Steuerrecht

Berechnung der Unterbringungskosten

Aktenzeichen  13 K 2316/15

Datum:
20.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2017, 1799
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 33 Abs. 1 S. 1, § 33a Abs. 1

 

Leitsatz

Bei der Berechnung der Unterbringungskosten ist eine Haushaltsersparnis dann zu berücksichtigen, wenn dem Steuerpflichtigen die Auflösung seines bisherigen Hausstandes zumutbar ist, weil mit einer Rückkehr in diesen Haushalt endgültig nicht mehr zu rechnen ist.

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2007 vom 3. Juli 2009 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 11. August 2015 wird die Einkommensteuer auf 1.207 € herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 88/100 und der Beklagte zu 12/100.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Gründe

II.
Die Klage ist hinsichtlich des Streitjahres 2007 begründet, im Übrigen unbegründet.
Das Finanzamt hat die Aufwendungen des bisherigen Klägers für die Unterbringung in dem Pflegeheim im Streitjahr 2007 zu Unrecht und in den Streitjahren 2008 bis 2011 zu Recht um die Haushaltsersparnis gekürzt.
1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 15.4.2010 VI R 51/09, BStBl II 2010, 794; vom 18.4.2002 III R 15/00, BStBl II 2003, 70; vom 10.5.2007 III R 39/05, BStBl II 2007, 764 und vom 25.7.2007 III R 64/06, BFH/NV 2008, 200).
1.1. Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altenheim. Dagegen sind Aufwendungen für die Pflege eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen ebenso wie Krankheitskosten eine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG aus tatsächlichen Gründen (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 14.11.2013 VI R 20/12, BStBl II 2014, 456; vom 22.10.2009 VI R 7/09, BStBl II 2010, 280). Ist der Steuerpflichtige in einem Altenheim untergebracht, sind die tatsächlich angefallenen Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn sie von den – zu den Kosten der üblichen Lebensführung rechnenden – Kosten für die Unterbringung abgrenzbar sind.
1.2. Werden Kosten einer Heimunterbringung dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) berücksichtigt, sind sie nur insoweit gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) sowie die sog. Haushaltsersparnis übersteigen. Nur in dieser Höhe entstehen dem Steuerpflichtigen hierdurch gegenüber seiner bisherigen Lebensführung zusätzliche Kosten. Entsprechend sind Unterbringungskosten um eine Haushaltsersparnis, die der Höhe nach den ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten entspricht, zu kürzen (vgl. BFH-Urteile vom 15.4.2010 VI R 51/09, BStBl II 2010, 794; vom 10.8.1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231).
Von der Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis ist nur dann abzusehen, wenn dem Steuerpflichtigen nur vorübergehend, etwa anlässlich eines Sanatoriumsaufenthaltes im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung, ausschließlich krankheitsbedingte Unterbringungskosten entstehen. Denn dem Steuerpflichtigen kann dann nicht zugemutet werden, seine Wohnung aufzugeben (vgl. BFH-Urteile vom 15.4.2010 VI R 51/09, BStBl II 2010, 794; vom 22.8.1980 VI R 138/77, BStBl II 1981, 23).
