Aktenzeichen M 25 K 19.2521
Leitsatz
1. Selbst nach erfolgreichem Abschluss einer Drogen- und Alkoholtherapie entfällt eine Wiederholungsgefahr erst dann, wenn der Ausländer sich längere Zeit in Freiheit bewährt und somit die Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens nach Therapieende glaubhaft macht (BayVGH BeckRS 2019, 13685). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Status eines faktischen Inländers kommt grds. für solche Ausländer in Betracht, die aufgrund des Einwachsens in die hiesigen Verhältnisse (Verwurzelung) bei gleichzeitiger Entfremdung von ihrem „Heimatland“ so eng mit der Bundesrepublik verbunden sind, dass sie gewissermaßen deutschen Staatsangehörigen gleichzusetzen sind, während sie mit ihrem „Heimatland“ im Wesentlichen nur noch das Band ihrer Staatsangehörigkeit verbindet (BayVGH BeckRS 2017, 134588). (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die im Bescheid vom 18. April 2019 verfügte Ausweisung des Klägers und das vier- bzw. sechsjährige Einreise- und Aufenthaltsverbot sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Die Ausweisung des Klägers erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12) als rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für die Ausweisung ist § 53 Abs. 1 AufenthG, wonach ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen wird, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen am weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
b) Der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet stellt eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, da mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Kläger erneut erheblich straffällig wird (vgl. zum Prognosemaßstab BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris).
Der Kläger wurde vom Landgericht München I wegen einer besonders schweren Straftat verurteilt. Am … Januar 2017 hat er gemeinsam mit seinem Bruder und einem weitere Mittäter versucht, mit Gewalt Dritte zur Herausgabe von Geld zu bewegen. Bei diesem versuchten Raub kam, wenn auch absprachewidrig, ein Messer zum Einsatz, mit dem die Mitarbeiterin des Geschäfts bedroht wurde. Diese verspürte während der Tat Todesangst und hatte über 3 Monate nach der Tat immer wieder starke Angstzustände. Dabei ist unerheblich, dass der Tatplan im Wesentlichen vom Bruder des Klägers ausging. Denn der Kläger hat durch seine Mittäterschaft den versuchten Raubüberfall erst ermöglicht. Obwohl der Kläger wegen dieser Tat vom 27. März bis 24. April 2017 in Untersuchungshaft war, hat er bereits am … Juni 2017 einen Ladendiebstahl begangen. Weniger als ein Monat nach der Verurteilung durch das Landgericht München I am … November 2017 hat er im Dezember 2017 – wohl auch zur Finanzierung seiner Drogensucht und zur Erzielung eines Gewinns – 475 g Marihuana über einen weiteren Täter an einen Dritten abgegeben, damit dieser die Drogen veräußere. Durch Androhung von Gewalt fordert er diesen zur Übergabe von 2.000 EUR auf. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung hatte er mit dem Handel von Drogen im Oktober 2017 begonnen und diesen bis zu seiner Verhaftung am 21. Februar 2018 fortgesetzt. Der Kläger hat somit in offener Bewährung eine weitere erhebliche Straftat begangen. Er ist Wiederholungstäter und Bewährungsversager. Während seiner Untersuchungshaft wurde er dreimal disziplinarisch geahndet (6.3.2018: Schreien im Haftraum; 8.3.2018: Beleidigung Bediensteter; 28.3.2018 aggressives Verhalten, Schlagen eines Mitgefangenen). Im August 2018 erfolgte nach der Verurteilung durch das Amtsgericht M… aus erzieherischen Gründen die Verlegung des Klägers für 4 Wochen in den Erwachsenenvollzug (AG München, B.v. 22.8.2018), da er gegenüber den übrigen jungen Inhaftierten äußerst fordernd und körperlich einschüchternd auftrat. Im Vollzug der Strafhaft war sein Verhalten dann beanstandungsfrei.
Zwar sind die Taten des Klägers auch auf seinen Drogen- und Alkoholkonsum zurückzuführen, da er nach seinen Angaben seit dem 14. Lebensjahr Marihuana und Kokain konsumierte und sich der Konsum ab dem 16. Lebensjahr steigerte. Nach den Ausführungen im Urteil des Landgerichts München I waren jedoch auch Probleme in der Schule Auslöser für den versuchten besonders schweren Raub (S. 40 d. U.).
