Steuerrecht

Aussetzungszinsen wegen Aussetzung der Einkommensteuer

Aktenzeichen  11 K 2636/13

Datum:
30.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 124395
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 233a
FGO § 45 Abs. 1 S. 1, § 100 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig. Die gegen die Ablehnung des Erlasses von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 2000 und von Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 2000 und zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2000 erhobene Sprungklage ist nach § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO zulässig, da das FA innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber im Schriftsatz vom 24. Januar 2014 der Sprungklage zugestimmt hat.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
a. Die Bescheide über Aussetzungszinsen wegen Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer für das Jahr 2000 und des Solidaritätszuschlags zu Einkommensteuer für das Jahr 2000 sind nicht rechtswidrig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Zu Recht hat das FA nach §§ 237 Abs. 1 und 2, 238 AO Aussetzungszinsen in Höhe von 55.006 € festgesetzt. Die Voraussetzungen einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) liegen nicht vor.
aa. Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet (§ 237 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO). Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO).
Sinn und Zweck der in § 237 AO enthaltenen gesetzlichen Regelung der Verzinsungspflicht ist es, den Nutzungsvorteil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung über eine Geldsumme verfügen kann, die nach dem im angefochtenen Steuerbescheid konkretisierten materiellen Recht „an sich” dem Steuergläubiger zusteht (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 1. Juli 2014 IX R 31/13, BStBl II 2014, 925).
bb. Durch den BFH wurde durch Urteil vom 1. Juli 2014 (IX R 31/13, BStBl II 2014, 925) für den Verzinsungszeitraum 11. November 2004 bis 21. März 2011 entschieden, dass der BFH nicht von der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Aussetzungszinsen nach den Vorschriften der §§ 237 Abs. 1 und 2, 238 AO überzeugt sei und deshalb die Frage nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorgelegt habe. Diese Rechtsprechung wurde für den Verzinsungszeitraum vom 3. Juni 2008 bis 5. Dezember 2011 bestätigt (BFH-Urteil vom 14. April 2015 IX R 5/14, BFH/NV 2015, 1329). Für den vorliegenden Streitfall, in dem es um Aussetzungszinsen für die ausgesetzte Einkommensteuer 2000 und den ausgesetzten Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2000 für die Zeit vom 17. Februar 2011 bis 30. Juli 2012 geht, schließt sich das Gericht der Rechtsprechung des BFH an. Ein Verstoß der festgesetzten Zinshöhe gegen das Übermaßverbot ist nicht erkennbar. Der BFH verwies in seiner Rechtsprechung auf einen Beschluss des BVerfG (Beschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115), in dem dieses -bezogen auf die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO für die Zinszahlungszeiträume 2003 bis 2006- zu der gesetzlichen Typisierung ausführte: „Indem der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5% pro Monat festgesetzt hat, ist dies jedenfalls rechtsstaatlich unbedenklich und stellt insbesondere keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot dar. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 BGB würde wegen dessen Schwankungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im Einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 13). In vielen Fällen ist eine solche Ermittlung gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. Zudem ist auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass der hohe Zinssatz des § 233a in Verbindung mit § 238 AO gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirkt.“ Folge einer Typisierung sei notwendigerweise, dass die Verhältnisse des Einzelfalls unberücksichtigt bleiben. Darin liegende Ungleichbehandlungen sind durch die Typisierungsbefugnis grundsätzlich gerechtfertigt. Im Streitfall muss für den Verzinsungszeitraum 17. Februar 2011 – 30. Juli 2012 dasselbe gelten. Der Gesetzgeber hat seinen weiten gesetzgeberischen Ermessensspielraum nicht dadurch überschritten, dass er den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil im Wege der Typisierung festgelegt hat. Die Vorschrift des § 238 AO ist im Streitfall nicht verfassungswidrig. Die Festsetzung der Aussetzungszinsen auf der Grundlage der §§ 237, 238 AO durch das FA ist nicht rechtswidrig.