Aufwendungen für eine krankheitsbedingte Unterbringung in einem Pflegeheim sind auch dann nicht um eine Haushaltsersparnis zu kürzen, solange der Pflegebedürftige seinen normalen Haushalt beibehält. Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist die Tatsache, dass der Steuerpflichtige in einem solchen Fall trotz der Unterbringung in einem Pflegeheim mit den Fixkosten des Hausstandes wie Miete oder Zinsaufwendungen, Grundgebühr für Strom, Wasser etc. sowie Reinigungskosten belastet bleibt (vgl. BFH-Urteil vom 15.4.2010 VI R 51/09, BStBl II 2010, 794). Der BFH stellte in seiner Entscheidung vom 10.8.1990 klar, dass dies gilt, wenn eine Rückkehr des Pflegebedürftigen in die Wohnung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 10.8.1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231 Rz. 13). Ist aufgrund eines bereits seit längerem vorliegenden Krankheitsbildes ausgeschlossen, dass der Steuerpflichtige in seine Wohnung zurückkehren kann, sondern endgültig dauerhaft krankheitsbedingt in einem Pflegeheim untergebracht werden muss, ist es dem Steuerpflichtigen zumutbar, dass er seinen Haushalt auflöst (vgl. hierzu Urteil des FG Köln vom 28.4.2009 8 K 1337/08, EFG 2010, 479, nachfolgend bestätigt durch BFH-Urteil vom 13.10.2010 VI R 38/09, BStBl II 2011, 1010).
Die Haushaltsersparnis kann entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen i.H.v. 7.680 € für die Streitjahre 2007 bis 2009 bzw. i.H.v. 8.004 € für die Streitjahre 2010 und 2011 geschätzt werden (vgl. BFH-Urteile vom 15.4.2010 VI R 51/09, BStBl II 2010, 794 m.w.N.).
2. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze hat das Finanzamt in den Streitjahren 2008 bis 2011 die Haushaltsersparnis zu Recht gekürzt, weil es dem bisherigen Kläger ab 2008 zumutbar war, seinen Haushalt aufzulösen. Im Streitjahr 2007 hätte das Finanzamt eine Kürzung um die Haushaltsersparnis nicht vornehmen dürfen.
2.1. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die geltend gemachten Aufwendungen für das Pflegeheim dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG sind. Nach den vorgelegten medizinischen Gutachten wurde der bisherige Kläger ausschließlich wegen seiner Erkrankung an Parkinson und an Demenz und nicht aus Altersgründen in das Pflegeheim verbracht. Die vollstationäre Pflege wurde wegen der Häufigkeit der notwendigen Hilfeleistung bei Vorliegen der Pflegestufe I bzw. II befürwortet.
2.2. Im Streitfall ist nach Auffassung des Senats für das Streitjahr 2007 keine, für die Streitjahre 2008 bis 2011 eine Haushaltsersparnis zu berücksichtigen, auch wenn der bisherige Kläger seinen Haushalt nicht aufgelöst hat. Denn eine dauerhafte Rückkehr in seinen Haushalt war aufgrund der Erkrankungen spätestens ab Anerkennung der Pflegestufe II ausgeschlossen.
Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des Finanzgerichts Köln im Urteil vom 28.4.2009 (8 K 1337/08, EFG 2010, 479, bestätigt durch Urteil des BFH vom 13.10.2010 VI R 38/09, BStBl II 2011, 1010) an, wonach die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Unterbringungskosten in einem Pflegeheim um die Haushaltsersparnis zu kürzen sind, wenn der Steuerpflichtige mit einer Rückkehr in diesen Haushalt endgültig nicht mehr rechnen kann und ihm die Auflösung des Privathaushalts deshalb zumutbar war. Dies widerspricht auch nicht der Rechtsprechung des BFH, da dieser bei Beibehaltung der Wohnung davon ausgeht, dass eine Rückkehr des Pflegebedürftigen in die Wohnung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 10.8.1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231 Rz. 13).
Im Streitfall ergibt sich aber aus dem Gutachten vom 24.11.2007, dass sich für den bisherigen Kläger ein dauerhafter Pflegebedarf aufgrund seiner Parkinson- und Demenzerkrankung ergab. Auch wurde ihm seit September 2007 die Pflegestufe II (= Schwerpflegebedürftigkeit) – anders noch im Gutachten vom 19.3.2007: dort seit Dezember 2006 Pflegestufe I (= Erhebliche Pflegebedürftigkeit) – zuerkannt. Nach den Feststellungen in den Gutachten benötigte der bisherige Kläger in allen Bereichen der hauswirtschaftlichen Versorgung (Einkauf, Kochen, Spülen, Reinigung der Wohnung, Beheizen der Wohnung, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung) mehrfach wöchentlich Hilfebedarf. Im Gutachten vom 19.3.2007 wurde der tägliche Gesamtaufwand des täglichen Hilfebedarfs mit 133 Minuten, im Gutachten vom 24.11.2007 bereits mit 204 Minuten festgestellt. Aufgrund der Erkrankungen des bisherigen Klägers wurde die vollstationäre Pflege befürwortet.
