Verkehrsrecht

Berechtigung zum Gebrauch der Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  B 1 S 19.1187

Datum:
19.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41820
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 11 Abs. 8, § 28 Abs. 1, § 29 Abs. 3 S. 2, § 36, § 46 Abs. 1, § 70
StVG § 3 Abs. 1, § 24a Abs. 1, § 25
BKatV § 4 Abs. 3
OWiG § 19

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bescheid des Landratsamts … mit dem ihm sofort vollziehbar das Recht aberkannt wurde, von seiner schwedischen Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A und B im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen.
Mit seit 5. August 2011 rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts S… vom 14. Januar 2011 wurde der Antragsteller wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr bei einer BAK von 1,54 ‰ zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt; die Fahrerlaubnis wurde ihm entzogen (§§ 316 Abs. 1, 69, 69a StGB). Am 28. Oktober 2011 erfolgte die Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und S nach der Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 36 FeV.
Mit Schreiben vom 14. Juni 2012 teilte die Bezirksstaatsanwaltschaft Bi… dem Kraftfahrt-Bundesamt mit, dass der Führerschein des Antragstellers durch Beschluss des Staatsanwaltes der Amtsanwaltschaft Bi… eingezogen worden sei. Gegen den Antragsteller sei ein Ermittlungsverfahren anhängig. Der Antragsteller erklärte am 30. August 2012 bei einer Vorsprache beim damals zuständigen Landratsamt S…, dass der BAK-Wert von 1,24 durch eine Blutentnahme festgestellt worden sei. Er habe eine Geldstrafe von 300 EUR zahlen müssen. Weitere Angaben zu diesem Sachverhalt sind den Behördenakten nicht zu entnehmen.
Aufgrund eines vom Landratsamt S… geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 4. April 2013 absolvierte der Antragsteller einen Kurs nach § 70 FeV. Danach sei nicht mehr zu erwarten, dass der Antragsteller künftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Unter dem 15. Juni 2013 wurde ihm vom TÜV Süd M… nach Teilnahme an dem Kurs „PLUS 70“ die Fahreignung bestätigt.
In einem vom Landratsamt S… aufgrund mehrerer Vorfälle mit Alkoholeinwirkung angeordneten medizinisch-psychologischen Gutachten vom 18. September 2015 wird ausgeführt, dass der Antragsteller seine Verhaltensänderung habe stabilisieren können und die Wiederauffallenswahrscheinlichkeit als entscheidend verringert zu betrachten sei. Es sei insbesondere nicht zu erwarten, dass der Antragsteller das Führen von Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher werde trennen können.
Am 1. November 2016 führte der Antragsteller ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss mit einer BAK von 0,63 ‰. Mit Bußgeldbescheid vom 10. Januar 2017, rechtskräftig seit 9. Oktober 2018, eingetragen im Fahreignungsregister am 25. April 2019, wurden ein Bußgeld in Höhe von 580 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt (§ 24a Abs. 1 StVG, § 25 StVG, 241 BKat, § 4 Abs. 3 BKatV, § 19 OWiG). Am 17. Mai 2019 erlangte die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts… Kenntnis von diesem Sachverhalt.
Der Antragsteller wurde daraufhin mit Schreiben vom 19. Juli 2019 (Zustellung ausweislich der Postzustellungsurkunde am 24. Juli 2019) zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Satz 1 Nummer 2 lit. b FeV aufgefordert. Er habe zum wiederholten Mal unter Alkoholeinfluss ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt, wodurch Zweifel an seiner Eignung bestünden.
Die Fragestellung lautete wie folgt:
„Liegen körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen vor, die mit einem unkontrollierten Konsum von Alkohol in Zusammenhang gebracht werden können? Ist zu erwarten, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann?
Dem Antragsteller wurde Frist zur Vorlage des Fahreignungsgutachtens bis 30. September 2019 gesetzt. Auf die Folgen von § 11 Abs. 8 FeV bei nicht fristgerechter Vorlage des Gutachtens wurde hingewiesen.“
Am 13. September 2019 legte der Antragsteller die Einverständniserklärung zur Begutachtung durch die Begutachtungsstelle für Fahreignung … bei der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts … vor. Die Begutachtungsstelle wurde mit Schreiben vom gleichen Tag beauftragt. Fristverlängerungsgesuche durch das Institut für verkehrspsychologische Beratung „Empire“ in N… sowie die Bevollmächtigten des Antragstellers (zunächst bis Februar 2020, sodann bis 31. Dezember 2019) wurden abgelehnt.
