Aktenzeichen 13 K 2811/13
AO § 171 Abs. 9 AO
AO § 171 Abs. 5 AO
AO §§ 153, 371 und 378 Abs. 3 AO
Leitsatz
Gründe
Finanzgericht München
Az.: 13 K 2811/13
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
Stichwort: Ablaufhemmung wegen Steuerfahndungsprüfung; Anforderungen an die Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung § 171 Abs. 5 AO
In der Streitsache
…
Klägerin
prozessbevollmächtigt: …
gegen
Finanzamt …
Beklagter
Wegen Einkommensteuer 1996 und 1997
hat der 13. Senat des Finanzgerichts München durch … aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 25. Februar 2016 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.
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Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
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Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Straße 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089 9231-201.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob Steuerfestsetzungen wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung noch geändert werden durften.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2008 erklärte die Klägerin u. a. für die Streitjahre 1996 und 1997 Erträge aus Vermögensanlagen der … Foundation bei der … Bank in V. (…) nach, welche in den jeweils im Jahr 1998 abgegebenen Steuererklärungen für die Streitjahre und den bis dahin ergangenen Steuerbescheiden (Einkommensteuerbescheid 1996 vom 17. Februar 1998; Einkommensteuerbescheid 1997 vom 17. Dezember 1998 bzw. 14. September 1999) nicht enthalten waren. Es wurden weitere Einkünfte i. H. v. 49.691,31 DM (= 58.105,98 € – 8.414,67 €) für 1996 und 55.101,03 DM (= 64.207,48 € – 9.106,45 €) für 1997 nacherklärt. In der Einkommensteuererklärung für 1996 waren lediglich Zinsen aus Guthaben und Einlagen in Höhe von von 10.677 DM und in 1997 Zinsen aus Guthaben und Einlagen in Höhe von 12.863 DM sowie Zinsen aus Bausparguthaben in Höhe von 395 DM erklärt worden. Bereits im Februar 2008 waren Einkünfte der Jahre 2001 bis 2006 im Zusammenhang mit Vermögensanlagen der … Foundation bei der … Bank nacherklärt worden.
Im Wege der Amtshilfe erhielt das Finanzamt für Strafsachen und Steuerfahndung . (Steuerfahndung) im Jahr 2007 Unterlagen („Steuer-CD“), aus denen sich die wirtschaftliche Berechtigung der Klägerin am Vermögen der … Foundation ergab. Die … Foundation wurde im Mai 1995 gegründet und besaß ein Konto bei der … Bank (Nr. .), an welchem wirtschaftlich ausschließlich die Klägerin berechtigt war. In einem Verdachtsprüfungsvermerk vom 30. September 2007 hielt die Prüferin der Steuerfahndung die aus den übermittelten Unterlagen sowie durch die Auswertung der Steuerakten gewonnenen Erkenntnisse (Vorermittlungsergebnis) fest. Auf den Vermerk wird hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen.
Am 2. April 2008 erging ein Prüfungsauftrag der Steuerfahndung, die strafrechtlichen Ermittlungen im Strafverfahren gegen die Klägerin durchzuführen und die Besteuerungsgrundlagen für den Zeitraum 1996-2006 zu ermitteln. Nach dem Einleitungsvermerk gemäß § 397 Abgabenordnung (AO) vom 2. April 2008 war bereits am 4. Januar 2008 durch die Steuerfahndung das Strafverfahren wegen Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2002-2006 eingeleitet worden. Laut Gesprächsnotiz der Prüferin vom 7. April 2008 wurde dem Steuerberater der Klägerin, ., die Einleitung des Steuerstrafverfahrens wegen Einkommensteuerhinterziehung 2002-2006 am selben Tag bekannt gegeben. Nach Aussage der Zeugin H in der mündlichen Verhandlung wurde dieser gleichzeitig auch über den Prüfungszeitraum ab Veranlagungszeitraum 1996 informiert. Im Kalender der Zeugin aus dem Jahr 2009 war unter dem 05. Januar 2009 folgende Notiz vermerkt: „WV., Unterlagen von Steuerberater … fehlen noch – Anmahnung.“ Der Vertreter der Klägerin im Strafverfahren beantragte mit Schreiben vom 9. Mai 2008 Akteneinsicht bei der zuständigen Staatsanwaltschaft. Nachdem die Akten überlassen worden waren, wurden diese Anfang August 2008 wieder zurückgesandt. Im weiteren Verlauf wurde von der Fahndungsprüferin am 20. Februar 2009 telefonisch fehlende Unterlagen beim Bevollmächtigten der Klägerin angefordert und ein Besprechungstermin für 10. März 2009 vereinbart.
