Aktenzeichen 5 K 1159/15
Leitsatz
Tenor
1. Der Zinsbescheid vom 02.02.2012, geändert durch den Bescheid vom 21.05.2014, dieser in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.06.2015 wird dahin geändert, dass die bisher festgesetzten Sollzinsen in Höhe von 26.026 € um 15.661 € niedriger festgesetzt werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
Die Klage hat mit dem Hauptantrag Erfolg, weil der Beklagte die Berechnungen der Soll-Zinsen unzutreffend vorgenommen hat, nicht aber mit dem Hilfsantrag.
1. Die gesetzlichen Grundlagen der Entscheidung finden sich, soweit für den Streitfall von Bedeutung, in § 233a AO; insbesondere gilt:
Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (§ 233a Abs. 1 S.1 Abs. 2 Sätze 1 u. 3 AO).
Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist (§ 233a Abs. 2a AO).
Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung (§ 233a Abs. 3 Sätze 1 u. 3 AO).
Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden (§ 233a Abs. 4 AO).
Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 entsprechend (§ 233a Abs. 5 AO).
Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind (§ 233a Abs. 7 AO).
2. Zur Auslegung dieser Gesetzesregelungen hat der BFH in gefestigter Rechtsprechung folgende Grundsätze festgelegt:
a) Zweck der Regelungen in § 233a AO 1977 ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden (Begründung zum Gesetzentwurf, BTDrucks 11/2157, S. 194). Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheides objektiv oder typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sog. Vollverzinsung ausgeglichen werden. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist grundsätzlich unbeachtlich (vgl. BFH-Urteile vom 15.10.1998 IV R 69/97, BFHE 187, 198, DStR 1999, 29 und vom 16.11.2005 X R 3/04, BFHE 211, 30, BStBl. II 2006, 155 jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
b) Zu den Sonderregelungen in § 233a Abs. 2a und Abs. 7 AO für den Fall, dass bei einer Steuerfestsetzung ein Verlustrücktrag i.S. des § 10d Abs. 1 EStG zu berücksichtigen ist, wie im hier zu entscheidenden Rechtstreit, gilt nach der BFH-Rechtsprechung Folgendes:
§ 233a Abs. 7 Satz 1 AO regelt nicht nur die Berechnung von Zinsen, die im Anschluss an eine Steuerfestsetzung entstehen, bei der ein in den Anwendungsbereich des § 233a Abs. 2a AO fallender Vorgang berücksichtigt worden ist. Sie erfasst vielmehr auch die Situation, in der die zur Verzinsung führende Steuerfestsetzung selbst zwar nicht auf einem solchen Vorgang beruht, jedoch eine auf einem Verlustrücktrag beruhende Steuerfestsetzung abändert. Diese Fallgestaltung wird von der im Gesetz enthaltenen Formulierung, dass „bei Anwendung des Absatzes 2a“ der in § 233a Abs. 5 Satz 2 AO genannte Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge aufzuspalten sei, ebenfalls erfasst. Der Gesetzeswortlaut besagt insoweit u.a., dass bei der Berechnung der gemäß § 233a Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 AO „entfallenden“ Zinsen der dort genannte Unterschiedsbetrag nach Maßgabe des § 233a Abs. 7 Satz 1 AO in Teil-Unterschiedsbeträge aufzuteilen ist und dass die durch beide Beträge ausgelösten Zinsen isoliert voneinander entfallen können. Soweit der Anweisung in Tz. 42 zu § 233a des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung – AEAO – (BStBl. I 2008, 26) ein abweichendes Verständnis zu Grunde liegen sollte, könnte der (BFH-)Senat dem nicht folgen (BFH-Urteil vom 26.11.2008 I R 50/07, Rn. 11 u. 16, BFH/NV 2009, 883).
3. Hiernach ist zunächst festzuhalten, dass bei mehrfacher Änderung der Steuerfestsetzungen oder Anrechnungsbeträge der Zinsbetrag für jede Änderung gesondert berechnet werden muss. Das macht bei Änderungen, die teils zugunsten und teils zuungunsten des Stpfl. wirken, umfangreiche Rechenwerke notwendig (vgl. BMF AEAO zu § 233a 47 ff). Dies erfordert einen erheblichen Aufwand und die Berechnungen sind für den Steuerpflichtigen oft unverständlich und können in Einzelfällen zu schwer verständlichen Ergebnissen führen (vgl. Heuermann in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 244. Lieferung 09.2017, § 233a AO, Rn. 39a und Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 149. Lieferung 07.2017, § 233a AO, Rn. 60). Waren vor einer Korrektur der Steuerfestsetzung bereits Nachzahlungszinsen angefallen, sind diese, soweit sie auf den Herabsetzungsbetrag entfielen, für die Zeit ab Beginn der Karenzzeit zu mindern, allerdings begrenzt auf den Unterschiedsbetrag, der sich bei Beginn des Zinslaufs ergab (vgl. Kögel in: Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 134. Lieferung, § 233a AO 1977, Rn. 144 u. Rn.145 abgewandeltes Beispiel nach AEAO zu § 233a, Nr. 55).
