Aktenzeichen 7 K 402/16
GewStDV § 25 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 51 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1
EStG § 15, § 18 Abs. 1 Nr. 1
GewStG § 2 Abs. 2 S. 1
ZPO § 42 Abs. 1
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Streitig ist die Festsetzung der Gewerbesteuer für das Jahr 2013.
Der Kläger war im Streitjahr 2013 als Kfz-Sachverständiger tätig und erzielte hieraus nach Auffassung des Finanzamts Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Nachdem er trotz mehrfacher Aufforderung keine Gewerbesteuererklärung gemäß § 149 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 25 Abs. 1 Nr. 1 Gewerbesteuerdurchführungsverordnung (GewStDV) abgegeben hatte, schätzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für den Gewerbesteuermessbetrag mit Bescheid vom 21. August 2015 gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und setzte den Gewerbesteuermessbetrag auf 4.042 € fest.
Der dagegen gerichtete Einspruch wurde nicht begründet und mit Einspruchsbegründung vom 13. Januar 2016 als unbegründet zurückgewiesen. Außerdem wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Mit der hiergegen am 15. Februar 2016 erhobenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass ihm sowohl vom Finanzamt als auch vom Finanzgericht die Einsichtnahme in Akten verweigert würde. Er lehne daher die Richter des 7. Senats, namentlich … wie in den vorangegangenen finanzgerichtlichen Verfahren ab. Soweit er Einsicht in die Akten seiner vorangegangenen finanzgerichtlichen Streitsachen im Finanzamt K habe nehmen können, sei ihm die Kopie des kompletten Akteninhalts untersagt worden. Soweit er die jeweilige Seitenzahl von einzelnen Akten für die Ausfertigung von Kopien benannt habe, sei er nicht sicher, ob die erhaltenen Kopien mit seiner Anforderung übereinstimmten. Da ihm sein Recht auf Akteneinsicht bislang nicht vollständig zugestanden worden sei, habe er noch keinen steuerlichen Berater beauftragt. Er habe ein Recht darauf, sich steuerrechtlich vertreten zu lassen.
Außerdem erhob der Kläger ebenfalls am 15. Februar 2016 Klage gegen die Festsetzung des Gewerbesteuermessbescheids für 2011 und 2012 sowie zusammen mit seiner Ehefrau Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2011 und 2012 sowie das Jahr 2013.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheids vom 21. August 2015 und der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Mit Schreiben der Geschäftsstelle vom 1. März 2016 unter den Aktenzeichen . wurde dem Kläger mitgeteilt, dass eine Akteneinsicht nach vorheriger telefonischer Anmeldung in der Geschäftsstelle des Senats möglich sei. Der Kläger hat keine Akteneinsicht genommen.
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Gegen die Rechtmäßigkeit des Gewerbesteuermessbescheids vom 21. August 2015 und der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016 bestehen keine Bedenken.
1. Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln kann. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Erklärungspflichten nicht oder nicht fristgerecht nachkommt (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO).
Im Streitfall hat der Kläger keine Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2013 abgegeben, obwohl er hierzu nach § 149 AO i.V.m. § 25 Abs. 1 Nr. 1 GewStDV verpflichtet ist. Das Finanzamt war daher zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt.
2. Die vom Finanzamt gewählte Schätzungsmethode ist grundsätzlich in sich schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig.
2. Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Die gewonnenen Schätzergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Ziel der Schätzung ist es, bezogen auf den jeweils festgestellten Sachverhalt die zahlenmäßigen Auswirkungen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Deshalb sind alle möglichen Anhaltspunkte, u.a. auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen oder eine an sich fehlerhafte Buchführung, zu beachten und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um im Rahmen des der Finanzbehörde Zumutbaren die Besteuerungsgrundlagen wenigstens teilweise zu ermitteln (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 29. Mai 2008 VI R 11/07, BFHE 221, 182, BStBl II 2008, 933, unter II.2.b.aa der Gründe, m.w.N.).
