Steuerrecht

Grundsteuererlass wegen wesentlicher Ertragsminderung

Aktenzeichen  B 4 K 17.173

Datum:
21.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 33912
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GrStG § 33
AO § 90

 

Leitsatz

1 Allein der Umstand, dass der Rohertrag des streitgegenständlichen Objekts im Erlasszeitraum 0,00 EUR betrug, rechtfertigt noch nicht die Annahme einer Ertragsminderung gemäß § 33 Abs. 1 GrStG um 100%. Die Ermittlung der Minderung des normalen Rohertrags in den Fällen des § 33 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 GrStG erfordert vielmehr die Gegenüberstellung des erzielten Ertrages und des an Ertrag „Üblichen“. Es obliegt insoweit dem Steuerschuldner, Objekte gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung zu benennen, die einen Ertrag bringen. (Rn. 20 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Minderung der Ausnutzung bei Neugründungen fällt in der Regel in den Bereich des Unternehmerrisikos. Sie ist daher auch vom Unternehmer im Sinne von § 33 Abs. 1 S. 1 GrStG zu vertreten. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, obwohl die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend oder vertreten war. Denn in den ordnungsgemäßen Ladungen ist auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Klägerseite hatte mit Schreiben vom 21.02.2018 darauf hingewiesen, dass sie nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen werde.
1. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin die Grundsteuer für das Jahr 2014 zu erlassen, ist gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht auszusprechen, weil die Ablehnung des Erlassantrages rechtmäßig und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt ist.
1.1 Der Antrag auf Aufhebung des Bescheids im Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 28.02.2017 ist wohlwollend dahingehend auszulegen, dass die Beklagte verpflichtet werden soll, der Klägerin die Grundsteuer für das Jahr 2014 in Höhe von 50% zu erlassen. Gemäß § 88 VwGO ist das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Das erkennbare Ziel der Klägerin ist, dass ihr die Grundsteuer für das Jahr 2014 so weit wie möglich erlassen werde. Dieses Ziel ist mit dem gestellten Anfechtungsantrag nicht zu erreichen. Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend war und hierzu keine Stellung nehmen konnte, war ihr Antrag entsprechend auszulegen.
1.2 Gemäß § 33 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Grundsteuergesetz (GrStG) wird die Grundsteuer in Höhe von 25 Prozent erlassen, wenn bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 50 Prozent gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat; beträgt die Minderung des normalen Rohertrags 100 Prozent, ist die Grundsteuer in Höhe von 50 Prozent zu erlassen. Bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken wird der Erlass nach § 33 Abs. 1 Satz 3 GrStG darüber hinaus nur gewährt, wenn die Einziehung der Grundsteuer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs unbillig wäre. Normaler Rohertrag ist gemäß § 33 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 GrStG bei bebauten Grundstücken die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzte übliche Jahresrohmiete. Bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken gilt gemäß § 33 Abs. 2 GrStG als Minderung des normalen Rohertrags die Minderung der Ausnutzung des Grundstücks. Gemäß § 34 Abs. 1 GrStG wird der Erlass jeweils nach Ablauf eines Kalenderjahres für die Grundsteuer ausgesprochen, die für das Kalenderjahr festgesetzt worden ist (Erlasszeitraum), wobei für die Entscheidung über den Erlass die Verhältnisse des Erlasszeitraums maßgeblich sind. Der Antrag ist bis zu dem auf den Erlasszeitraum folgenden 31. März zu stellen (§ 34 Abs. 2 Satz 2 GrStG).
Der Steuerpflichtige ist nach § 90 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet; er hat insbesondere die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen und die ihm bekannten Beweismittel anzugeben (BVerwG, U.v. 14.05.2014, Az. 9 C 1/13, Rdnr. 19; B.v. 03.12.2014, Az. 9 B 73/14, Rdnr. 4; BayVGH, B.v. 08.12.2016, Az. 4 ZB 16.1583, Rdnr. 13 – jeweils juris).
Für den streitgegenständlichen Erlasszeitraum 2014 wurde der Antrag am 02.03.2015 und damit rechtzeitig gestellt. Es fehlt aber an einer Ertragsminderung im Sinne des § 33 GrStG (a). Würde man eine solche unterstellen, wäre davon auszugehen, dass die Klägerin sie zu vertreten hat (b).