Die Steuerfahndung setzte für die Streitjahre die vom Bevollmächtigten im Rahmen der Nacherklärung vom 18. Mai 2008 mitgeteilten Einnahmen an. Folglich wurden die Einnahmen der Klägerin aus Zinsen bzw. Dividenden in Höhe von 58.106 DM (1996) bzw. 64.207 DM (1997) erhöht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht der Steuerfahndung vom 26. April 2010 verwiesen.
Nach Abschluss der Fahndungsprüfung änderte das Finanzamt jeweils mit Bescheid vom 17. Juni 2010 die Einkommensteuerfestsetzungen für 1996 und 1997 gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und setzte die Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 62.583 DM (1996; bisher 4.577 DM) bzw. 71.200 DM (1997; 7.158 DM) an.
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Die Klägerin machte u. a. geltend, dass die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuerfestsetzungen 1996 und 1997 im Jahr 2010 bereits abgelaufen gewesen sei. Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 23. August 2013 als unbegründet zurückgewiesen.
Im Klageverfahren macht die Klägerin geltend, im Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsbescheide am 17. Juni 2010 sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen. Vorliegend werde die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 AO durch die Sonderregelung des § 171 Abs. 9 AO verdrängt. Nicht maßgeblich sei, dass noch vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist mit Ermittlungen der Steuerfahndung begonnen worden sei.
Der Gesetzgeber habe keine zeitlich unbegrenzte Ablaufhemmung schaffen wollen. Er ginge vielmehr davon aus, dass die Prüfung der Berichtigungserklärungen innerhalb der Frist des § 171 Abs. 9 AO stattfinde und danach die Festsetzungsverjährung eintrete. Daher sei es nicht zulässig, den Tatbestand des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO mit Abs. 9 der Vorschrift zu kombinieren. § 171 Abs. 5 AO sei nur dann anwendbar, wenn die Maßnahmen der Steuerfahndung auf eigener Erkenntnisgewinnung beruhten und nicht, wenn dieser durch den Steuerpflichtigen ausgelöst werde. Die Klägerin habe die Selbstanzeige abgegeben, bevor eine Hemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO habe eintreten können. Die Festsetzung sei ausschließlich aufgrund der durch die Klägerin beigebrachten Informationen und Unterlagen erfolgt.
Im Übrigen liege § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nicht vor. Die Steuerfahndungsstelle habe nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei der Klägerin begonnen. Dies sei nur der Fall, wenn die Ermittlungshandlungen der Fahndungsbehörde beim Steuerpflichtigen durchgeführt würden und als solche für den Steuerpflichtigen erkennbar seien. Maßgeblich sei damit der objektive Empfängerhorizont des betroffenen Steuerpflichtigen. Er müsse erkennen können, dass in seinen Angelegenheiten über konkrete Veranlagungszeiträume durch die Steuerfahndung ermittelt werde. Die Steuerfahndung … habe im September 2007 lediglich verwaltungsintern mit der Prüfung der steuerlichen Angelegenheiten der Klägerin begonnen. Es seien lediglich Daten zu den persönlichen, familiären und steuerlichen Verhältnissen beim beklagten Finanzamt der Klägerin eingeholt worden. Zu weiteren Ermittlungen sei es nicht mehr gekommen, da im Februar 2008 bereits eine Selbstanzeige beim beklagten Finanzamt eingereicht worden sei. Es werde deutlich, dass keine Ermittlungsmaßnahmen außerhalb des Finanzverwaltungsbereichs erfolgt seien. Es lägen reine Prüfungsvorbereitungen vor, die für die Klägerin nicht erkennbar gewesen seien. Ermittlungsmaßnahmen nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO seien nicht erfolgt.
