Strafrecht

Verlust des Daueraufenthaltsrechts durch Abwesenheit

Aktenzeichen  19 ZB 19.914

Datum:
15.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28128
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FreizügG/EU § 4a, § 6

 

Leitsatz

1. Ob die Begehung einer Straftat nach deren Art und Schwere ein persönliches Verhalten erkennen lässt, das ein Grundinteresse der Gesellschaft i.S.d.  § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU berührt, kann nur aufgrund der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden.  (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einem mit nicht geringen Mengen handelnden, selbst süchtigen Freizügigkeitsberechtigten kann von einem Fortfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange er nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und darüber hinaus die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat.  (Rn. 15 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Therapiestellungnahmen sind nicht als objektive Gutachten, sondern als einseitige Stellungnahmen zu bewerten, weil Drogenberater Interessenvertreter ihrer Klienten sind. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 5 K 17.1620 2019-03-21 VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger, ein im Jahr 1995 im Alter von 5 Jahren ins Bundesgebiet eingereister griechischer Staatsangehöriger, sein in erster Instanz erfolgloses Begehren nach Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 26. Juli 2017 weiter. Mit diesem Bescheid wurde der Verlust seines Freizügigkeitsrechts als Unionsbürger für die Dauer von acht Jahren ab seiner Ausreise festgestellt (Nr. I., II.), der sofortige Vollzug der Verlustfeststellung angeordnet (Nr. III.), der Kläger zur Ausreise aufgefordert und ihm die Abschiebung nach Griechenland angedroht (Nrn. IV., V.). Anlass der Verlustfeststellung ist eine Verurteilung durch das Landgericht N.-F. vom 26. Februar 2016 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach einem Vorwegvollzug von 1 Jahr und 6 Monaten wurde angeordnet. Der Verurteilung liegt ein gemeinschaftlich durchgeführter Handel mit 750,7 Gramm Kokain zu einem Grammpreis von 50 Euro zugrunde, wobei eine polizeiliche Vertrauensperson als Käufer auftrat. Der Kläger war bereits zuvor strafrechtlich in Erscheinung getreten (Verurteilung durch das Amtsgericht H. vom 20.9.2011 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen; Verurteilungen durch das Amtsgericht N. wegen Erschleichens von Leistungen vom 3.6.2014 und vom 22.7.2014 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtstrafe von 45 Tagessätzen; Verurteilung des Amtsgerichts N. vom 19.3.2015 wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen).
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Es begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt wird, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt (z.B. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/547), mithin die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2010 – 7 AV 4/03 – DVBl 2004, 838/839). Solche Zweifel sind nicht dargetan.
Der Kläger beanstandet die Ausführungen des Verwaltungsgerichts betreffend die von ihm ausgehenden Gefahren und betreffend die mit der Verlustfeststellung verbundene Beeinträchtigung seiner privaten Belange. Der Kläger stehe vor dem erfolgreichen Abschluss der Drogentherapie, so dass sich die abstrakte Annahme einer Wiederholungsgefahr verbiete. Die Ermessensausübung der Behörde sei fehlerhaft überprüft worden, da der Kläger faktischer Inländer sei, er seine Eltern und sein gesamtes soziales Umfeld im Bundesgebiet habe. Durch den Militärdienst in Griechenland habe sich der Kläger nicht desintegriert. Die Rechtstellung als faktischer Inländer dürfe aufgrund der vagen Möglichkeit der Wiederholung von Straftaten trotz erfolgversprechender Therapie nicht durch Verbannung vernichtet werden (unter Verweis auf BVerfG, B.v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 – juris). Auch bei Freizügigkeitsberechtigten sei danach zu differenzieren, ob sie faktische Inländer seien oder nicht.
