Aktenzeichen 11 B 16.867
RL 2006/126/EG RL 2006/126/EG Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 11 Abs. 4
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 125 Abs. 1 S. 1
StGB StGB § 69 Abs. 1
Leitsatz
1 Zwar muss der EU-Mitgliedstaat eine ausländische EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ein Mitgliedstaat im Anschluss an eine vorangegangene Entziehung der Fahrerlaubnis im Inland erteilt hat, anerkennen, wenn im Zeitpunkt der Erteilung die angeordnete Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis bereits abgelaufen war (Anschluss EuGH BeckRS 2012, 80762). Eine Anerkennungspflicht besteht allerdings nicht, wenn der Ausstellungsmitgliedstaat die Fahrerlaubnis während einer inländischen strafgerichtlichen Sperrfrist erteilt und sowohl diese Sperrfrist als auch der Entzug der Fahrerlaubnis aus Gründen gerechtfertigt ist, die bereits zum Zeitpunkt der neu erteilten Fahrerlaubnis vorlagen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Muss die Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis eines EU-Mitgliedstaats für die Klasse B nicht anerkannt werden, weil diese – soweit man die Wiederausfolgung als Neuerteilung ansehen würde – innerhalb einer gerichtlichen Sperrfrist erteilt wurde, so muss daher auch eine spätere, außerhalb der Sperrfrist erteilte Fahrerlaubnis der Klassen C und CE nicht anerkannt werden (Anschluss EuGH BeckRS 2012, 80109). (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Regelung in § 3 Abs. 6 StVG, wonach auch für im Ausland wohnende Personen die Vorschriften für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht entsprechend gelten, ist europarechtlich unbedenklich. (redaktioneller Leitsatz)
4 Eine verkehrspsychologische Untersuchung, die nicht einmal sechs Monate nach der Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,73 ‰ und nicht einmal viereinhalb Monate nach dem Entzug der Fahrerlaubnis stattfindet, ist schon im Ansatz nicht geeignet, die Wiedererlangung der Fahreignung zu belegen, wenn das Strafgericht eine Sperrzeit von einem Jahr verhängt hat (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RO 8 K 15.482 2015-09-30 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I.
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. September 2015 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 25. Februar 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die österreichische Fahrerlaubnis berechtigt den Kläger nicht, Kraftfahrzeuge in Deutschland zu führen. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung des Rechts, von seiner österreichischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
1. Mit der Rechtskraft der Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Passau am 16. Juli 2013 ist das Recht des Klägers erloschen, von seiner österreichischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen (§ 69b Abs. 1 StGB). Es kann offen bleiben, ob die Wiederausfolgung des Führerscheins an den Kläger am 27. Februar 2014 durch die österreichischen Behörden nach erfolgter Eignungsprüfung gemäß österreichischem Recht einer Neuerteilung der Fahrerlaubnis gleichkommt, denn der Führerschein wurde dem Kläger innerhalb der vom Amtsgericht Passau angeordneten Sperrfrist wieder ausgefolgt.
Die Berechtigung, gemäß § 29 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 18. Dezember 2010 (BGBl S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Dezember 2016 (BGBl S. 3083), Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, gilt nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben (§ 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FeV) oder denen auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf (§ 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV: Fälle der sog. isolierten Sperre). Zwar muss der EU-Mitgliedstaat aufgrund des Anwendungsvorrangs des Rechts der Europäischen Union eine ausländische EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ein Mitgliedstaat im Anschluss an eine vorangegangene Entziehung der Fahrerlaubnis im Inland erteilt hat, anerkennen, wenn im Zeitpunkt der Erteilung die angeordnete Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis bereits abgelaufen war (EuGH, U.v. 26.4.2012 – Hofmann, C-419/10 – NJW 2012, 1935 Rn. 50 f., 89; BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 3 C 1.13 – BVerwGE 149, 74 Rn. 22 m.w.N.). Eine Anerkennungspflicht besteht allerdings nicht, wenn der Ausstellungsmitgliedstaat die Fahrerlaubnis während einer inländischen strafgerichtlichen Sperrfrist erteilt und sowohl diese Sperrfrist als auch der Entzug der Fahrerlaubnis aus Gründen gerechtfertigt ist, die bereits zum Zeitpunkt der neu erteilten Fahrerlaubnis vorlagen (vgl. EuGH, U.v. 20.11.2008 – Weber, C-1/07 – Slg 2008, I-8571 Rn. 41). Dies gilt auch dann, wenn der Inhaber der EU- oder EWR-Fahrerlaubnis von dem im Ausstellungsmitgliedstaat erlangten Führerschein erst nach Ablauf der Sperrfrist Gebrauch macht und der Ablehnung der Anerkennung kein Verhalten nach der Erteilung der neuen Fahrerlaubnis zugrunde liegt (EuGH, U.v. 3.7.2008 – Möginger, C-25/07 – NJW 2009, 207 Rn. 41). Auch nach Ablauf der Sperrfrist muss die zuvor von einem EU-Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis von einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht anerkannt werden.