Auch die im August 2008 erfolgte Einsichtnahme in die Ermittlungsakten stelle keine Ermittlungshandlung dar. Passive Handlungen wie die Einholung von Informationen durch eine dritte Person seien nicht geeignet, die Ablaufhemmung auszulösen. Auch die Besprechung zwischen der Steuerfahndung … und dem Bevollmächtigten der Klägerin am 10. März 2009 habe den Ablauf Festsetzungsfrist nicht gehemmt, da bereits am 31. Dezember 2008 die ungehemmte Festsetzungsfrist abgelaufen sei.
Auch eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 2 AO liege nicht vor, da für die Streitjahre kein Strafverfahren wegen Hinterziehung von Einkommensteuer eingeleitet worden sei, da damals bereits strafrechtliche Verjährung eingetreten gewesen sei.
Die Vorprüfungen der Steuerfahndungsprüferin seien für sie nicht erkennbar gewesen. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 oder 5 AO trete nicht ein, wenn aufgrund einer Selbstanzeige innerhalb der Jahresfrist nach § 171 Abs. 9 AO mit einer Außenprüfung oder Ermittlungen der Steuerfahndung begonnen werde.
Die Klägerin beantragt,
die Einkommensteuerbescheide für 1996 und 1997 vom 17. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. August 2013 aufzuheben; hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt macht geltend, die Regelung des § 171 Abs. 5 AO sei nicht subsidiär. Die Selbstanzeige sei unwirksam gewesen, da die Tat schon entdeckt gewesen sei und die Klägerin mit der Tatentdeckung zumindest habe rechnen müssen. Der Prüfungsauftrag habe sich auf die streitigen Jahre erstreckt. Die Bevollmächtigten der Klägerin hätten bereits 2008 vom Prüfungsumfang Kenntnis gehabt. Die Selbstanzeige habe Ermittlungen der Steuerfahndung nicht erst in Gang gesetzt. Die Prüferin habe bereits 2007 Vorbereitungen für eine Durchsuchung getroffen. Die Selbstanzeige sei auch inhaltlich nicht geeignet gewesen, die hinterzogenen Steuerbeträge festzusetzen. Ohne die Prüfung der Steuerfahndung wären zu niedrige Steuern festgesetzt worden.
II.
Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt konnte die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre 1996 und 1997 mit den Bescheiden vom 17. Juni 2010 ändern und die nacherklärten Einnahmen als Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigen. Eine Festsetzungsverjährung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten.
1. Die Festsetzungsfrist für die Streitjahre 1996 und 1997 beträgt zehn Jahre.
Die Änderung einer Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung – AO). Die Frist beträgt für die hier in Rede stehende Einkommensteuer regulär vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Soweit die Steuer hinterzogen worden ist, greift die zehnjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ein.
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass vorliegend die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung vorliegen und damit die zehnjährige Festsetzungsfrist gilt. Da auch keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die dagegen sprechen, sieht das Gericht von weiteren Ausführungen ab. Da die Steuererklärungen für die Streitjahre im Jahr 1998 abgegeben wurden, wäre die ungehemmte Festsetzungsfrist für beide Jahre am 31.12.2008 abgelaufen (vgl. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).
2. Im Streitfall waren die Festsetzungsfristen für die Streitjahre im Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsbescheide am 17. Juni 2010 noch nicht abgelaufen. Vorliegend greift die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO.
2.1. Beginnen die Zollfahndungsämter oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind (§ 171 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 AO). Das gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekanntgegeben worden ist (§ 171 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 AO).
Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Fahndungsprüfung ist, dass Ermittlungshandlungen vor Ablauf der Festsetzungsfrist tatsächlich vorgenommen worden sind. Darüber hinaus muss für den Steuerpflichtigen erkennbar sein, dass in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird. Für Steueransprüche, die nicht Gegenstand der Fahndungsprüfung waren, kann keine Ablaufhemmung eintreten. Die Ablaufhemmung endet nur dann, wenn aufgrund der Prüfung Steuerbescheide ergangen und diese unanfechtbar sind. Die zeitliche Grenze für den Erlass von Änderungsbescheiden im Anschluss an Fahndungsmaßnahmen wird durch den Eintritt der Verwirkung gezogen (vgl. BFH-Urteil vom 08.07.2009 VIII R 5/07, BFHE 226, 198, BStBl II 2010, 583).
Der Fristablauf wird nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO insoweit gehemmt, als sich die Ergebnisse der Ermittlungen auf die Besteuerungsgrundlagen auswirken. Die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO richtet sich nicht auf eine bestimmte Steuerart oder einen bestimmten Veranlagungszeitraum, sondern auf die Besteuerungsgrundlagen, die durch die Ermittlungen aufgedeckt werden (vgl. BFH-Urteil vom 14.04.2005, XI R 83/03, BFH/NV 2005, 1961).
Eine Ablaufhemmung tritt nicht ein, wenn die Ermittlungen der Steuerfahndung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen werden, die die Finanzbehörde zu vertreten hat (§ 171 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 171 Abs. 4 Satz 2 AO)
2.2. Unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens sind die Voraussetzungen des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO erfüllt.
2.2.1 Vorliegend kann offenbleiben, ob durch die Maßnahmen, die im Vorfeld der Erstellung des Vermerks vom 30. September 2009 unternommen wurden (Aktenauswertung), sowie durch die nach der Aussage der Zeugin H am 2. Oktober 2007 vorgenommene Ortsbesichtigung Ermittlungen bereits ernsthaft aufgenommen worden waren oder als (einfache) Vorbereitungshandlungen noch keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO auslösten (vgl. Paetsch in Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 171 AO Rn. 107; vgl. zu § 171 Abs. 4 AO: BFH-Urteil vom 24.04.2003 VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739 „qualifizierte Ermittlungshandlung“).
Auch muss nicht darüber entschieden werden, ob möglicherweise eine zunächst eingetretene Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 171 Abs. 4 Satz 2 AO wieder entfallen ist, da Ermittlungen der Steuerfahndung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wurden, die die Finanzbehörde zu vertreten hatte. Hierfür könnte sprechen, dass in den vorliegenden Akten der Steuerfahndung bis zum Telefonat der Zeugin mit dem Steuerberater … keine konkreten Ermittlungsmaßnahmen dokumentiert sind. Allein die von der Zeugin nachvollziehbar dargelegte Ermittlungsbedürftigkeit reicht hierfür nicht aus, da im Rahmen des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO lediglich tatsächliche Ermittlungshandlungen eine Ablaufhemmung bewirken können.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter Berücksichtigung der Aussage der Zeugin H ist der Senat jedoch davon überzeugt, dass noch vor Ablauf des 31.12.2008 Unterlagen beim steuerlichen Vertreter der Klägerin angefordert wurden. Hierdurch ist Ablaufhemmung eingetreten.
2.2.2. Auskünfte, die die Steuerfahndung vom Steuerpflichtigen einholt, sind Ermittlungsmaßnahmen. Dies ergibt sich aus § 208 Abs. 1 Satz 2 AO, nach dem die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen auch die Ermittlungsbefugnisse haben, die den Finanzämtern zustehen. Hierzu gehört das Recht, vom Steuerpflichtigen als Beteiligten Auskünfte einzuholen (vgl. § 93 Abs. 1 i. V. m. § 78 AO). Unerheblich ist, ob die Auskünfte mündlich oder schriftlich begehrt werden (vgl. § 208 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 93 Abs. 2 Satz 2 AO) oder ob das Auskunftsbegehren an den Steuerpflichtigen persönlich oder an seinen Bevollmächtigten adressiert wird (§ 80 Abs. 3 AO 1977; vgl. BFH-Urteil vom 09.03.1999 VIII R 19/97, BFH/NV 1999, 1186).
