Strafrecht

begründeter Schadensersatz bei rechtswidriger Abschiebungshaft

Aktenzeichen  1 U 3473/17

Datum:
15.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 42941
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EMRK Art. 5 Abs. 5
BGB § 242, § 839 Abs. 1, Abs. 2
AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 62a
StVollzG § 109
StrEG § 7 Abs. 3
EGGVG § 23
FamFG § 62

 

Leitsatz

1. Eine rechtskräftige Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Abschiebungshaft hat Bindungswirkung in einem darauf gestützten Schadensersatzprozess vor den Zivilgerichten unabhängig von der möglichen Vertretbarkeit der angeordneten Maßnahme (BGH  BeckRS 2006, 06770). (Rn. 71 – 90) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die gerichtliche Haftanordnung ist der haftantragstellenden Verwaltungsbehörde grds. nicht zuzurechnen. (Rn. 101 – 109) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine dem Trennungsgebot gem. § 62a AufenthG zuwiderlaufende gemeinsame Unterbringung unterfällt dem Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 5 MRK nur, wenn es aufgrund ganz besonderer Umstände zugleich um die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung selbst geht (BGH BeckRS 2013, 13162). (Rn. 112 und 113) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Schadensersatzanspruch wegen des Verstoßes gegen das Trennungsgebot gem. § 62a AufenthG aus Amtshaftung scheitert bis zur Rspr. des EuGH im Jahr 2014 am Verschulden der Behörden. (Rn. 114 – 119) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Haftentschädigung für eine rechtswidrig angeordnete Abschiebungshaft kann mit 30 EUR pro Tag bemessen werden. (Rn. 120 – 127) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

15 O 21372/16 2017-09-20 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Die Berufung des Klägers und die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 20.09.2017, Az.: 15 O 21372/16 werden zurückgewiesen.
II. Von den Gerichtskosten der Berufung tragen der Kläger 85% und der Beklagte zu 1) 15%. Der Kläger hat 70% der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) für das Berufungsverfahren, sowie die gesamten außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) zu tragen. Der Beklagte zu 1) trägt 15% der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren selbst.
III. Das Urteil ist ebenso wie das unter Ziffer I. aufgeführte landgerichtliche Endurteil vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

B.
Die zulässigen Berufungen des Beklagten zu 1) und des Klägers bleiben in der Sache ohne Erfolg und sind daher zurückzuweisen.
I.
Berufung des Beklagten zu 1)
Die Berufung des Beklagten zu 1) ist unbegründet, da das Landgericht München I zu Recht einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 1) in Höhe von 810 € aus Art. 5 Abs. 5 MRK festgestellt hat.
1.
Gemäß Art. 5 Abs. 5 MRK hat jede Person Anspruch auf Schadensersatz, die unter Verletzung von Art. 5 MRK von einer Freiheitsentziehung betroffen ist. Es handelt sich hierbei um einen Fall der Gefährdungshaftung, der an rechtswidriges Verhalten anknüpft, aber vom Verschulden unabhängig ist (BGH, Urteil vom 31. Januar 1966 – III ZR 118/64; BGH, Urteil vom 19. September 2013 – III ZR 407/12). Zutreffend hat das Landgericht insoweit ausgeführt, dass die europäische Menschenrechtskonvention zur Prüfung der Rechtmäßigkeit nicht nur auf die Konvention selbst, sondern im Wesentlichen auch auf die Anforderungen des nationalen Rechts abstellt (vgl. insoweit EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009 – 19359/04, NJW 2010, 2495 – bei juris Rn. 90; BGH, Urteil vom 19.09.2013, a.a.O., bei juris Rn. 16; OLG Stuttgart, Urteil vom 20. Juli 2005 – 4 U 71/05 -, bei juris Rn. 22).
Der Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 MRK umfasst nach ständiger Rechtsprechung auch den Ersatz des immateriellen Schadens, also letztlich Schmerzensgeld (BGHZ 122, 268; BGH, Urteil vom 18.05.2006 – III ZR 183/05; OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 23).
2.
Es ist von fehlender Rechtmäßigkeit der Haftanordnungen vom 03.10.2013 durch das Amtsgericht Passau sowie vom 16.10.2013 durch das Amtsgericht München im Sinne des Art. 5 MRK auszugehen.
2. 1.
Der Senat ist insoweit bei der Frage der Beurteilung der Rechtswidrigkeit an den Beschluss des Landgerichts München I vom 07.11.2013 (Anlage K 5) gebunden, in welchem die Feststellung getroffen wurde, dass die gegen den Kläger verhängte Haft wegen fehlender Verhältnismäßigkeit von Anfang an rechtswidrig gewesen sei.
2. 1.1.