1.1 Wie sich aus den vom Beklagten im Berufungsverfahren übermittelten Akten der Bezirkshauptmannschaft Schärding ergibt und der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, erfolgte die Wiederausfolgung des österreichischen Führerscheins des Klägers am 27. Februar 2014 und nicht – wie vom Verwaltungsgericht angenommen – am 26. Juni 2014. Damit erfolgte die Wiederausfolgung bzw. Neuerteilung der Fahrerlaubnis an den Kläger vor Ablauf der vom Amtsgericht Passau verfügten Sperrfrist von einem Jahr, die am 31. Mai 2013 begann und am 30. Mai 2014 endete (vgl. § 69a Abs. 5 StGB). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass das Amtsgericht Passau die Sperre nicht verkürzt hat (vgl. § 69a Abs. 7 StGB).
1.2 Der Umstand, dass dem Kläger am 11. Juni 2013, also noch vor Eintritt der Rechtskraft des Strafbefehls des Amtsgerichts Passau vom 31. Mai 2013 am 16. Juli 2013, in Österreich ein neuer Führerschein ausgestellt und gleichzeitig die Fahrerlaubnis der Klassen C und CE um fünf Jahre verlängert wurde, ändert schon deswegen nichts daran, dass die Fahrerlaubnis nicht anerkannt werden muss, weil die Klassen C und CE nach Erlass des Strafbefehls des Amtsgerichts Passau vom 31. Mai 2013 verlängert wurden (vgl. EuGH, U.v. 21.5.2015 – Wittmann, C-339/14 – Abl EU 2015, Nr. C 236, 19 Rn. 28). Danach ist der Umstand, dass das Urteil, mit dem diese Maßnahme angeordnet worden ist, nach der Ausstellung des Führerscheins in dem zweiten Staat rechtskräftig geworden ist, insoweit ohne Bedeutung, wenn dieser Führerschein nach der Verkündung des Urteils ausgestellt worden ist und die Gründe, die diese Maßnahme rechtfertigen, zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins vorlagen. Das war hier der Fall.
1.3. Schließlich ist auch nicht davon auszugehen, dass dem Kläger am 26. Juni 2014 eine neue Fahrerlaubnis der Klassen C und CE erteilt worden ist. An diesem Tag wurde dem Kläger in Österreich ein Führerschein ausgehändigt, in dem zwar hinsichtlich der Klassen C und CE das Erteilungsdatum der Fahrerlaubnis mit dem 11. Juni 2013, dessen Gültigkeitsdauer in Feld 11 des Führerscheins jedoch bis zum 26. Juni 2019 (fünf Jahre nach dem 26.6.2014) eingetragen und mit der Schlüsselzahl 95 versehen ist. Nach Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung handelt es sich bei der Schlüsselzahl 95 um einen Befähigungsnachweis für Berufskraftfahrer. Die Notwendigkeit dieses Befähigungsnachweises sei in Österreich erst kurz vorher eingeführt worden. Aus diesem Grund habe er diesen Befähigungsnachweis 2014 erstmals erbracht. Hierzu sei er nach der amtsärztlichen Untersuchung im Februar 2014, die die Voraussetzung für die Wiederausfolgung des Führerscheins gewesen sei, später nochmals amtsärztlich untersucht worden (Sehvermögen, Reaktionstest, Blutuntersuchungen etc.). Dies sei Voraussetzung gewesen für die Hinzufügung des Befähigungsnachweises mit der Schlüsselzahl 95.