Aus der Gesprächsnotiz vom 7. April 2008 ergibt sich zwar nicht mit hinreichender Sicherheit, dass bereits zu diesem Zeitpunkt Unterlagen zur Ermittlung und Verifizierung der Kapitaleinkünfte aus der Vermögensanlage der … Foundation vom Steuerberater angefordert wurden. Jedoch ist der Senat unter Berücksichtigung der glaubhaften Aussage der glaubwürdigen Zeugin H, dass sie beim steuerlichen Vertreter telefonisch im Jahr 2008 Unterlagen angefordert habe, sowie der Einsichtnahme in den Kalender der Zeugin überzeugt, dass noch vor dem 1. Januar 2009 Unterlagen im Zusammenhang mit der Foundation angefordert wurden. Aus dem Umstand, dass die Zeugin am 5. Januar 2009 in ihrem Kalender vermerkte, dass Unterlagen von Steuerberater . noch fehlen, schließt der Senat, dass bereits im Vorjahr solche Unterlagen angefordert worden waren. Da die Zeugin H auch glaubwürdig dargelegt hat, dass aufgrund der ungeklärten Mittelherkunft von Anfang an Ermittlungsbedarf bestand, kann dieser Kalendervermerk nach Auffassung des Senats nur in dieser Weise verstanden werden.
2.2.3. Für die Klägerin war auch erkennbar, dass die Steuerfahndung auch in den Streitjahren ermittelte.
Die Ablaufhemmung durch eine Ermittlungsmaßnahme nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO tritt nur ein, wenn der Steuerpflichtige erkennen kann, dass in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird (BFH-Beschluss vom 12.01.2010 VIII B 159/08, BFH/NV 2010, 598). Die Erkennbarkeit muss sich auf den Sachverhaltskomplex beziehen, der den Gegenstand der Ermittlungen bildet, nicht aber auf die steuerlichen Konsequenzen aus der Umsetzung der Ermittlungsergebnisse. Ablaufhemmung tritt hinsichtlich der Steuern ein, die sich aus Sachverhalten, die Gegenstand der Ermittlungen waren, ergeben (vgl. BFH-Beschluss vom 15.6.2010 VIII B 2/10, BFH/NV 2010, 2001).
Aus dem Aktenvermerk der Prüferin vom 7. April 2008 ergibt sich zwar nicht eindeutig, ob dem steuerlichen Vertreter der Klägerin am selben Tag neben der Einleitung des Strafverfahrens für die Jahre 2002 bis 2006 auch der steuerliche Prüfungszeitraum (ab Veranlagungszeitraum 1996) mitgeteilt wurde und damit erkennbar war, dass auch für die Streitjahre mit Ermittlungen zurechnen war. Auch aus dem angehefteten Notizzettel kann dies nicht ohne weiteres geschlossen werden, da aufgrund der losen Verbindung unklar ist, wann und unter welchen Umständen er hinzugefügt wurde. Die von der Zeugin in der Vernehmung gegebene Erklärung ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Denn sofern die Zeugin das Telefonat mit dem Steuerberater selbst führte, bleibt unklar, wie ein Dritter hierüber eine Gesprächsnotiz erstellen konnte.
Jedoch war für die Klägerin spätestens nach der Mitte 2008 im Rahmen des Strafverfahrens erfolgten Akteneinsicht erkennbar, dass auch die Streitjahre Gegenstand der Ermittlungen der Steuerfahndung waren. Denn aus dem Verdachtsprüfungsvermerk/Vorermittlungsvermerk vom 30. September 2007 sowie dem Prüfungsauftrag vom 2. April 2008, welche bereits damals Inhalt der Akten waren, konnte auf den Prüfungsumfang, der auch die Streitjahre einschloss, eindeutig geschlossen werden.