Nach Anhörung entzog das Landratsamt… dem Antragsteller mit Bescheid vom 17. Oktober 2019 (zugestellt am 21. Oktober 2019) die Fahrerlaubnis der Klassen A79, A179, AM, B und L und ordnete die umgehende Abgabe des Führerscheins Nr. … an (Nr. 1). Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet (Nr. 2). Dem Antragsteller wurde ein Zwangsgeld von 500,00 EUR angedroht für den Fall, dass er nicht innerhalb von 5 Tagen nach Zustellung des Bescheids den Führerschein abliefere; im Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs sei der Führerschein innerhalb einer Woche nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids abzuliefern (Nr. 3).
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis sei § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV. Die Verwaltungsbehörde sei gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. b FeV verpflichtet die Eignung eines Fahrzeugführers zum Führen von Kraftfahrzeugen durch Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens abzuklären, wenn der Fahrerlaubnisinhaber wiederholt unter Alkoholeinfluss als Führer eines Kraftfahrzeugs am Straßenverkehr teilnimmt.
Dem Antragsteller sei die Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt am 14. Januar 2011 mit einer BAK von 1,54 ‰ entzogen worden. Am 18. Mai 2012 habe er mit einer BAK von 1,24 ‰ in Polen am Straßenverkehr teilgenommen. Am 1. November 2016 habe er ein Kraftfahrzeug mit einer BAK von 0,63 ‰ geführt, was der Behörde am 14. Mai 2019 bekannt geworden sei. Die Eintragung dieser letzten Tat ins Fahreignungsregister sei am 25. April 2019 erfolgt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Der Antragsteller habe das nach § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. b FeV geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht fristgemäß beigebracht.
Ein milderes Mittel stehe nicht zur Verfügung. Der erstrebte Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer überwiege die möglichen Nachteile des Antragstellers. Die Entziehung der streitgegenständlichen Fahrerlaubnis bedeute auch nicht den Verlust des Arbeitsplatzes des Antragstellers als LKW-Händler. Einen Führerschein der Klassen C/CE/C1/C1E besitze er nicht. Zudem habe der Antragsteller seine Einverständniserklärung erst am 13. September 2019 beim Landratsamt abgegeben, so dass eine fristgerechte Gutachtenserstellung bereits infrage gestanden habe. Die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen ergebe sich aus der Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens (§ 11 Abs. 8 FeV).
Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen den Bescheid lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 12. November 2019 ab (…). Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Am 21. November 2019 gab der Antragsteller beim Landratsamt an, dass er seine deutsche Fahrerlaubnis in Schweden umgetauscht habe.
Mit Schreiben vom 22. November 2019 teilte die Bevollmächtigte des Antragstellers mit, dass dieser seit 6 Jahren seinen Wohnsitz in Schweden habe. Er verbringe mehr als 185 Tage im Jahr in Schweden und beabsichtige vollständig nach Schweden umzuziehen. Die schwedische Fahrerlaubnis sei am 14. Oktober 2019 beantragt worden, eine Ausstellung der Fahrerlaubnis sei am 29. Oktober 2019 erfolgt. Der EuGH habe mit Urteil vom 26. April 2012 entschieden, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Fahrerlaubnis in Deutschland ohne weitere Formalitäten anerkannt werden müsse, vorausgesetzt eine vorhandene Sperrfrist sei zum Zeitpunkt der Ausstellung abgelaufen und das Wohnsitzerfordernis sei eingehalten. Vorgelegt wurde die Kopie eines schwedischen Schreibens vom 14. Oktober 2019. Die Bevollmächtigte korrigierte mit Schreiben vom 25. November 2019 ihre Angaben insoweit, dass die schwedischen Behörden den Antrag auf eine schwedische Fahrerlaubnis Anfang Juli 2019 durch das Schreiben vom 14. Oktober 2019 bestätigt hätten. Die schwedische Fahrerlaubnis sei somit am 14. Oktober 2019 genehmigt und am 29. Oktober 2019 ausgestellt worden.
Eine RESPER-Anfrage des Landratsamts ergab als Ausstellungsdatum des Führerscheins: 29. Oktober 2019.
