Rohlinge her, noch blase sie diese auf oder vertreibe sie. Die Klägerin stelle weder Soda für die Glaserzeugung her, noch vertreibe sie Glasflaschen.
Es handle sich auch nicht um verwandte oder ähnliche Produkte wie in der Kommissionsentscheidung vom 07.06.2006, da im Streitfall kein Begriff genannt sei, der dem dortigen Begriff der Transportleistung entspreche. Die Produkte unterschieden sich wesentlich. Während Glasflaschen überwiegend für alkoholische Getränke genutzt würden, würden aus den Preforms mit Hilfe aufwendiger Weiterverarbeitung vielfältige Behältnisse für Flüssigkeiten hergestellt. Dabei sei zu beachten, dass nach der Verbraucherauffassung selbst Butter und Margarine getrennte Märkte bedienten. Nach der Klassifikation des Statistischen Bundesamts lägen ebenfalls getrennte Wirtschaftszweige vor.
Die Klägerin habe von der FIRMA 1 nur Finanzierungsmittel zu fremdüblichen Konditionen erhalten und sei zudem auf diese nicht angewiesen gewesen. Sie sei gegenüber anderen KMU nicht in einer bevorzugten Lage, da sie selbst über eine gesunde Finanzkraft verfüge. Die historischen Anschaffungs-/Herstellungskosten von ca. 43 Mio. € seien zu 15,5 Mio. € aus staatlichen Zuschüssen und Zulagen und zu 27,5 Mio. € aus der Innenfinanzierung zu leisten gewesen. Einzelne entgeltliche Verpachtungen und die Buchführung gegen Kostenerstattung begründeten keinerlei Vorteile gegenüber Mitbewerbern. Für die Beurteilung als KMU sei alleine auf die Größenmerkmale und nicht auf die Bedürftigkeit abzustellen.
Der Ausweis der Bilanzposten gegenüber verbundenen Unternehmen habe keine konstitutive Wirkung. Die Vollhafter der FIRMA 1 stünden in keiner gesellschaftsrechtlichen Stellung zur Klägerin. Durch die Nutzung gleicher Dienstleister für Frachtabfertigung und Versicherungen, die nicht exklusiv für beide Unternehmen tätig würden, würden die Klägerin und die FIRMA 1 nicht zu verbundenen Unternehmen. Die Homepages seien lediglich verlinkt. Auch eine Gesamtbetrachtung führe zu keinem anderen Ergebnis.
Die Klägerin hat beantragt, den Bescheid über Investitionszulage für das Kalenderjahr 2005 vom 29.01.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.08.2010 dahingehend zu ändern, dass die Investitionszulage auf 268.531,50 € festgesetzt wird; im Falle des Unterliegens hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Herren Z seien als gemeinsam handelnde Gruppe anzusehen. Es sei realitätsfern von zwei ständig in Konkurrenz handelnden Gruppen auszugehen. Die Eigentumsstruktur sei das Hauptkriterium für die Analyse der Kontrollbefugnisse in Unternehmen. Die wirtschaftlichen und organisatorischen Verknüpfungen ermöglichten die strategische Entwicklung der Z- Gruppe.
Die Firmen seien jedenfalls in benachbarten Märkten tätig. Bei den PET-Rohlingen und den Glasflaschen handle es sich um verwandte bzw. ähnliche Produkte. Beide würden im Markt der Getränkeproduktion zur Abfüllung, verbrauchsfähigen Lagerung und Weitergabe verwendet.
Weder die Klägerin noch die Gruppe als Ganzes seien mit den typischen Schwierigkeiten eines KMU konfrontiert. Eigenständige, kleinere Unternehmen hätten gerade in der Gründungsphase nur erschwert Zugang zu Kapital und Technologie, weshalb für diese eine erhöhte Investitionszulage gerechtfertigt sei.
Die Entscheidung der Kommission vom 07.06.2006 (ABl. L 353 vom 13.12.2006, S. 60-68; Umesterungswerk) brächte den Willen der Kommission zum Ausdruck und gehe als unmittelbares EU-Recht dem nationalen Recht vor.
Zweifelhaft sei auch, ob die beweglichen Wirtschaftsgüter noch 5 Jahre in einem begünstigten Betrieb verblieben seien, da jedenfalls ab Einbringung der Klägerin in die Holding im Jahr 2007 kein KMU-Betrieb mehr vorhanden sei.
