Aktenzeichen W 8 K 17.1393
VO (EU) Nr. 1307/2013 Art. 4 Abs. 1, Art. 32 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1 Der Begriff der Verwaltung einer Einheit durch den Betriebsinhaber bedeutet nicht, dass dem Landwirt die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über die Flächen in Bezug auf deren landwirtschaftliche Nutzung zustehen muss. Er muss aber im Hinblick auf diese Flächen über eine hinreichende Selbständigkeit bei der Ausübung seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit verfügen können. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Soweit der Betriebsinhaber Dritte mit der Erledigung einzelner Aufgaben beauftragt, muss er diesen gegenüber weisungsbefugt sein. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten K.vom 8. Dezember 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 3. November 2017 wird geändert. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für das Jahr 2016 Direktzahlungen aus Mitteln der EU für das Feldstück 8 ohne Kürzungen und Sanktionen in voller Höhe zu gewähren.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat für das Jahr 2016 einen Anspruch auf Direktzahlungen für das Feldstück 8 ohne Kürzungen und Sanktionen in voller Höhe, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Die mit streitgegenständlichem Bescheid gewährte Direktzahlung bleibt infolge von Kürzungen und Sanktionen hinter der vom Kläger beantragten Direktzahlung (in voller Höhe) zurück. Mit der lediglich teilweisen Stattgabe des Antrags ist konkludent zugleich eine teilweise Ablehnung des Antrags verbunden, so dass die (Teil-)Verpflichtungsklage richtige Klageart ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 42 Rn. 28).
Anhaltspunkte, dass die Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO nicht eingehalten wurde, bestehen nicht. Im Übrigen steht es der Widerspruchsbehörde frei, ungeachtet einer verspäteten Einlegung des Widerspruchs zu entscheiden, wodurch zugleich für den Betroffenen die Klagemöglichkeit gegen den Erstbescheid wieder eröffnet wird (Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 70 Rn. 8).
Die Klage ist begründet, weil der Kläger einen Anspruch auf Gewährung der Direktzahlung in voller Höhe hat. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtswidrig, soweit er dem Kläger die beantragten Direktzahlungen für das Feldstück 8 nicht in voller Höhe gewährt und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.
Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Direktzahlungen für das Jahr 2016 ist Art. 32 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013. Danach wird den Betriebsinhabern bei Aktivierung eines Zahlungsanspruchs je beihilfefähiger Hektarfläche eine Stützung gewährt.
Nach der Legaldefinition in Art. 4 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 bezeichnet der Begriff „Betriebsinhaber“ eine natürliche oder juristische Person oder eine Vereinigung natürlicher oder juristischer Personen, unabhängig davon, welchen rechtlichen Status diese Vereinigung und ihre Mitglieder aufgrund nationalen Rechts haben, deren Betrieb sich im räumlichen Geltungsbereich der Verträge im Sinne des Art. 52 EUV in Verbindung mit den Art. 349 und 355 AEUV befindet und die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Unter Betrieb ist gemäß Art. 4 lit. b) der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 die Gesamtheit der für landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzten und vom Betriebsinhaber verwalteten Einheiten, die sich im Gebiet desselben Mitgliedstaats befinden, zu verstehen.
Im Zusammenhang mit der Betriebsprämienregelung bedeutet der Begriff der Verwaltung zwar nicht, dass dem Landwirt die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über die Flächen in Bezug auf deren landwirtschaftliche Nutzung zustehen muss. Er muss jedoch im Hinblick auf diese Flächen über eine hinreichende Selbständigkeit bei der Ausübung seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit verfügen können (EuGH, U.v. 14.10.2010 – C-61/09 – juris). Dies ist anzunehmen, wenn der Betriebsinhaber in der Lage ist, bei der Nutzung der Fläche eine gewisse Entscheidungsbefugnis auszuüben und die Ausübung der landwirtschaftlichen Tätigkeiten in seinen Namen und für seine Rechnung erfolgt. Soweit der Betriebsinhaber Dritte mit der Erledigung einzelner Aufgaben beauftragt, muss er diesen gegenüber weisungsbefugt sein. Ist dies nicht der Fall, ist eine Zuordnung dieser Flächen zum Betrieb eines Landwirts nicht möglich (vgl. EuGH, U.v. 14.10.2010 – C-61/09 – juris; OVG Lüneburg, U.v. 23.5.2013 – 10 LB 138/10 -juris; VG München, U.v. 16.7.2015 – M 12 K 14.483 – juris). Bei der Nutzung einer Grünlandfläche ist bei mehreren Nutzern einzelfallbezogen danach zu fragen, wer auf eigenes Risiko und selbständig die Fläche überhaupt bzw. überwiegend gesät, sonst gepflegt und „geerntet“ hat (VG Oldenburg, U.v. 21.9.2017 – 12A 3046/15 – juris).