Mit Bescheid des Landratsamts … vom 27. November 2019 wurde dem Antragsteller das Recht aberkannt von seiner schwedischen Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A und B im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen (Nr. 1). Die schwedische Fahrerlaubnis, erteilt am 29. Oktober 2019, sei unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung dieses Bescheids beim Landratsamt … zur Anbringung eines Sperrvermerks vorzulegen (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nummer 1 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 3). Weiter wurde ein Zwangsgeld bei einem Verstoß gegen Nummer 2 des Bescheids angedroht (Nr. 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller verpflichtet gewesen sei, gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. b FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Untersuchungsstelle beizubringen. Da er dieses nicht beigebracht habe, könne die Behörde auf die Nichteignung des Antragstellers gemäß § 11 Abs. 8 FeV schließen. Die Fahrerlaubnis sei gemäß § 3 StVG in Verbindung mit § 46 Abs. 1 FeV zu entziehen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG und § 46 Abs. 5 FeV habe die Entziehung bei einer ausländischen Fahrerlaubnis die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Gemäß § 46 Abs. 6 FeV erlösche die Fahrerlaubnis mit der Entziehung. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis erlösche das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland. Der Führerschein sei gemäß § 47 Abs. 2 Sätze 1, 2 FeV unverzüglich bei der Verwaltungsbehörde vorzulegen, um die Ungültigkeit auf dem ausländischen Führerschein zu vermerken.
Mit Schreiben vom 5. Dezember 2019, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tage, ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte beantragen,
die aufschiebende Wirkung einer nachfolgenden Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 27. November 2019 wiederherzustellen.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Antragsgegner gemäß § 28 Abs. 1 FeV verpflichtet sei, den schwedischen Führerschein anzuerkennen. Der Antragsteller sei schwedischer Staatsbürger und habe seinen allgemeinen Wohnsitz in Schweden. Er habe die deutsche Fahrerlaubnis bereits Anfang Juli 2019 in Schweden abgegeben. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2019 sei ihm die schwedische Fahrerlaubnis genehmigt worden und der Führerschein am 29. Oktober 2019 ausgestellt worden. Ein Fall des § 28 Abs. 4 FeV liege nicht vor. Soweit das Landratsamt auf § 3 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 46 Abs. 1 FeV verweise, werde angemerkt, dass diese nur für den Fall der Entziehung der Fahrerlaubnis einschlägig seien. Im vorliegenden Fall gehe es aber um die Eintragung eines Sperrvermerks. Es werde auf die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs vom 28. September 2006 verwiesen (C-340/05), wonach die Behörden eines Mitgliedsstaates nicht befugt seien, die Beachtung der Ausstellungsbedingungen eines anderen Mitgliedstaates erneut zu prüfen. Beim Entzug der deutschen Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 17. Oktober 2019 sei dem Antragsteller keine Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis erteilt worden, weshalb die Anbringung eines Sperrvermerks nur aufgrund des Verhaltens des Betroffenen nach Erwerb des neuen EU Führerscheins in Schweden ausgeübt werden könne. Da sich der Antragsteller jedoch seit dem Bescheid vom 17. Oktober 2019 nicht erneut etwas habe zu schulden kommen lassen, sei auch die Anbringung eines Sperrvermerks auf der schwedischen Fahrerlaubnis unrechtmäßig. Der EuGH habe klargestellt, dass eine neuerliche Fahreignungsprüfung nicht möglich sei. Deshalb sei das Landratsamt nicht berechtigt ein Fahreignungsgutachten zu verlangen. Der Sofortvollzug sei auch nicht hinreichend begründet worden.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2019 legte das Landratsamt … die Akte vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Rechtsgrundlage für den feststellenden Bescheid sei § 29 Abs. 3 Satz 2 FeV i.V.m. Abs. 3 Nr. 3 FeV i.V.m. § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV. Der schwedische Führerschein weise unter Nr. 12 folgenden Eintrag auf: 70 (DEUB…). Dies bedeute, dass der Führerschein prüfungsfrei umgetauscht worden sei. Die Zahlen B… würden den deutschen Führerschein des Antragstellers bezeichnen. Der Antragsteller könne in Deutschland keinen Gebrauch von seiner schwedischen Fahrerlaubnis machen, weshalb ein Sperrvermerk anzubringen sei.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die beigezogenen Behördenakten und die Gerichtsakte – auch im Verfahren B 1 S 19.1012 – verwiesen.
II.
Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da eine innerhalb der noch laufenden Rechtsbehelfsfrist zu erhebende Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 27. November 2019 nach summarischer Überprüfung keine Aussicht auf Erfolg hätte. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer beabsichtigten Klage.
In der Sache selbst schließt sich das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen im Wesentlichen zunächst den Gründen des angefochtenen Bescheides an und sieht von einer gesonderten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend ist zur Sache sowie zum Antragsvorbringen noch Folgendes auszuführen:
1. Der dem Antragsteller am 29. Oktober 2019 erteilte schwedische Führerschein berechtigt den Antragsteller nicht, entsprechende Kraftfahrzeuge in Deutschland zu führen.
a) Zwar ist es fraglich, ob im vorliegenden Fall § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 oder § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FeV zur Anwendung kommt. Zur Unterscheidung dieser Normen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aber im Beschluss vom 16. August 2017 (11 ZB 17.1145 – juris Rn. 7) Folgendes ausgeführt: „§ 28 FeV regelt nur die Inlandsgültigkeit von EU- oder EWR-Fahrerlaubnissen, deren Inhaber ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben. Auf Inhaber von EU- oder EWR-Fahrerlaubnissen ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland ist dagegen § 29 FeV anzuwenden (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, § 28 FeV Rn. 19, § 29 FeV Rn. 9). […] Die im Wesentlichen inhaltsgleichen Rechtsgrundlagen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV und des für Fahrerlaubnisinhaber ohne Inlandswohnsitz einschlägigen § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FeV sind jedoch austauschbar (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2012 – 11 CS 11.2795 – juris Rn. 25).“ Der Antragsteller ließ durch seine Bevollmächtigte angeben, dass er seinen Wohnsitz in Schweden habe, hat aber als Adresse weiterhin seine deutsche Anschrift angegeben. Dass der Antragsteller tatsächlich einen Wohnsitz in Schweden hat, ist nicht belegt. Da die Rechtsgrundlagen aber austauschbar sind, ist es unerheblich, ob § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 oder 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FeV zur Anwendung kommen.
b) Der Feststellung der Inlandsungültigkeit des schwedischen Führerscheins steht auch nicht die gemeinschaftsrechtliche Anerkennungspflicht entgegen.
Zwar sind die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (Neufassung, ABl EG Nr. L 403 S.18) gegenseitig anzuerkennen. Eine Anerkennungspflicht besteht aber nur für solche in einem Mitgliedstaat neu erworbenen Fahrerlaubnisse, deren Erteilung – auch nach den unionsrechtlichen Vorgaben – eine Eignungsprüfung des Bewerbers vorangegangen ist (vgl. BVerwG, B.v. 8.9.2011 – 3 B 19.11 – ZfSch 2012, 597; BayVGH, U.v. 21.3.2017 – 11 B 16.2007 – VRS 131, 218 Rn. 35). Es muss daher auf der Grundlage des Art. 7 RL 2006/126/EG eine Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen sowie eine theoretische Prüfung durchgeführt und die Einhaltung der gesundheitlichen Anforderungen nach Maßgabe der Anhänge II und III der Richtlinie geprüft worden sein. Wird nur die Führerscheinkarte ersetzt oder umgetauscht, bleibt es aber bei der ursprünglichen Fahrerlaubnis und es fehlt regelmäßig an einer Eignungsprüfung (BayVGH, B.v. 16.8.2017 – 11 ZB 17.1145 – juris).
Dem schwedischen Führerschein liegt keine vollständige Neuerteilung zu Grunde. Vielmehr beruht er auf der Fahrerlaubnis, die dem Kläger in Deutschland erteilt worden war. Dies ergibt sich aus dem im schwedischen Führerschein gemäß Anhang I Nr. 3 zur RL 2006/126/EG eingetragenen Datum der ersten Fahrerlaubniserteilung in Spalte 10, das bei jeder späteren Ersetzung oder jedem späteren Umtausch erneut in dem Führerschein einzutragen ist, sowie aus der in Spalte 12 eingetragenen Nummer des deutschen Führerscheins und dem ebenfalls in dieser Spalte eingetragenen Code 70 für den Umtausch (BayVGH, B.v. 16.8.2017 – 11 ZB 17.1145 – juris).
