Steuerrecht

Akteneinsicht, Bundesfinanzhof, Finanzamt, Finanzbehörde, Offensichtliche Unzulässigkeit, Revisionsverfahren, Klägers

Aktenzeichen  7 K 404/16

Datum:
29.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 94475
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Streitig ist die Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2013.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war als Kfz-Sachverständiger tätig, die Klägerin erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Nachdem trotz mehrfacher Aufforderung des Finanzamts für das Streitjahr 2013 keine Steuererklärungen abgegeben worden waren, setzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für 2013 mit Bescheid vom 21. August 2015 gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Der dagegen gerichtete Einspruch wurde nicht begründet, auch Steuererklärungen wurden nicht eingereicht.
Mit Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück und hob gleichzeitig den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Mit der hiergegen erhobenen Klage tragen die Kläger im Wesentlichen vor, dass sowohl vom Finanzamt als auch vom Finanzgericht die Einsichtnahme in Akten verweigert würde. Die Richter des 7. Senats, namentlich würden daher wie in den vorangegangenen finanzgerichtlichen Verfahren abgelehnt. Soweit der Kläger Einsicht in die Akten vorangegangener finanzgerichtlicher Streitigkeiten im Finanzamt Kelheim habe nehmen können, sei ihm die Kopie des kompletten Akteninhalts untersagt worden. Soweit er die jeweilige Seitenzahl von einzelnen Akten für die Ausfertigung von Kopien benannt habe, sei er nicht sicher, ob die erhaltenen Kopien mit seiner Anforderung übereinstimmten. Da ihm sein Recht auf Akteneinsicht bislang nicht vollständig zugestanden worden sei, habe er noch keinen steuerlichen Berater beauftragt. Er habe ein Recht darauf, sich steuerrechtlich vertreten zu lassen.
Außerdem erhob der Kläger ebenfalls am 15. Februar 2016 Klage gegen die Festsetzung des Gewerbesteuermessbescheids für 2011 und 2012 sowie zusammen mit seiner Ehefrau Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung für die Jahr 2011 und 2012.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids für 2013 vom 21. August 2015 und der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Mit Schreiben der Geschäftsstelle vom 1. März 2016 unter den Aktenzeichen … wurde den Klägern mitgeteilt, dass eine Akteneinsicht nach vorheriger telefonischer Anmeldung in der Geschäftsstelle des Senats möglich sei. Die Kläger haben keine Akteneinsicht genommen.
II.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Gegen die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids vom 21. August 2015 und der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016 bestehen keine Bedenken.
2. Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln kann. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Erklärungspflichten nicht oder nicht fristgerecht nachkommt (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO).
Im Streitfall haben die Kläger keine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 abgegeben, obwohl sie hierzu nach § 149 AO i.V.m. § 25 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuerbesetz (EStG) verpflichtet sind. Das Finanzamt war daher zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt.
3. Die vom Finanzamt gewählte Schätzungsmethode ist grundsätzlich in sich schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig.
3. Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Die gewonnenen Schätzergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Ziel der Schätzung ist es, bezogen auf den jeweils festgestellten Sachverhalt die zahlenmäßigen Auswirkungen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Deshalb sind alle möglichen Anhaltspunkte, u.a. auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen oder eine an sich fehlerhafte Buchführung, zu beachten und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um im Rahmen des der Finanzbehörde Zumutbaren die Besteuerungsgrundlagen wenigstens teilweise zu ermitteln (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 29. Mai 2008 VI R 11/07, BFHE 221, 182, BStBl II 2008, 933, unter II.2.b.aa der Gründe, m.w.N.).
Die Auswahl der Schätzungsmethode steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde bzw. des Finanzgerichts, das an die von der Behörde gewählte Schätzungsmethode nicht gebunden ist und nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) eine eigene Schätzungsbefugnis besitzt. Bei dieser Entscheidung kommt der Art der zu schätzenden Besteuerungsgrundlagen, den vorliegenden und verwertbaren Unterlagen und der Mitwirkungsbereitschaft des Steuerpflichtigen wesentliche Bedeutung zu. Schätzungsunschärfen gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen (BFH-Beschluss vom 1.12.1998 III B 78/97, BFH/NV 1999, 741).