Bei dieser Verlängerung der Fahrerlaubnis der Klassen C und CE unter Hinzufügung des Befähigungsnachweises für Berufskraftfahrer handelt es sich nicht um die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Die Schlüsselzahl 95 beruht auf der Richtlinie 2003/59/EG, die für Berufskraftfahrer einen Befähigungsnachweis für die Grundqualifikation und die Weiterbildung vorschreibt, die aber keine medizinische Untersuchung und auch keine besondere Fahrerlaubniserteilung vorsieht (vgl. für Deutschland: Gesetz über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güterkraft- oder Personenverkehr – Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz – BKrFQG und Verordnung zur Durchführung des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetzes – Berufskraftfahrer-Qualifikations-Verordnung – BKrFQV; für Österreich: Verordnung über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Fahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr – Grundqualifikations- und Weiterbildungsverordnung Berufskraftfahrer – GWB).
Das kann jedoch offenbleiben, denn nach § 9 Abs. 1 FeV – ebenso § 20 Abs. 1 Satz 1 des österreichischen Bundesgesetzes über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG) – darf eine Fahrerlaubnis der Klassen C1, C, D1 oder D nur erteilt werden, wenn der Bewerber bereits die Fahrerlaubnis der Klasse B besitzt oder die Voraussetzungen für deren Erteilung erfüllt hat. Diese Vorschriften entsprechen EU-Recht, vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439/EWG bzw. Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/126/EG. Muss die Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis eines EU-Mitgliedstaats für die Klasse B nicht anerkannt werden, weil diese wie hier, soweit man die Wiederausfolgung als Neuerteilung ansehen würde, innerhalb einer gerichtlichen Sperrfrist erteilt wurde, so muss daher auch eine spätere, außerhalb der Sperrfrist erteilte Fahrerlaubnis der Klassen C und CE nicht anerkannt werden. Auch das ist europarechtlich geklärt (vgl. EuGH, B.v. 22.11.2011 – Köppl, C-590/10 – DAR 2012, 198 Rn. 49, 51). Für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren Wohnsitz im Inland haben, ist das durch die Einfügung von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 FeV im Jahr 2004 auch inlandsrechtlich klargestellt worden. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass § 29 Abs. 3 FeV eine entsprechende Vorschrift nicht enthält. Es kann offenbleiben, ob insoweit eine Regelungslücke vorliegt (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 27.2.2012 – 11 BV 12.136 – juris Rn. 43 f.), die entsprechend der eingefügten Vorschrift des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 FeV zu schließen wäre, denn insoweit kann wiederum nicht von der Unanwendbarkeit des § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FeV ausgegangen werden. Denn auch insoweit verstößt die Vorschrift – wie ausgeführt – nicht gegen EU-Recht, sondern entspricht ihm.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung des Rechts, von seiner österreichischen Fahrerlaubnis im Inland (wieder) Gebrauch zu machen, denn er hat nicht nachgewiesen, dass die Gründe für die Entziehung nicht mehr bestehen (vgl. § 29 Abs. 4 FeV).
Es kann offen bleiben, ob sich aus dem Umstand, dass § 29 Abs. 4 FeV keine Formulierung wie § 28 Abs. 5 Satz 2 FeV enthält, bei dem die Anwendung von § 20 Abs. 1, Abs. 3 FeV (also die Pflicht zur Absolvierung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung gemäß den Bestimmungen des § 13 FeV) im Rahmen des Anerkennungsverfahrens ausdrücklich vorgesehen ist, ein Spielraum bei der Nachweisführung der Eignung ergeben hätte. Die Vorschrift wurde im Jahr 2004 aus § 4 IntKfzV in die FeV übernommen (vgl. BR-Drs. 302/08 Begr. S. 65), als § 28 Abs. 5 FeV schon in Kraft war. Insofern hätte eine systematische Auslegung der Vorschriften des § 28 Abs. 5 und § 29 Abs. 4 FeV dafür gesprochen, dass man die Eignungsprüfung für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die nicht im Inland wohnen, flexibler gestalten wollte.
