Verwaltungsrecht

Ablehnung eines Asylbegehrens

Aktenzeichen  M 4 S 16.30572

Datum:
22.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 16a Abs. 3 u. 4
AsylG AsylG § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 36 Abs. 1 u. 4 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1 u. 7, § 59, § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1
Dublin-III-VO Art. 17 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Der Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger vom Volk der Wolof; er spricht Französisch und Wolof. Am … August 2013 stellte er in Deutschland unter dem Namen …, geboren … Mai 1988, Asylantrag. Er sei am … August 2013 eingereist, habe 10 Jahre die Schule besucht und als Schweißer gearbeitet. In seiner Befragung vor dem Bundesamt am … Oktober 2015 gab er an, in seinem Heimatland habe er einen Reisepass, einen Personalausweis, eine Geburtsurkunde und eine Staatsangehörigkeitsurkunde besessen. Alle vier Dokumente habe er in …/Frankreich verloren. Er habe zuletzt in … Senegal gelebt, sein Heimatland habe er am … Mai 2012 verlassen. Er sei von … in Senegal mit einem Flugzeug der Royal Air Marokko nach … geflogen und anschließend einen Monat in … geblieben, drei Wochen in … einen Monat in … und acht Monate in … Anschließend sei er mit dem Auto von … nach … und mit der Bahn weiter nach … gefahren. Flugbuchungen oder Flugtickets könne er nicht vorlegen. Entgegen seinen Angaben am … August 2013 sei er nie Schweißer gewesen. Er sei Sportlehrer. Eine Schülerin von ihm sei von ihm schwanger geworden. Bei der Geburt des Kindes sei sie gestorben und es sei zu einem Skandal gekommen, deswegen habe er Senegal verlassen. Sonst sei nichts geschehen. Auch das Kind sei bei der Geburt gestorben. Er sei 10 Jahre zur Schule gegangen und habe sie mit einem Abschluss beendet. Er habe dann eine Ausbildung zum Sportlehrer gemacht und bis zu seiner Ausreise auch als Sportlehrer gearbeitet. Sein Einkommen und seine Lebensgrundlage seien durchschnittlich gewesen.
Am … November 2015 übermittelte die für den Antragsteller zuständige Ausländerbehörde des Landratsamts … dem Bundesamt mehrere Dokumente den Antragsteller betreffend: einen senegalesischen Reisepass, lautend auf …, geboren … April 1976 in …, darin enthalten ein italienisches Visum gültig vom … Januar 2012 bis … Januar 2013; weiterhin eine italienische Carta d’Identita ebenfalls lautend auf diese Personalien; ein senegalesischer Personalausweis sowie ein italienisches Permesso di Soggiorno, ebenfalls lautend auf die genannten Personalien.
Mit Bescheid vom 8. März 2016, zugestellt am 18. März 2016, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) sowie den Antrag auf Asylanerkennung (Ziffer 2) als offensichtlich unbegründet ab und lehnte auch den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Ziffer 3). Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4), ordnete für den Fall der fristgerechten Ausreise die Abschiebung des Antragstellers in den Senegal oder in einen anderen zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Staat an (Ziffer 5) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise (Ziffer 6), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 7). Auf die Begründung des Bescheids wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 21. März 2016, am selben Tag beim Verwaltungsgericht … eingegangen, ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 8. März 2016 erheben, gleichzeitig beantragte die Bevollmächtigte,
die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet gemäß § 80 Abs. 5 VwGO.
Es bestünde die Verpflichtung nach der Dublin-III-Verordnung, nach objektiven Kriterien den Mitgliedsstaat, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, zu finden. Nachdem der Antragsteller mitgeteilt habe, dass er in Italien gelebt habe, sei sein Asylverfahren in Italien zu überprüfen gewesen.
Am 21. April 2016 legte das Bundesamt die Behördenakten vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.
II.
Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Der – nach Auslegung – zulässig erhobene Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bleibt erfolglos. Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Das Gericht geht gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO in sachgerechter Auslegung des Antrags davon aus, dass sich der Eilantrag nicht gegen das auf § 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gestützte Aufenthalts- und Einreiseverbot nach der Abschiebung (Ziffer 7. des Bescheids) richtet. Ein derartiger Antrag wäre mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig (NdsOVG, B. v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; ausführlich ebenso VG München, B. v. 19.1.2016 – M 21 S 16.30019 – S. 8 f. des BA zur Notwendigkeit einer Verpflichtungsklage für die Befristungsentscheidung m. umfangr. Nachw.).
