Steuerrecht

Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten

Aktenzeichen  3 K 1382/17

Datum:
30.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24692
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 662, § 670, § 675
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 5, § 33c Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 14.11.2016 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 28.08.2017 und der Einspruchsentscheidung vom 04.10.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Als Sonderausgaben sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG auch zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 € je Kind anzusetzen, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Absatz 1, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (..). Voraussetzung für den Abzug der Aufwendungen ist weiter nach Satz 4, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt.
1. Eine Dienstleistung i.S. von § 33c Abs. 1 Satz 1 EStG a.F. und des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG 2015 umfasst jede Tätigkeit, die aufgrund einer öffentlich- oder bürgerlich-rechtlichen Verpflichtung erbracht wird. Wie der gleichlautende bürgerlich-rechtliche Begriff (z.B. in §§ 611, 613 BGB) setzt auch der Dienstleistungsbegriff in § 33c Abs. 1 EStG ein Schuldverhältnis voraus, aufgrund dessen der Steuerpflichtige berechtigt ist, die Betreuung des Kindes zu fordern (§ 241 Satz 1 BGB), und der oder die „Betreuende“ die vereinbarte Vergütung oder aber auch nur einen Aufwendungsersatzanspruch (z.B. nach §§ 662, 670 BGB) geltend machen kann (BFH-Urteil vom 04.06.1998 III R 94/96, BFH/NV 1999, 163; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.05.2012 4 K 3278/11, EFG 2012, 1439). Weiter muss ein ernstgemeintes, gegenseitig berechtigendes und verpflichtendes Schuldverhältnis in Abgrenzung zu Betreuungsleistungen auf familiärer Basis oder aus Gefälligkeit vorliegen, um der Gefahr einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Vorschrift für den Abzug von ihrer Art und Höhe nach nicht zwangsläufigen Kosten zu begegnen. Die gesetzliche Beschränkung der Abziehbarkeit von Aufwendungen zur Kinderbetreuung auf solche für eine Dienstleistung oder im Zusammenhang mit einer Dienstleistung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BFH-Urteil vom 04.06.1998 III R 94/96, BFH/NV 1999, 163 m.w.N.). Diese Rechtsprechung des BFH zu den Kinderbetreuungskosten des § 33 c EStG a.F. ist nach Auffassung des Gerichts auf die im Streitjahr geltende Bestimmung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG, die § 33 c EStG a.F. hinsichtlich der Formulierung entspricht, anzuwenden (ebenso Schmidt/Heinicke, EStG 37. Auflage, § 10 Rz. 95; Fischer in Kirchhof, EStG 17. Auflage, § 10 Rz. 38f).
2. Dienstleistungen durch Angehörige können mit steuerlicher Wirkung Kinderbetreuungsleistungen im Sinne der Nr. 5 sein, so dass die Vergütung abziehbar ist, wenn die allgemeinen Anforderungen an die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen erfüllt sind. Erforderlich ist daher, dass den Leistungen eine klare und eindeutige Vereinbarung zugrunde liegt, die zivilrechtlich wirksam zustande gekommen ist, inhaltlich dem zwischen fremden Dritten entspricht und tatsächlich so durchgeführt wird (BFH-Urteil vom 10.4.1992 – III R 184/90, BStBl. II 1992, 814, unter II.1.; Kulosa in Hermann/Heuer/Raupach, EStG § 10 Rz. 144; Fischer in Kirchhof, EStG 17. Auflage, § 10 Rz. 38f; BMF-Schreiben vom 14.03.2012 – IV C 4 – S 2221/07/0012:012, BStBl. I 2012, 307 Rz. 4).
3. Unschädlich ist hierbei der Umstand, dass die Betreuungspersonen, im Streitfall also die Großeltern, die eigentlichen Betreuungsleistungen unentgeltlich erbracht haben und mit den Klägern lediglich Vereinbarungen über den Ersatz der Fahrtkosten getroffen haben, die ihnen im Zusammenhang mit der Betreuung der Kinder entstanden. Denn bei nur teilweise gegebener Entgeltlichkeit erfolgt die Betreuung nur insoweit auf der Grundlage familiärer Gefälligkeit, als sie unentgeltlich erbracht wird. Soweit aber eine Entgeltlichkeit vereinbart ist und diese Vereinbarung auch vollzogen wird, ist die Betreuung in Erfüllung der Vereinbarung über die Erbringung einer Dienstleistung erfolgt (vgl. BFH-Urteile vom 04.06.1998 III R 94/96, BFH/NV 1999, 163; vom 10.04.1992 III R 184/90, BStBl II 1992, 814; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.05.2012 4 K 3278/11, EFG 2012, 1439).