Dieses Vorbringen ist insbesondere an folgenden Regelungen und Grundsätzen zu messen:
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts eines Unionsbürgers auf Einreise und Aufenthalt (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU) u. a. aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit festgestellt werden. Die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung genügt für sich allein nicht, um die in § 6 Abs. 1 FreizügG/EU genannten Entscheidungen oder Maßnahmen zu begründen. Es dürfen nur im Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen und diese nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zu Grunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (§ 6 Abs. 2 FreizügG/EU), wobei diese Feststellung im Allgemeinen bedeutet, dass eine Neigung des Betroffenen bestehen muss, das Verhalten in Zukunft beizubehalten (EuGH , U.v. 22.5.2012 – C-348/09 – juris). Gemäß § 6 Abs. 4 FreizügG/EU darf eine Feststellung nach Abs. 1 nach Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen getroffen werden. Das Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU erlischt nach Absatz 7 dieser Vorschrift bei einer Abwesenheit aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund von mehr als zwei aufeinanderfolgenden Jahren. Bei der Entscheidung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU sind insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 3 FreizügG/EU).
Gemessen an diesen Vorgaben begründet das Vorbringen des Klägers keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verlustfeststellung. Entgegen dem Zulassungsvorbringen besteht auch unter Berücksichtigung des aktuellen Therapieverlaufs eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, durch den Kläger fort (1.). Das Verwaltungsgericht und die Beklagte sind zutreffend davon ausgegangen, dass der Aufenthalt des Klägers im Heimatland von März 2009 bis Mai 2012 zu einem Verlust des Daueraufenthaltsrechts gemäß § 4a FreizügG/EU geführt hat (2.). Schließlich ist auch die von der Beklagten nach § 6 Abs. 1 und Abs. 3 FreizügG/EU zu treffende Ermessensentscheidung – wie vom Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt – nicht zu beanstanden (3.).
1. Die Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat anhand des aufgezeigten Maßstabs unter Berücksichtigung des persönlichen Verhaltens des Klägers und aller sonst erkennbaren Umstände des konkreten Einzelfalls zutreffend die Prognose getroffen, dass eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch das persönliche Verhalten des Klägers zu besorgen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei der Prüfung, ob im Sinn des § 6 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch ein persönliches Verhalten des Betroffenen zu erkennen ist, ebenso wie bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 14.2.2017 – 19 ZB 16.2570; B.v. 8.4.2019 – 10 ZB 18.2284 – juris Rn. 9). Nach dem Gefahrenmaßstab des § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dieser Maßstab verweist – anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizeirecht – nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich ein Grundinteresse der Gesellschaft, das berührt sein muss (vgl. NdsOVG, B.v. 5.9.2019 – 13 ME 278/19 – juris Rn. 6). Eine strafrechtliche Verurteilung kann eine Verlustfeststellung nur insoweit rechtfertigen, als die ihr zugrundeliegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (vgl. EuGH, U.v. 17.4.2018 – C-316/16 und C-424/16 – juris Rn. 92; U.v. 29.4.2004 – C-482/01 und C-493/01 – DVBl. 2004, 876, Rn. 67 m.w.N.). Es besteht zwar keine dahingehende Regel, dass bei schwerwiegenden Taten das abgeurteilte Verhalten allein die hinreichende Besorgnis neuer Verfehlungen begründet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.6.1998 – BVerwG 1 C 27.95 -, InfAuslR 1999, 59). Ob die Begehung einer Straftat nach deren Art und Schwere (vgl. auch EuGH, Urt. v. 29.4.2004, a.a.O., Rn. 99) ein persönliches Verhalten erkennen lässt, das ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, kann ebenfalls nur aufgrund der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und die Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu berücksichtigen. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens zu differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Bei erheblichen Straftaten kann die Annahme einer Wiederholungsgefahr schon bei einer einzigen Verurteilung möglich sein (vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt, AuslR 12. Aufl. 2018, FreizügG/EU § 6 Rn. 18).