Die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch den Kläger entfällt (derzeit) auch nicht, obwohl er zwischenzeitlich eine Drogen- und Alkoholtherapie regulär beendet hat. Denn selbst nach erfolgreichem Abschluss einer Drogen- und Alkoholtherapie entfällt eine Wiederholungsgefahr erst dann, wenn der Kläger sich längere Zeit in Freiheit bewährt und somit die Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens nach Therapieende glaubhaft macht (BayVGH, Beschluss vom 9.5.2019 – 10 ZB 19.317 – juris; BayVGH, U. v. 3.2.2015 – 10 B 14.1613 – juris). Zwar trat beim Kläger nach seiner Entlassung aus der Therapie am 2. Oktober 2019 eine gewisse Konsolidierung ein. Er arbeitet, und hat ab 1. September 2020 eine Lehrstelle in Aussicht. Des Weiteren hat er eine feste Freundin. Der bislang vergangene Zeitraum reicht jedoch (noch) nicht aus, um von einer dauerhaften Verhaltensänderung des Klägers auszugehen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger während der Untersuchungshaft dreimal disziplinarisch geahndet wurde und die vorgebrachte beständige Verhaltensänderung für das Gericht nicht glaubhaft ist.
Angesichts der Bedeutung der möglicherweise durch die Begehung weiterer Straftaten bedrohten Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit ist vom Entfallen der Wiederholungsgefahr zum derzeitigen Zeitpunkt nicht auszugehen.
Eine nach der Entlassung des Klägers aus der Therapieeinrichtung erforderliche Entscheidung der Strafgerichte gemäß § 36 Abs. 1 BtMG ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht erfolgt.
Daneben rechtfertigen auch generalpräventive Gründe eine Ausweisung. Die grundlegende Norm des neuen Ausweisungsrechts, § 53 Abs. 1 AufenthG, verlangt nämlich nicht, dass von dem ordnungsrechtlich auffälligen Ausländer selbst eine Gefahr ausgehen muss. Vielmehr muss dessen weiterer „Aufenthalt“ eine Gefährdung bewirken. Vom Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn im Falle eines Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – beckonline, BeckRS 2019, 16744; BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 – juris Rn. 16).
Der Kläger hat nach eigenen Angaben über mehrere Monate mit Drogen gehandelt. Er wurde wegen der Weitergabe von 475 g Marihuana verurteilt. Die Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, sind schwerwiegend und berühren ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit der Bürger nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein. Der Gerichtshof der Europäischen Union sieht in der Rauschgiftsucht ein „großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit“ (vgl. EuGH, U.v. 23.11.2010 – Rs. C – 145/09, Tsakouridis – NVwZ 2011, 221 Rn. 47). Der Drogenhandel stellt eine schwere Beeinträchtigung grundlegender gesellschaftlicher Interessen dar (BVerwG, U.v. 14.5.2013 – 1 C 13/12 – juris Rn. 12). Des Weiteren wurde der Kläger wegen einer Gewaltstraftat (versuchter besonders schwerer Raub) verurteilt. Die generalpräventive Wirkung der Ausweisung ist geeignet, andere Ausländer davon abzuhalten, vergleichbare Straftaten zu begehen. Das Ausweisungsinteresse ist vorliegend auch noch aktuell, da die Tilgungsfrist § 46 Abs. 1 Nummer 2 c BZRG noch nicht abgelaufen ist. Die Ausweisung von Gewaltstraftätern stellt auch eine ständige Verwaltungspraxis der Beklagten dar.
c) Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der gegenläufigen Interessen ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausweisung das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt und die Ausweisung nicht unverhältnismäßig ist, § 53 Abs. 1 AufenthG.
Auf Grund seiner Verurteilung durch das AG M… vom … August 2018 zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren erfüllt der Kläger ein besonders schweres Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.
Dem steht auf Seiten des Klägers ein besonders schweres Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber, da er eine Niederlassungserlaubnis besitzt, in der Bundesrepublik geboren ist und sich seither in Deutschland aufgehalten hat.
Unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten persönlichen Belange des Klägers und der Positionen aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK überwiegt vorliegend das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers. Die Entscheidung wahrt im Übrigen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Zwar berührt die Ausweisung des Klägers seine familiären Beziehungen zu seinen Eltern sowie zu seinen Geschwistern, die im Bundesgebiet leben, Art. 6 Abs. 1 GG. Diese verwandtschaftlichen Beziehungen sind zwar grundrechtlich geschützt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich hieraus kein Anspruch auf Aufenthalt ergibt, sondern dass Art. 6 GG die Behörden verpflichtet, entsprechend deren Gewicht den familiären Bindungen bei Entscheidungen über aufenthaltsbeendende Maßnahmen Rechnung zu tragen. Die Ausweisung greift in diese Familienbeziehungen ein. Den Bindungen zu erwachsenen Familienangehörigen darf in der grundrechtlich gebotenen Abwägung jedoch regelmäßig ein geringeres Gewicht beigemessen werden, als im Verhältnis von Eltern zu minderjährigen Kindern (EGMR, U.v. 17.4.2003 – 52853/99 Yilmaz – beckonline BeckRS 9998, 94437). Dies gilt insbesondere dann, wenn keine zusätzlichen Elemente der Abhängigkeit dargelegt wurden, die über die gefühlsmäßigen Bindungen hinausgehen. Der Kläger ist auf die Unterstützung durch seine Familie nicht angewiesen. Umgekehrt ist auch seine Familie auf die Unterstützung durch den Kläger nicht angewiesen. Den Kontakt zu seiner Familie kann der Kläger auch über neue elektronische Medien aus dem Kosovo aufrechterhalten. Die Beziehung des Klägers zu seiner Freundin unterliegt nicht dem Schutz des Art. 6 GG.
Auch unter Berücksichtigung des Rechts auf Achtung des Privatlebens i.S.d. Art. 8 Abs. 1 EMRK ist die Ausweisungsentscheidung nicht unverhältnismäßig.
Das von Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privatlebens ist als Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu verstehen, die für das Leben eines Menschen in der Gesellschaft konstitutiv sind und denen – angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen – bei fortschreitender Dauer des Aufenthaltes wachsende Bedeutung zukommt (BVerwG, U.v. 22.5.2012 – 1 C 6/11 – juris).
Zwar ist der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK aufgrund der Geburt des Klägers im Bundesgebiet und des durchgehenden Aufenthalts eröffnet, der durch die Ausweisung erfolgende Eingriff ist aber verhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Danach darf eine Behörde in die Ausübung des in Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Rechts eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten notwendig ist.
Unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten BoultifÜner-Kriterien (EGMR, U.v. 2.8.2001 – 54273-00, Boultif; U.v. 5.7.2005 – 46410/99; U. Große Kammer v. 18.10.2006 – 46410/99, Üner) erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig.
Der Kläger ist im Bundesgebiet geboren. Er hat hier den qualifizierenden Mittelschulabschluss gemacht. Eine Ausbildung hat er nicht begonnen. Die private Wirtschaftsschule hat er aufgrund seiner Inhaftierung nicht abgeschlossen. Seit seiner Entlassung aus der Therapieeinrichtung arbeitet er und hat ab 1. September 2020 eine Lehrstelle in Aussicht. Seine wesentlichen sozialen Bindungen bestehen im Bundesgebiet.
Der Kläger wurde bereits als Jugendlicher straffällig. Ein Verfahren wegen Körperverletzung am … Juni 2013 wurde gemäß § 45 Abs. 2 JGG eingestellt, ein weiteres wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Tat: 23. 6. 2016) wurde nach § 45 Abs. 1 JGG eingestellt. Als Jugendlicher hat er den versuchten besonders schweren Raub und als Heranwachsender den unerlaubten Betäubungsmittelhandel begangen.
Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger den versuchten besonders schweren Raub als Jugendlicher beging, ist die Ausweisung angesichts der bei einer Realisierung der Wiederholungsgefahr bedrohten Rechtsgüter nicht unverhältnismäßig (vgl. EGMR, Große Kammer, U.v. 23. 6 2008 – 1638/03 – Maslov II). Bei den für die Begründung der Ausweisungsentscheidung herangezogenen Straftaten handelt es sich um keine typische Jugenddelinquenz, sondern vielmehr um schwere Straftaten.
Der Kläger verfügt durchaus noch über Beziehungen zu seinem Herkunftsstaat.
Zwar hat die Bevollmächtigte des Klägers angegeben, dass er nur rudimentär albanisch spreche. Jedoch ist der Kläger in einer albanisch sprechenden Familie aufgewachsen. Somit kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger die albanische Sprache, zumindest die Alltagssprache, beherrscht und mit den albanischen Sitten und Gebräuchen vertraut ist. Zudem hat der Kläger im Kosovo Verwandte (3 Onkel väterlicherseits), mit denen er Kontakt hat. Gemeinsam mit seinen Eltern war er bei diesen die vergangenen Jahre ein- bis zweimal im Jahr für je 2 Wochen zu Besuch. Von diesen Verwandten kann er nach seiner Abschiebung Unterstützung erhalten. Des Weiteren kann er auch von seinen im Bundesgebiet lebenden Eltern in der Anfangsphase Unterstützung erhalten.