Denn der Normgeber hat mit Gesetz vom 28. November 2016 (BGBl I S. 2722, in Kraft ab 7.12.2016) eine dem § 28 Abs. 5 FeV entsprechende Vorschrift in das Straßenverkehrsgesetz (StVG) aufgenommen. Nach § 3 Abs. 6 StVG (in der ab 7.12.2016 anzuwendenden Fassung) gelten für die Erteilung des Rechts, nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch machen zu dürfen, an Personen mit ordentlichen Wohnsitz im Ausland die Vorschriften über die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht entsprechend. Diese Vorschrift ist bei der hier vorliegenden Verpflichtungsklage anzuwenden. Gleichzeitig wurde § 3 Abs. 7 in das StVG eingefügt, wonach durch Rechtsverordnung Fristen und Voraussetzungen für die Erteilung des Rechts, nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch zu machen, an Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Ausland bestimmt werden können. Solche Vorschriften sind bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht erlassen worden. Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 18/8559 S. 18) handelt es sich bei der Einfügung des § 3 Abs. 6 StVG um eine rechtstechnische Klarstellung, die keine materielle Änderung enthalte. Dennoch solle die getrennte Nennung in § 3 Abs. 7 StVG beibehalten werden, um erforderlichenfalls auch einzelne darüber hinausgehende Regelungen hinsichtlich ausländischer Fahrerlaubnisse zu ermöglichen.
Unabhängig von der Frage, ob es sich tatsächlich um eine Klarstellung handelt und unabhängig von der Tatsache, dass hinsichtlich ausländischer Fahrerlaubnisse noch keine untergesetzlichen Regelungen erlassen wurden, ist aufgrund der Regelung in § 3 Abs. 6 StVG eindeutig bestimmt, dass auch für im Ausland wohnende Personen die Vorschriften für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht entsprechend gelten, dass sie also zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik nach Maßgabe des § 13 FeV ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung vorlegen müssen.
Hiergegen bestehen, solange der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht verletzt wird, keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 23. April 2015 (Aykul, C-260/13 – BayVBl 2016, 11 Rn. 74 f.) ist es Aufgabe der Behörden des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Zuwiderhandlung begangen wurde, zu ermitteln, ob der Inhaber des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zum Fahren in seinem Hoheitsgebiet wieder geeignet ist. Zur Begründung führt der EuGH aus, da die Weigerung eines Mitgliedstaats, die Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins anzuerkennen, auf nationalen Regeln beruhe, die es nicht zwangsläufig in den Rechtsvorschriften des Ausstellungsmitgliedstaats gebe, erscheine es schwerlich vorstellbar, dass die Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates selbst Bedingungen vorsehen würden, die der Inhaber eines Führerscheins erfüllen müsse, um das Recht wiederzuerlangen, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zu fahren (EuGH, a.a.O. Rn. 75). Es sei jedoch hervorzuheben, dass sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe, dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG berufen könne, um auf unbestimmte Zeit die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Führerscheins zu versagen, wenn auf den Inhaber dieses Führerscheins im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats eine einschränkende Maßnahme angewandt worden sei. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine, der den Schlussstein des mit der Richtlinie 2006/126/EG eingeführten Systems darstelle, würde nämlich geradezu negiert, hielte man einen Mitgliedstaat für berechtigt, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins unter Berufung auf seine nationalen Vorschriften unbegrenzt zu verweigern. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts zu untersuchen, ob sich im vorliegenden Fall die Bundesrepublik Deutschland durch die Anwendung ihrer eigenen Regeln in Wirklichkeit nicht unbegrenzt der Anerkennung des Führerscheins entgegen stelle. In dieser Hinsicht sei es auch dessen Aufgabe, zu überprüfen, ob die von den deutschen Rechtsvorschriften vorgesehenen Voraussetzungen dafür, dass eine Person in der Situation wie der der (dortigen) Klägerin das Recht wieder erlangen könne, im deutschen Staatsgebiet zu fahren, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten und insbesondere nicht die Grenzen dessen überschreiten würden, was zur Erreichung des von der Richtlinie 2006/126/EG verfolgten Ziels der Verbesserung der Sicherheit des Straßenverkehrs angemessen und erforderlich sei.