Für eine Bindungswirkung spricht Folgendes:
Der Beschluss des Landgerichts vom 07.11.2013 stellt vergleichbar mit Entscheidungen in Verfahren nach § 23 ff. EGGVG sowie nach § 109 StVollzG eine Entscheidung in einem verwaltungsgerichtsähnlichen Verfahren dar. Soweit in diesen Verfahren Entscheidungen ergehen, die die Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit bestimmter freiheitsentziehender Maßnahmen zum Gegenstand haben, sind diese der formellen und materiellen Rechtskraft fähig (BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 – III ZR 183/05 -, bei juris Rn. 7; vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 29.10.2004 – 16 W 158/04). Sinn und Zweck der genannten Entscheidungen liegt gerade darin, diesen Streitgegenstand zwischen den Beteiligten endgültig, gegebenenfalls auch mit Wirkung für andere Rechtsstreitigkeiten der im Ausgangsprozess Beteiligten, gerichtlich zu klären (BGH, Urteil vom 17.03.1994 – III ZR 15/93, bei juris Rn. 12).
Die Vorschrift des § 62 FamFG, welche die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch bei Erledigung der Hauptsache gerade vorsieht, würde ohne eine entsprechende Bindungswirkung ins Leere laufen. Sie wäre letztlich überflüssig, wenn entsprechenden Entscheidungen eine Bindungswirkung für darauf gestützte Schadensersatzprozesse, welche vor den Zivilgerichten zu führen sind, abgesprochen werden würde
2. 1.2.
Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1) ist eine solche Bindungswirkung auch aus der Rechtsprechung des BGH abzuleiten.
In seiner Entscheidung vom 18.05.2006 (Urteil vom 18. Mai 2006 – III ZR 183/05 -, bei juris Rn. 7) führt der BGH aus, dass aufgrund der Rechtskraft der dort im Beschwerdeverfahren ergangenen Entscheidung die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Abschiebungshaft auch mit Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren und damit für einen Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 MRK feststehe. Es trifft insoweit zwar zu, dass der BGH im Folgenden auch die sachliche Richtigkeit der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts thematisiert; dennoch macht er deutlich, dass er diese Prüfung nur „darüber hinaus“ anstellt. Die vorher postulierte Bindungswirkung als solche wird dadurch nicht in Frage gestellt, auch wenn die Richtigkeit der Beschwerdeentscheidung im dortigen Fall zwischen den Parteien ohnehin unstreitig war.
Für dieses Verständnis spricht auch, dass der BGH sich in der zitierten Entscheidung auf zwei vorangegangene Entscheidungen vom 17.03.1994 (BGH, Urteil vom 17.03.94 – III ZR 15/93) sowie vom 04.11.2004 (BGH, Urteil vom 04. November 2004 – III ZR 361/03) bezieht, in welchen er die Bindungswirkung von Entscheidungen in Verfahren nach § 23 ff. EGGVG sowie nach § 109 StVollzG feststellt. Im Urteil vom 18.05.2006 betont er, dass für die Entscheidung nach dem Freiheitsentziehungsgesetz die gleichen Grundsätze gelten sollten, die der Senat im Amtshaftungsprozess für die Bindungswirkung rechtskräftiger Entscheidungen in den beiden genannten Verfahren entwickelt hat.
An der durch den BGH bejahten Bindungswirkung bestehen auf dieser Grundlage seitens des Senats keine Zweifel. Diese Bindungswirkung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (auf welche sich die Entscheidung des BGH vom 18.05.2006 bezieht) aufgehoben wurde und seit 01.09.2009 durch das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ersetzt wurde, hierbei insbesondere durch die §§ 415 ff. FamFG. Insoweit sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die damals erfolgte Rechtsprechung für die neue Gesetzeslage keine Geltung haben sollte.
2. 1.3.
Die seitens des Beklagten zu 1) angeführte Entscheidung des BGH vom 15.12.2016 (III ZR 387/14) spricht nicht gegen diese Bindung bzw. generell für eine Überprüfungsmöglichkeit der Haftanordnungen gemäß den für staatsanwaltschaftliches und richterliches Handeln auch außerhalb des Spruchrichterprivilegs entwickelten Grundsätzen auf ihre „Vertretbarkeit“ statt auf ihre Richtigkeit hin (zu diesen Grundsätzen vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2016, a.a.O., bei juris Rn. 14).
2. 1.3.1.
Dem Beklagten ist zwar insoweit zuzustimmen, dass der BGH in der genannten Entscheidung die dargelegte Vertretbarkeitsrechtsprechung im Rahmen der Prüfung eines Amtshaftungsanspruches und daran anknüpfend auch im Rahmen der Prüfung eines Anspruches aus enteignungsgleichem Eingriff anwendet.
Entgegen den Ausführungen des Beklagten kann hieraus aber nicht der Schluss gezogen werden, dass dies auch für einen etwaigen Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 MRK wie im vorliegenden Fall Geltung haben soll.
Zum einen spricht der BGH in der genannten Entscheidung unter Randziffer 21 ausdrücklich nur Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff an, ohne sich allgemein zu verschuldensunabhängigen Ansprüchen oder insbesondere konkret zu Ansprüchen aus einer Gefährdungshaftung, wie Art. 5 Abs. 5 MRK, zu äußern.