Der Status eines faktischen Inländers kann dem Kläger nicht zugebilligt werden. Dieser Status kommt grundsätzlich für solche Ausländer in Betracht, die aufgrund des Einwachsens in die hiesigen Verhältnisse (Verwurzelung) bei gleichzeitiger Entfremdung von ihrem „Heimatland“ so eng mit der Bundesrepublik verbunden sind, dass sie gewissermaßen deutschen Staatsangehörigen gleichzusetzen sind, während sie mit ihrem „Heimatland“ im Wesentlichen nur noch das Band ihrer Staatsangehörigkeit verbindet (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2017, Az.: 10 B 17.818). Gesichtspunkte für die Integration des Ausländers in D. sind dabei zumindest ein mehrjähriger durchgehender Aufenthalt in Deutschland, gute deutsche Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa durch einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz, einen festen Wohnsitz, ausreichende Mittel, um den Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten zu können, und fehlende Straffälligkeit zum Ausdruck kommt.
Diese Voraussetzungen liegen aufgrund der erheblichen Straffälligkeit des Klägers und der (derzeit) fehlenden beruflichen Integration (er arbeitet in Vollzeit erst seit seiner Entlassung aus der Therapieeinrichtung im Oktober 2019) nicht vor. Im Übrigen hat der Kläger durchaus noch verwandtschaftliche Beziehungen zu seinem Herkunftsland, die er auch durch jährliche Urlaubsbesuche pflegt, so dass eine völlige Entwurzelung nicht vorliegt. Aber selbst bei Annahme der Stellung eines faktischen Inländers würde dies nicht zur Unzulässigkeit der Ausweisung führen. Denn auch unter besonderer Berücksichtigung dieser Rechtsposition ist die Ausweisung, angesichts der abgeurteilten Straftaten und der Gefahr der Begehung weiterer, erheblicher gemeinschädlicher Straftaten (s.o.) sowie unter Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen nicht unangemessen.
Unter Berücksichtigung sämtlicher beim Kläger zu beachtender Belange ist die verfügte Ausweisung im Hinblick auf die vom Kläger weiterhin ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Straftaten nicht unverhältnismäßig. Dies gilt auch unter Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen.
2. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf zuletzt vier bzw. sechs Jahre ist nicht zu beanstanden. Dass nach § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AufenthG n.F. das Einreise- und Aufenthaltsverbot gesondert und im Fall einer Ausweisung ausweislich des klaren Wortlauts des Gesetzes immer angeordnet werden muss, macht den Bescheid vom 16. April 2019 nicht fehlerhaft, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur früheren Rechtslage war in einer behördlichen Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG a.F. regelmäßig auch die Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots von bestimmter Dauer zu sehen (vgl. BayVGH, B.v. 11.9.2019 – 10 C 18.1821 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 13. Juli 2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 72; BVerwG, U.v. 25.7.2017 – 1 C 13.17 – juris Rn. 23). Hinsichtlich der Dauer der Sperrfrist gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG n.F. bedarf es – wie auch nach der alten Rechtslage – der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen – das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt – das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag und wie lange gegebenenfalls eine abschreckende Wirkung der Ausweisung auf andere Ausländer erforderlich ist (Generalprävention). In diesem Rahmen sind auch verfassungsrechtliche Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie die Vorgaben aus Art. 7 Grundrechtecharta, Art. 8 EMRK zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 1 C 20/11 – juris).
Ausgehend von der bestehenden Gefahr der Wiederholung weiterer Straftaten durch den Kläger (s.o.) erscheint auch unter Berücksichtigung der persönlichen und familiären Bindungen des Klägers zum Bundesgebiet sowie in der weiterhin bestehenden Beziehungen in den Kosovo eine Frist von vier bzw. sechs Jahren als angemessen, aber auch erforderlich, um einer schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Begehung weiterer Straftaten zu begegnen. Auch hierbei ist das besondere Gewicht und die Massivität der Straftaten, die im Bereich der Schwerkriminalität anzusiedeln sind, zu sehen sowie das erhebliche Interesse daran zu berücksichtigen, Ausländern vor Augen zu führen, dass solche Taten neben strafrechtlichen auch erhebliche ausländerrechtliche Konsequenzen haben.
3. Keinen Bedenken begegnet die auf §§ 59, 58 AufenthG gestützte Abschie bungsandrohung (Ziffer 3).
4. Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.