Im vorliegenden Fall ist unter den Beteiligten allein streitig, ob das Feldstück 8 vom Kläger selbst bewirtschaftet wird. Aus § 11 MOG (Marktorganisationsgesetz) ergibt sich, dass der Begünstigte in dem Verantwortungsbereich, der nicht zum Bereich der für die Gewährung des rechtlich erheblichen Vorteils zuständigen Stelle gehört, die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des rechtlich erheblichen Vorteils bis zum Ablauf des vierten Jahres, das dem Kalenderjahr der Gewährung folgt, trägt.
Unter Zugrundelegung der oben aufgezeigten Vorgaben kommt das Gericht nach Durchführung der mündlichen Verhandlung mit Zeugeneinvernahme im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 108 VwGO) zu der Überzeugung, dass der Kläger im Förderjahr 2016 als Betriebsinhaber das Feldstück 8 selbst bewirtschaftete. Die Angaben des Klägers und des Zeugen K. stimmen in den wesentlichen Punkten überein. Der Zeuge K. hat die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen bestätigt. Die Angaben sind stimmig und in sich schlüssig und ergeben ein widerspruchsfreies Gesamtbild, ungeachtet kleinerer Abweichungen, die auf nachvollziehbaren Erinnerungslücken aufgrund des zeitlichen Abstands beruhen. Der Zeuge K. hat in der Verhandlung nach Überzeugung des Gerichts einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen und glaubhafte Aussagen getätigt. Der Zeuge räumte ehrlich ein, wenn er sich an manche Tatsachen nicht mehr (im Detail) erinnern konnte. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge aus „Gefälligkeit“ mit dem Kläger abgesprochene Aussagen getätigt hätte, konnte das Gericht nicht erkennen.
Demnach hatte der Kläger als Eigentümer das Nutzungsrecht über die streitgegenständliche Fläche. Die Beauftragung des Wiesennachbarn, der Zeuge K., im Jahr 2016 die Fläche mit zu mähen, steht dem nicht entgegen. Ein Pachtverhältnis bestand aufgrund der glaubwürdigen und nachvollziehbaren Angaben des Zeugen K. insoweit nicht. Herr K. war insoweit nur mit der Erledigung einzelner Aufgaben betraut, die Weisungsbefugnis lag bei dem Kläger. Die Entscheidung, ob die Wiese gemäht wurde, traf der Kläger, auch wenn der Zeuge den genauen Mähzeitpunkt bestimmte. Wenn der Kläger erklärt hätte, dass die Wiese nicht mehr gemäht werden solle, hätte der Zeuge sich daran gehalten. Der Kläger trug zudem das unternehmerische Risiko (Ertrags- und Kostenrisiko) der Bewirtschaftung. So werden die jährlichen Feldbegehungen zur Beurteilung der Unkrautsituation vom Kläger selbst durchgeführt. In der mündlichen Verhandlung legte er Lichtbilder mit Fotos der Wiese sowie des Randbereichs, insbesondere mit den Brennnesseln und dem Windbruch, den er habe aufräumen müssen, vor. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen wäre es das Problem des Klägers gewesen, wenn das Mähgut z.B. infolge von Überflutung nicht brauchbar gewesen wäre. Der Zeuge habe jederzeit sagen können, er mähe die Wiese nicht mit, weil es sich nicht lohne. Unerheblich ist, dass die geschilderten Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Zeugen K. nicht schriftlich festgehalten wurden. Ein entsprechender Hinweis wie im Merkblatt „Mehrfachantrag 2018“, dass die Beauftragung nachweislich (ggf. schriftlich) in Form gezielter Anweisungen erfolgen sollte, ist im Übrigen im hier maßgeblichen Merkblatt „Mehrfachantrag 2016“ nicht enthalten.
Schließlich wurde auch der Beitrag zur Berufsgenossenschaft vom Kläger entrichtet.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Bericht zur Vor-Ort-Kontrolle und bei dem Ergebnisbericht vom 15. November 2016 nicht um eine eigenständige Sachentscheidung (vgl. § 44a VwGO), sondern um eine bloße – nicht selbständig angreifbare – Verfahrenshandlung handelt, deren etwaige Rechtswidrigkeit bei der Überprüfung der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 44a Rn. 7).
Nach alledem hat die Klage Erfolg.
Die Kostenentscheidung des gerichtlichen Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.