Verkehrsrecht

VI ZR 140/20

60308,60311,60313,60314,60316,60318,60320,60322,60323,60325,60326,60327,60329,60385,60386,60388,60389,60431,60433,60435,60437,60438,60439,60486,60487,60488,60489,60528,60529,60529,60549,60594,60596,60598,60599,65929,65931,65933,65934,65936,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,

Aktenzeichen  VI ZR 140/20

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:160321UVIZR140.20.0
Normen:
§ 12 Abs 1 Nr 1 aF StVG
§ 12 Abs 1 Nr 2 aF StVG
§ 133 BGB
Spruchkörper:
6. Zivilsenat

Leitsatz

1. Der Kapitalhöchstbetrag gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG a.F. oder § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG a.F. stellt nicht zugleich die Höchstsumme der gemäß § 12 Abs. 1 StVG a.F. zu zahlenden Rentenbeträge dar. Die Regelungen der Kapitalhöchstbeträge sind nicht zusätzlich als weitere Höchstgrenze für die jährlichen Rentenbeträge heranzuziehen.
2. Auch bei Verletzung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis verbleibt es trotz der globalen Haftungsgrenze in § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG a.F. für den einzelnen Verletzten bei der individuellen Höchstgrenze des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG a.F. von einem Kapitalbetrag von 500.000 DM oder einem Rentenbetrag von jährlich 30.000 DM.
3. Zwar kann grundsätzlich die Bezahlung einer Verbindlichkeit im Einzelfall ein konkludent erklärtes bestätigendes Schuldanerkenntnis der beglichenen Forderung darstellen. Dieser Erklärungswert kommt einer Tilgungsleistung als solcher aber nicht allgemein, sondern nur dann zu, wenn der Schuldner aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall bei seiner Leistung aus der Sicht des Empfängers den Eindruck erweckt, er handle mit einem auf den Abschluss einer solchen Vereinbarung gerichteten Rechtsfolgewillen. Dies setzt voraus, dass die Beteiligten einen nachvollziehbaren Anlass für ein Schuldanerkenntnis haben, insbesondere Streit oder zumindest Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne Einwendungen herrscht und damit der Wille erkennbar wird, diese Unsicherheit durch vertragliche Vereinbarung zu beseitigen (Anschluss an BGH, Urteil vom 21. Oktober 2008 – XI ZR 256/07, ZIP 2008, 2405).

Verfahrensgang

vorgehend OLG Frankfurt, 27. Dezember 2019, Az: 9 U 2/19vorgehend LG Frankfurt, 6. Dezember 2018, Az: 2-02 O 48/18, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Dezember 2019 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der am 18. Februar 1983 geborene Kläger befand sich am 10. Juli 2000 als Beifahrer in einem Kraftfahrzeug auf der Autobahn A 66. Von einem bei dem beklagten Versicherer haftpflichtversicherten Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn löste sich infolge eines Ermüdungsbruches an der Achse ein Rad, rollte über die Autobahn und traf, von der Leitplanke emporgeschleudert, das Fahrzeug, in dem der Kläger saß. Der Kläger brach sich beim Aufprall die Halswirbelsäule und ist seitdem ab dem 5. Halswirbel querschnittsgelähmt. Er ist auf intensive Unterstützung und Pflege angewiesen. Eine weitere Mitfahrerin wurde leicht verletzt, erhob aber keine Ansprüche gegen die Beklagte. Ein Verschulden an dem Unfall konnte nicht festgestellt werden. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Der Kläger entschied sich aus wirtschaftlichen Gründen aufgrund seines jungen Lebensalters zum Zeitpunkt des Unfalls für eine Rentenzahlung anstatt einer Einmalzahlung. Die Beklagte zahlte an den Kläger seit dem Unfall eine monatliche Rente in Höhe von 1.917,34 €. Die letzte Rentenzahlung erfolgte am 25. September 2017. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte an den Kläger Rentenzahlungen in Höhe von insgesamt 388.497,32 € geleistet. Am 8. Januar 2018 lehnte sie jede weitere Zahlung ab. Der unfallbedingte monatliche Pflegebedarf des Klägers überstieg den bislang jährlich gezahlten Rentenbetrag von 23.008,13 € erheblich und wird voraussichtlich zu seinen Lebzeiten nicht unter diesen Satz sinken.
2
Die Beklagte hat die Zahlungen eingestellt, weil sie die Auffassung vertritt, dass im Rahmen des § 12 StVG aF auch der Schadensersatz in Form einer Rente durch die Höchstsumme des Kapitalbetrages beschränkt sei. Daher bestehe keine Zahlungsverpflichtung mehr, die in § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG aF normierte Höchstgrenze von 750.000 DM (= 383.468,91 €) sei durch die Zahlungen erreicht.
3
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 7.669,36 € nebst Zinsen aus jeweils 1.917,34 € seit dem 25. Oktober 2017, dem 25. Dezember 2017, dem 25. Januar 2018 und dem 25. Februar 2018 zu zahlen. Es hat festgestellt, dass die Forderungen des Klägers gegen die Beklagte aus dem Verkehrsunfall des Klägers vom 10. Juni 2000 jährlich auf einen Höchstbetrag von 23.008,13 € (= 45.000 DM) begrenzt sind und nicht einmalig auf einen Höchstbetrag von 383.468,91 € (= 750.000 DM). Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

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