Nicht maßgeblich ist, dass im Zeitpunkt der Akteneinsicht möglicherweise keine Ablaufhemmung mehr bestand, da die zunächst eingetretene gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 171 Abs. 4 Satz 2 AO wieder entfallen war und bis zu diesem Zeitpunkt auch keine konkreten Ermittlungshandlungen vorgenommen worden waren. Aufgrund der erfolgten Akteneinsicht war im Zeitpunkt der – nach der Überzeugung des Senats vor Ablauf des 31.Dezember 2008 erfolgten – Anforderung von Unterlagen für die Klägerin erkennbar, dass die Ermittlungshandlungen sich auch auf die Streitjahre bezogen.
2.2.4. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO erstreckt sich auch auf die Streitjahre.
Der Umfang der Ablaufhemmung hängt davon ab, auf welche Steueransprüche sich die Prüfung während ihres Verlaufs tatsächlich erstreckt hat. Es kommt aber nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt innerhalb der Prüfung Ermittlungshandlungen in Bezug auf einzelne Veranlagungszeiträume durchgeführt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 02.07.1998 IV R 39/97, BFHE 186, 299, BStBl II 1999, 28).
Vorliegend wurde durch die Anforderung von Unterlagen vor Ablauf des 31. Dezember 2008 die Ablaufhemmung auch für die Streitjahre ausgelöst, da die Prüfung nach dem Prüfungsauftrag vom 2. April 2008 auch diese Jahre umfasste. Aufgrund der Akteneinsicht war der Klägerin auch vor Ablauf der ungehemmten Verjährungsfrist der Prüfungsumfang erkennbar. Auch wenn die Umstände, die dazu führten, dass die nacherklärten Einnahmen für die Streitjahre von der Steuerfahndung übernommen, erst im Folgejahr 2009 festgestellt (ermittelt) worden sind, hindert dies daher den Eintritt der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nicht.
2.2.5. Nicht von Bedeutung ist, dass die im Mai 2008 nacherklärten Einnahmen für 1996 und 1997 identisch sind mit den im Bericht der Steuerfahndung vom 26. April 2010 angesetzten. Denn auch dann, wenn Ermittlungen der Steuerfahndung zur Bestätigung von Angaben des Steuerpflichtigen führen, die noch keinen Niederschlag in der Steuerfestsetzung gefunden haben, wirken sich diese Ermittlungen auf die Höhe der festzusetzenden Steuer aus. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO ist nur dann ohne Bedeutung, wenn sich aufgrund der Fahndungsprüfung keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen ergibt (BFH-Urteil vom 17.12.2015 V R 58/14, DB 2016, 329). Vorliegend waren aber die streitigen Einkünfte aus Kapitalvermögen in den Vorbescheiden unzutreffend erfasst.
3. § 171 Abs. 5 Satz 1 AO wird im Streitfall nicht von § 171 Abs. 9 AO verdrängt.
3.1. Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3 AO, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige (§ 171 Abs. 9 AO). Die Ablaufhemmung i. S. von § 171 Abs. 9 AO kann auch aufgrund einer „Selbstanzeige“ eintreten, welche die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige (noch) nicht erfüllt (BFH-Urteil vom 21.04.2010 X R 1/08, BFHE 229, 49, BStBl II 2010, 771).
§ 171 Abs. 9 AO räumt der Finanzbehörde die Möglichkeit ein, innerhalb eines Jahres die zutreffenden Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, wenn der Steuerpflichtige selbst erklärt, unzutreffende Angaben gemacht und so Steuern hinterzogen zu haben. Maßgeblich für den Beginn der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 AO kann daher nur sein, dass der Steuerpflichtige den entsprechenden Lebenssachverhalt so aufdeckt, dass die Finanzbehörde in die Lage versetzt wird, insoweit ihrer Ermittlungspflicht nachzukommen. Ausreichend für den Beginn der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 AO ist, dass die angezeigte Steuerverkürzung dem Grunde nach individualisiert werden kann. Dies setzt voraus, dass der Steuerpflichtige Steuerart und Veranlagungszeitraum benennt und den Sachverhalt so schildert, dass der Gegenstand der Selbstanzeige erkennbar wird (BFH-Urteil vom 21.04.2010 X R 1/08, BFHE 229, 49, BStBl II 2010, 771).