Zum anderen führt er unter Randziffer 18 der genannten Entscheidung gerade aus, dass auch im Amtshaftungsprozess verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zu berücksichtigen seien, die die Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Maßnahmen feststellten und an welche eine Bindung bestehe. Insoweit fehlt zwar eine ausdrückliche Bezugnahme auf die unter Ziffer 2.1.2. aufgeführten Entscheidungen des BGH, inhaltlich kann diesen Feststellungen aber dennoch entnommen werden, dass der BGH die Bindungswirkung der darin genannten Entscheidungen nicht aufheben, sondern vielmehr bestätigen wollte. Im Fall der Entscheidung vom 15.12.2016 hat der BGH gerade festgestellt, dass es an einer solch verbindlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit durch eine verwaltungsgerichtsähnliche Entscheidung fehle und nur deshalb die Prüfung der Vertretbarkeit des richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Handelns auf der Tatbestandsebene eröffnet sei.
Der BGH nimmt damit hin, dass es abhängig von dem Umstand, ob ein Betroffener zunächst eine Feststellung nach § 62 FamFG erstrebt oder unmittelbar die Zivilgerichte zur Abklärung eines Schadenersatzanspruches nach Art. 5 Abs. 5 MRK anruft, zu divergierenden Bewertungen kommen kann, da unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe zur Anwendung gelangen. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, dass das Landgericht München I im Rahmen seiner Entscheidung nach § 62 FamFG die Vertretbarkeitsrechtsprechung berücksichtigt hätte.
2. 1.3.2.
Gegen die Ableitung einer Aufhebung der Bindungswirkung aus der Entscheidung vom 15.12.2016 spricht auch die Bezugnahme in der Entscheidung auf das Senatsurteil vom 15. Mai 1997, III ZR 46/96. Der BGH führt insoweit aus, dass sich bereits aus dieser Entscheidung aus dem Jahr 1997 ergebe, dass die Rechtswidrigkeit des Eingriffs als Voraussetzung einer Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff entfalle, wenn eine Ermittlungshandlung als vertretbar erachtet werde. Wenn dies aber bereits im Jahr 1997 Auffassung des BGH gewesen war, spricht die Entscheidung vom 18.05.2006 – welche die Bindungswirkung für Ansprüche aus Art. 5 Abs. 5 MRK ausdrücklich feststellt – dafür, dass der BGH eine solche unabhängig von der möglichen Vertretbarkeit der zu prüfenden Maßnahmen aussprechen wollte.
2. 1.3.3.
Gegen eine Übertragbarkeit der in der Entscheidung vom 18.05.2006 erfolgten Vertretbarkeitsprüfung im Rahmen des enteignungsgleichen Eingriffs auf Ansprüche aus Art. 5 Abs. 5 MRK spricht des Weiteren, dass es sich um völlig unterschiedliche Anspruchsgrundlagen und nicht vergleichbare Systeme handelt.
Die Verneinung eines Anspruchs aus enteignungsgleichem Eingriff mangels Rechtswidrigkeit des zu prüfenden Eingriffs führt in der Folge – so wie auch in der Entscheidung des BGH vom 15.12.2016 – zu der Prüfung, ob gegebenenfalls Ansprüche aus enteignendem Eingriff zu bejahen sind.
Im Gegensatz hierzu eröffnet die Verneinung etwaiger Ansprüche aus Art. 5 Abs. 5 MRK wegen möglicher Vertretbarkeit und damit fehlender Rechtswidrigkeit der zu prüfenden Entscheidungen keine Anspruchsgrundlage, auf deren Grundlage unabhängig von der Rechtswidrigkeit den Betroffenen Ansprüche zugesprochen werden könnten. Entgegen den Ausführungen des Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 16.02.2018 kommt insoweit der allgemeine Aufopferungsanspruch nicht als sogenannter „Auffangtatbestand“ zum Tragen.
Ein Anspruch unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Aufopferungsanspruchs scheidet nämlich dann aus, wenn für die Entschädigung Sondervorschriften bestehen. Art. 5 Abs. 5 MRK stellt eine solche Sondervorschrift dar, welche den allgemeinen Aufopferungsanspruch als speziellere Anspruchsgrundlage verdrängt (Herler in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Aufl./2018 Überblick vor 903, Rn. 15; BGHZ 45, 58, bei juris Rn. 79; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., Seite 149, V 1.).
2.2.
Weil der Senat – wie das Vorgericht – an die Entscheidung des Landgerichts München I vom 07.11.2013 gebunden ist, kommt es auf die seitens des Beklagten zu 1) thematisierte Frage, ob die Haftanordnungen vom 03.10.2013 und 16.10.2013 falsch oder zumindest vertretbar waren, nicht an.