Der ansonsten auslegungsbedürftige (§ 88 VwGO) Eilantrag ist in der Sache darauf gerichtet, dass das Gericht die kraft Gesetzes nach § 75 Asylgesetz (AsylG; ohne weitere Übergangsregelung auch für die vorher anhängig gewordenen Asylverfahrens in Kraft seit 24.10.2015 aufgrund von Art. 1, 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl I S. 1722) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (Ziffer 5. Satz 2 des Bescheids) und die nach § 84 Abs. 1 Satz 2 AufenthG kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen das auf § 11 Abs. 7 AufenthG gestützte Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 6. des Bescheids) nach § 80 Abs. 5 VwGO anordnen soll.
Dieser Antrag ist zulässig, insbesondere wurde er innerhalb der gesetzlichen Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt.
2. Der Antrag bleibt erfolglos.
a) Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i. V. m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. = juris Rn. 86 ff.).
Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
b) Nach der Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid vom 8. März 2016 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
aa) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte.
Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet.
Die vorgetragene Verfolgungsgeschichte ist unglaubwürdig. Auch würde sie – auch wenn man sie als wahr unterstellt – nicht für eine asylrelevante Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure genügen.
Unabhängig davon bleibt das Begehren des Antragstellers auf Asylanerkennung bzw. auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aber jedenfalls deshalb ohne Erfolg, weil ihm in Anwendung von § 3d, § 3e AsylG ausreichender interner Schutz bei einer Rückkehr in den Senegal zur Verfügung steht. Es ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der senegalesische Staat willens und in der Lage ist, seine Staatsangehörigen zu schützen. Jedenfalls finden sie innerhalb der Großstädte des Landes ausreichende Ausweichmöglichkeiten (Bericht des Auswärtigen Amtes, a. a. O. S. 12 f.).
bb) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
(1) Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 21.11.2015 (Stand August 2015), dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d. h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m. w. N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20).
(2) Das kann beim Antragsteller nicht angenommen werden.
Dieser ist als junger arbeitsfähiger Mann in der Lage, wie jeder andere dort Lebende in der vergleichbaren Situation, seinen Lebensunterhalt im Senegal durch eigene Tätigkeit sicherzustellen. Eine drohende Lebensgefahr ist bei einer Rückkehr nach der Auskunftslage nicht erkennbar.
cc) Auch der von der Bevollmächtigten des Antragstellers vorgebrachte Gedanke einer Verpflichtung der Antragsgegnerin, ein Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung hinsichtlich einer möglichen Zuständigkeit Spaniens oder Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens einzuleiten, verhilft dem Eilantrag des Antragstellers nicht zum Erfolg. Die Fristbestimmungen der Dublin-III-Verordnung dienen einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zügigen Überstellung an diesen, ohne aber den Antragstellern einen Anspruch auf die Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedsstaat zu gewähren. Die Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung richten sich als zwischenstaatliche Regelungen vorrangig an den Mitgliedsstaat und begründen keine subjektiven Rechte der Asylbewerber (EUGH, Urteil v. 14.11.2013 – C-4/11 – juris; Urteil v. 10.12.2013 – C-394/12 – juris). Sie begründen kein subjektives Recht auf Prüfung des Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland wegen Ablaufs der Überstellungsfrist (OVGSH, Beschluss v. 24.02.2015 – LA 15/15 – juris mit weiteren Nachweisen). Im Übrigen steht es jeden Mitgliedstaat frei, gemäß Art. 17 Abs. 1 der Dublin-III-Verordnung abweichend von Art. 3 zu beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass zum einen eine Eurodac-Abfrage hinsichtlich Italiens ein negatives Ergebnis erzielt hat und für den Fall, dass man sich der Rechtsmeinung der Bevollmächtigten anschließen wollte, allenfalls Spanien, nicht aber Italien, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wäre. In den Akten ist jedoch auch hinsichtlich von Spanien kein Eurodac-Treffer verzeichnet, im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bereits sämtliche Fristen nach der Dublin-III-Verordnung abgelaufen sind. Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist also in jedem Fall auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen.
dd) Damit ist insgesamt die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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