4. Unter den Umständen des Streitfalles hat die Klage bezüglich der Zinsfestsetzung Erfolg, weil der Beklagte die Berechnungen der Soll-Zinsen in den Bescheiden vom 02.02.2012 und vom 21.05.2014, dieser in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.06.2015, unzutreffend vorgenommen hat. Insbesondere war eine Änderung der Zinsfestsetzung nach § 233a Abs. 5 AO auch hinsichtlich der Nachzahlungszinsen (Soll-Zinsen) im berichtigten Bescheid vom 21.05.2014 vorzunehmen. Dagegen ist die im Bescheid vom 21.05.2014 vorgenommene Berechnung der Erstattungszinsen (Ist-Zinsen) auf die von den Klägern erfolgten Steuerzahlungen i.H.v. 4.112 € unstreitig und nach Auffassung des Senats zutreffend erfasst.
Der hier zu entscheidende Streitfall zeichnet sich dadurch aus, dass der Beklagte gerade die Soll-Zinsen unzutreffend berechnet hat. Hierin liegt der Unterschied z.B. zum Sachverhalt im BFH-Beschluss vom 13.03.2007 (Az. I B 5/06, BFH/NV 2007, 1266), in dem der Beklagte den von ihm festgesetzten Zinsbetrag nach Maßgabe des § 233a Abs. 2a und Abs. 7 AO zutreffend berechnet hat (so FG Nürnberg-Urteil vom 06.12.2005 Az. I 318/2002, juris).
Ein Unterschied besteht auch zum Sachverhalt im BFH-Urteil vom 09.08.2006 (Az. I R 10/06, BFHE 214, 101, BStBl. II 2007, 82); der BFH stellt dort klar, dass die Auslegung des § 233a AO dahin gehe, dass sich nach Maßgabe des § 233a Abs. 2a und Abs. 7 AO eine Zinspflicht auch dann ergeben könne, wenn in einem Steuerbescheid einerseits höhere Einkünfte als zuvor und andererseits ein bislang nicht berücksichtigter Verlustrücktrag angesetzt werden und dies per Saldo nicht zu einer Änderung der festgesetzten Steuer führt.
Der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Auffassung, es habe bei der Änderung der Steuerfestsetzung im Berichtigungsbescheid vom 21.05.2014 kein Fall des § 129 AO vorgelegen, sondern die Änderung habe sich aus der Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 20.11.2012 (Az. IX R 30/12, BFHE 240, 4, BStBl. II 2013, 995) ergeben, kann der Senat nicht folgen. Diese genannte Entscheidung hat bei der Änderung der streitgegenständlichen Bescheide offensichtlich keine Rolle gespielt, weil es im Streitfall weder um Verlustvorträge noch um sonstige Einkünfte aus Spekulationsgeschäften ging. Dieser Sachverhalt, der vom BFH nicht zugunsten der dortigen Steuerpflichtigen, sondern im Sinne der Finanzbehörde entschieden worden ist, trifft den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht. Hier geht es um nacherklärte Einkünfte aus Kapitalvermögen und um einen in der Höhe unzutreffend angesetzten Verlustrücktrag. Daher ist mit dem Vortrag der Kläger in der Stellungnahme vom 31.07.2015, dort Anlage 2, davon auszugehen, dass die Änderung ihre Grundlage in § 129 AO hatte, wie auch vom Beklagten in dem beigelegten Schriftsatz vom 03.04.2012 ausgeführt wurde; dagegen spricht nicht, dass im Änderungsbescheid vom 21.05.2014 auf § 172 AO verwiesen wird.
Auf die Frage, nach welcher Vorschrift die Änderung im Bescheid vom 21.05.2014 letztlich erfolgte, kommt es jedoch im Streitfall nicht an, weil jede Änderung der Steuerfestsetzung auch eine Änderung der Zinsberechnung nach sich zieht, wie es aus § 233a Abs. 5 Satz 1 AO folgt.