b. Die Entscheidung des FA, die im Bescheid vom 12. Januar 2011 festgesetzten Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer von 55.006 € nicht ganz oder teilweise zu erlassen, ist nicht ermessensfehlerhaft.
aa. Die Finanzbehörden können nach § 227 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehören auch Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen wie z.B. Zinsen nach den §§ 233 bis 237 AO. Die Entscheidung über den Erlass ist eine Ermessensentscheidung der Behörde, die gemäß § 102 FGO gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann. Im Einzelfall kann der Ermessensspielraum aber so eingeengt sein, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduzierung auf Null). Ist nur der Erlass eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ermessensgerecht, kann das Gericht gemäß § 101 Satz 1 FGO die Verpflichtung zum Erlass aussprechen.
bb. Sachlich unbillig ist die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis vor allem dann, wenn sie im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber eine andere Regelung getroffen hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt daher keine Billigkeitsmaßnahme; die Billigkeitsprüfung darf nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Diese Grundsätze gelten auch im Zusammenhang mit der Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO.
Mit der Regelung des § 233a Abs. 1 AO wollte der Gesetzgeber verhindern, dass bei einzelnen Steuerpflichtigen im Hinblick auf die Frage der Verzinsung vor Fälligkeit wegen unterschiedlicher Veranlagungszeitpunkte unterschiedliche Zinszeiträume entstehen. Das System der so genannten Vollverzinsung soll die Liquiditätsvorteile, die ein Steuerpflichtiger wegen später Steuerfestsetzung erzielt, typisiert abschöpfen. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 2/02, BStBl II 2004, 39). Nachzahlungszinsen sind auch nicht deswegen aus sachlichen Gründen zu erlassen, weil die verspätete Steuerfestsetzung auf einer durch das Finanzamt verzögerten Veranlagung beruht. Da die Zinsen weder ein Sanktionsmittel noch ein Druckmittel oder eine Strafe sind, sondern laufzeitabhängige Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung, ist es nicht entscheidend, ob der typisierend vom Gesetz unterstellte Zinsvorteil des Steuerpflichtigen auf einer verzögerten Einreichung der Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen oder einer verzögerten Bearbeitung durch das Finanzamt beruht (BFH-Beschluss vom 02. Februar 2001 XI B 91/00, BFH/NV 2001, 1003).
cc. Eine Billigkeitsmaßnahme ist nicht etwa deshalb geboten gewesen, weil die nachträgliche Änderung der Besteuerung der Firmen X 14 und X 18 zur Folge hatte, dass die Erhöhung der Einkommensteuerschuld der Kläger zu Nachzahlungszinsen geführt hat. Wegen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sollen Liquiditätsvorteile, die aus dem verspäteten Erlass des Steuerbescheides entstanden sind, jedenfalls für die Zeit nach Ablauf von 15 Monaten nach Entstehen der Steuer abgeschöpft werden (BTDrucks 11/2157, S. 194). Diese typisierenden Grundannahmen des Gesetzgebers sind bereits bei der Auslegung der Zinsvorschrift zu beachten. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 2/02, BStBl II 2004, 39). Es ist deshalb nicht ermessensfehlerhaft, wenn das FA in seinem Bescheid vom 7. Oktober 2013 darauf abgestellt hat, dass den Klägern der Steuerbetrag über einen längeren Zeitraum zur Verfügung stand und dass sie bis zur Änderung der Steuerfestsetzung einen Zins- und Liquiditätsvorteil erlangen konnten. Da die Zinsen eine laufzeitunabhängige Gegenleistung für die mögliche Kapitalnutzung sind, ist die Höhe der Zinsen im Verhältnis zur Steuernachforderung grundsätzlich unerheblich.