Zwar sind Fahrtkosten, die einem Steuerpflichtigen dadurch entstehen, dass er sein Kind zu einer Betreuungsperson bringt, keine Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung des Kindes; es handelt sich insoweit um Unterhaltsaufwendungen, die durch die Regelungen über den Familienleistungsausgleich abgegolten sind (BFH-Urteil vom 10. April 1992 III R 184/90, BStBl II 1992, 814; vom 29.08.1986 III R 209/82, BStBI II 1987, 167; Fischer in Kirchhof, EStG 17. Auflage, § 10 Rz. 38 g; Schmidt/Heinicke, EStG 37. Auflage, § 10 Rz. 92). Der vom Steuerpflichtigen gegenüber der Betreuungsperson geleistete Fahrtkostenersatz ist jedoch berücksichtigungsfähig (BFH-Urteile vom 04.06.1998 III R 94/96, BFH/NV 1999, 163; vom 10. April 1992 III R 184/90, BStBl II 1992, 814; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.05.2012 4 K 3278/11; Fischer in Kirchhof, EStG 17. Auflage, § 10 Rz. 38 g; BMF-Schreiben vom 14.03.2012 IV C 4-S 2221/07/0012:12, BStBl. I 2012, 307 Tz. 5).
4. Im Streitfall hat das Gericht unter Berücksichtigung des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und der Zeugeneinvernahme nicht den Eindruck gewinnen können, dass den Betreuungsleistungen der Großeltern eine klare und eindeutige Vereinbarung zugrunde liegt, die inhaltlich dem zwischen fremden Dritten entspricht und tatsächlich so durchgeführt wird. Das Gericht ist daher der Auffassung, dass die Betreuung der Kinder der Kläger einschließlich der Erstattung von Fahrtaufwendungen im Wege bloßer familiärer Hilfeleistung oder Gefälligkeit und nicht auf der Ebene rechtsgeschäftlicher Verbindlichkeit geregelt wurde. Dies ergibt sich daraus, dass die Erstattung erst im Jahr 2015 und damit viele Jahre nach der Entstehung der Aufwendungen erfolgte. Unabhängig davon wurde durch die Vereinbarung vom 20.12.2007 keine zivilrechtliche Verpflichtung zur Betreuungsleistung eingegangen.
a) Die Kläger haben mit dem Zeugen und dessen Ehefrau keine klare und eindeutige Vereinbarung über die Betreuungsleistungen abgeschlossen. Nach der Vereinbarung vom 20.12.2007 hatten der Zeuge und dessen Ehefrau sich bereit erklärt, den Nachwuchs „ab und zu zu uns holen.“ Hiermit wird kein Anspruch für die Kläger auf Erbringung der Betreuungsdienstleistungen geschaffen. Diese fehlende vertragliche Verpflichtung in dieser Vereinbarung wird durch die Aussage des Zeugen untermauert, dass es für ihn eine Familiengeschichte war. Es wird weder eine Aussage zum groben Umfang der Tage getroffen noch dazu, dass wegen des schulpflichtigen S eine Betreuung außerhalb der Ferien und des Wochenendes nur im damaligen Haus der Kläger stattfinden konnte.