In ständiger Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, schwerwiegend sind und ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren (vgl. BVerwG, U.v. 14.5.2013 – 1 C 13.12 – juris Rn. 12 mit Nachweisen zur Rspr. des EuGH und des EGMR). Drogenhandel zählt zu den die Gesellschaft grundlegend berührenden und schwer zu bekämpfenden Straftaten von schwerer Kriminalität (Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV). Die Folgen können insbesondere für junge Menschen äußerst gravierend sein. Der Gerichtshof der Europäischen Union sieht in der Rauschgiftsucht „ein großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit“ (vgl. EuGH, U.v. 23.11.2010 – Rs.C-149/09, Tsakouridis – NVwZ 2011, 221 Rn. 47). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mehrfach klargestellt, dass er in Anbetracht der verheerenden Auswirkungen von Drogen auf die Bevölkerung Verständnis dafür hat, dass die Vertragsstaaten in Bezug auf diejenigen, die zur Verbreitung dieser Plage beitragen, entschlossen durchgreifen (U.v. 30.11.1999 – Nr. 34374-97 „Baghli“ – NVwZ 2000, 1401; U.v. 17.4.2003 – Nr. 52853/99 „Yilmaz“ – NJW 2004, 2147; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.3.2005 – 18 B 445.05 – juris). Die von unerlaubten Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahren betreffen die Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit, welche in der Werteordnung der Grundrechte einen sehr hohen Rang einnehmen. Rauschgift bedroht diese Schutzgüter in hohem Maße und trägt dazu bei, dass soziale Beziehungen zerbrechen und die Einbindung in wirtschaftliche Strukturen zerstört wird. Die mit dem Drogenkonsum häufig einhergehende Beschaffungskriminalität schädigt zudem die Allgemeinheit, welche ferner auch für die medizinischen Folgekosten aufkommen muss.
Das im Bundesgebiet mit einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren geahndete Betäubungsmitteldelikt des Klägers wiegt schwer, insbesondere in Anbetracht der großen Menge und der Gefährlichkeit der gehandelten Droge Kokain (mit hohem Wirkstoffgehalt). Der Kläger hat mit erheblicher krimineller Energie und besonderer Beharrlichkeit die Realisierung eines für ihn gewinnbringenden Drogenhandels in erheblichem Ausmaß verfolgt. Obwohl Bemühungen, das für den Handel vorgesehene Kokain zu beschaffen, zunächst scheiterten, hat der Kläger zusammen mit den Mittätern das beabsichtigte Rauschgiftgeschäft hartnäckig und in großem Stil (unter Ausnutzung von Auslandskontakten und Netzwerken) weiterbetrieben. Der verübte Drogenhandel ist darauf angelegt, die Abhängigkeit der Drogenkonsumenten aufrecht zu erhalten und den Kundenkreis zu erweitern. In Anbetracht der Gefährlichkeit der Droge Kokain und der gehandelten Menge zeigt sich, dass der Kläger in Gewinnerzielungsabsicht und zur Finanzierung der eigenen Sucht sich nicht nur über strafrechtliche Vorschriften bedenkenlos hinwegsetzt, sondern auch skrupellos die Gesundheit und das Leben anderer in Gefahr bringt. Die Schwere der verübten Straftat lässt sich entgegen dem Zulassungsvorbringen auch nicht damit bagatellisieren, dass der Kläger „lediglich jemanden gekannt habe, der größere Mengen Rauschgift liefern konnte“ und die Abwicklung des Drogengeschäfts wegen Beteiligung einer polizeilichen Vertrauensperson „unter Aufsicht der Polizei“ erfolgte.
Die vom Handel mit Kokain in der vorliegenden Größenordnung ausgehende Gefahr wird nicht dadurch entkräftet, dass es sich um ein polizeilich überwachtes Drogengeschäft handelte. Die Tatsache eines überwachten Drogengeschäftes ändert nichts an der Bereitschaft des Klägers zu einer solchen Tat, an seiner insoweit bestehenden kriminellen Energie. Auch stellt die strafmildernde Berücksichtigung (die gleichwohl eine Verurteilung zu sechs Jahren Freiheitsstrafe nicht verhindert hat) keinen Umstand dar, dessentwegen davon ausgegangen werden könnte, vom Kläger gehe eine geringere Gefahr aus.