Wenn die betroffene Person über die Möglichkeit verfüge, die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland mit der österreichischen Fahrerlaubnis neu zu beantragen und dafür ihre Fahreignung auf der Grundlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung nachzuweisen und in der Regel der Nachweis der Abstinenz berauschender Mittel von einem Jahr notwendig sei, und darüber hinaus das Recht, in Deutschland von einer in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, vollständig wieder erlangt werde, wenn nach Ablauf einer bestimmten Frist die Eintragung des Eignungsmangels aus dem in § 29 Abs. 1 StVG genannten Fahreignungsregister getilgt worden sei und diese Frist im hier vorliegenden Fall fünf Jahre betrage, sei festzustellen, dass die deutschen Bestimmungen der Anerkennung des Führerscheins der Klägerin offenbar nicht unbegrenzt entgegenstünden. Außerdem erschienen die in Deutschland normierten Voraussetzungen als ein wirksames und zum Schutz der Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr im Verhältnis stehendes Präventionsmittel.
Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, seine Fahreignung für das Bundesgebiet durch Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens einer Begutachtungsstelle für Fahreignung wiederzuerlangen, andernfalls seine Fahrberechtigung im Bundesgebiet erst nach Ablauf der hier in § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchstabe a StVG vorgesehenen Tilgungsfrist von zehn Jahren wieder gegeben ist. Darin liegt kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dem Kläger, der im Grenzgebiet zu Deutschland wohnt und der sich häufiger im Bundesgebiet aufhalten und als Berufskraftfahrer Kraftfahrzeuge führen möchte, ist es auch im Hinblick auf den hiermit verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwand zuzumuten, ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer deutschen Begutachtungsstelle für Fahreignung einzuholen.
Aus den europarechtlichen fahrerlaubnisrechtlichen Vorschriften ergibt sich keine Pflicht zur Anerkennung von Fahreignungsprüfungen anderer EU-Mitgliedstaaten. Muss eine Fahrerlaubnis eines anderen EU-Mitgliedstaats nicht anerkannt werden, gilt dies auch für die der Fahrerlaubniserteilung dieses EU-Mitgliedstaats vorausgehende Fahreignungsprüfung. Ansonsten würde hierdurch die nicht bestehende Anerkennungspflicht konterkariert.
Der Kläger hat daher schon aus diesem Grund keinen Anspruch auf Anerkennung seiner österreichischen Fahrerlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
3. Aber selbst wenn man in Anbetracht der Tatsache, dass der Normgeber aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 3 Abs. 7 StVG ergänzende Regelungen zu § 3 Abs. 6 StVG erlassen kann, die Möglichkeit für eröffnet hielte, dass der Kläger anstelle einer deutschen medizinisch-psychologischen Untersuchung entsprechende Untersuchungen eines anderen EU-Mitgliedstaats zum Nachweis seiner Fahreignung vorweisen könnte (ausdrücklich offen gelassen von BVerwG, U.v. 29.1.2009 – 3 C 31.07 – NJW 2009, 1687 Rn. 16; für inländische Fahrerlaubnisbewerber nach Entziehung einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis im Ausland, vgl. § 22 Abs. 2a, 2b FeV), müsste dieser Nachweis inhaltlich dem in Deutschland erforderlichen Nachweis entsprechen.