Diese Auffassung des Gerichts steht auch nicht in Widerspruch zum Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 09.05.2012 (4 K 3278/11, EFG 2012, 1439). In dem vom FG Baden-Württemberg entschiedenen Sachverhalt hatten die Steuerpflichtigen und die Betreuungsperson „Vereinbarungen zur Kinderbetreuung“ abgeschlossen, wonach sich die Mütter der Kläger verpflichteten, deren Sohn an einem Tag pro Woche, erforderlichenfalls auch öfter, unentgeltlich zu betreuen. Das Finanzgericht war der Auffassung, dass es unschädlich ist, dass die konkreten Tage, an denen die Betreuungsleistungen zu erbringen waren, nicht bereits in den Vereinbarungen selbst festgelegt wurden, sondern bloße Rahmenvereinbarungen abschlossen wurden, die noch der Konkretisierung hinsichtlich der genauen Zeiten, an denen Betreuungsleistungen erforderlich wurden, bedurften. Eine entsprechende Handhabung wäre auch bei einem Vertragsabschluss mit fremden Betreuungspersonen erforderlich gewesen.
Im vorliegenden Streitfall liegt jedoch nicht wie im Sachverhalt, der dem Finanzgericht Baden-Württemberg vorlag, eine Rahmenvereinbarung vor. Mit der Formulierung „ab und zu zu uns holen“ wird kein Rahmen vorgegeben. Im Streitfall fehlt es an einer verlässlichen Regelung, die eine regelmäßige Betreuung sicherstellt. Vielmehr sind die Großeltern durch diese Regelung kein gegenseitig berechtigendes und verpflichtendes Schuldverhältnis eingegangen, der Umfang der Betreuungsleistungen hat in ihrem Belieben gestanden.
b) Die tatsächliche Durchführung der Vereinbarung entspricht auch nicht dem zwischen fremden Dritten üblichen. Ein fremder Dritter hätte nicht akzeptiert, dass eine Überweisung der Aufwendungen erst im Jahr 2015 und damit viele Jahre nach der Entstehung der Aufwendungen erfolgte. Nach den §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB beträgt die Verjährung drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Weder der Kläger noch der Zeuge konnten in der mündlichen Verhandlung angeben, wann die undatierten Aufstellungen über die Betreuungsleistungen erstellt wurden. Es wurde nicht vorgetragen, dass diese Aufstellungen zeitnah zum Entstehen der Aufwendungen erstellt wurden. Jedenfalls erfolgte eine Zahlung der Aufwendungen der Jahre 2010 bis 2012 erst im Juli 2015. Wenn die Geltendmachung der Ansprüche erst 2015 erfolgte, wären die Ansprüche für die Jahre 2010 und 2011 bereits verjährt gewesen. Zwar bleibt eine verjährte Forderung weiterhin erfüllbar (§ 214 BGB). Dieses Risiko wäre ein fremder Dritter aber nicht eingegangen.
c) Zudem handelt es sich bei den Aufstellungen über die Fahrten nicht um Rechnungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 EStG, wie sie ein fremder Dritter erstellt hätte. Zwar muss die in § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 EStG ausdrücklich erforderliche Rechnung keine im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG 37. Auflage, § 10 Rz. 99), jedoch tragen die undatierten Aufstellungen über die Betreuungsleistungen kein Ausstellungsdatum und keinen Angaben zum Aussteller und Empfänger der Rechnung.
d) Schließlich bestehen für das Gericht auch Zweifel, ob die Fahrten so durchgeführt wurden, wie in den Aufstellungen dargelegt. Über die Durchführung der Fahrten konnte die Klägerseite und der Zeuge über die Aufstellungen hinaus keine weiteren Belege vorlegen. Die in den Aufstellungen enthaltenen Daten der durchgeführten Fahrten konnten weder vom Kläger noch vom Zeugen erläutert werden. Weder finden sich in den Aufstellungen Hinweise für die vom Zeugen in seiner Aussage angeführten gelegentlichen Aufenthalte der Großmutter von teilweise auch 10 Tagen, an denen er am nächsten Tag zurück nach H gefahren sein will. In den Aufstellungen der Jahre 2010 bis 2012 ist kein Aufenthalt von 10 Tagen enthalten, aber auch kein Aufenthalt, bei dem bereits am nächsten Tag die Rückfahrt erfolgte. Fast alle Aufenthalte erstrecken sich über 3 oder 4 Tage. Es konnten weder vom Kläger noch vom Zeugen Angaben gemacht werden, an welchem Ort die in den Aufstellungen genannten Betreuungen stattfanden.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe vorliegt. Die Entscheidung folgt der gefestigten Rechtsprechung des BFH zur fast wortgleichen Vorgängervorschrift. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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