Aktenzeichen 7 V 1641/16
Leitsatz
Gründe
Finanzgericht München
Az.: 7 V 1641/16
Beschluss
Stichwort: keine Verletzung des rechtlichen Gehörs im AdV-Verfahren durch Ablehnung als unzulässig wegen fehlender Zugangsvoraussetzungen sowie durch Ablehnung wegen fehlender Begründung
In der Streitsache
…
Antragstellerin
gegen
…
Antragsgegner
wegen Rüge i. S. Aussetzung der Vollziehung i. S. Haftungsbescheide gem. § 50 a EStG (7 V 51/16)
hat der 7. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht die Richterin am Finanzgericht und die Richterin am Finanzgericht ohne mündliche Verhandlung
am 14.07.2016
beschlossen:
Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 128 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung).
Gründe:
I.
Die Klägerin stellte mit Schriftsatz vom 6. Januar 2016 Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Haftungsbescheide und der Einspruchsentscheidung vom 6. November 2015 (Az. 163/105/70161) wegen Steuerabzug nach § 50a Einkommensteuergesetz (EStG). Eine Begründung sollte in Kürze nachgereicht werden. Dieses Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 7 V 51/16 registriert. Gleichzeitig erhob sie gegen diese Bescheide auch Klage im Hauptsacheverfahren, die unter dem Aktenzeichen 7 K 50/16 registriert wurde. Auch hinsichtlich der Klage sollte eine Begründung in Kürze nachgereicht werden.
Die Antragstellerin wurde mit Schreiben des Gerichts vom 14. Januar 2016 aufgefordert, bis 29. Januar 2016 einen Zustellungsbevollmächtigten in der Bundesrepublik Deutschland zu bestellen, den Antrag zu begründen und mitzuteilen, ob eine der Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt sind. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet. Im Hauptsacheverfahren (Az. 7 K 50/16) erhielt die Antragstellerin hierfür eine Frist bis 29. Februar 2016. Außerdem wurde ihr nach erfolglosem Fristablauf mit Anordnung vom 8. März 2016 im Hauptsacheverfahren eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 2. Mai 2016 zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens gesetzt.
Mit Beschluss vom 29. April 2016 wurde der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, da die Zugangsvoraussetzungen für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO nicht vorliegen und der Antrag daher unzulässig ist. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass der Antrag auch unbegründet wäre, da er nicht begründet wurde.
Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2016 erhob die Antragstellerin unter Beifügung einer Begründung zum Aussetzungsverfahren Anhörungsrüge nach § 133a FGO und rügte, dass der Beschluss unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ergangen sei. Es sei ihr aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen, innerhalb der vom Gericht mitgeteilten Frist eine Begründung abzugeben. Es sei auch keine Ausschlussfristen mitgeteilt worden, zur Begründung des Antrags bis 29. Januar 2016 sei sie lediglich gebeten worden. Nachdem sie keine Erinnerung zur Abgabe der Begründung erhalten habe und nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet habe, sei durch den Beschluss des rechtlichen Gehörs verwehrt worden. Ferner werde auf den Effektivitätsgrundsatz i. V. m. den EuGH-Entscheidungen Van Gend & Loos (C-26/62) und Costa/Enel (C-6/64) hingewiesen, da sich hierdurch erhebliche Einschränkungen im nationalen materiellen und formellen Recht ergäben und der Gesetzgeber seinen Verpflichtungen zur Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts bisher nur beschränkt nachgekommen sei. In dem Antragsverfahren gehe es unter anderem um die Bereitschaft eines Staates, eine gleichmäßige und einkommensgerechte Besteuerung durchzuführen. Dazu gehöre auch, dass nicht vorsorglich Steuern im Übermaß erhoben würden.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
das Verfahren über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (7 V 51/16) unter Beachtung der nachgereichten Begründung fortzusetzen.
Im Einzelnen wird auf die Akten und Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Anhörungsrüge ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Der Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs wurde im ADV-Verfahren nicht verletzt.
1. Der von der Antragstellerin gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde abgelehnt, weil die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO im Zeitpunkt der Antragstellung nicht vorlagen und der Antrag daher unzulässig war. Es besteht keine richterliche Pflicht, auf Bedenken gegen die Zulässigkeit eines Rechtsschutzbegehrens hinzuweisen. Dies stellt weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch der Prozessfürsorgepflicht des Gerichts dar (Herbert in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 76 Rz. 56 m. w. N.). Über den ADV-Antrag kann das Gericht auch dann entscheiden, wenn die Beteiligten nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 90 Abs. 1 S. 2 FGO).
2. Der Hinweis, dass der Antrag auch unbegründet wäre, da er nicht begründet wurde, erfolgte nur ergänzend. Im Übrigen werden im ADV Verfahren keine Ausschlussfristen, wie sie im Hauptsacheverfahren zur Anwendung kommen, gesetzt. Denn das ADV-Verfahren ist ein Eilverfahren. Hinsichtlich seines Prozessstoffs findet eine Beschränkung auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen sowie auf die präsenten Beweismitteln statt. Weitere Sachermittlungen führt das Gericht grundsätzlich nicht durch (vgl. Stapperfend in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 69 Rz. 196 f. M. w. N.). Es ist daher Sache des Antragstellers, den ADV Antrag möglichst bereits sofort, spätestens jedoch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist (in Deutschland ist es üblich, eine solche Aufforderung in der Höflichkeitsform „Sie werden gebeten” auszudrücken) zu begründen und, wenn dies nicht möglich ist, eine Fristverlängerungsantrag zu stellen. Bei Erlass des ADV-Beschlusses vom 29. April 2016 war die der Antragstellerin gesetzte Frist bereits seit drei Monaten abgelaufen, ohne dass ein Fristverlängerungsantrag gestellt wurde. Die am 2. Mai 2016 eingereichte Klagebegründung lag dem Gericht bei seiner Entscheidung noch nicht vor. Selbst wenn der Antrag daher zulässig gewesen wäre, wäre es daher keine Verletzung des rechtlichen Gehörs, wenn der Antrag wegen fehlender Begründung abgelehnt wird.
3. Zu Unrecht beruft sich die Antragstellerin auch auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts. Das Unionsrecht verlangt auf Grundlage der aus Art. 10 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften abgeleiteten Prinzipien der Effektivität und der Äquivalenz nur, dass die Mitgliedstaaten die verfahrensrechtlichen Fristen, die zur Durchsetzung des Unionsrechts einzuhalten sind, nicht ungünstiger ausgestalten als in den nur das innerstaatliche Recht betreffenden Verfahren. Weiter darf es nicht praktisch unmöglich sein, eine auf das Unionsrecht gestützte Rechtsposition geltend zu machen (vgl. Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 16. September 2010 V R 57/09, BStBl II 2011, 151). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da es sich nicht um ein kontradiktorisches Verfahren handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2014 X S 20/14, BFH/NV 2015, 508; Gräber, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 133a Rz. 17). Nach Nr. 6400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes entstehen für das Verfahren über die Rüge nach § 133a FGO Gerichtskosten in Höhe von 60 €.