Die Erkrankung des Klägers trat nicht erstmalig im Streitjahr 2007 auf, sondern begann nach dem Gutachten vom 19.3.2007 bereits knapp drei Jahren vor der Gutachtenerstellung, somit ab ca. Mitte 2004. Mit dem Erstgutachten vom 19.3.2007 wurde aufgrund der Erkrankung die vollstationäre Pflege des bisherigen Klägers empfohlen und ab dem 20.3.2007 (Vertragsbeginn mit dem Pflegeheim) auch dauerhaft durchgeführt. Aufgrund des weiteren Gutachtens vom 24.11.2007, in dem seit dem Erstgutachten eine langsam zunehmende Zustandsverschlechterung bescheinigt wurde, war für den bisherigen Kläger absehbar, dass ein eigenständiges Leben und eine selbstbestimmte Haushaltsführung nicht mehr möglich waren, da die Alltagskompetenz laut Gutachten erheblich eingeschränkt war (vgl. „Bewertung der Alltagskompetenz“). Dass der bisherige Kläger hierzu nicht mehr in der Lage war, zeigt sich auch darin, dass der bisherige Kläger dem Kläger zu 1) bereits am 11.1.2007 eine Generalvollmacht erteilt hat und der Kläger zu 1) auch den Vertrag für den bisherigen Kläger mit dem Pflegeheim geschlossen hat. Das Gutachten vom 24.11.2007 bescheinigt daher einen dauerhaften Pflegebedarf. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Erkrankungen des bisherigen Klägers – Parkinson und Demenz – derzeit nicht heilbar sind.
Auch die von den Klägern vorgelegten Leitlinien lassen keine andere Einschätzung zu, denn in diesen Leitlinien werden lediglich allgemeine Erkenntnisse z. B. zu verschiedenen Therapieformen beschrieben. So ist z. B. die Musiktherapie lediglich als „Kann“-Empfehlung in der S3-Leitlinie „Demenzen“ formuliert (vgl. Abschnitt B. 3.4.4.1 „Musiktherapie“ Empfehlungsgrad 0 i. V. m. Abschnitt A. 3.3 „Graduierung der Empfehlungen“ Empfehlungsgrad 0 = „Kann“-Empfehlung). Konkrete auf den bisherigen Kläger zugeschnittene Therapieempfehlungen haben die Kläger jedoch nicht vorgelegt.
Auch steht dem nicht entgegen, dass der bisherige Kläger von der Haushaltshilfe zweimal in der Woche in der Wohnung betreut wurde und der bisherige Kläger dort seinen Hobbys (z. B. Klavierspielen) nachgegangen ist bzw. sich mit Fotos beschäftigt hat. Denn aufgrund seiner Erkrankungen und der dauerhaften vollstationären Aufnahme im Pflegeheim konnte der bisherige Kläger keinen Haushalt in der bisherigen Wohnung mehr führen, so dass die Aufwendungen für das Pflegeheim in Höhe der Haushaltsersparnis nicht zwangsläufig i. S. d. § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG sind. Dass der Kläger keinen Haushalt mehr führte, bestätigen auch die Bescheinigungen der Minijob-Zentrale für 2007, für 2008 und für 2009, die dem bisherigen Kläger an die Adresse des Pflegeheims übersandt wurden.
Der Senat ist im Ergebnis der Auffassung, dass demnach spätestens mit Vorliegen der Pflegestufe II seit September 2007 eine Rückkehr in den Privathaushalt nicht mehr absehbar war, was sich in den Folgejahren (bis Streitjahr 2011) auch bestätigt hat. Unter Berücksichtigung von üblichen Kündigungsfristen (§ 573c Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) wäre es dem bisherigen Kläger zumutbar gewesen, seinen bisherigen Haushalt bis Ende 2007 aufzugeben. Demgemäß sind die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Pflegeheimkosten ab dem Streitjahr 2008 um die Haushaltsersparnis zu kürzen.
2.3. Für 2007 ergibt sich folgende Steuerfestsetzung….
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen