Aktenzeichen 3 K 1776/14
MwStSystRL Art. 14 Abs. 1
BGB § 946
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
II.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Nach § 65 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) muss die Klageschrift u.a. den Beklagten bezeichnen. Richtet sich die Klage nicht gegen die nach § 63 FGO zu verklagende Behörde, führt dies nicht dazu, dass das FG die beklagte Behörde durch die passivlegitimierte zu ersetzen hat, sondern zur Abweisung der Klage als unzulässig (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501, m.w.N.). Wird der in der Klageschrift benannte Beklagte nach Einreichung der Klage ausgewechselt, liegt eine (subjektive) Klageänderung i.S. des § 67 FGO vor, die nur statthaft ist, wenn sowohl das ursprüngliche als auch das geänderte Klagebegehren alle Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt. Daraus folgt, dass bei fristgebundenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen eine subjektive Klageänderung nur innerhalb der Klagefrist zulässig ist. Lässt sich hingegen einer Klageschrift nicht eindeutig entnehmen, gegen welche Finanzbehörde sich die Klage richtet, ist die Klageschrift auszulegen, wobei als Auslegungshilfe der Gesichtspunkt dienen kann, dass die Klage im Zweifel nicht gegen den falschen, sondern gegen den nach dem Inhalt der Klage richtigen Beklagten gerichtet sein soll. Da im finanzgerichtlichen Verfahren die Klage sowohl beim Finanzgericht als auch bei der Behörde eingereicht werden kann, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (§ 47 Abs. 2 FGO), sind bei der Auslegung einer beim Finanzgericht eingereichten Klageschrift nicht nur die dem Finanzgericht als Adressaten, sondern auch die im Zeitpunkt des Klageeingangs der Behörde bekannten oder vernünftigerweise erkennbaren Umstände zu berücksichtigen. Die Auslegung der Klageschrift darf deshalb nicht davon abhängen, wann die zu ihrer Auslegung heranzuziehenden Umstände dem Finanzgericht als möglichem Adressaten der Klageschrift bekanntgeworden sind. Diese weniger formstrenge Betrachtung trägt dem aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes abzuleitenden Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung Rechnung (vgl. BFH-Beschluss vom 13.05.2014 XI B 129-132/13, XI B 129/13, XI B 130/13, XI B 131/13, XI B 132/13, BFH/NV 2014, 1385, m.w.N.). Auf die Wortwahl und die Bezeichnung kommt es nicht entscheidend an, sondern auf den gesamten Inhalt der Willenserklärung (BFH-Urteil vom 20. November 2014 IV R 47/11, BStBl II 2015, 532).
b) Im Streitfall hat die Klägerin zwar in ihrer Klageschrift ausdrücklich das FA C als Beklagten benannt, die Klageschrift jedoch an das „Finanzgericht München über Finanzamt “ adressiert. Zudem hat sie die angefochtenen Steuerbescheide und Einspruchsentscheidungen mit Datum benannt. Die Klageschrift ist darüber hinaus auch beim FA fristgerecht (§ 47 Abs. 2 Satz 1 FGO) eingegangen. Bei Berücksichtigung der dem FA und dem erkennenden Gericht bekannten oder vernünftigerweise erkennbaren Umstände ist die Klage demzufolge als gegen das FA gerichtet auszulegen, zumal auch das -wörtlich als Beklagter benannte- FA C ausweislich seines Schriftsatzes vom 1. Juli 2014 davon ausging, nicht als Beklagter gemeint gewesen zu sein.
c) Der angefochtene Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das dritte Kalendervierteljahr 2012 wurde durch den Umsatzsteuerbescheid für 2012 vom 11. April 2014 ersetzt; die angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für das erste bis vierte Kalendervierteljahr 2013 wurden durch die gem. § 168 Satz 1 AO als Umsatzsteuerbescheid geltende Umsatzsteuererklärung vom 6. November 2014 in Gestalt des Umsatzsteuerbescheids für 2013 vom 9. März 2017 ersetzt. Denn ein Jahressteuerbescheid ist vom Zeitpunkt seines Ergehens an alleinige Grundlage für die Verwirklichung des Anspruchs auf die mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstandene Steuer sowie für die Einbehaltung der als Vorauszahlung für den Veranlagungszeitraum entrichteten bzw. für die Vergütung der die positiven Umsatzsteuern übersteigenden (Vorsteuer-)Beträge. Das materielle Ergebnis der in dem Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen Umsatzsteuer wird für die Zukunft ausschließlich in dem Jahressteuerbescheid festgestellt; damit erledigen sich die den Veranlagungszeitraum betreffenden Vorauszahlungsbescheide i.S. des § 124 Abs. 2 AO auf andere Weise und verlieren ihre Wirksamkeit; deren Regelungen nimmt der Jahressteuerbescheid in sich auf (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 44/10, BStBl II 2013, 33).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das FA hat die streitgegenständliche Dachsanierung zu Recht als tauschähnlichen Umsatz behandelt und die Umsätze zum Regelsteuersatz um die Beträge von 1.464 € (2012) sowie 2.926 € (2013) erhöht.
a) Der Umsatzsteuer unterliegen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG) die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Eine Leistung gegen Entgelt setzt dabei voraus, dass zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (BFH-Urteil vom 4. Juli 2013 V R 33/11, BStBl II 2013, 937, m. w. N.). Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrages liegt regelmäßig ein Leistungsaustausch vor (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 2014 V R 22/13, BFH/NV 2014, 736). Dies entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), wonach Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der in den Streitjahren anwendbaren Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie -MwStSystRL-) dahingehend auszulegen ist, dass die Dienstleistungen der Instandsetzung und Einrichtung eines Appartements als entgeltlich anzusehen sind, wenn sich der Erbringer dieser Leistungen nach dem mit dem Eigentümer dieses Appartements geschlossenen Vertrag zum einen verpflichtet, diese Dienstleistung auf eigene Rechnung zu erbringen, und zum anderen das Recht erhält, über dieses Appartement zu verfügen, um es, ohne zur Zahlung von Mietzins verpflichtet zu sein, für die Dauer dieses Vertrags für seine wirtschaftliche Tätigkeit zu nutzen, während der Eigentümer das hergerichtete Appartement am Vertragsende zurückerhält (vgl. EuGH-Urteil vom 26. September 2013 C-283/12, Serebryannay vek EOOD, DStRE 2014, 476, Rn. 37, m.w.N.).
b) Im Streitfall hat die Klägerin nach diesen Rechtsgrundsätzen die durch die Fa. B vorgenommene Dachsanierung gegen Entgelt an die WEG geliefert.
aa) Ein Mieter, der Ausbauten, Umbauten und Einbauten auf eigene Kosten vornimmt oder auf dem gemieteten Grundstück ein Gebäude errichtet, führt grundsätzlich eine Werklieferung an den Vermieter gemäß § 3 Abs. 4 UStG aus (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 2016 V R 35/16, juris).
bb) Im Streitfall hat die Klägerin mit der Sanierung des Daches des im Eigentum der WEG stehenden und damit für sie fremden Gebäudes eine Werklieferung i.S. von § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG an die WEG erbracht.
aaa) Zwar besteht kein allgemeiner Rechtssatz, dass ein Mieter, der auf dem gemieteten Grundstück ein Gebäude auf eigene Rechnung errichtet und für Zwecke seines Unternehmens nutzt, die Verfügungsmacht an dem Gebäude weiter überträgt; maßgeblich ist vielmehr eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls (BFH-Urteile vom 25. November 2015 V R 66/14, BFH/NV 2016, 497; vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634).
bbb) Im Streitfall hat die Klägerin der WEG jedoch nicht nur das Eigentum an den durch die Dachsanierung erstellten Dachteilen verschafft (vgl. § 946 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -BGB-), was allein auch noch nicht zu einer Lieferung führen muss, weil der zivilrechtliche Eigentumsübergang nicht zwingend die von § 3 Abs. 1 UStG und Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL vorausgesetzte Verschaffung eigentümerähnlicher Verfügungsmacht bewirkt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 25. November 2015 V R 66/14, BFH/NV 2016, 497; vom 16. April 2008 XI R 56/06, BStBl II 2008, 909; EuGH-Urteil vom 16. Februar 2012 C-118/11, Eon Aset Menidjmunt, UR 2012, 230). Die Klägerin hat der WEG vielmehr einen von dieser auch tatsächlich genutzten wirtschaftlichen Vorteil unmittelbar zugewandt. Denn die WEG nutzt das Dach neben der streitgegenständlichen Vermietung an die Klägerin auch im Rahmen ihrer weiteren Vermietung des Gebäudes zu Wohnzwecken. Das Dach hätte jedoch in absehbarer zeitlicher Nähe zum Abschluss des streitgegenständlichen Pachtvertrags von der WEG saniert werden müssen, da es laut Auskunft der ausführenden Firma B „vielleicht“ noch für einen Zeitraum von „maximal 3 Jahren gehalten“ hätte. Ein weiterer Vorteil ist darin zu sehen, dass das Dach aufgrund des Abtragens der zahlreichen vorhandenen Kamine eine gesteigerte Eignung zur Aufstellung einer PVA aufweist. Die Zuwendung dieser Vorteile beruht auf dem zwischen diesen Parteien abgeschlossenen Vertrag.
c) Das Entgelt für diese Lieferung liegt in den Kosten der Dachsanierung (tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe).