Zudem darf die generelle Geltungsanordnung eines Gesetzes durch eine Billigkeitsmaßnahme nicht unterlaufen werden (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 2005 X R 3/04, BStBl II 2006, 155). Die sog. Vollverzinsung nach § 233a AO ist sowohl für Steuernachzahlungen als auch für Erstattungen bewusst verschuldensunabhängig ausgestaltet worden, um Streitigkeiten über die Ursachen einer späten Steuerfestsetzung zu vermeiden (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Juli 2006 VI B 134/05, BFH/NV 2006, 2029). Zu Recht hat das FA darauf abgestellt, dass die Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes weder im Billigkeitsverfahren geklärt werden könne noch könne die Höhe des Zinssatzes Grund für einen Erlass sein. Im Verfahren gegen den Zinsbescheid können keine Umstände berücksichtigt werden, die gegen die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Zinsfestsetzung sprechen (vgl. BFH-Beschluss vom 9. Juni 2015 III R 64/13 BFH/NV 2015, 1338). Ein ungewollter Überhang der gesetzlichen Regelung, dem mit einem Erlass abgeholfen werden kann, liegt im Streitfall nicht vor. Das FA hat insoweit ermessensfehlerfrei darauf abgestellt, dass sowohl die Laufzeit der Zinsen als auch die Verhältnismäßigkeit zur Höhe der Steuernachforderung vom Gesetzgeber hätte begrenzt werden können. Dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Tatbestandes des § 233a AO eine mögliche Härte hinsichtlich der Höhe der Zinsen bewusst in Kauf genommen habe, führe dazu, dass ein Erlass aus diesem Grund ausgeschlossen ist.
Auch eine verzögerte Bearbeitung des Steuerfalles durch das Finanzamt stellt regelmäßig keinen sachlichen Billigkeitsgrund dar (BFH-Urteil vom 21. Oktober 2009 I R 112/08, BFH/NV 2010, 606). Weder die fehlende Einwirkungsmöglichkeit des Steuerpflichtigen auf den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung noch eine allein vom Finanzamt zu vertretende Verzögerung bei der Veranlagung begründen eine sachliche Unbilligkeit. Der BFH hat es bei überlanger Verfahrensdauer abgelehnt, einen Erlass für geboten anzusehen. So ist es auch nicht sachlich unbillig, Zinsen gemäß § 233a AO zu erheben, wenn die verspätete Festsetzung der Steuer auf einer durch das Finanzamt verzögerten Veranlagung beruht (BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 7/96, BStBl II 1997, 446). Zudem ist im Streitfall auch nicht ersichtlich, dass das FA den Erlass der zur Zinsfestsetzung führenden Steuerbescheide schuldhaft verzögert hat; im Streitfall hat sich die Betriebsprüfung aus inhaltlichen Gründen über längere Zeit hingezogen; die Feststellungsbescheide und der die Kläger betreffende Folgebescheid, der Einkommensteuerbescheid 2000, ist jedoch am 12. Januar 2011, und damit alsbald nach Übersendung der Mitteilungen über die geänderte gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2000 für die X 14 und die X 18 vom Juli bzw. Mai 2010 erlassen worden.
Das Vorliegen persönlicher Billigkeitsgründe wurde weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Nach alledem hat das FA einen Erlass ermessensfehlerfrei abgelehnt.
c. Das FA hat zudem zu Recht entschieden, dass keine Umstände vorliegen, die einen Billigkeitserlass der Aussetzungszinsen erfordern.
aa. Nach der Rechtsprechung des BFH bezweckt die Verzinsung nach § 237 AO, den Nutzungsvorteil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung der Vollziehung über eine Geldsumme verfügen kann, die nach dem erfolglos angefochtenen Steuerbescheid dem Steuergläubiger zusteht. Die Regelung zielt auf einen Ausgleich zwischen den Zinsvorteilen des Steuerpflichtigen und dem Zinsverlust des Steuergläubigers ab, so dass die Verzinsung dazu dient, dem Steuergläubiger den Nutzungsvorteil zuzuwenden, der ihm für den nach dem materiellen Steuergesetz geschuldeten Betrag gebührt.
