Steuerrecht

Option, Verfall einer Option, Werbungskosten im Zusammenhang mit einem Termingeschäft, Werbungskostenabzugsverbot

Aktenzeichen  IX R 49/14

Datum:
12.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 20 Abs 2 S 1 Nr 3 Buchst a EStG 2009
§ 20 Abs 4 S 5 EStG 2009
§ 23 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG 2002
§ 23 Abs 3 S 5 EStG 2002
§ 20 Abs 2 S 1 Nr 3 Buchst a EStG 2002 vom 14.08.2007
§ 20 Abs 9 EStG 2009
EStG VZ 2010
Art 3 Abs 1 GG
Spruchkörper:
9. Senat

Leitsatz

Einkünfte bei einem Termingeschäft i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Satz 5 EStG liegen bei dem Erwerb einer Option auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige die Option bei Fälligkeit verfallen lässt (entgegen BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2012, BStBl I 2012, 953, Rz 27, und vom 27. März 2013, BStBl I 2013, 403) .

Verfahrensgang

vorgehend FG Düsseldorf, 27. Juni 2014, Az: 1 K 3740/13 E, Urteil

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 2014 1 K 3740/13 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1
I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) infolge des Verfalls von Indexoptionen einen steuerlich zu berücksichtigenden Verlust i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt hat.
2
Der Kläger erwarb im Streitjahr 2010  90 500 Indexoptionen auf den Deutschen Aktien Index (DAX) zum Preis von insgesamt 106.213 €. Die Laufzeit der Optionen endete am 15. Dezember 2010. Da sich der DAX nicht so entwickelte wie vom Kläger erwartet, hätte sich bei Ausübung der Optionen kein positiver, sondern ein negativer Differenzbetrag für den Kläger ergeben. Deshalb ließ der Kläger die Optionsscheine bei Fälligkeit verfallen. Die Optionsscheine wurden zum Abrechnungsbetrag von 1 € aus dem Depot des Klägers ersatzlos ausgebucht.
3
Der Kläger erklärte in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2010 Erträge und Gewinne aus Anlagen i.S. des § 20 Abs. 1 und 2 EStG in Höhe von 106.820 € sowie einen Verlust aus den verfallenen Optionsscheinen in Höhe von 106.211 €. Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 19. Juli 2012 ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) den erklärten Verlust in Höhe von 106.211 € unberücksichtigt und unterwarf nur die erklärten Kapitalerträge und Gewinne der Besteuerung.
4
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1580 veröffentlichten Entscheidung führte das Finanzgericht (FG) u.a. aus, es sei ein Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Satz 5 EStG in Höhe der Anschaffungskosten der verfallenen Optionen zu berücksichtigen. Bei den erworbenen Optionsscheinen auf den DAX handele es sich um ein Geschäft, das nur durch Barausgleich (Differenzausgleich) zu erfüllen gewesen wäre, weil der Basiswert (DAX) seiner Natur nach nicht lieferbar sei. Der Kläger habe durch das Verfallenlassen der Optionen das Termingeschäft nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG steuerbar beendet, auch wenn er tatsächlich keinen Differenzausgleich oder anderen Vorteil „erlangt“ habe. Das Verfallenlassen der vom Kläger erworbenen Optionen gelte nach historischer und teleologischer Auslegung der Vorschrift unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. September 2012 IX R 50/09 (BFHE 239, 95, BStBl II 2013, 231) auch ohne das Erlangen eines Differenzausgleichs (Barausgleichs) als steuerpflichtiger Beendigungstatbestand i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG. Die zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. ergangene Rechtsprechung in BFHE 239, 95, BStBl II 2013, 231 sei auf die neue Rechtslage nach Inkrafttreten der Abgeltungssteuer zu übertragen. Denn nach Einführung der Abgeltungssteuer werde nicht mehr zwischen Vermögens- und Ertragsebene unterschieden, weil im Bereich des § 20 EStG sämtliche Vermögenszuwächse der Besteuerung unterworfen werden. Da sämtliche Vermögenszuwächse beim Inhaber der Optionsscheine erfasst werden, müsse dies aufgrund des verfassungsrechtlich gebotenen objektiven Nettoprinzips auch für vergebliche Optionsgeschäfte gelten, die zu einer Minderung privaten Vermögens führten. Die Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten der Optionsscheine stünden in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Termingeschäft und seien daher nach § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG zum Abzug zuzulassen. Der Berücksichtigung des erklärten Verlusts in Höhe von 106.211 € bei den Einkünften aus Kapitalvermögen stehe auch § 20 Abs. 9 EStG nicht entgegen. Denn insoweit sei § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG gegenüber § 20 Abs. 9 EStG die speziellere Norm.
5
Mit seiner Revision bringt das FA u.a. vor, das FG habe § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG verletzt, soweit es die Anschaffungskosten der verfallenen Optionen berücksichtigt habe. Denn der Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG sei nur erfüllt, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich einen Differenzausgleich in Form eines Geldbetrags oder sonstigen Vorteils erlange. Hieran fehle es, wenn der Steuerpflichtige die Option verfallen lasse. Eine davon abweichende Auslegung ließen Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Regelung nicht zu. Der Gesetzgeber habe bei Inkrafttreten der Abgeltungssteuer die bisherige Rechtslage aufrechterhalten wollen. Daher habe er auch den Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. –mit Ausnahme des Wegfalls der Haltefrist– unverändert in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG übernommen. Anderslautenden Auffassungen im Gesetzgebungsverfahren sei er nicht gefolgt. Bis zum Jahr 2012 sei es aufgrund des eindeutigen Wortlauts zudem einhellige Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung gewesen, dass der Verfall von Optionen einkommensteuerrechtlich ohne Bedeutung sei. Aufwendungen im Zusammenhang mit nicht durchgeführten Geschäften könnten allenfalls als vergebliche Aufwendungen angesehen werden, deren Abzug nach § 20 Abs. 9 EStG aber ausgeschlossen sei.
6
Das FA beantragt,das Urteil des FG vom 27. Juni 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Der Kläger beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

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