Steuerrecht

Behauptung eines von der Zugangsvermutung abweichenden Zugangszeitpunkts

Aktenzeichen  X B 109/18

Datum:
22.5.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2019:B.220519.XB109.18.0
Normen:
§ 96 FGO
§ 76 Abs 1 S 1 FGO
§ 115 Abs 2 Nr 3 FGO
§ 122 Abs 2 AO
§ 47 Abs 1 S 1 FGO
Spruchkörper:
10. Senat

Leitsatz

1. NV: Bestreitet der Steuerpflichtige den Zugang des Bescheids innerhalb des gesetzlich vermuteten Zeitraums, muss er substantiiert Tatsachen vortragen, die schlüssig auf einen späteren Zugang hindeuten und deshalb Zweifel am Zugang zum gesetzlich vermuteten Zeitpunkt begründen.
2. NV: Hat der Steuerpflichtige seinen Vortrag im Rahmen des ihm Möglichen substantiiert, hat das FG den Sachverhalt unter Berücksichtigung dieses Vorbringens aufzuklären und die festgestellten oder unstreitigen Umstände im Wege freier Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO gegeneinander abzuwägen. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige den betreffenden Briefumschlag mit Poststempel nicht vorlegen kann.

Verfahrensgang

vorgehend FG Düsseldorf, 14. Juni 2018, Az: 15 K 2760/17 G,U,F, Urteil

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14.06.2018 – 15 K 2760/17 G,U,F aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.
1
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte im Streitjahr 2015 gewerbliche Einkünfte.
2
Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) für das Streitjahr geänderte Feststellungs- und Umsatzsteuerbescheide sowie einen geänderten Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag. Die hiergegen gerichteten Einsprüche wies das FA zurück.
3
Ausweislich der Verfügungen des FA sind die Einspruchsentscheidungen am Mittwoch, den 20. September 2017, mit einfachem Brief zur Post aufgegeben worden. Mit der Versendung wurde ein privater Postdienstleister beauftragt, der sich im Zustellgebiet des damaligen Bevollmächtigten des Klägers (B) der Zustellung durch die Deutsche Post AG bediente.
4
Der Kläger hat am 26. Oktober 2017 per Telefax Klage erhoben. Dieser Klage beigefügt waren Faxprotokolle, wonach die Übersendung der Klageschrift per Telefax am 25. Oktober 2017 ohne Antwort geblieben sei. Eine ebenfalls an diesem Tag übersandte verschlüsselte E-Mail des B enthielt die Klageschrift im Anhang trotz eines gegenteiligen Hinweises im Betreff nicht. In der Klageschrift wurde darauf hingewiesen, dass die Einspruchsentscheidungen dem B am 26. September 2017 zugegangen seien. Die zur Gerichtsakte eingereichten Ablichtungen der Einspruchsentscheidungen weisen als Eingangsstempel das Datum des 26. September 2017 aus.
5
Das Finanzgericht (FG) verwarf die Klage als unzulässig, da aus seiner Sicht die Klagefrist nicht gewahrt worden sei. Dem Kläger sei es nicht gelungen, die gesetzliche Zugangsfiktion zu entkräften, da er nicht substantiiert entsprechende Tatsachen vorgetragen habe, die den Schluss auf einen späteren Zeitpunkt des Zugangs zuließen. Zur Begründung solcher Zweifel reiche es nicht aus, dass ein abweichender Eingangsvermerk auf der Einspruchsentscheidung angebracht worden sei. Hieran ändere sich im vorliegenden Fall auch nicht deshalb etwas, weil B ein revisionssicheres DATEV-System führe. Denn trotz nachfolgender elektronischer Erfassung biete das zunächst händische Aufbringen des Eingangsstempels durch Mitarbeiter des B nicht die gleiche Gewähr für die Richtigkeit des gestempelten Datums wie der Poststempel auf dem Briefumschlag. Objektives Beweismittel sei ein solcher Briefumschlag mit dem sich darauf befindlichen Poststempel, den der Steuerpflichtige aufzubewahren und dem FG vorzulegen habe, was nicht geschehen sei. Ein organisatorisches Versehen auf Empfängerseite könne deshalb nicht ausgeschlossen werden. Im Übrigen werde die Bekanntgabevermutung nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) auch nicht aufgrund der Einschaltung eines privaten Postdienstleisters entkräftet, weil dieser möglicherweise an Montagen keine Post ausliefere. Schließlich sei die Zustellung im Gebiet, in dem B ansässig sei, durch die Deutsche Post AG als Universaldienstleister vorgenommen worden.
6
Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision u.a. wegen eines Verfahrensmangels.
7
Das FA tritt der Beschwerde entgegen.

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