bb. Der von den Klägern erlangte Liquiditätsvorteil liegt darin, dass sie die festgesetzte Einkommensteuer 2000, die Zinsen zur Einkommensteuer 2000 und den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2000 über den Zeitraum der Aussetzung der Vollziehung hinweg nicht haben entrichten müssen, so dass ihnen in Höhe des Unterschiedsbetrages nicht gerechtfertigte Liquidität zumindest insofern zur Verfügung stand, als sie sich den Zahlbetrag andernfalls anderweitig, gegebenenfalls unter Belastung der ihnen eingeräumten Kreditlinie hätten beschaffen müssen. Die Kläger sind von der Zahlung geschuldeter Steuern vorerst freigestellt gewesen. Die Zinsen wurden unabhängig davon festgesetzt, ob der durch die Aussetzung der Vollziehung Begünstigte den ausgesetzten Betrag zwischenzeitlich gewinnbringend angelegt hat oder nicht. Das FA hat darauf im Streitfall ermessensfehlerfrei abgestellt.
Es liegt zudem im Streitfall keine aufgedrängte oder aufgezwungene Vollziehungsaussetzung oder ein „Zahlungsverbot“ vor, da es den Klägern freistand, die Vollziehungsaussetzung z.B. durch Zahlung zu beenden, wodurch die Verzinsungspflicht nach § 237 AO geendet hätte. Maßgeblich für die Fortdauer der Verzinsung war im vorliegenden Fall die Nichttilgung der Steuerschuld. Dass die Zinspflicht der Höhe nach (§ 238 AO) möglicherweise die von den Klägern erzielten Zinsen übersteigt, begründet schließlich auch keinen Anspruch auf Billigkeitserlass (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 29/11, BStBl II 2013, 767). Auch insoweit gilt, dass sowohl die Laufzeit der Zinsen als auch die Verhältnismäßigkeit zur Höhe der Steuernachforderung vom Gesetzgeber hätte begrenzt werden können. Dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Tatbestandes eine mögliche Härte hinsichtlich der Höhe der Zinsen bewusst in Kauf genommen hat, führt dazu, dass ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen ausgeschlossen ist. Das Vorliegen persönlicher Billigkeitsgründe wurde weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Das FA hat einen Erlass ermessensfehlerfrei abgelehnt.
d. Eine Aussetzung von Streitgegenständen des vorliegenden Verfahrens nach § 74 FGO war nicht veranlasst. Nach § 74 FGO kann das Gericht das Klageverfahren aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Die Entscheidung darüber ist eine Ermessensentscheidung, bei der insbesondere prozessökonomische Gesichtspunkte und die Interessen der Beteiligten abzuwägen sind.
Die Billigkeitsentscheidung ist grundsätzlich materiell-rechtlich und formell-rechtlich unabhängig von der Rechtmäßigkeitsprüfung des Bescheides, dessen Steuerschuld erlassen werden soll. Es gibt insoweit keine zwingende Rangfolge, und zwar selbst dann nicht, wenn der Billigkeitserlass nicht nach § 227 AO, sondern in der Form des § 163 AO erstrebt wird (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BStBl II 1995, 297). Das Verfahren über die Erhebung der festgesetzten Steuer ist für die Entscheidung in dem Rechtsstreit über die Steuerfestsetzung nicht vorgreiflich (BFH-Beschluss vom 1. April 2015 V B 121/14, BFH/NV 2015, 1003). Im Verhältnis zwischen Festsetzungs- und Erhebungsverfahren kann die im Festsetzungsverfahren vorgenommene Steuerfestsetzung jedoch für das Erhebungsverfahren vorgreiflich sein (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 24/11, BStBl II 2012, 466 für § 15a UStG), insbesondere dann, wenn es sich um eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO handelt, die einen Grundlagenbescheid für den Festsetzungsbescheid darstellt (BFH-Urteil vom 8. September 1993 I R 30/93, BFHE 172, 304).
Im Streitfall ist es prozessökonomisch, über die Klage gegen den Bescheid über die Rechtmäßigkeit der festgesetzten Aussetzungszinsen, die nach Auffassung des Gerichts wegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes der Aussetzungszinsen unbegründet ist, zusammen mit der Klage gegen den abgelehnten Erlass der Aussetzungszinsen zu entscheiden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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