Zwar wird in der Rechtsprechung mit Blick auf die Vorgaben des Unionsrechts durchaus erwogen, ob im Einzelfall beim Umtausch von EU-Führerscheinen von der Neuerteilung von anerkennungsfähigen Fahrberechtigungen auszugehen ist. Allerdings wird die Neuerteilung – soweit ersichtlich – einhellig abgelehnt, wenn der Umtausch auf der Grundlage einer Fahrerlaubnis erfolgt, die bereits entzogen worden ist (vgl. dazu: VGH BW, B.v. 11.9.2014 – 10 S 817/14 – juris Rn. 6 und B.v. 21.6.2012 – 10 S 230/11 – juris Rn. 7; Zwerger, in: Haus/Zwerger, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 3, 3. Auflage 2017, § 32 Rn. 8, Fußnote 36.).
Die deutsche Fahrerlaubnis wurde dem Antragsteller am 21. Oktober 2019 (sofort vollziehbar) entzogen; der schwedische Führerschein erst am 29. Oktober 2019 erteilt. Die deutsche Fahrerlaubnis konnte somit nicht mehr Grundlage für den ausgestellten schwedischen Führerschein sein.
Die Kammer schließt sich zumindest im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Aachen an (B.v. 26.2.2018 – 3 L 1545/17 – juris):
„Zwar trifft es zu, dass Deutschland nach Maßgabe des Unionsrechts grundsätzlich verpflichtet ist, die von anderen EU-Mitgliedsstaaten ausgestellten Führerscheine anzuerkennen. Das folgt aus Art. 2 Abs. 1 der hier anwendbaren Dritten Führerschein-Richtlinie (Richtlinie 2006/126/EG), wonach die „von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine (…) gegenseitig anerkannt“ werden. Auch müssen die Mitgliedstaaten den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von EU-Führerscheinen nach Art. 2 Abs. 1 der Dritten Führerschein-Richtlinie als unmittelbar anwendbares Richtlinienrecht beachten.
(Vgl. Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), Urteil vom 26. April 2012 – C-419/10, Rechtssache „Hofmann“, juris Rn. 43 f.; Roitzheim, in: Roth, Verkehrsrecht, 4. Aufl. 2016, § 18 Rn. 471; Zwerger, in: Haus/Zwerger, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 3, 3. Aufl. 2017, § 32 Rn. 4 m.w.N.; Bendig/Keller, in: Tietgens/Nugel, AnwaltFormulare Verkehrsrecht, 7. Auflage 2017, § 48 Rn. 7). Allerdings ist vorliegend eine Ausnahme von der Anerkennungspflicht in Betracht zu ziehen. So fehlten die unionsrechtlichen Mindestvoraussetzungen dafür, im Wege des Umtauschverfahrens einen (…) EU-Führerschein auszustellen. Nach Art. 11 Abs. 1 der Dritten Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126/EG) darf der Führerscheinumtausch nämlich nur dann vorgenommen werden, wenn es sich bei dem einzutauschenden Führerschein um einen „gültigen Führerschein“ handelt bzw. die darin jeweils aufgeführte Fahrzeugklasse „tatsächlich noch gültig ist“.
Mit dem Richtlinien-Begriff der „Gültigkeit“ von Führerschein bzw. Fahrzeugklasse dürfte, wie jedenfalls das deutsche Verständnis es nahelegt, das Bestehen der materiellen Fahrberechtigung, also der Fahrerlaubnis, gemeint sein (Vgl. zu dieser Lesart: Zwerger, in: Haus/Zwerger, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 3, 3. Aufl. 2017, § 32 Rn. 8 m.w.N.).
Indes hat der Europäische Gerichtshof jüngst in einem deutschen Vorabentscheidungsverfahren zur Frage der Anerkennung einer französischen Fahrberechtigung, für die noch kein gültiger französischer EU-Führerschein vorlag, betont, dass der unionsrechtliche Anerkennungsgrundsatz nicht an der jeweiligen materiellen Fahrberechtigung, sondern an dem nach EU-Muster erteilten Führerschein anknüpft (Vgl. EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, C-195/16, Rechtssache „I.“, juris Rn. 48).