Es reicht daher nicht aus, wenn die Anforderungen gemäß den Rechtsvorschriften des Ausstellungsmitgliedstaats zur Frage der Wiedererlangung der Fahreignung den deutschen Rechtsvorschriften entsprechen. Erforderlich ist vielmehr, dass die Eignungsprüfung im jeweils vorliegenden Einzelfall die in Deutschland normierten Anforderungen für die Wiedererlangung der Fahreignung erfüllt. Es kommt daher nicht darauf an, ob die österreichischen Vorschriften für die Wiedererlangung der Fahreignung mit den in Deutschland geltenden Vorschriften kongruent sind.
Auch ausländische Gutachten sind von den deutschen Fahrerlaubnisbehörden daraufhin zu überprüfen, ob diese den (deutschen) fachlichen Anforderungen an die Wiedererlangung der Fahreignung genügen. Maßgeblich hierfür sind die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Begutachtungsleitlinien – Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, gültig ab 1.5.2014, zuletzt geändert durch Erlass des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 3.3.2016 [VkBl 2016, 185]), die den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis auf diesem Gebiet wiedergeben (vgl. BVerwG, U.v. 14.11.2013 – 3 C 32.12 – BVerwGE 148, 230). Zudem muss das Gutachten nachvollziehbar und schlüssig sein. Andernfalls müssen die deutschen Fahrerlaubnisbehörden wie bei inländischen Gutachten das Gutachten nicht anerkennen, sondern können ggf. eine Ergänzung des Gutachtens oder ein neues Gutachten verlangen. Denn ein Gutachten einer sachverständigen Stelle ist nur eine (fachliche) Hilfe für die zur Entscheidung berufene Behörde.
Das hier vom Kläger vorgelegte Gutachten der Fair Partner vom 9. Oktober 2013 genügt nicht den deutschen Anforderungen.
Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (a.a.O. Kap. 3.13.1) kann die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nach einmaliger Fahrt unter hoher Alkoholkonzentration – wie hier – nur dann als wiederhergestellt gelten, wenn u.a. die folgenden Voraussetzungen gegeben sind:
„Das Alkoholtrinkverhalten wurde ausreichend geändert. Das ist der Fall, wenn Alkohol nur noch kontrolliert getrunken wird, so dass Trinken und Fahren zuverlässig getrennt werden können, oder wenn Alkoholabstinenz eingehalten wird. … Die vollzogene Änderung im Umgang mit Alkohol ist stabil und motivational gefestigt. Das ist anzunehmen, wenn folgende Feststellung getroffen werden können:
– Die Änderung erfolgte aus einem angemessenen Problembewusstsein heraus; …
– Die Änderung ist nach genügend langer Erprobung und der Erfahrensbildung (in der Regel ein Jahr, mindestens jedoch sechs Monate) bereits in das Gesamtverhalten integriert.
– Die mit der Verhaltensänderung erzielten Wirkungen werden positiv erlebt.
– Der Änderungsprozess kann nachvollziehbar aufgezeigt werden.
– Eine den Alkoholmissbrauch eventuell bedingende Persönlichkeitsproblematik wurde erkannt und entscheidend korrigiert.
– Neben den inneren stehen auch die äußeren Bedingungen (Lebensverhältnisse, berufliche Situation, soziales Umfeld) einer Stabilisierung des geänderten Verhaltens nicht entgegen.
– Es lassen sich keine körperlichen Befunde erheben, die auf missbräuchlichen Alkoholkonsum hindeuten. Wenn Alkoholabstinenz zu fordern ist, dürfen keine körperlichen Befunde vorliegen, die zu einem völligen Alkoholverzicht in Widerspruch stehen.“
3.1 Eine verkehrspsychologische Untersuchung, die nicht einmal sechs Monate nach der Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,73 ‰ und nicht einmal viereinhalb Monate nach dem Entzug der Fahrerlaubnis stattfindet, ist schon im Ansatz nicht geeignet, die Wiedererlangung der Fahreignung zu belegen, wenn das Strafgericht – wie hier – eine Sperrzeit von einem Jahr (vom 31.5.2013 bis zum 30.5.2014) verhängt hat.