Nach Ruhen des Verfahrens wegen Entscheidungen des BFH/EuGH, in denen klargestellt wurde, dass über das Merkmal „gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen“ anhand einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der im Einzelfall vorliegenden rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu entscheiden ist, hat die Klägerin vorgetragen:
Die Umstände im Urteilsfall des BFH (III R 30/11) unterschieden sich erheblich von denjenigen im vorliegenden Fall. Ob die Klägerin und die FIRMA 1 auf demselben sachlich relevanten Produktmarkt tätig seien, sei aus Verbrauchersicht zu entscheiden. Dieser Markt umfasse sämtliche Erzeugnisse, die hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar von diesen angesehen würden. Dies sei für Glasflaschen, die insb. für Wein, Sekt und alkoholische Getränke zum Einsatz kämen, und PET-Formlinge, die zuerst aufgeblasen werden müssten und sodann für Wasser, Softdrinks und vielfältige andere Flüssigkeiten zum Einsatz kämen, nicht der Fall. Daher gebe es so gut wie keine Überschneidungen bei den Abnehmern der Produkte.
Das Finanzamt hat weiter ausgeführt, dass die Herren XZ und WZ u. a. bei der Klägerin und bei der FIRMA 1 jeweils gemeinsam Geschäftsführer und beide dort jeweils zu 25% beteiligt seien. Beide hätten somit eine wesentliche Gesamtverantwortung für den Werdegang des Z-Konzerns.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Behörden- und Finanzgerichtsakten, einschließlich der Sitzungsniederschrift vom 12.04.2016 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin gehört nicht zu den kleinen oder mittleren Unternehmen, für die die erhöhte Investitionszulage gewährt wird.
1. Die Einbringung der Klägerin in die Z-Holding im Jahr 2007 hat keinen Einfluss auf die Höhe der Investitionszulage, da die Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen der Klägerin und im Fördergebiet verblieben sind. Der Verlust des KMU-Status nach dem Stichtag innerhalb des Verbleibenszeitraums wäre ohne Bedeutung (BMF-Schreiben zum InvZulG 2005 vom 20.01.2006, IV C 3 – InvZ 1015 -1/06; Rn. 128.)
2. Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes, die im Fördergebiet begünstigte Investitionen vornehmen, haben Anspruch auf eine Investitionszulage (§ 1 Abs. 1 InvZulG 2005). Begünstigte Investitionen sind die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die in einem Fünfjahreszeitraum zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören, in einer Betriebsstätte eines Betriebs des verarbeitenden Gewerbes oder eines Betriebs der produktionsnahen Dienstleistungen im Fördergebiet verbleiben, in jedem Jahr zu nicht mehr als 10 vom Hundert privat genutzt werden und soweit es sich um Erstinvestitionen handelt (§ 2 Abs. 1 InvZulG 2005).
Nach § 2 Abs. 7 InvZulG 2005 erhöht sich die Investitionszulage vorbehaltlich des Satzes 2 für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 1 entfällt, wenn die beweglichen Wirtschaftsgüter während des Fünfjahreszeitraums in einem begünstigten Betrieb verbleiben, der zusätzlich die Begriffsdefinition für kleine und mittlere Unternehmen im Sinne der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. EG Nr. L 107 S. 4), ersetzt durch die Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. EU Nr. L 124 S. 36), erfüllt, auf 25 vom Hundert der Bemessungsgrundlage.
a) Die dem § 2 Abs. 7 Satz 1 InvZulG 2005 zugrunde liegende Definition der KMU ist europarechtlich zu interpretieren. Raum für eine Interpretation nach nationalen Rechtssätzen besteht nicht (BFH, Urteil vom 03. Juli 2014 – III R 30/11 -, BFHE 246, 477, BStBl II 2015, 157, Rn. 25).
Gemäß Art. 2 Abs. 1 des Anhangs zur KMU-Empfehlung liegt ein mittleres Unternehmen nur vor, wenn dieses weniger als 250 Personen beschäftigt und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. € erzielt oder dessen Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. € beläuft. Dabei werden die Schwellenwerte für eigenständige Unternehmen betrachtet und solche von verbundenen Unternehmen zusammenaddiert (Art. 3 Abs. 1 des Anhangs zur KMU-Empfehlung).
Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabsatz 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung sind Unternehmen dann verbunden, wenn ein Unternehmen am anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte hält, die Befugnis zur Bestellung und Abberufung der Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremiums des anderen Unternehmens hat, aufgrund eines Vertrags oder einer Satzungsklausel einen beherrschenden Einfluss auf das andere Unternehmen hat oder kraft einer Vereinbarung die alleinige Kontrolle über die Mehrheit der Stimmrechte in dem anderen Unternehmen ausüben kann. Unternehmen, die durch eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen miteinander in einer der vorstehend aufgeführten Beziehungen stehen, gelten nach Art. 3 Abs. 3 Unterabsatz 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung als verbundene Unternehmen, sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind.
b) Vorliegend ist die Klägerin nicht mehr als mittleres Unternehmen i. S. d. Art. 2 Abs. 1 des Anhangs zur KMU-Empfehlung einzuordnen, da sie über die gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen mit der FIRMA 1 als verbundenes Unternehmen gilt und zusammen mit deren Größenmerkmalen die Schwellenwerte eines mittleren Unternehmens übersteigt.
aa) Die Herren ZZ, YZ, XZ und WZ halten die Mehrheit der Geschäftsanteile in beiden Unternehmen. Sie verwirklichen damit als Gruppe die Beziehung beider Unternehmen nach Artikel 3 Abs. 3 Buchstabe a des Anhangs zur KMU-Empfehlung.
Das Gericht teilt nicht die Ansicht der Klägerin, dass eine gemeinsam handelnde Gruppe mehr voraussetzt als identische Mehrheitsbeteiligungen in den zusammenzurechnenden Unternehmen. Im Gegenteil: Eine gemeinsam handelnde Gruppe, die den Tatbestand des Artikel 3 Abs. 3 Buchstabe a des Anhangs zur KMU-Empfehlung verwirklicht, kann auch dann vorliegen, wenn kein Inhaber von Geschäftsanteilen an anderen Gesellschaften beteiligt ist, durch ein gemeinsames Handeln von natürlichen Personen jedoch deren Mehrheitsbeteiligungen an verschiedenen Unternehmen zusammenbetrachtet werden und die verschiedenen Unternehmen nicht als eigenständig nach der KMU-Empfehlung einzuordnen sind.
Wenn bereits die Mehrheitsbeteiligung nach Artikel 3 Abs. 3 Buchstabe a des Anhangs die Zusammenrechnung der Unternehmen zur Folge hat, kann nichts anderes gelten, wenn – wie im Streitfall – eine Gruppe von Personen die Mehrheit der Geschäftsanteile in den verschiedenen Unternehmen innehat. Die Mehrheitsbeteiligung alleine stellt die Verbindung her. Zwar können die Interessenlagen der Inhaber in den jeweiligen Unternehmen auseinanderlaufen; dies ist jedoch nicht anders, wenn ein Unternehmen selbst die Mehrheit an einem anderen Unternehmen hält. Letztendlich werden abgestimmte Entscheidungen getroffen, die den Interessen Rechnung tragen. Die KMU-Empfehlung knüpft für die Abgrenzung der Eigenständigkeit hier an die objektiv feststellbare Mehrheitsbeteiligung an.
Im Streitfall sind die Klägerin und die FIRMA 1 nicht eigenständig, da ihre jeweiligen Inhaber der Geschäftsanteile sogar identisch sind.
bb) Da bereits dieses formale Kriterium der Zusammenrechnung erfüllt ist, kommt es auf die gebotene wirtschaftliche Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der im Einzelfall vorliegenden rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen (BFH-Urteil vom 03.07.2014, a. a. O.) nicht mehr entscheidend an. Aber auch die Gesamtbetrachtung führt zur Zusammenrechnung der Schwellenwerte der Klägerin und der FIRMA 1.
Die EU-Kommission hat die familiäre Beziehung zwischen den Gesellschaftern, insb. die Beschränkung der Inhaber auf Familienmitglieder, als ausreichend für ein gemeinsames Handeln angesehen (Entscheidung vom 07.06.2006, ABl. L 353 vom 13.12.2006, S. 66-68). Diese sind ebenso im Streitfall vorhanden. Nicht nur die Klägerin und die FIRMA 1 befinden sich in der Hand der Familie Z; auch der Großteil der anderen Firmen im Verbund wird ausschließlich von diesen als Familienbetrieb geführt. Zwar werden auch Dritte eingebunden, jedoch nicht derart, dass sie sich gegen den Willen der Familie durchsetzen könnten.
Auch die nach der EU-Kommission weiter zu prüfenden wirtschaftlichen Beziehungen liegen im Streitfall vor. Die Herren XZ und WZ sind sowohl bei der Klägerin als auch bei der FIRMA 1 jeweils gemeinsam Geschäftsführer und tragen hier Gesamtverantwortung. Beide Firmen nutzen gemeinsame Ressourcen u. a. bei Logistik und Verwaltung.
cc) Die Klägerin und die FIRMA 1 sind ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig.