Die Delinquenz des Klägers reiht sich ein in vorangegangene (wenngleich nur teilweise einschlägige) strafrechtliche Verurteilungen und steht im Zusammenhang mit einer aktiven Betäubungsmittelabhängigkeit von Kokain und Heroin sowie einer inaktiven Abhängigkeit von Methamphetamin. Das hohe Strafmaß von sechs Jahren Freiheitsstrafe spiegelt die schwere Schuld des Klägers und die mit dem Betäubungsmitteldelikt einhergehende gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung wider und belegt dadurch in schwerwiegender Weise das Grundinteresse der Gesellschaft an der Einhaltung der Strafrechtsnormen als Grundregeln für eine friedliche menschliche Koexistenz.
Der fortbestehende Maßregelvollzug in einer Entziehungsanstalt sowie der bisherige Therapieverlauf vermögen die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht zu entkräften.
Bei einem mit nicht geringen Mengen handelnden, selbst süchtigen Freizügigkeitsberechtigten kann von einem Fortfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange er nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und darüber hinaus die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (stRspr. vgl. BayVGH, B.v. 2.1.2019 – 10 ZB 18.1638 – juris; B.v. 14.6.2018 – 10 ZB 18.794 – juris). Solange sich der Ausländer nicht außerhalb des Straf- bzw. Maßregelvollzugs bewährt hat, kann nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung geschlossen werden, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würde (BayVGH, B.v. 31.1.2019 – 10 ZB 18.1534 – juris; B.v. 13.10.2017 – 10 ZB 17.1469 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 6.5.2015 – 10 ZB 15.231 – juris Rn. 11). Eine solche Bewährung hat der Kläger nicht vorzuweisen.
Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 23. Juli 2019 ist die Fortdauer der Unterbringung des Klägers in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden. Es sei noch nicht zu erwarten, dass der Kläger außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Er müsse zunächst unter weiter gelockerten Bedingungen zeigen, dass er den Anforderungen des normalen Alltagslebens gewachsen sei. Die weitere Unterbringung sei trotz der bisherigen Dauer von 2 Jahren und 5 Monaten noch verhältnismäßig im Hinblick auf die Schwere der Anlassdelikte und der künftig zu erwartenden Straftaten sowie der noch hohen Wahrscheinlichkeit hierfür. Die lange Unterbringungsdauer beruhe auf einem therapeutischen Stillstand aufgrund eines laufenden und schließlich eingestellten Ermittlungsverfahrens. Wegen Therapiebereitschaft und Abstinenzfähigkeit komme eine Erledigung der Maßregel wegen Aussichtslosigkeit der Therapie nicht in Betracht.
Erst recht ist vor dem weiteren ausländerrechtlichen Prognosehorizont davon auszugehen, dass trotz der (auch ohne Berücksichtigung des zeitweisen Therapie Stillstands) langen Therapiedauer die Begehung weiterer Straftaten durch den Kläger zu befürchten ist. Die Schwere des verübten Betäubungsmitteldelikts, der hohe Rang der dadurch gefährdeten Rechtsgüter sowie der mehrjährige und in der Jugend begonnene Drogenkonsum lassen in Anbetracht der bislang – auch nach einem Maßregelvollzug von zwei Jahren und fünf Monaten – noch nicht erfolgreich abgeschlossenen Therapie und der fehlenden Bewährung in Zeiträumen ohne Legalbewährungsdruck nicht die Schlussfolgerung zu, dass vom Kläger keine Gefahr der Begehung weiterer Straftaten mehr ausgehe. Ausweislich des psychiatrischen Fachgutachtens von 5. September 2015 konsumierte der Kläger von früher Jugend an diverse Drogen (Amphetamin, Cannabis), seit März 2008 gelegentlich Amphetamin, seit Juni 2013 täglich Methamphetamin sowie seit Ende Mai 2015 täglich Heroin und Kokain. Bezüglich Kokain und Heroin sei von einer aktiven und manifesten Abhängigkeit auszugehen, der Alltag des Klägers sei zuletzt auf den Konsum und den Erwerb von illegalen Drogen ausgerichtet gewesen. Es spreche viel für eine tief verwurzelte innere Disposition, psychotrope Substanzen im Übermaß zu konsumieren.