3. Entgegen der Berufungsbegründung scheitert ein Anspruch auf Schadenersatz auch nicht daran, dass es bei der – aus Sicht des Beklagten zu 1) unzutreffenden – Feststellung der Rechtswidrigkeit im Beschluss des Landgerichts München I vom 07. November 2013 sein Bewenden haben müsse. Die insoweit zitierte Rechtsprechung des BGH vom 04. November 2004 – III ZR 361/03 hat einen nicht vergleichbaren Sachverhalt zum Gegenstand, da es dort um die Frage einer menschenunwürdigen Unterbringung im Sinne des Art. 3 MRK geht. Art. 5 MRK knüpft zur Begründung eines möglichen Schadensersatzanspruches an die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung an, nicht aber an die Ausfüllung des Begriffes einer menschenunwürdigen Unterbringung, welche nur bei einem Mindestmaß an Schwere als entschädigungspflichtig erachtet wird.
Auch der Einwand, dass in Anlehnung an die Entscheidung des BGH vom 15.12.2016 (III ZR 387/14) beim Kläger ein „Sonderopfer“ zu verneinen sei, da er durch sein „bewusst riskanten Verhalten“ die Haft veranlasst habe, überzeugt nicht. Diese Rechtsprechung ist im konkreten Zusammenhang mit einem Anspruch aus enteignendem Eingriff ergangen und kann auf den streitgegenständlichen Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 MRK – der eine entsprechende tatbestandliche Voraussetzung nicht hat – nicht übertragen werden.
4.
Ein Ausschluss des Anspruchs des Klägers ist auch nicht wegen dessen späteren Verhaltens, im Sinne eines „venire contra factum proprium“ zu bejahen.
4. 1.
Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob im Sinne der Berufungsbegründung ein Verfahrensfehler des Landgerichts München I darin zu sehen ist, dass es die Anwendbarkeit des 242 BGB erst im Rahmen der Urteilsbegründung geprüft haben soll, die Parteien vorher aber nicht auf die mögliche Anwendbarkeit des § 242 BGB im Sinne eines „venire contra factum proprium“ hingewiesen haben soll.
4. 2.
Jedenfalls hat sich ein möglicher Verstoß gegen die Hinweispflicht insoweit nicht auf die Sachentscheidung ausgewirkt, da nach eigener zu treffender Beurteilung des Senats ein Anspruch des Klägers auf der Grundlage des 242 BGB nicht abzulehnen ist (vgl. hierzu Reichhold in Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., § 538 Rn. 7; BGH NJW-RR 03, 1572, bei juris Rn. 9). 4.3.
Grundsätzlich lässt die Rechtsordnung widersprüchliches Verhalten zu. Als missbräuchlich wird ein widersprüchliches Verhalten nur dann zu werten sein, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Es muss objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens vorliegen, weil das frühere Verhalten mit dem späteren unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig sind (Grüneberg in Palandt, a.a.O., § 242, Rn. 55).
Unabhängig von der Frage, ob die diesbezüglichen Grundsätze des deutschen allgemeinen Zivilrechts auf einen Anspruch auf Art. 5 Abs. 5 MRK überhaupt anwendbar sind, sieht der Senat im Verhalten des Klägers kein solch widersprüchliches Handeln, das zum Ausschluss des Anspruchs aus Art. 5 Abs. 5 MRK führen könnte.
Es ist zwar insoweit unstreitig, dass sich der Kläger nach der Entlassung aus der Haft in Kirchenasyl begeben hat und somit letztlich der Zurückschiebung entzogen hat. Losgelöst von der durchaus kontrovers diskutierten Frage, ob die Inanspruchnahme von Kirchenasyl im rechtlichen Sinne als Flucht zu bewerten ist, sieht der Senat darin jedenfalls kein widersprüchliches Verhalten. Für die Frage der Entschädigungspflicht ist nach Auffassung des Senats generell auf den Zeitpunkt der Anordnung der Haft abzustellen und damit auch nur auf die zu diesem Zeitpunkt bekannten Umstände und Tatsachen. Der Kläger hat zudem keinerlei Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, nach einer möglichen Haftentlassung nicht weitere tatsächliche Möglichkeiten – wie z.B. das Kirchenasyl – in Anspruch zu nehmen, um einer Abschiebung zu entgehen. Er hat sich somit in keiner Weise in Widerspruch zu eigenem Verhalten gesetzt, sondern allenfalls hat sein späteres Verhalten im Nachhinein gezeigt, dass die Entscheidung des Landgerichts München I vom 07.11.2013 gegebenenfalls auf unzutreffenden Erwartungen und Vorstellungen beruhte. Diese mögliche Fehleinschätzung seitens des Landgerichts zum Zeitpunkt seiner Entscheidung kann aber nicht im Nachhinein zu Lasten des Klägers korrigiert werden und damit zu einer Versagung seines einmal begründeten Anspruchs führen. Insoweit würde aufgrund nachträglich erst eintretender und bekanntgewordener Umstände die oben erörterte Bindungswirkung unterlaufen werden.
II. Berufung des Klägers Die Berufung des Klägers war mangels Begründetheit ebenfalls zurückzuweisen.
1.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2) kein Anspruch auf Schadensersatz aus Art. 5 Abs. 5 MRK zu. 1.1.