5. Danach ergeben sich für den Streitfall folgende Grundlagen für die Berechnung der Zinsfestsetzung:
a) Auszugehen ist von der Steuerfestsetzung im Bescheid vom 15.01.2004, aus der sich der maßgebliche Unterschiedsbetrag i.H.v. 244.359,17 € errechnet. Zu beachten ist, dass die Steuerfestsetzung in dem Bescheid vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO hinsichtlich der Anwendung des § 32c EStG bezüglich der Tarifbegrenzung bei gewerblichen Einkünften war. Diese Unsicherheit war aufgrund der maßgeblichen Entscheidungen beseitigt, womit bereits aus diesem Grund eine Neuberechnung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 AO zu erfolgen hatte, mithin gemäß § 233a Abs. 5 AO auch eine Neuberechnung der Zinsen. Diese Korrektur hatte zusammen mit der Berichtigung der Steuerfestsetzung in dem angefochtenen Bescheid vom 02.02.2012 zu erfolgen, die nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgrund nacherklärter höherer Kapitaleinkünfte veranlasst war. Soweit aber bei der Zinsfestsetzung eine Korrektur nach § 10d Abs. 1 EStG vorzunehmen war, so erfolgte diese erstmals bereits in dem Bescheid vom 15.01.2004.
b) Im Streitfall hat der Beklagte im Änderungsbescheid vom 02.02.2012 die Zinsenerhöhung jedoch unzutreffend mit 15.661 € berechnet, weil der Verlustrücktrag offenbar unrichtig zu niedrig eingegeben war. Für die zutreffende Zinsberechnung zum 02.02.2012 sind zunächst Teil-Unterschiedsbeträge nach der zeitlichen Reihenfolge des jeweiligen Beginns der Zinsläufe zu bilden, nämlich für die Verzinsung der fiktiven Steuer, die die nacherklärten Kapitaleinkünfte miteinbezieht, ab dem 01.04.2002, und für die fiktive Steuer, die sich aus der Berücksichtigung des Verlustrücktrages aus dessen Entstehungsjahrs ergab, im Streitfall ab dem 01.04.2003 (§ 233a Abs. 2a AO). Schon diese zeitliche Differenzierung weist der angefochtene Bescheid vom 02.02.2012 nicht aus, sondern stellt für beide Teil-Unterschiedsbeträge den Zinslaufbeginn zum 01.04.2003 fest.
c) Diese Zinsberechnung war jedoch zusätzlich fehlerbehaftet, weil der Beklagte zur Berechnung des Zinsbetrags im Bescheid vom 02.02.2012 einen unzutreffenden Verlustrücktragsbetrag eingegeben hatte, aufgrund eines Eingabefehlers i.S.v. § 129 AO. Diese bei der zutreffenden Zinsfestsetzung vorzunehmende Berichtigung hinsichtlich des Verlustabzugs führt zu einer Zinskorrektur nach § 233a Abs. 5 AO, wobei jedoch auch „insoweit“ die Teilunterschiedsbetragsberechnung i.S.v. § 233a Abs. 7 AO vorzunehmen ist. § 233a Abs. 5 AO trägt der Abhängigkeit der Zinsfestsetzung von der Steuerfestsetzung Rechnung und stellt klar, dass der beschränkten Vollverzinsung nur diejenigen Beträge unterliegen, die dem Gläubiger des Steuer- oder Steuererstattungsanspruchs im Verhältnis zum gesetzlich entstandenen Anspruch „vorenthalten“ werden (vgl. Loose in: Tipke/Kruse, a.a.O., § 233a AO, Rn. 49). Im Ergebnis ist eine Soll-Verzinsung der zutreffend festzusetzenden Steuer zu erreichen (vgl. BFH-Urteil vom 26.11.2008 I R 50/07, a.a.O.), die fehlerhafte Zinsfestsetzung darf keinen Bestand haben. Eine Verzinsung einer zu Unrecht festgesetzten Steuer sieht der Normzweck des § 233a AO nicht vor.
d) Danach ergibt sich, unter Anwendung der zutreffenden Maßgaben in AEAO Tz. 47 zu § 233a AO und bei Berücksichtigung des richtigen Verlustrücktrags für die Zinsfestsetzung im Bescheid vom 02.02.2012 eine Sollverzinsung i.H.v. -273 € (vgl. die Berechnung in der Urteils-Anlage), also im Ergebnis eine Erstattung von bisher festgesetzten Sollzinsen zugunsten der Kläger, keinesfalls eine Erhöhung um 15.661,50 €, wie im Zinsbescheid vom 02.02.2012 ausgewiesen.