a) Zwar scheitert der beantragte Grundsteuererlass nicht daran, dass die Ertragslosigkeit des Objektes der Klägerin möglicherweise auf strukturellen Gegebenheiten beruht und nicht nur vorübergehender Natur ist. Insoweit hat sich das Bundesverwaltungsgericht in einer Grundsatzentscheidung vom 24.04.2007 der Auffassung des Bundesfinanzhofs angeschlossen, dass ein Grundsteuerlass gemäß § 33 Abs. 1 GrStG nicht nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht kommt, sondern auch strukturell bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur erfassen kann (BVerwG, B.v. 24.04.2007, Az. GmS-OGB 1/07, juris; BFH, U.v. 24.10.2007, Az. II R 5/05, juris, Rdnr. 13).
Zum Vortrag der Klägerin, dass durch Verpachtung kein Ertrag habe erzielt werden können, hat sich das Gericht bereits in seinen früheren Urteilen geäußert (VG Bayreuth, U.v. 29.06.2016, Az. B 4 K 15.845, juris; U.v. 02.12.2015, Az. B 4 K 14.452). Allein der Umstand, dass der Rohertrag des streitgegenständlichen Objekts im Erlasszeitraum 2014 0,00 EUR betrug, rechtfertigt noch nicht die Annahme einer Ertragsminderung um 100 Prozent. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert die Ermittlung der Minderung des normalen Rohertrags in den Fällen des § 33 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 GrStG die Gegenüberstellung des von der Klägerin erzielten Ertrages und des an Ertrag „Üblichen“ („nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzte übliche Jahresrohmiete“), wobei § 33 GrStG mit dem „Üblichen“ auf das abhebt, was Objekte vergleichbarer Beschaffenheit an Ertrag bringen. Gefordert ist ein Vergleich mit „anderen“ (BVerwG, U.v. 25.06.2008, Az. 9 C 8/07, Rdnr. 15, juris).
Danach hätte es der Klägerin oblegen, Objekte gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung zu benennen, die einen Ertrag bringen. Es wurden keinerlei Angaben gemacht, die den Schluss auf eine übliche Jahresrohmiete zulassen würden.
Soweit die Klägerin das Objekt ab Mai 2014 eigengewerblich genutzt hat, kommt es auf die Minderung der Ausnutzung des Grundstücks an und darauf, ob die Einziehung der Grundsteuer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs unbillig wäre. Eigengewerbliche Nutzung bedeutet, dass die Person, der das Grundstück bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet wird, die gewerbliche Nutzung auf dem Grundstück ausübt (VG Bayreuth, U.v. 10.09.2014, Az. B 4 K 13.5, Rdnr. 18, juris; Glier, Kommentar zur Grundsteuer, Stand Februar 2011, Rdnr. 12 zu § 33). Die Minderung der Ausnutzung entspricht dabei dem Unterschied zwischen der normalen Ausnutzung und der tatsächlichen Ausnutzung des Gebäudes. Bei Hotels und anderen Beherbergungsbetrieben ist auf die Bettenbelegung oder ggf. auch auf den Umsatz abzustellen. Bei der Entscheidung über einen Grundsteuererlass wegen wesentlicher Ertragsminderung eines Hotelgrundstücks kann die Minderung der Ausnutzung in der Regel nach der durchschnittlichen Bettenbelegung der im Erlasszeitraum vorangehenden Kalenderjahre ermittelt werden (Glier, a.a.O., Rdnr. 12 zu § 33). Auch hierzu hat die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung im Verwaltungsverfahren, alle Belege zuzusenden, die ihre Einnahmen und Ausgaben nachweisen, keinerlei Angaben gemacht. Sie legte lediglich eine Bestätigung des Dipl.-Kaufmann B* … vom 14.12.2017 vor, aus der sich ergibt, dass die Gesellschaft das Geschäftsjahr 2014 mit einem Verlust von mehr als 20.000 EUR abgeschlossen habe. Diese Bestätigung hat auch im Zusammenhang mit der Unbilligkeitsregelung keine Relevanz. Denn die Einziehung der unverkürzten Grundsteuer ist nur dann unbillig, wenn das Unternehmen im Erlasszeitraum ein negatives Betriebsergebnis erzielt hat und die Position Grundsteuer innerhalb des Aufwands von nicht nur geringfügigem Gewicht ist (Glier, a.a.O., Rdnr. 15 zu § 33). Letzteres lässt sich der Bestätigung nicht entnehmen.
b) Davon abgesehen wäre – eine Minderung des Rohertrags bzw. die Minderung der Ausnutzung des Grundstücks im Sinne des § 33 GrStG unterstellt – davon auszugehen, dass die Klägerin diese zu vertreten hat.