Der Senat hält an seiner Rechtsmeinung fest, dass eine behördlich angeordnete Freiheitsentziehung/Unterbringung einen abgrenzbaren Lebenssachverhalt darstellt, der durch nachfolgende, spätere gerichtliche Entscheidungen beendet wird. Mit diesen gerichtlichen Entscheidungen, denen eine eigenständige rechtliche und tatsächliche Prüfung vorausgegangen ist, beginnt ein neuer Lebenssachverhalt, der der zuvor handelnden Verwaltungsbehörde nicht ohne weiteres zugerechnet werden kann (vgl. OLG München, Urteil vom 11.02.2016, 1 U 3314/15; OLGR Koblenz 2006, 1068, bei juris Rn. 3; OLGR Koblenz 2004, 226, bei juris Rn. 14).
Diese Trennung der Zurechenbarkeit von rechtswidrigen Freiheitsentziehungsmaßnahmen vor und nach einer gerichtlichen Entscheidung folgt unter anderem auch aus den unterschiedlichen Haftungsrahmen von § 839 Abs. 1 und 839 Abs. 2 BGB.
Zutreffend ist zwar der Einwand des Klägers, dass eine Haftanordnung nicht ohne einen entsprechenden Antrag der Ausländerbehörde ergehen kann. Zum einen muss aber der Richter diesem Antrag nicht Folge leisten und zum anderen setzt eine Anordnung der Haft eine eigenständige rechtliche und tatsächliche Prüfung des Richters voraus. Hierfür spricht bereits der Umstand der gemäß § 420 FamFG zu erfolgenden persönlichen Anhörungen des Betroffenen durch das Gericht vor einer Entscheidung. Die Anhörung des Betroffenen stellt wegen ihrer Doppelfunktion der Gewährung des rechtlichen Gehörs sowie der Sachaufklärung einen wesentlichen Bestandteil des Verfahrens dar. Wird sie ohne Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 420 Abs. 2, 34 Abs. 2 FamFG nicht vorgenommen, liegt ein schwerwiegender Verfahrensfehler vor (Grotkopp in: Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 420 Anhörung; Schmidt/Räntsch, Freiheitsentziehungssachen gemäß §§ 415 ff. FamFG, NVwZ 2014, 100; BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 – V ZB 127/10). Auch vor dem Hintergrund dieser Bedeutung der Anhörung kann nicht in Abrede gestellt werden, dass das die Haftanordnung erlassende Gericht aufgrund eigener Sachprüfung eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen hat.
Im Übrigen teilt der Senat auch die Bedenken des Landgerichts dahingehend, dass aufgrund der Ausgestaltung des § 5 Abs. 5 MRK als einem Tatbestand der Gefährdungshaftung dieser nicht ohne weiteres auf sämtliche Handlungen ausgedehnt werden kann, die im Vorfeld der (möglicherweise rechtswidrigen) Haftanordnung des Gerichts stehen.
Dieser Bewertung stehen die Ausführungen in der Berufung nicht entgegen. Es ist zwar zutreffend, dass die Beklagte zu 2) gemäß § 422 Abs. 3 FamFG für den weiteren Vollzug der Haft zuständig ist, aber sie handelt hierbei dennoch in dem Bewusstsein, dass ein Gericht die Haft aufgrund eigener Prüfung angeordnet hat.
Vor diesem Hintergrund greift auch der Einwand nicht, dass das Gericht in Fällen der anzuordnenden Haft im Gegensatz zum Unterbringungsrecht die Folgen des Haftantrags nur „perpetuiere“. Die Entscheidung des OLG Koblenz vom 01.08.2006 (Az.: 1 U 724/06) hat entgegen den klägerischen Ausführungen gerade einen Fall rechtswidriger Freiheitsentziehung in Form von Abschiebehaft zum Gegenstand und bezieht sich lediglich im Rahmen der Begründung auf eine Entscheidung, in der über eine rechtswidrige Unterbringung entschieden wurde. Diese Bezugnahme spiegelt auch die Ansicht des Senats wider, dass sowohl bei Unterbringungssachen als auch bei Haftsachen die Gerichte eigenständige Entscheidungen hinsichtlich deren Anordnung zu treffen haben. Die Unterschiedlichkeit der zugrunde liegenden Sachverhalte ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, auch wenn die Prüfungsvoraussetzungen in Einzelheiten differieren sollten.
1. 2.
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass staatliche Gerichte autonom, nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage die entsprechenden Maßnahmen ergreifen und die gerichtliche Entscheidung die Kausalität unterbricht, ist nur dann anzunehmen, wenn die gerichtliche Entscheidung gerade auf einem rechtlichen Fehlverhalten der Verwaltungsbehörde beruht. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Verwaltungsbehörde das Gericht unzutreffend informiert, die entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte nicht darlegt oder auch bei Änderung der wesentlichen Sachlage nicht von sich aus eine nochmalige Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung herbeiführt (OLG München, Urteil vom 11.02.2016, 1 U 3314/15; OLGR Koblenz 2006, 1068, bei juris Rn. 3).
Von in diesem Sinne fehlerhaften Mitteilungen der Verwaltungsbehörde ist vorliegend nicht auszugehen. Entgegen dem klägerischen Vorbringen hat die Bundespolizei in ihrem Antrag vom 02.10.2013 unter Ziffer 3 auf den Umstand hingewiesen, dass der Kläger bei der Einreise in Begleitung seiner Ehefrau und eines Kleinkindes gewesen sei (vgl. Anlage B 1 bzw. B 1-4).
Auf dieser Grundlage erfolgten die Entscheidungen des Amtsgerichts Passau und des Amtsgerichts München in Kenntnis dieses maßgeblichen Umstandes und beide Gerichte trafen eine originäre Entscheidung.
1. 3.
Soweit mit der Klage geltend gemacht werden soll, dass die Beklagte zu 2) auch unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das Trennungsgebot aus § 62a AufenthG haften würde, kann dem nicht gefolgt werden.
Es trifft zwar zu, dass die Beklagte zu 2) für den Vollzug der Freiheitsentziehung zuständig ist und dieser gegebenenfalls wegen der Unterbringung in einer normalen Haftanstalt in der Rückschau als rechtswidrig zu bewerten wäre (was das Landgericht im vorliegenden Fall in seinem Beschluss vom 07.11.2013 aber nicht bindend festgestellt hat, da lediglich auf die fehlende Verhältnismäßigkeit der Haftanordnungen abgestellt wurde).
Eine dem Trennungsgebot zuwiderlaufende gemeinsame Unterbringung eines Abschiebungshäftlings mit einem Strafgefangenen oder Untersuchungshäftling unterfällt aber grundsätzlich nicht dem Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 5 MRK. Die Garantie des Art. 5 Abs. 5 EMRK bezieht sich nämlich grundsätzlich nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht aber auf die Modalitäten des Vollzugs der Haft. Daher ergeben sich aus ihr keine Rechte inhaftierter Personen in Bezug auf ihre Behandlung in der Haft (BGH NJW 2013, 3176, bei juris Rn. 30; BGH, Urteil vom 29.04.1993 – III ZR 3/92, bei juris Rn. 17; OLG Bamberg, Beschluss vom 14.01.2014 – 4 U 112/13, bei juris Rn. 10; Schmidt/Räntsch, a.a.O.).
Nur in Ausnahmefällen, wenn es aufgrund ganz besonderer Umstände zugleich um die Rechtmäßigkeit der Haftanordnungen selbst geht, stellen die Umstände des Vollzugs zugleich die Rechtmäßigkeit der Haft im Sinne des Art. 5 MRK in Frage (BGH, NJW 2013, 3176, bei juris Rn. 31). Ein solcher Fall liegt nicht vor.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2) unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen das Trennungsgebot auch kein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der Amtshaftung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.
Ein solcher Anspruch scheitert jedenfalls am Fehlen eines Verschuldens der Behörden des Bundes, da bis zur Rechtsprechung des EuGH im Jahr 2014 eine Unterbringung von Abschiebehäftlingen in normalen Justizvollzugsanstalten durchaus üblich war.
Der BGH hat dem EuGH im Juli 2013 in zwei Verfahren Fragen zur Unterbringung von Abschiebungshäftlingen vorgelegt, welche die Auslegung des Art. 16 der europäischen Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG) und des § 62a Abs. 1 a.F. des deutschen Aufenthaltsgesetzes betrafen (BGH V ZB 40/11; BGH V ZB 144/12). Er hat unter anderem die Frage vorgelegt, ob sich aus Art. 16 Abs. 1 der genannten Richtlinie auch dann die Verpflichtung eines Mitgliedsstaates ergebe, Abschiebungshaft grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen zu vollziehen, wenn solche Einrichtungen nur in einem Teil der föderalen Untergliederungen dieses Mitgliedsstaates vorhanden seien, in anderen aber nicht.
Auch wenn der BGH in den Vorlagen erkennen lässt, zu welcher Meinung er tendiert (vgl. BGH V ZB 40/11, bei juris Rn. 15), zeigen die Vorlagen gleichzeitig auch, dass zu diesem Zeitpunkt umstritten war, welche Anforderungen Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie an den Rückgriff auf gewöhnliche Haftanstalten stellt (BGH, a.a.O. Rn. 12 ff.).