In Absatz 12 der KMU-Empfehlung vom 06.05.2003 führt die Kommission aus, dass die Prüfung des relevanten Marktes sich auf das unbedingt Notwendige beschränken solle und man sich deshalb gegebenenfalls auf die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft beziehen solle. Nach Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft vom 09.12.1997 (97/C 372/03) ist hierfür die Substituierbarkeit der Nachfrage und des Angebots zu untersuchen. Dabei ist zu hinterfragen, ob der Abnehmer die Produkte als austauschbar ansieht und bei einer Erhöhung des Preises auf andere Produkte ausweichen wird bzw. der Anbieter anstatt eines für den Abnehmer nicht austauschbaren Produkts ohne spürbare Zusatzkosten oder Risiken ein anderes am Markt anbieten kann.
Der benachbarte Markt für ein Produkt oder eine Dienstleistung wird mit Artikel 3 Abs. 3 des Anhangs zur KMU-Empfehlung als der Markt fingiert, der dem betreffenden Markt unmittelbar vor- oder nachgeschaltet ist.
Die EU-Kommission hat diese Kriterien für denselben und benachbarten Markt in ihrer Entscheidung vom 07.06.2006 konkretisiert. Im dortigen Fall war jedenfalls ein benachbarter Markt anzunehmen, weil alle Unternehmen Kraftstoffe vertrieben, die in Fahrzeugen für Transportdienstleistungen verbraucht wurden. Dem stand nicht entgegen, dass die Produkte nicht austauschbar waren, da Biodiesel nur für Lastkraftwagen und Bioethanol nur für Personenkraftwagen verwendet werden konnten. Diese weite Auslegung des zu beurteilenden Marktes ist im Lichte der Notwendigkeit einer erhöhten Beihilfeintensität geboten, da nur so berücksichtigt werden kann, wenn eine Unternehmensgruppe ihr Produktportfolio mit Hilfe jeweils eigener Gesellschaften anbietet. Unternehmensteile werden in eigenverantwortliche Gesellschaften und Abteilungen aufgegliedert, die ihre Einnahmen und Ausgaben selbst verwalten und dennoch dem Gesamtunternehmen zu dienen haben und von dort gesteuert werden. Einer besonders intensiven staatlichen Förderung bedürfen diese Gesellschaften nicht, da sie auf die Ressourcen des Gesamtunternehmens zugreifen können. Weiterhin spricht für diese Auslegung die Einbeziehung des vor- und nachgelagerten Marktes. Obwohl die Produkte in dieser Konstellation weder für die Abnehmer austauschbar sein werden noch von den Anbietern ohne großen Aufwand angeboten werden können, sollen solche Unternehmen zusammenbetrachtet werden, da sie innerhalb einer Produktionskette tätig werden.
Im Streitfall erfüllen sowohl die von der Klägerin hergestellten Preforms wie auch die Glasflaschen, die von der FIRMA 1 hergestellt wurden, eine ähnliche Funktion als Verpackung für Flüssigkeiten, insb. für die Getränkeindustrie. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass die Abnehmer dieser Verpackungen Präferenzen haben, für welche ihrer Produkte sie welche Verpackungsform vorziehen. Die Austauschbarkeit beider Kategorien zeigt sich jedoch bereits darin, dass im Lauf der Zeit sich die Marktanteile von PET- und Glasflaschen verändern und manche Kunden beide Verpackungsformen im Angebot haben. Die Differenzierung danach, dass alkoholische Getränke immer in Glas- und Softdrinks immer in PET-Flaschen angeboten werden, ist nicht geeignet die zu betrachtenden Märkte von einander abzugrenzen, da auch innerhalb der Kategorie Glasflasche nicht jeder Flaschentyp von Größe, Wandstärke und Farbe für jede Getränkesorte geeignet erscheint.
Da die Klägerin und die FIRMA 1 über die Gruppe der Familienmitglieder Z auf dem gemeinsam zu betrachtenden Markt der Verpackungen für die Getränkeindustrie verbunden sind, ist die Anzahl ihrer Mitarbeiter, ihr Umsatz und ihre Bilanzsumme zu addieren, so dass die Schwellenwerte für ein mittleres Unternehmen im Sinne der KMU-Empfehlung überschritten werden und die erhöhte Investitionszulage nicht gewährt werden kann.
3. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen, da sie in der Sache unterlegen ist (§ 135 Abs. 1 FGO).
4. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen, da zur Abgrenzung des zu betrachtenden Marktes im Sinn der KMU-Empfehlung noch keine gefestigte Rechtsprechung vorliegt.

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