Ein Steuerpflichtiger hat eine Ertragsminderung zu vertreten, wenn er selbst durch ein ihm zurechenbares Verhalten die Ursache für die Ertragsminderung herbeigeführt oder es unterlassen hat, den Eintritt der Ertragsminderung durch solche geeigneten Maßnahmen zu verhindern, die von ihm erwartet werden konnten. Ist die Ertragsminderung durch einen Leerstand des Objekts bedingt, so hat der Steuerpflichtige die Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung der Räumlichkeiten zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat. Ob der Steuerpflichtige nachhaltige Vermietungsbemühungen unternommen hat, ist jeweils unter den gegebenen Umständen zu prüfen, wobei es auf die Verhältnisse des Erlasszeitraumes ankommt. Im Einzelnen können etwa der Objektcharakter, der Objektwert, die angesprochene Marktstruktur bzw. das angesprochene Marktsegment sowie die Marktsituation vor Ort berücksichtigt werden (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; vgl. BVerwG, B.v. 13.02.2017, Az. 9 B 37/16, Rdnr. 6, juris, m.w.N.).
Die Klägerin hat – wie in den Verfahren zum Grundsteuererlass für die Kalenderjahre 2012 und 2013 (vgl. zum Kalenderjahr 2013 insbesondere BayVGH, B.v. 08.12.2016, a.a.O., Rdnr. 13) – auch hierbei ihre Mitwirkungspflicht nach § 90 AO nicht erfüllt. Die Klagebegründung vom 13.12.2017 und der Schriftsatz vom 21.02.2018 zeigen keine Bemühungen der Klägerin um eine Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks im Jahr 2014 auf. Der Klagebegründung vom 13.12.2017 ist lediglich eine E-Mail vom 13.12.2017 beigefügt, in der eine Interessentin auf eine Annonce auf der Internetseite „…“ antwortet. Diese Annonce ist laut Internetausdruck seit dem 25.09.2013 freigeschaltet. Mit Schreiben vom 21.02.2018 wurde ein Aktenvermerk über ein Telefonat zwischen dem Klägerbevollmächtigten und dem Makler Herrn H* … vom 20.01.2014 vorgelegt. Aus diesem ergibt sich, dass es 35 Interessenten gegeben habe und dass Herr H* …nochmals alle Pachtinteressenten kontaktieren wolle. Diese Belege sind nicht geeignet, Vermietungs-/ Verpachtungsbemühungen der Klägerin für das Jahr 2014 substantiiert darzulegen. Es fehlen insbesondere Angaben, wer wann konkret von dem beauftragten Maklerbüro bzw. von der Klägerin selbst kontaktiert wurde. Bezüglich der Interessenten zur Wohngemeinschaft Plus fehlen Angaben, wann und zu welchen Konditionen und mit welchem Konzept man eine solche Wohngemeinschaft angeboten habe. Soweit auch Verkaufsbemühungen erwähnt werden, sind diese nicht maßgeblich, weil sie die Rohertragsminderung nicht unmittelbar vermeiden können (VG München, U.v. 23.07.2009, Az. M 10 K 08.3415, Rdnr. 53, juris). Es ist nicht Aufgabe des Tatsachengerichts, einen lückenhaften Sachvortrag desjenigen, der sich auf das Vorliegen eines Erlasstatbestands beruf, durch eigene Nachforschungen zu vervollständigen (BayVGH, B.v. 08.12.2016, a.a.O., Rdnr. 14). Die Einvernahme der benannten Zeugen zur Erforschung des von der Klägerin nur oberflächlich vorgetragenen Sachverhalts war nicht geboten, um dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu genügen, weil die Klägerin ihrer vorrangig bestehenden Substantiierungspflicht nicht nachgekommen ist.
Auch in Bezug auf den Vortrag der eigengewerblichen Nutzung ist – die Minderung der Ausnutzung des Grundstücks unterstellt – davon auszugehen, dass die Klägerin diese zu vertreten hat. Bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken hat der Unternehmer eine Minderung der Ausnutzung dann nicht zu vertreten, wenn für ihn keine Möglichkeit bestand, auf deren Ursachen in zumutbarer Weise Einfluss zu nehmen. Eine Minderung der Ausnutzung bei Neugründungen – die hier vorliegt, nachdem der Betrieb zuvor mehrere Jahre still stand – fällt in der Regel in den Bereich des Unternehmerrisikos. Sie ist daher auch vom Unternehmer zu vertreten (VG Kassel, U.v. 23.02.2016, Az. 6 K 19/13.KS, Rdnr 58 m.w.N., juris; Glier, a.a.O., Grundsteuer-Richtlinien, Abschnitt 38). Wird ein Betrieb neu eröffnet, so sind die Anlaufschwierigkeiten, die zu einer Minderausnutzung führen, nicht zu berücksichtigen, denn es wird hier niemand sofort mit einer vollen Ausnutzung rechnen. Für die Anlaufzeit, d.h. für die ersten drei Jahre, wird man deshalb davon ausgehen müssen, dass eine Minderausnutzung vom Eigentümer selbst zu vertreten ist (VG Kassel, a.a.O., Rdnr 58). Es ist der Klägerin daher hier zumutbar, die dadurch entstandenen Belastungen zu tragen.
2. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.

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