Erst mit der Entscheidung des EuGH vom 17.07.2014 (Az.: C 473/13 und C 514/13) wurde entschieden, dass Art. 16 Abs. 1 der genannten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedsstaat auch dann verpflichtet ist, illegal aufhältige Drittstaatsangehörige grundsätzlich in einer speziellen Hafteinrichtung dieses Staates in Abschiebungshaft zu nehmen, wenn er föderal strukturiert ist und je nach nationalem Recht für die Anordnung und Vollziehung einer solchen Haft zuständige föderale Untergliederung über keine solche Hafteinrichtung verfüge (EuGH, a.a.O., Rn. 32). Mit Beschluss des BGH vom 25.07.2014 (Az.: V ZB 137/14) wurde diese Rechtsprechung umgesetzt und u. a. ausgeführt, dass nach diesem Urteil des EuGH die Unterbringung eines Betroffenen in einem gesonderten Gebäude auf dem Gelände einer Justizvollzugsanstalt nicht mehr als Unterbringung in einer speziellen Hafteinrichtung angesehen werden könne, wie sie von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie verlangt werde, sondern nur noch in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen werden dürfte. Dem folgte auf gesetzlicher Ebene die Änderung des bis dahin geltenden § 62 a AufenthG durch das Aufenthaltsänderungsgesetz 2015, mit welchem klargestellt wurde, dass für die Frage des Vorhandenseins einer speziellen Hafteinrichtung nicht mehr auf die Ebenen eines Landes, sondern auf das Bundesgebiet abzustellen ist (Winkelmann in Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Aufl. 2018, AufenthG § 62 a Rn. 12). Auch § 422 Abs. 4 FamFG, der die Möglichkeit des Vollzugs von Zurückschiebungs- bzw. Abschiebungshaft in normalen Justizvollzugsanstalten voraussetzt, hat damit erst 2014 seinen eigenständigen Regelungsgehalt verloren (Grotkopp in: Bahrenfuss, FamFG, a.a.O., § 422 Wirksamwerden von Beschlüssen, Rn. 18).
Erst auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des EuGH und des BGH war davon auszugehen, dass es auch im Freistaat Bayern nicht mehr zulässig war, Abschiebehäftlinge in gesonderten getrennten Abteilungen normaler Justizvollzugsanstalten unterzubringen. Allein die Vorlagen durch den BGH an den EuGH aus dem Juli 2013 bei den mit entsprechenden Fällen befassten Behörden mussten noch nicht zu einer Änderung der bisher durchgeführten Praxis führen.
3.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 1) auch kein höherer immaterieller Schadensersatzanspruch zu als die vom Landgericht ausgesprochenen 30 € pro Tag erlittener Freiheitsentziehung.
Aus der seitens des Klägers zitierten Entscheidung des BGH vom 31.01.1966 (Az.: III ZR 118/64) können zwar Rückschlüsse auf die rechtliche Einordnung des Art. 5 Abs. 5 MRK gezogen und die Aussage entnommen werden, dass die Bestimmung echten Schadensersatz und nicht nur eine angemessene Entschädigung gewährt. Der BGH hat in dieser Entscheidung aber ausdrücklich die Frage offengelassen, ob Art. 5 Abs. 5 MRK überhaupt auch den immateriellen Schadensersatz umfasst (BGH, Urteil vom 31. Januar 1966 – III ZR 118/64 -, BGHZ 45, 58 bis 83). Rückschlüsse für die im Einzelfall zu bestimmende Höhe eines immateriellen Schadensersatzes können daher aus dieser Entscheidung nicht gezogen werden.
Erst in der Entscheidung des BGH vom 29.04.1993 (III ZR 3/92) wurde ausgesprochen, dass über Art. 5 Abs. 5 auch Schmerzensgeld beansprucht werden kann und der Anspruch seiner Höhe nach nicht auf eine Entschädigung innerhalb der Grenzen des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen beschränkt ist (BGH, a.a.O., bei juris Rn. 48). Angaben zur konkreten Höhe eines entsprechenden Schadensersatzes sind dem Urteil allerdings wiederum nicht zu entnehmen.
Damit wird nach Auffassung des Senats auch nicht ausgeschlossen, dass zumindest eine Orientierung an der im Rahmen von StrEG zu gewährenden Entschädigung nach § 7 Abs. 3 StrEG erfolgen kann (OLG München, Urteil vom 22. August 2013 – 1 U 1488/13, bei juris Rn. 62; in diesem Sinne wohl auch OLG Celle, Beschluss vom 03.11.2006, 16 W 102/06).
Letztlich wird die Höhe des Schadensersatzanspruches in jedem Einzelfall nach festzustellenden Billigkeitsgesichtspunkten zu bestimmen sein (OLG München, Urteil vom 22. August 2013, 1 U 1488/13; vgl. auch Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 12.09.2013, 2 W 2/13, bei juris Rn. 15 ff.).
Die seitens des Klägers in der Klageschrift zitierten Entscheidungen, auf welche mit der Berufung ausdrücklich Bezug genommen wird, rechtfertigen keine vom Landgericht abweichende höhere Festsetzung des Schadensersatzes. Die dort aufgeführten Urteil haben größtenteils mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Sachverhalte zum Gegenstand. Darüber hinaus wird in den genannten Entscheidungen meist auf ein Verschulden der jeweils zuständigen Amtsträger abgestellt und die Ansprüche auch im Rahmen von Amtshaftungsansprüchen geprüft. Gerade der Umstand, dass eine Haftung nicht nur auf einem Gefährdungstatbestand beruht, sondern auch auf einer schuldhaft begangenen Amtspflichtverletzung, kann aber nach Ansicht des Senats im Einzelfall auch eine höhere Entschädigung rechtfertigen (so auch OLG Celle, Beschluss vom 03.11.2006, 16 W 102/06, Rn. 13). Von schuldhaftem Verhalten geht der Senat – wie dargelegt wurde – aber nicht aus.