Diese unterschiedlichen Ansätze bedürfen aber vorliegend keiner weiteren Vertiefung. Mit der Zustellung der Entziehungsverfügung (…) vor dem Führerscheinumtausch (…) war neben der deutschen Fahrerlaubnis mit ihren Fahrzeugklassen auch das deutsche Führerscheindokument nicht mehr als „gültig“ anzusehen. Die „Ungültigkeit“ des Führerscheindokuments folgt dabei aus der (in der Entziehungsverfügung durch ein Vorlagegebot umgesetzten) Regelung in § 47 Abs. 1 FeV, wonach der von einer deutschen Behörde ausgestellte Führerschein nach der Entziehung „unverzüglich abzuliefern“ ist.“
c) Inhalt eines (nur deklaratorischen) Verwaltungsaktes nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV bzw. § 29 Abs. 3 Satz 4 FeV ist die Feststellung, dass der Betroffene nicht berechtigt ist, von seiner Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Tenoriert die Behörde (wie im vorliegenden Bescheid) die Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen – für die kein Raum bleibt, da die Unwirksamkeit sich schon aus dem Gesetz ergibt -, so kann dieser Verwaltungsakt gem. Art. 47 BayVwVfG in einen entsprechenden feststellenden Verwaltungsakt umgedeutet werden (vgl. VGH BW, U.v. 16.9.2008 – 10 S 2925/06 – juris Rn. 27 ff., bestätigt durch BVerwG, B.v. 9.4.2009 – 3 B 116/08 – juris Rn. 4).
Schließlich begegnet auch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit in Nr. 3 des Bescheids keinen Rechtmäßigkeitsbedenken. Insbesondere genügen die Ausführungen hierzu dem (formellen) Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Das Landratsamt hat hinreichend einzelfallbezogen dargelegt, warum aus seiner Sicht dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des feststellenden Verwaltungsaktes Vorrang gegenüber dem Suspensivinteresse des Antragstellers einzuräumen ist. Im Übrigen bestehen insoweit keine hohen Anforderungen an die Ausführungen der Behörde. Diese kann sich zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt.
2. Das schwedische Schreiben vom 14. Oktober 2019 stellt nach Ansicht der Kammer keine Erteilung einer Fahrerlaubnis durch eine schwedische Behörde dar. Angemerkt wird, dass die Gerichtssprache deutsch ist und der Antragsteller eine amtlich beglaubigte Übersetzung nicht vorgelegt hat. Gibt man den schwedischen Text in den Google-Übersetzer ein, so ist der Übersetzung zu entnehmen, dass der Umtausch am 14. Oktober 2019 noch nicht vollzogen war. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Recht, vom Führerschein Gebrauch zu machen, noch nicht gegeben ist. In der RESPER-Anfrage wird für die Erteilung auch nur auf den 29. Oktober 2019 und nicht auf den 14. Oktober 2019 abgestellt. Sollte man aber dennoch von einer Genehmigung des Antrags auf Umschreibung der deutschen Fahrerlaubnis (durch eine schwedische Behörde) am 14. Oktober 2019 ausgehen, so wird auf die Begründung des Bescheids des Landratsamts … vom 27. November 2019 und auf § 46 Abs. 6 Satz 2 FeV Bezug genommen, wonach mit der Entziehung (Bescheid vom 17. Oktober 2019) die Fahrerlaubnis und somit bei einer ausländischen Fahrerlaubnis das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland erlöschen. Dass die Entziehung der Fahrerlaubnis durch Bescheid vom 17. Oktober 2019 rechtmäßig war, hat das Gericht umfassend im Beschluss vom 12. November 2019 …) ausgeführt. Hierauf wird Bezug genommen.
3. Nach alledem geht die Kammer von einem überwiegend wahrscheinlichen Unterliegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren mit der Folge aus, dass die Interessenabwägung zu seinen Lasten ausgeht. Nichts anderes gilt im Übrigen, wenn man mit Blick auf die Frage der unionsrechtlich gebotenen Anerkennung von EU-Führerscheinen von einer derzeit offenen Sach- und Rechtslage ausgeht (vgl. Vorlagefrage an EuGH des VG Aachen – 3 K 4955/17 – juris).
Auch die von der Einschätzung der Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsmittels unabhängige Abwägung der widerstreitenden Interessen führt nämlich zu einem Überwiegen des vom Antragsgegner verfochtenen öffentlichen Interesses an der Sicherheit des Straßenverkehrs und am Schutz höchstrangiger Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Mobilitätsinteresse des Antragstellers. Auf die Ausführungen im Beschluss vom 12. November 2019 (B 1 S 19.1012) wird Bezug genommen.
4. Die Anordnung, den schwedischen Führerschein unverzüglich zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen, findet ihre Grundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 FeV; die Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall der nicht oder nicht fristgerechten Vorlage in Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG.
5. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Höhe des Streitwerts richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 1.5 und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).

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