Im Bescheid vom 21.05.2014 hätte der Beklagte wegen der zur richtigen Steuerfestsetzung vorzunehmenden Änderungen auch eine Korrektur der Sollzins-Berechnung durchführen müssen. Denn nach jeder Änderung der Steuerfestsetzung ist auch die Zinsfestsetzung zu ändern, wobei ohne Belang ist, auf welcher Rechtsgrundlage die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung beruht (vgl. Loose in: Tipke/Kruse, a.a.O., § 233a AO, Rn. 50 und Koenig, AO-Kommentar, 3. Aufl. 2014, § 233a Rz. 71). Dem hingegen hat der Beklagte in dem Änderungsbescheid vom 21.05.2014 zwar die festzusetzende Einkommensteuer korrigiert, nicht aber die insoweit zwingende Berichtigung der Soll-Zinsfestsetzung vorgenommen. Allein die Berechnung der Ist-Zinsen i.H.v. 4.112 €, die aus der Erstattung der bei Fälligkeit des festgesetzten Nachzahlungsbetrages von 29.559,83 € im Bescheid vom 02.02.2012 entstanden sind, war im Änderungsbescheid vom 21.05.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.06.2015 enthalten.
Zum Ergebnis der Klagestattgabe kommt auch die Berechnung der Kläger im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 14.11.2017, der in der mündlichen Verhandlung dem Beklagten übergeben wurde. Die Berechnung liegt dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag zugrunde. Der Senat konnte jedoch hinsichtlich einer Erstattung auch von Soll-Zinsen i.H.v. 273 €, wie sie zutreffend wäre, nicht über den Klageantrag hinausgehen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
6. Nachdem die Klage mit dem Hauptantrag erfolgreich war, konnte die zudem erhobene Verpflichtungsklage auf Erlass von Zinsen, die die Kläger hilfsweise aufrechterhalten hatten, nicht begründet sein.
Es kann bereits die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage in Zweifel gezogen werden. Den Klägern könnte nämlich das Rechtsschutzbedürfnis daran fehlen, ihr Klageziel über eine Verpflichtung des Beklagten zum Zinserlass nach § 227 AO zu verfolgen, bevor über die Rechtmäßigkeit des Zinsbescheides im Festsetzungsverfahren nach § 239 AO rechtskräftig entschieden wurde (vgl. Herbert in Gräber, FGO-Kommentar, 8. Aufl. 2015, Vor § 33 Rz. 19). So ist im Anfechtungsverfahren gegen die Steuerbzw. Zinsfestsetzung grundsätzlich nicht über einen Billigkeitsantrag zu entscheiden, weil dieser Gegenstand eines eigenständigen Verwaltungsverfahrens ist (vgl. BFH-Beschluss vom 12.07.2012 I R 32/11, BStBl. II 2015, 175, dort Rn. 11). Gleichwohl besteht keine zwingende Rangfolge der beiden Klagen, die eine Aussetzung der Verhandlung über die Verpflichtungsklage nach § 74 FGO erfordert hätte (vgl. Fritsch in Koenig, a.a.O. § 227 AO Rz. 59 mit Nachweisen zur Rechtsprechung).
Zudem ist die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme der Verwaltung, wie hier der Erlass von Zinsen aus sachlichen Gründen, eine eigenständige Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen nachprüfbar und die Prüfung darauf beschränkt ist, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Bei Billigkeitserwägungen vor Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung ist zu prüfen, ob nicht bereits durch die Auslegung des Gesetzes das unbillige Ergebnis vermieden werden kann. Ist dies der Fall, ist für einen Steuererlass wegen sachlicher Unbilligkeit kein Raum; hierin kommt die subsidiäre Natur des Billigkeitserlasses zum Ausdruck (vgl. Loose in: Tipke/Kruse, a.a.O., § 227 AO, Rn. 45).
Nach diesen Grundsätzen und unter den Umständen des Streitfalls konnte der hilfsweise aufrechterhaltene Antrag auf Zinserlass keinen Erfolg mehr haben, weil aufgrund der Rechtsanwendung im Festsetzungsverfahren die Kläger mit ihrem Anliegen obsiegt hatten. Für eine Billigkeitsmaßnahme im Erhebungsverfahren bleibt kein Raum mehr, die Klage auf einen Billigkeitserlass ist jedenfalls unbegründet; den Klägern verbliebe hinsichtlich der Klage auf Zinserlass nur die Klagerücknahme (§ 72 FGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 136 Abs. 1 Sätze 1 u. 2, 143 Abs. 1 FGO. Da die Kläger nur mit dem Hauptantrag erfolgreich waren, nicht aber mit der aufrecht erhaltenen Verpflichtungsklage, hält es der Senat für sachgerecht, die Kosten gegeneinander aufzuheben.
Anlage zum Urteil vom 15.11.2017
Bescheid vom 02.02.2012, wenn Zinslauf richtig vorgegeben worden und der VR von Anfang an richtig erfasst worden wäre.