3.2. Zwar kann der zeitlich auf ein Jahr begrenzte Umfang der Ablaufhemmung, die durch die Erstattung einer Selbstanzeige i. S. d. § 171 Abs. 9 AO ausgelöst wird, durch Steuerfahndungsermittlungen, die erst nach Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist aufgenommen wurden, nicht mehr erweitert werden. Denn die erforderliche Überprüfung und Auswertung der Selbstanzeige müsste anderenfalls nicht innerhalb der vom Gesetzgeber eigens hierfür vorgesehenen und als ausreichend erachteten Auswertungsfrist des § 171 Abs. 9 AO statt
3.2. finden, sondern lediglich in den – nur vom Rechtsinstitut der Verwirkung gezogenen – zeitlichen Grenzen des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO (vgl. BFH-Urteil vom 08.07.2009 VIII R 5/07, BFHE 226, 198, BStBl II 2010, 583). Der Hemmungstatbestand des § 171 Abs. 9 AO kommt jedoch nicht zum Tragen, wenn die dort vorgesehene Jahresfrist vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist endet. Auch verdrängt diese Regelung grundsätzlich nicht andere Hemmungstatbestände, deren Voraussetzungen vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist verwirklicht wurden (vgl. BFH-Urteil vom 08.07.2009 VIII R 5/07, BFHE 226, 198, BStBl II 2010, 583).
3.3. Vorliegend wurden nach Überzeugung des Senats Unterlagen im Zusammenhang mit der Vermögensanlage der … Foundation vor Ablauf des Jahres bei der Klägerin und damit noch vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist angefordert. Da für die Klägerin aufgrund der Akteneinsicht auch der Prüfungsumfang der Steuerfahndung erkennbar war, war die eigenständig (BFH-Urteil vom 08.07.2009 VIII R 5/07, BFHE 226, 198, BStBl II 2010, 583) neben § 171 Abs. 9 AO stehende Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO erfüllt.
Für den Senat ist nicht maßgeblich, dass die maßgebliche, ablaufhemmende Ermittlungshandlung erst nach der im Mai 2008 abgegebenen Nacherklärung erfolgte und damit auch der Verifizierung der darin gemachten Angaben diente. Jedenfalls in der Konstellation des Streitfalls, bei der aus den Akten erkennbar bereits im September 2007 erste zielgerichtete Nachforschungen angestellt wurden, die Erforderlichkeit weiterer Ermittlungsmaßnahmen durch die Steuerfahndung dokumentiert wurde und dem Steuerpflichtigen die Ermittlungsabsicht aufgrund der Akteneinsicht bekannt ist, wird § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nicht durch die Abgabe einer Anzeige nach §§ 153, 371 und 378 Abs. 3 AO verdrängt, sofern – wie vorliegend geschehen – Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist erfolgen. Denn in diesem Fall können für den Steuerpflichtigen erkennbar Nachfragen der Steuerfahndungsstelle nicht allein mit der Anzeige nach §§ 153, 371 und 378 Abs. 3 AO in Verbindung gebracht werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Steuerpflichtige durch die Abgabe einer Anzeige nach §§ 153, 371 und 378 Abs. 3 AO aufgrund der Jahresfrist des § 171 Abs. 9 AO den erforderlichen Ermittlungsumfang der Steuerfahndung zu seinen Gunsten beeinflussen könnte.
Ob der Streitfall anders zu beurteilen wäre, wenn der Klägerin die im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung der Streitjahre vorhandene eigenständige Ermittlungsabsicht der Steuerfahndung bis zum Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist nicht hinreichend deutlich geworden wäre und sich damit die Anforderung von Unterlagen aus Sicht des Steuerpflichten lediglich als Maßnahme der Verifizierung der Nacherklärung darstellt, kann offen bleiben.
4. Die Kostenentscheidung beruht § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.