Jedenfalls in vergleichbaren Fällen ausgesprochene höhere Entschädigungen können den vorgelegten Entscheidungen nicht entnommen werden.
Vor diesem Hintergrund erachtet auch der Senat die zugesprochenen 30 € pro Tag der Freiheitsentziehung als angemessen (vgl. auch OLG München, Urteil vom 22. August 2013 -1 U 1488/13). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar von seiner Familie getrennt wurde, aber nicht aus einem sonstigen vertrauten Umfeld herausgerissen wurde. Die Abschiebehaft ist als solche auch nicht mit einer stigmatisierenden Wirkung verbunden, im Einzelfall besonders belastende Umstände der Haft werden seitens des Klägers im Übrigen nicht dargelegt (vgl. zur Höhe des Schadensersatzes auch: Brandenburgisches Oberlandesgericht, a.a.O., Rn. 16 und 17: 20 € pro Tag; OLG Celle, Beschluss vom 03.11.2006, 16 W 102/06, bei juris Rn. 9: 14,63 € pro Tag; OLG Bamberg, Beschluss vom 14.01.2014, 4 U 112/13, bei juris Rn. 46: unter 10 € wären statt der durch das Landgericht zuerkannten 15 € auch gerechtfertigt).
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen sowohl in Bezug auf die Berufung des Beklagten zu 1) als auch des Klägers vor.
Der Rechtsstreit wirft Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, die bundesweit in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten können, in der Regel mangels Erreichung des hierfür notwendigen Streitwerts einer Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht zugänglich sind.
Klärungsbedürftig erachtet der Senat insbesondere die Fragen, ob eine Überprüfung der Vertretbarkeit richterlichen (ggf. auch sonstigen behördlichen Verhaltens) Handelns im Rahmen von Art. 5 Abs. 5 MRK bei Vorliegen und auch Fehlen fachgerichtlicher Entscheidungen zur Rechtswidrigkeit dieser Entscheidungen durch das Zivilgericht zu erfolgen hat. (Insbesondere die Entscheidung des BGH vom 29.04.1993 – III ZR 3/92 versteht der Senat dahingehend, dass ohne bindende Entscheidung auch im Rahmen des Art. 5 Abs. 5 MRK das der Haftanordnung zugrunde liegende richterliche Verhalten erst dann als rechtswidrig zu bewerten ist, wenn es auch im Sinne der Amtshaftungsrechtsprechung als unvertretbar zu bewerten ist, vgl. BGH, a.a.O. Rn. 20 ff.; in diesem Sinne wohl auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 04. Mai 2009 – 1 W 10/09 -, bei juris Rn. 12).
Insoweit wird ergänzend ausgeführt, dass der Senat ohne bestehende Bindung an die Entscheidung des Landgerichts vom 07.11.2013 die Vertretbarkeit der Haftanordnungen vom 03.10.2013 sowie 16.10.2013 bejahen würde.
Es mag zwar zutreffend sein, dass der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und seiner minderjährigen Tochter in die Bundesrepublik eingereist ist. Allein dieser Umstand macht vor dem Hintergrund seiner Angaben im Rahmen der mündlichen Anhörungen sowohl die einstweilige Anordnung zur Zurückschiebungshaft als auch die Anordnung der Abschiebungshaft nicht unverhältnismäßig und unvertretbar. Der Kläger hat im Rahmen seiner Angaben vor dem Amtsgericht Passau und dem Amtsgericht München deutlich gemacht, dass er keinesfalls in die Slowakei zurück wolle, sondern in Deutschland bleiben wolle. Des Weiteren hat er eingeräumt, dass er erhebliche Geldsummen an Schleuser bezahlt habe, um zumindest bis in die Slowakei zu gelangen und erhebliche Schulden gemacht habe. Vor diesem Hintergrund war es jedenfalls vertretbar, seitens des Amtsgerichts Passau und auch des Amtsgerichts München davon auszugehen, dass die begründete Gefahr bestehe, dass sich der Kläger den weiteren Abschiebungsmaßnahmen entziehen werde (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 10.02.2013 – V ZB 5/00).
Im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen das Trennungsgebot aus § 62a AufenthG wird auf die obigen Ausführungen unter Ziffer II.2. Bezug genommen. Bis zum Zeitpunkt der Entscheidungen des EuGH und BGH zu dieser Thematik waren die ausgesprochenen Haftanordnungen zumindest vertretbar, da sie der bis dahin durchgeführten Praxis entsprachen und keiner gefestigten Rechtsprechung entgegenstanden.
Klärungsbedürftig sind des weiteren die Fragen nach einer fortbestehenden Haftung der Ausländerbehörde bei später ergangenen richterlichen Haftanordnungen sowie nach der Höhe einer angemessenen Entschädigung aus Art. 5 Abs. 5 MRK.
Selbst wenn bislang keine divergierenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte ersichtlich sind, ist eine höchstrichterliche Klärung der aufgeworfenen Fragestellungen veranlasst.

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