Die den Beschlüssen der Strafvollstreckungskammer zugrunde liegenden Stellungnahmen des Bezirksklinikums A. lassen trotz positiver Aspekte Vorbehalte und die Notwendigkeit weiterer Erprobung erkennen. Nach der Stellungnahme des Bezirksklinikums A. vom 30. November 2018 sind Tendenzen des Untergebrachten zu Bagatellisierung, Externalisierung und Selbstüberschätzung nach wie vor vorhanden. Wegen des Verdachts einer begangenen Straftat zog die Klinik zum damaligen Zeitpunkt einen Abbruch der Maßregel in Betracht. Dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren lag zugrunde, dass der Kläger in Ausübung einer am 20. August 2018 bei einem Paketdienstleister aufgenommenen Beschäftigung am 5. September 2018 in den Verdacht des gemeinschaftlichen Diebstahls eines Handys aus einem Paket geriet. Nach der Zeugenaussage des Betriebsleiters gründete sich der Verdacht auf eine Videoaufzeichnung; als er den Kläger einen Tag später darauf ansprechen wollte, sei der Kläger „wieder einmal unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen“. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde am 28. Januar 2019 mangels Nachweises eines Tatvorsatzes eingestellt. Die Aussetzung der Lockerungen wurde danach zurückgenommen. Auch nach der Stellungnahme des Bezirksklinikums A. vom 7. Mai 2019 ist eine weitere Erprobung des Untergebrachten unter gelockerten Bedingungen erforderlich.
Bei der Würdigung der in den Therapieberichten genannten positiven Aspekte ist zu berücksichtigen, dass Therapieberichte keine objektiven Bewertungen oder gar Begutachtungen darstellen. Zu einer effektiven Drogenberatung ist ein enges Vertrauensverhältnis zwischen dem Drogenabhängigen und dem Berater erforderlich. Der Berater ist kein verlängerter Arm des Staates, weil Drogenberater Interessenvertreter ihrer Klienten sind. Daher sind die Therapiestellungnahmen nicht als objektive Gutachten, sondern als einseitige Stellungnahmen zu bewerten (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 35 Rn. 253; BayVGH, B.v. 10.10.2017 – 19 ZB 16.2636 – juris Rn. 23). Darüber hinaus liegen die Erfolgschancen einer Therapie im Allgemeinen deutlich unter 50% (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 35 Rn. 46; BayVGH, B.v. 10.10.2017 – 19 ZB 16.2636 – juris Rn. 26 m.w.N.). Selbst eine abgeschlossene Therapie rechtfertigt unter Berücksichtigung der Rückfallquote (vgl. insoweit auch Patzak, in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 35 BtMG, Rn. 47: „bescheidene Erfolge“) per se keine Resozialisierungswahrscheinlichkeit. Darüber hinaus ist es nicht erforderlich, mit der ausländerrechtlichen Gefahrenprognose bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Therapie bzw. einer Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung abzuwarten (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2017 – 10 ZB 17.993 – juris Rn. 16 und v. 27.9.2017 – 10 ZB 16.823 – juris).