Die Auswahl der Schätzungsmethode steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde bzw. des Finanzgerichts, das an die von der Behörde gewählte Schätzungsmethode nicht gebunden ist und nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) eine eigene Schätzungsbefugnis besitzt. Bei dieser Entscheidung kommt der Art der zu schätzenden Besteuerungsgrundlagen, den vorliegenden und verwertbaren Unterlagen und der Mitwirkungsbereitschaft des Steuerpflichtigen wesentliche Bedeutung zu. Schätzungsunschärfen gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen (BFH-Beschluss vom 1.12.1998 III B 78/97, BFH/NV 1999, 741).
Nach diesen Grundsätzen ist die vom Finanzamt durchgeführte Festsetzung der Besteuerungsgrundlagen in sich schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig. Im Übrigen hat auch der Kläger keine substantiierten Einwendungen gegen die Schätzung vorgetragen.
3. Das Finanzamt durfte die Einkünfte des Klägers im Streitjahr 2013 auch als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG behandeln und dementsprechend einen Gewerbesteuermessbetrag festsetzen.
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetz (EStG) zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Unter das Gewerbesteuergesetz fällt demzufolge eine Tätigkeit nicht, die als freiberuflich im Sinne des § 18 EStG zu qualifizieren ist (vgl. Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 27. September 1995 1 K 116/95, juris-web, rechtskräftig, vgl. Beschluss des BFH vom 30. Oktober 1996 XI B 197/95, juris-web).
Der Kläger war in den Streitjahren kein „Ingenieur“ im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Auf seinem Briefkopf gibt er unter anderem die Berufsbezeichnung,,Staatl. geprüfter Kfz.-Techniker und Kfz-Mech.-Meister„an. Er übt auch keinen “ähnlichen Beruf” im Sinne der ausdrücklich in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgezählten Berufe (sog. Katalogberufe) aus. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Tätigkeit einem Katalogberuf „ähnlich“ (vgl. grundlegend BFH-Urteil vom 5. Juli 1973 IV R 127/69, BStBI. II 1973, 730). „Ähnlich“ ist die Tätigkeit einem Katalogberuf dann, wenn sie ihrem Gesamtbild nach mit dem typischen Bild eines Katalogberufs in den wesentlichen Merkmalen vergleichbar ist (z. B. BFH-Urteil vom 19. Juli 1985 III R 175/80, BStBl. II 1986, 15). Eine ähnliche Tätigkeit des Klägers mit dem hier allein in Betracht kommenden Katalogberuf des Ingenieurs setzt eine Ausbildung voraus, die mit der Berufsausbildung des Ingenieurs, wie sie die Ingenieur-Gesetze vorschreiben, vergleichbar ist. Eine Ausbildung mit vorwiegend praktischem Einschlag, vor allem eine handwerkliche Ausbildung, genügt nicht, da ihr die theoretische Basis fehlt, die durch ein Ingenieurstudium vermittelt wird. Diese Ausbildung kann nur durch ein entsprechendes Studium, eine vergleichbare systematische Ausbildung oder die Ausübung einer entsprechend qualifizierten Tätigkeit nachgewiesen werden (BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 I R 109/77, BStBl. II 1981, 118). Die Ausbildung muss – soll sie der des Ingenieurs vergleichbar sein – dem Steuerpflichtigen insbesondere mathematisch-technische Kenntnisse vermitteln (BFH-Urteile vom 5. November 1970 IV R 127/70, BStBl. II 1971, 319 und vom 10. November 1988 IV R 63/86, BStBl. II 1989, 198).
Im zu entscheidenden Falle hat der Kläger die genannten Voraussetzungen nicht belegt.
4. Das Ablehnungsgesuch des Klägers ist rechtsmissbräuchlich und damit offensichtlich unzulässig. Über ein rechtsmissbräuchliches und damit offensichtlich unzulässiges Gesuch auf Ablehnung der Richter eines Senats kann, ohne dass es insoweit einer dienstlichen Äußerung des betroffenen Richters bedarf, zusammen mit der Sachentscheidung entschieden werden (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422); bei Zuständigkeit des Einzelrichters – wie im Streitfall – entscheidet dieser selbst (vgl. BFH-Beschluss vom 26. August 1997 VII B 80/97, BFH/NV 1998, 463).
Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO).
Die Ablehnung ist insbesondere dann missbräuchlich, wenn der Antrag offenbar grundlos ist (BFH-Beschluss vom 12. November 2009 IV B 66/08, BFH/NV 2010, 671, m.w.N.).
Im Streitfall hat der Kläger die Einzelrichterin wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil sie ihm seiner Auffassung nach den Zugang zu Akten und Aktenteilen des Finanzamts von vorangegangenen finanzgerichtlichen Streitsachen zu Unrecht verwehrt habe. Diesem Vortrag ist entgegenzuhalten, dass der Kläger im Rahmen einer Akteneinsicht zu den Verfahren …am 28. Juli 2015 beim Finanzamt K Einsicht in die Akten des Finanzgerichts zu den Verfahren … sowie zu den insoweit vorgelegten Finanzamtsakten (BP-Akte, EStG-Akte, GewSt-Akte, DU-Akte und 2 RBH-Akten) genommen hat. Die Akten wurden dem Finanzamt K, bei dem die Akteneinsicht erfolgt ist, vollständig übermittelt.
Soweit der Kläger mit Schreiben vom 14. Oktober 2015 die Einsicht in die Akten der bereits abgeschlossenen finanzgerichtlichen Verfahren . beantragt hat, wurde ihm diese am 10. Dezember 2015 gewährt. Da die vorstehend genannten Verfahren rechtskräftig entschieden worden sind, besteht außerdem grundsätzlich kein Anspruch auf Akteneinsicht mehr (vgl. BFH-Beschluss vom 14. März 2000 XI B 141/99, BFH/NV 2000, 883), insbesondere auch nicht in die Finanzamtsakten, die dem Finanzgericht bei abgeschlossenen Verfahren nicht mehr vorliegen. Dies gilt auch dann, wenn das Bedürfnis nach Akteneinsicht wie vorliegend auch damit begründet wird, dass die Kenntnis des Inhaltes der Akten für andere Verfahren bzw. wegen einer möglichen Regressforderung gegenüber dem Steuerberater oder Nachlassverwalter erforderlich oder zumindest hilfreich sei (BFH-Beschluss vom 20. Oktober 2005 VII B 207/05, BFH/NV 2006, 201).
Eine vermeintlich oder tatsächlich rechtsfehlerhafte Entscheidung rechtfertigt für sich genommen nicht die Besorgnis der Befangenheit (BFH-Beschluss vom 12. November 2009 IV B 66/08, BFH/NV 2010, 671, m.w.N.). Im Übrigen kam eine weitergehende Einsicht in die Akten des Finanzamts – wie ausgeführt – nicht in Betracht.
Soweit der Kläger außerdem alle Richter des 7. Senats pauschal abgelehnt hat, ist dieser Antrag offensichtlich unzulässig. Das Ablehnungsgesuch ist nicht hinreichend substantiiert, da es keinen auf die Person des abgelehnten Richters bezogenen individuellen Ablehnungsgrund enthält (BFH-Beschluss vom 10. Dezember 1997 IX B 85/97, BFH/NV 1998, 718, Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 51 Anm. 27, m.w.N.). Abgesehen davon, dass ein Ablehnungsgesuch nach ständiger Rechtsprechung nicht allein auf eine für unrichtig gehaltene richterliche Beurteilung gestützt werden kann (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 7. April 1988 X B 4/88, BFH/NV 1989, 587, mit zahlreichen Nachweisen), handelt es sich bei den vom Kläger angeführten Entscheidungen um Kollegialentscheidungen im Zusammenhang mit bereits abgeschlossenen finanzgerichtlichen Verfahren und der Aktenübersendung an das Landgericht I, bei denen sich aufgrund des Beratungsgeheimnisses ohnehin nicht feststellen lässt, inwieweit sie auf der Ansicht des abgelehnten Richters beruhen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.