Die Entscheidung des Strafgerichts, ob sich ein Fahrerlaubnisinhaber durch eine Trunkenheitsfahrt als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat (§ 69 StGB), und die Fristbestimmung für die Sperre (§ 69a StGB) setzen eine sorgfältige Abwägung der Gesamtumstände voraus. Regelmäßig kommt es dabei nicht nur auf die Tat selbst an; auch die Gesamtpersönlichkeit des Täters und sonstige Umstände, die einen Schluss auf sein Verantwortungsbewusstsein im Verkehr zulassen, müssen zur Beurteilung herangezogen werden (vgl. BGH, U.v. 5.11.1953 – 3 StR 504/53 – BGHSt 5, 168). Die Dauer der Sperrfrist richtet sich danach, wie lange die aus der Anlasstat sich ergebende Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen voraussichtlich andauern wird (OLG Hamm, B.v. 29.7.2013 – III 1 RVs 52/13, 1 – Blutalkohol 51, 117). Die Fahrerlaubnisbehörde ist gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG an diese Beurteilung gebunden und hat bis zum Ablauf der verhängten Sperrfrist von der Ungeeignetheit des Betroffenen auszugehen. Eine verkehrspsychologische Stellungnahme, der entgegen den Begutachtungsleitlinien noch nicht einmal eine Abstinenz von sechs Monaten vorausgeht, kann die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis nicht belegen.
3.2 Im Übrigen weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass es auch an weiteren Voraussetzungen für den Nachweis der Wiedererlangung der Kraftfahreignung des Klägers fehlt. Denn die verkehrspsychologische Stellungnahme ist im Hinblick auf die Exploration unschlüssig. Das Erreichen von 1,73 ‰ belegt eine hohe Alkoholtoleranz des Klägers, die nur durch einen gesundheitsschädlichen bzw. im medizinischen Sinn missbräuchlichen Umgang mit Alkohol entwickelt worden sein kann. Die Einlassung des Klägers im psychologischen Untersuchungsgespräch, er habe in der Vergangenheit typischerweise nur zwischen einem und drei Bier pro Tag konsumiert, ist mit diesem Befund nicht vereinbar. Ebensowenig kann aus dem Konsum von acht Bier (je 0,5 l) am Tag der Trunkenheitsfahrt im Zeitraum von 11:00 Uhr bis 19:30 Uhr um 20:54 Uhr (Zeitpunkt der Blutentnahme) noch eine BAK von 1,73 ‰ resultieren. Die Reflexion des eigenen Konsumverhaltens des Klägers ist bagatellisierend. Die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 9. Oktober 2013 übersieht das und thematisiert auch nicht, ob dem Kläger sein (im medizinischen Sinn) missbräuchlicher Alkoholkonsum in der Vergangenheit überhaupt bewusst gewesen ist und welche Ursachen ihm zugrunde lagen. Die verkehrspsychologische Stellungnahme verkennt, dass es für eine positive Verkehrsverhaltensprognose bei hoher Alkoholgewöhnung regelmäßig nicht auf die körperliche Fähigkeit ankommt, für einen längeren Zeitraum auf Alkohol zu verzichten, sondern darauf, dass die behauptete Verhaltensänderung zur Abstinenz hin auch stabil und motivational gefestigt ist. Letzteres kann aber nur aus einem Problembewusstsein heraus entwickelt werden. Das hat die verkehrspsychologische Stellungnahme nicht herausgearbeitet und auch nicht untersucht, ob diese Bereitschaft auf einem grundlegenden und gefestigten Einstellungswandel beruht.
Der Kläger hat mit der Vorlage dieser verkehrspsychologischen Stellungnahme die Wiedererlangung seiner Eignung im Sinne von § 29 Abs. 4 FeV nicht belegt. Angesichts der Defizite dieser Stellungnahme hätte es nicht genügt, eine Nachbesserung des Gutachtens zu verlangen. Vielmehr bedarf es einer erneuten Untersuchung nach den geltenden Maßstäben der Begutachtungsleitlinien.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.