Der Kläger, der sich seit dem 30. Januar 2017 im Maßregelvollzug in der Entziehungsanstalt befindet, kann bislang keine abgeschlossene Therapie vorweisen. Zwar stellen Lockerungen im Maßregelvollzug sowie die Ausübung einer Beschäftigung positive Prognoseindizien dar; sie räumen jedoch die Wiederholungsgefahr nicht aus. Die Fortführung der Unterbringung und Behandlung im Maßregelvollzug wird trotz weiterer Lockerungen seitens der Strafvollstreckungskammer und seitens des Bezirksklinikums für notwendig erachtet. Ein erfolgreicher Abschluss der Drogentherapie und eine darüber hinausgehende Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens kann derzeit nicht prognostiziert werden. Der Kläger konnte sich bislang nicht eine ausreichend lange Zeit außerhalb des Maßregelvollzugs bewähren. Vor diesem Hintergrund ist es trotz der langen Dauer und der Fortführung der Drogentherapie im Maßregelvollzug im Hinblick auf die längerfristig angelegte ausländerrechtliche Gefahrenprognose und den Schutz besonders wichtiger Rechtsgüter hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger erneut Straftaten begehen wird. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das persönliche Verhalten des Klägers eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Insbesondere hat es die Gefahr der Wiederholung weiterer schwerwiegender Straftaten des Klägers im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität zu Recht bejaht.
Die Tatsache, dass der Kläger erstmals eine längere Haftstrafte zu verbüßen hat, rechtfertigt entgegen dem Zulassungsvorbringen nicht die Annahme einer nicht (mehr) bestehenden Wiederholungsgefahr. Zwar gehen die Straf- und Verwaltungsgerichte davon aus, dass die erstmalige Verbüßung einer Haftstrafe – insbesondere als erste massive Einwirkung auf einen jungen Menschen – unter Umständen seine Reifung fördern und die Gefahr eines neuen Straffälligwerdens mindern kann (vgl. BVerwG, B.v. 14.2.1984 – 1 B 10/84 – NJW 1984, 1315; BayVGH, U.v. 20.3.2008 – 10 BV 07.1856 – juris m.w.N.). Bei noch nicht hinreichender therapeutischer Aufarbeitung einer mit der Delinquenz im Zusammenhang stehenden, tiefgreifenden Betäubungsmittelsucht kann dieser Erfahrungssatz jedoch keine Geltung beanspruchen. Abgesehen davon hat sich der Kläger vorliegend durch (auch einschlägige) Vorverurteilungen nicht von der Begehung eines gravierenden Betäubungsmitteldelikts abhalten lassen; des Weiteren hat die Dauer der Verbüßung von Untersuchungs- und Strafhaft sowie des Maßregelvollzugs entsprechend dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 23. Juli 2019 noch nicht zwei Drittel der verhängten Freiheitssstrafe erreicht. Bei dieser Sachlage und dem Gewicht der verübten Straftat aus dem Bereich der schweren Betäubungsmittelkriminalität kommt dem Aspekt der erstmaligen Verbüßung einer längeren Strafhaft keine ausschlaggebende, die Gefahrenprognose abschwächende Bedeutung zu.
2. Mit dem Zulassungsvorbringen, die Ableistung des Militärdienstes ab März 2009 in Griechenland habe nicht zu einer Desintegration geführt, und der Kläger habe sich in den Jahren 2010 bis 2013 sowohl in Deutschland als auch in Griechenland aufgehalten, hat der Kläger die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Daueraufenthaltsrecht sei gemäß § 4a Abs. 7 FreizügG/EU wegen einer Abwesenheit aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund von mehr als zwei aufeinanderfolgenden Jahren erloschen, nicht substantiiert in Frage gestellt. Der Rentenversicherungsverlauf vom 28. März 2017 weist insbesondere für den Zeitraum vom 21. Dezember 2008 bis zum 13. Mai 2012 eine durchgängige Lücke auf; laut Behördenakten war der Kläger im Zeitraum vom 28. Februar 2009 bis zum 10. Mai 2012 nicht im Bundesgebiet gemeldet. Nachweise für irgendwelche Aufenthaltszeiten während des fraglichen Zeitraums im Bundesgebiet hat der Kläger nicht erbracht.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass der Kläger das Daueraufenthaltsrecht nach der Einreise im Mai 2012 im Hinblick auf die im Juli 2015 erfolgte Inhaftierung nicht wieder erworben hat. Zeiträume, in denen der Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat eine Freiheitsstrafe verbüßt (hat), können nicht für die Zwecke des Erwerbs des Daueraufenthaltsrechts berücksichtigt werden, weil der Unionsgesetzgeber die Erlangung eines Daueraufenthaltsrechts nach Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EU von der Integration des Unionsbürgers in den Aufnahmemitgliedstaat abhängig macht. Da diese Integration nicht nur auf territorialen und zeitlichen Faktoren, sondern auch auf qualitativen Elementen im Zusammenhang mit dem Grad der Integration im Aufnahmemitgliedstaat beruht, und die Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung durch ein nationales Gericht dazu angetan ist, deutlich zu machen, dass der Betroffene die von der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaates in dessen Strafrecht zum Ausdruck gebrachten Werte nicht beachtet, würde die Berücksichtigung von Zeiträumen der Verbüßung einer Freiheitsstrafe für die Zwecke des Erwerbs eines Daueraufenthaltsrechts dem mit der Einführung dieses Aufenthaltsrechts verfolgten Ziel eindeutig zuwider laufen (vgl. EuGH, U.v. 16.1.2014 – Onuokwere, C-378/12 – juris Rn. 25 und 26; BayVGH, B.v. 6.6.2019 – 10 C 19.1081 – juris Rn. 8; B.v. 18.3.2015 – 10 C 14.2655 – juris Rn. 23).
Abgesehen davon wäre vorliegend auch davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Schwere des vom Kläger begangenen Betäubungsmitteldelikts, das hohe Strafmaß und die bislang unzureichend behandelte delinquenzfördernde Betäubungsmittelsucht des Klägers auch bei Annahme eines Daueraufenthaltsrechts die gesteigerten Anforderungen der schwerwiegenden Gründe im Sinne des § 6 Abs. 4 FreizügG/EU erfüllt wären. „Schwerwiegende Gründe“ der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 6 Abs. 4 FreizügG/EU können sich – abhängig von den Umständen des konkreten Einzelfalls – aus der Begehung mittlerer und schwerer Straftaten ergeben (vgl. NdsOVG, B.v. 5.9.2019 – 13 ME 278/19 – juris). Illegaler Drogenhandel gehört – wie ausgeführt – zu den in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV angeführten Straftaten im Bereich der besonders schweren Kriminalität. Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren wegen eines Verbrechens nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und in Würdigung des der Straftat zugrundeliegenden Handels mit einer großen Menge an Kokain ist von einer schweren Straftat auszugehen, die unter Berücksichtigung der (noch) nicht hinreichenden Aufarbeitung der mit der Betäubungsmitteldelinqenz im Zusammenhang stehenden Sucht die Annahme schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 6 Abs. 4 FreizügG/EU rechtfertigen würde.
Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der Kläger auch nicht auf den besonderen Status nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berufen kann, überdies auch zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU zu bejahen wären.
3. Die durch die Beklagte und das Verwaltungsgericht unter Abwägung der öffentlichen und privaten Belange im Hinblick auf die vom Kläger begangene schwere Straftat und die Gefahr weiterer schwerwiegender Straftaten im Bereich der Drogenkriminalität getroffene Bewertung, dass die Aufenthaltsbeendigung dem Kläger trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland zumutbar sei, ist gemessen an Art. 8 EMRK auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens nicht zu beanstanden.
Ein Eingriff in die Schutzgüter des Art. 8 EMRK kommt namentlich dann in Betracht, wenn der Betroffene im Aufenthaltsstaat über intensive persönliche und familiäre Bindungen verfügt. Insbesondere bei Ausländern, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist, ist ein Eingriff in Art. 8 EMRK denkbar (BVerwG v. 29.9.1998 – 1 C 8.96 – juris). Zu diesem Personenkreis zählen vor allem im Bundesgebiet geborene Ausländer der zweiten Generation (vgl. BayVGH B.v. 11.7.2007 – 24 ZB 07.743 – juris; B.v. 18.3.2015 – 10 C 14.2655 – juris Rn. 27).