Nach diesen Grundsätzen ist die vom Finanzamt durchgeführte Festsetzung der Besteuerungsgrundlagen in sich schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig. Im Übrigen haben auch die Kläger keine substantiierten Einwendungen gegen die Schätzung vorgetragen. Die in der mündlichen Verhandlung erfolgten Ausführungen der Klägers zu der Festsetzung der Einkommensteuer der Jahre 2002 bis 2004 sowie zu der Betriebsprüfung für die Jahre 2008 bis 2010 sind für das vorliegende Verfahren nicht sachdienlich.
4. Das Ablehnungsgesuch der Kläger ist rechtsmissbräuchlich und damit offensichtlich unzulässig. Über ein rechtsmissbräuchliches und damit offensichtlich unzulässiges Gesuch auf Ablehnung der Richter eines Senats kann, ohne dass es insoweit einer dienstlichen Äußerung des betroffenen Richters bedarf, zusammen mit der Sachentscheidung entschieden werden (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422); bei Zuständigkeit des Einzelrichters – wie im Streitfall – entscheidet dieser selbst (vgl. BFH-Beschluss vom 26. August 1997 VII B 80/97, BFH/NV 1998, 463).
Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausge schlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Die Ablehnung ist insbesondere dann missbräuchlich, wenn der Antrag offenbar grundlos ist (BFH-Beschluss vom 12. November 2009 IV B 66/08, BFH/NV 2010, 671, m.w.N.).
Im Streitfall haben die Kläger die Einzelrichterin wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil sie ihnen ihrer Auffassung nach den Zugang zu Akten und Aktenteilen des Finanzamts von vorangegangenen finanzgerichtlichen Streitsachen zu Unrecht verwehrt habe. Diesem Vortrag ist entgegenzuhalten, dass der Kläger im Rahmen einer Akteneinsicht zu den Verfahren . am 28. Juli 2015 beim Finanzamt K Einsicht in die Akten des Finanzgerichts zu den Verfahren . sowie zu den insoweit vorgelegten Finanzamtsakten (BP-Akte, EStG-Akte, GewSt-Akte, DU-Akte und 2 RBH-Akten) genommen hat. Die Akten wurden dem Finanzamt K, bei dem die Akteneinsicht erfolgt ist, vollständig übermittelt.
Soweit die Kläger mit Schreiben vom 14. Oktober 2015 die Einsicht in die Akten der bereits abgeschlossenen finanzgerichtlichen Verfahren … beantragt haben, wurde ihnen diese am 10. Dezember 2015 gewährt. Da die vorstehend genannten Verfahren rechtskräftig entschieden worden sind, besteht außerdem grundsätzlich kein Anspruch auf Akteneinsicht mehr (vgl. BFH-Beschluss vom 14. März 2000 XI B 141/99, BFH/NV 2000, 883), insbesondere auch nicht in die Finanzamtsakten, die dem Finanzgericht bei abgeschlossenen Verfahren nicht mehr vorliegen. Dies gilt auch dann, wenn das Bedürfnis nach Akteneinsicht wie vorliegend auch damit begründet wird, dass die Kenntnis des Inhaltes der Akten für andere Verfahren bzw. wegen einer möglichen Regressforderung gegenüber dem Steuerberater oder Nachlassverwalter erforderlich oder zumindest hilfreich sei (BFH-Beschluss vom 20. Oktober 2005 VII B 207/05, BFH/NV 2006, 201).
Eine vermeintlich oder tatsächlich rechtsfehlerhafte Entscheidung rechtfertigt für sich genommen nicht die Besorgnis der Befangenheit (BFH-Beschluss vom 12. November 2009 IV B 66/08, BFH/NV 2010, 671, m.w.N.). Im Übrigen kam eine weitergehende Einsicht in die Akten des Finanzamts – wie ausgeführt – nicht in Betracht.
Soweit die Kläger außerdem alle Richter des 7. Senats pauschal abgelehnt haben, ist dieser Antrag offensichtlich unzulässig. Das Ablehnungsgesuch ist nicht hinreichend substantiiert, da es keinen auf die Person des abgelehnten Richters bezogenen individuellen Ablehnungsgrund enthält (BFH-Beschluss vom 10. Dezember 1997 IX B 85/97, BFH/NV 1998, 718, Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 51 Anm. 27, m.w.N.). Abgesehen davon,
dass ein Ablehnungsgesuch nach ständiger Rechtsprechung nicht allein auf eine für unrichtig gehaltene richterliche Beurteilung gestützt werden kann (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 7. April 1988 X B 4/88, BFH/NV 1989, 587, mit zahlreichen Nachweisen), handelt es sich bei den von den Klägern angeführten Entscheidungen um Kollegialentscheidungen im Zusammenhang mit bereits abgeschlossenen finanzgerichtlichen Verfahren und der Aktenübersendung an das Landgericht I, bei denen sich aufgrund des Beratungsgeheimnisses ohnehin nicht feststellen lässt, inwieweit sie auf der Ansicht des abgelehnten Richters beruhen.
5. Der Termin zur mündlichen Verhandlung war nicht zu vertagen. Gemäß § 227 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO ist ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin zwar auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Im Streitfall haben die Kläger, denen die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2016 zugestellt worden ist, erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung eine Verlegung dieses Termins beantragt. Die Wochenfrist i.S.d. § 227 Abs. 3 ZPO wurde somit nicht eingehalten. Eine Verlegung des mündlichen Termins kam daher nicht in Betracht.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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