aa) Der Gegenwert kann bei Tausch und tauschähnlichen Umsätzen i.S.d. § 3 Abs. 12 UStG durch eine tatsächlich erhaltene Gegenleistung erbracht werden, die nicht in Geld besteht, aber in Geld ausdrückbar sein muss. § 3 Abs. 12 UStG erfasst auch den Fall, dass als Entgelt für eine Leistung eine Barzahlung mit einer Lieferung oder sonstigen Leistung verbunden wird (sog. tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe). Voraussetzung für die Annahme einer tauschähnlichen Leistung ist, dass sich zwei entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegenüberstehen, die lediglich durch die Modalität der Entgeltvereinbarung (Tausch) miteinander verknüpft sind. § 3 Abs. 12 UStG steht im Einklang mit Art. 14 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 MwStSystRL. Diese Regelung ist richtlinienkonform an Hand des Art. 73 MwStSystRL auszulegen, wonach Bemessungsgrundlage alles ist, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger erhält oder erhalten soll. Die tatsächlich erhaltene Gegenleistung muss bei den von § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG erfassten Umsätzen in Geld ausdrückbar sein (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 23. November 1988, Rs. 230/87, Naturally Yours Cosmetics, Slg. 1988, 6365, vom 2. Juni 1994 C-33/93, Empire Stores, Slg. 1994, I-2329, und vom 26. September 2013 C-283/12, DStRE 2014, 476; BFH-Urteil vom 1. August 2002 V R 21/01, BStBl II 2003, 438). An den für einen tauschähnlichen Umsatz erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang sind dieselben Anforderungen zu stellen wie an den die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG begründenden Zusammenhang, denn Tausch und Tauschähnlichkeit sind nur eine besondere Modalität der Entgeltvereinbarung, die den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet (BFH-Urteil vom 15. April 2010 V R 10/08, BStBl II 2010, 879).
bb) Im Streitfall haben die Klägerin und die WEG als Entgelt für die Dachüberlassung zwar eine von der Klägerin zu zahlende Jahrespacht von 1,20 € pro Quadratmeter PVA-Fläche vereinbart. Dieses vereinbarte Entgelt ist nach den Gesamtumständen des Streitfalls jedoch lediglich als Baraufgabe zum tauschähnlichen Umsatz Dachsanierung gegen Dachüberlassung anzusehen, denn der Kläger ist, auch wenn er sich im Gestattungsvertrag nicht dazu verpflichtet hat, bereit gewesen, die Kosten für die gesamte Dachsanierung zu übernehmen, um das Dach für den Betrieb seiner PVA nutzen zu können. Beide Leistungen, Dachsanierung und Dachüberlassung haben ihre Ursache in dem Vertrag und stehen demzufolge in einem unmittelbaren Zusammenhang zueinander. Der Wert der Leistung wird bei richtlinienkonformer Auslegung durch den subjektiven Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung bestimmt. Als subjektiver Wert ist derjenige Wert festzustellen, den der Empfänger den Dienstleistungen beimisst, die er sich verschaffen will, und der dem „Betrag“ entspricht, den er zu diesem Zweck aufzuwenden bereit ist (vgl. EuGH in der Rs. C-33/93, Empire Stores, a.a.O., und vom 3. Juli 2001 C-380/99, Bertelsmann, Slg. 2001, I-5163). Soweit der Wert nicht ermittelt werden kann, ist er zu schätzen (vgl. Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 5. Mai 2006 2 K 108/04, EFG 2006, 1865). Anhaltspunkt für die Bewertung der Gegenleistung sind die Aufwendungen, die dem leistenden Unternehmer für die Leistung entstanden sind. Dies ist vorliegend der Betrag von 60.000,- € netto für die Dachrenovierung.
d) Die auf die streitgegenständliche Dachsanierung entfallenden Umsätze zum Regelsteuersatz betragen 1.464 € (2012) sowie 2.926 € (2013).
aa) Die Steuer entsteht gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. Bei Tauschgeschäften und tauschähnlichen Umsätzen wird das Entgelt vereinnahmt, sobald der Unternehmer die Verfügungsgewalt über den als Gegenleistung für seine Leistung anzusehenden Gegenstand erhält bzw. die sonstige Leistung ausgeführt ist (Sölch/Ringleb/Leipold UStG § 13 Rn. 64).
bb) Im Streitfall stellt die Nutzungsüberlassung des Dachs das Entgelt für den tauschähnlichen Umsatz dar. Da der Klägerin für die Streitjahre die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) genehmigt worden war, sind die vereinnahmten Entgelte (60.000 €) auf die Zeitdauer der vertraglich eingeräumten Nutzungsüberlassung des Daches (20,5 Jahre) aufzuteilen. Da die Nutzungsüberlassung gem. § 5 Nr. 1 des Vertrags mit Vertragsschluss am 19. Juli 2012 begann und die Nutzung im Streitjahr 2012 sich somit auf 6 Monate beschränkte, ergeben sich die vom FA angesetzten Beträge von 1.464 € (2012) sowie 2.926 € (2013).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Revision wird zur Sicherung einer einheitliche Rechtsprechung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).