Hierunter fällt der Kläger aber nicht. Das Verwaltungsgericht und die Beklagte haben zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger zwar im Alter von 5 Jahren ins Bundesgebiet eingereist ist, nach dem Kindergarten auf einer griechischen Schule einen Schulabschluss erworben hat, ein daran anschließendes Berufsvorbereitungsjahr jedoch abgebrochen hat und Gelegenheitsjobs nachgegangen ist, ehe er zur Ableistung des Wehrdienstes im März 2009 nach Griechenland zurückgekehrt und nach Aktenlage erst im Mai 2012 wieder in das Bundesgebiet eingereist ist. Mit der pauschalen Behauptung, der Kläger habe sich im Zeitraum zwischen 2010 und 2013 zeitweise sowohl in Deutschland als auch in Griechenland aufgehalten, hat der Kläger konkrete, den Integrationszusammenhang wahrende Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet nicht substantiiert dargelegt. Ausweislich des Strafurteils vom 26. Februar 2016 ist der Kläger in Höhe von ca. 10.000 bis 15.000 Euro verschuldet. Eine wirtschaftliche Integration ist dem Kläger auch vor seiner Inhaftierung mit vereinzelten Gelegenheitsjobs nicht gelungen. Der 30-jährige Kläger ist ledig und kinderlos, er spricht die Sprache seines Heimatlandes, und seine längeren Aufenthalte in Griechenland belegen, dass ihm eine Reintegration im Heimatland möglich und zumutbar ist.
Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist die vorliegende Fallgestaltung nicht vergleichbar mit dem der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegenden Fall (vgl. BVerfG, B.v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 – juris). Beim dortigen Verfahren handelte es sich um Betäubungsmitteldelikte mit Marihuana, einem nicht mit Kokain vergleichbaren Betäubungsmittel, die verhängte Freiheitsstrafe der Anlasstat betrug ein Jahr und drei Monate, und darüber hinaus lag eine abgeschlossene Drogentherapie vor. Eine Strafaussetzungsentscheidung der Strafvollstreckungskammer – wie in dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegenden Fall – ist vorliegend ebenfalls nicht gegeben. Demzufolge liegen grundlegend unterschiedliche Umstände vor. Im Übrigen besteht auch nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts selbst für einen faktischen Inländer kein generelles Ausweisungsverbot (vgl. BVerfG, B.v. 19.10.2016, a.a.O. LS 2a., aa.).
Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger – wie behauptet – unmittelbar vor dem erfolgreichen Abschluss seiner Drogentherapie steht (von einem bereits erfolgreichen Abschluss ist entgegen dem Zulassungsvorbringen im Hinblick auf die angeordnete Fortdauer des Maßregelvollzugs nicht auszugehen). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es für die Rechtmäßigkeit einer ausländerbehördlichen Entscheidung über den Verlust des Aufenthaltsrechts eines Unionsbürgers darauf an, ob der Betroffene eine gegenwärtige und schwerwiegende Gefahr für wichtige Rechtsgüter darstellt und das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das private Interesse am Verbleib des Unionsbürgers in Deutschland deutlich überwiegt. Vorgaben für den Zeitpunkt, zu dem die Behörde die Verlustfeststellung ausspricht, ergeben sich weder aus dem nationalen Recht noch aus dem Unionsrecht (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2015 – 10 ZB 15.1394 – juris Rn. 13). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen „jeweils zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt“ (vgl. EuGH, U.v. 16.1.2014 – C-400/12 – juris Rn. 35). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich zudem, dass das Gericht keine Einwände gegen eine Verlustfeststellung nach Verbüßung von weniger als zwei Jahren einer auf insgesamt sechs Jahre und sechs Monate festgesetzten Haftstrafe erhoben hat (vgl. EuGH, U.v. 23.11.2010 – C-145/09 – juris Rn. 12 ff.). Einer positiven Entwicklung des Unionsbürgers nach Erlass der Verlustfeststellung, etwa in Form einer delinquenz- und suchtmittelfreien Bewährung nach erfolgreicher Therapie, kann durch eine nachträgliche Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2015 – 1 B 39.15 – juris Rn. 21 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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