Aktenzeichen W 8 K 16.31847
Leitsatz
1 Bei der Stellung eines Zweitantrags müssen substantiiert und schlüssig, gegebenenfalls unter Darlegung von Beweismitteln, sowohl die geltend gemachten Wiederaufgreifensgründe als auch die Einhaltung der Frist dargelegt werden. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wird ein Asylbegehren auf mehrere selbständige Asylgründe gestützt, betrifft der in zulässiger Weise geltend gemachte Grund zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens jedoch nur einen von ihnen, so unterliegt der Folgeantrag lediglich hinsichtlich dieses Asylgrunds einer erneuten Sachprüfung. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3 Das Erfordernis der Einhaltung der 3-Monats-Frist für einen Zweitantrag ist nicht europarechtswidrig. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4 Bei einem sich fließend entwickelten dauerhaften Sachverhalt wie der Religionskonversion ist für den Beginn der 3-Monats-Frist für einen Zweitantrag maßgeblich auf die Taufe als der nach außen erkennbaren Manifestation der Konversion abzustellen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
5 Aufgrund der aktuellen Lage besteht im Iran für christliche Konvertiten, die ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen ausüben, die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Nummern 2 bis 4 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. September 2016 werden aufgehoben, soweit sie sich auf den Kläger zu 1) beziehen.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass beim Kläger zu 1) ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger 17/18 und die Beklagte 1/18. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber nur teilweise – wie tenoriert – begründet.
Die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris) betreffend die Nummer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. September 2016 ist unbegründet. Denn der streitgegenständliche Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Klage ist jedoch, bezogen auf den Kläger zu 1), im Hilfsantrag begründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. September 2016 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger zu 1) in seinen Rechten. Denn der Kläger zu 1) hat einen Anspruch auf Feststellung, dass bei ihm ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt.
Die Beklagte hatte im streitgegenständlichen Bescheid zu Recht festgestellt, dass die Asylanträge gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 und § 71a AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG unzulässig sind. Darauf wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Denn das Asylerstverfahren wurde für die Kläger mit einer negativen Sachentscheidung in Frankreich abgeschlossen und damit ist die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden. Das Bundesamt ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass die besonderen Zulässigkeitsanforderungen der §§ 71a Abs. 1 AsylG, 51 VwVfG nicht vorliegen und die Zweitanträge damit unzulässig sind.
Stellt ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags in einem sicheren Drittstaat erneut einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (§ 71a Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG). Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG ist grundsätzlich für jeden selbständigen Wiederaufgreifensgrund eigenständig zu prüfen (BVerwG, U.v. 13.5.1993 – 9 C 49/92 – BVerwGE 92, 278; Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71, Rn. 139). Nach § 51 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstige Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2). Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ist der Antrag binnen einer Frist von drei Monaten zu stellen. Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 VwVfG beginnt die Frist mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Bei (ggf. sich prozesshaft entwickelnden) Dauersachverhalten ist grundsätzlich die erstmalige Kenntnisnahme von den Umständen für den Fristbeginn maßgeblich. Wenn der Dauersachverhalt einen Qualitätsumschlag erfährt kann diese Frist erneut in Lauf gesetzt werden (BVerwG, U.v. 13.5.1993 – 9 C 49/92 – BVerwGE 92, 278; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 96. Aktualisierung Juni 2016, § 71 AsylG, Rn. 40 ff., 46 ff.; Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71, Rn. 142 und 226). Nicht erforderlich ist, dass die Tatsachen rechtlich zutreffend bereits als Gründe für ein Wiederaufgreifen erfasst bzw. interpretiert werden. Aber selbst bei anderer Sichtweise genügt nicht das behauptete Nichterkennen der Relevanz bzw. die behauptete Unklarheit der Relevanz (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 71 AsylG, Rn. 21; Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71, Rn. 285 ff.; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 71, Rn. 80 ff., 90). Bei der Antragstellung müssen substantiiert und schlüssig, gegebenenfalls unter Darlegung von Beweismitteln, sowohl die geltend gemachten Wiederaufgreifensgründe als auch die Einhaltung der Frist dargelegt werden (Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 96. Aktualisierung Juni 2016, § 71 AsylG, Rn. 41 ff.; Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71, Rn. 224 ff.). Hinsichtlich § 51 Abs. 2 VwVfG ist dem Betreffenden in der Regel ein qualifizierter Schuldvorwurf zu machen, wenn er nicht alle bereits eingetretenen und auch bekannt gewordenen Umstände, die das persönliche Umfeld betreffen, bei den zuständigen Stellen vorbringt. Dem von Verfolgung konkret Bedrohten muss sich – auch wenn er mit den Einzelheiten konkreter Verfahrensabläufe nicht vertraut ist – bei einfachsten Überlegungen aufdrängen, dass er schon im ersten bzw. in früheren Verfahren gegenüber den zuständigen staatlichen Stellen alles zu sagen und vorzubringen hat, was für seine Verfolgung auch nur entfernt von Bedeutung sein kann (Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71, Rn. 204). Liegt ein Grund dafür vor, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, findet eine erneute Prüfung des Asylbegehrens in der Sache selbst statt, wobei grundsätzlich auch früheres Vorbringen des Asylsuchenden zu berücksichtigen ist. Insofern steht die Rechtskraft eines früheren verwaltungsgerichtlichen Urteils der erneuten sachlichen Prüfung des Asylbegehrens nicht entgegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das mit einem Folgeantrag geltend gemachte Asylbegehren ohne Rücksicht auf den vorgebrachten Grund für das Wiederaufgreifen des Verfahrens in jedem Fall in vollem Umfang einer erneuten Sachprüfung unterzogen werden müsste. Vielmehr besteht die Verpflichtung zur erneuten Sachprüfung nur insoweit, wie der in zulässiger Weise geltend gemachte Grund für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens reicht. Wird ein Asylbegehren auf mehrere selbständige Asylgründe gestützt, betrifft der in zulässiger Weise geltend gemachte Grund zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens jedoch nur einen von ihnen, so unterliegt der Folgeantrag lediglich hinsichtlich dieses Asylgrunds einer erneuten Sachprüfung (BVerwG, B.v. 5.8.1987 – 9 B 318/86 – Buchholz 402.25, § 14 AsylG Nr. 6; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 96. Aktualisierung Juni 2016, § 71 AsylG, Rn. 35 ff.).
Den Klägern ist es nicht gelungen, die vorliegend genannten Voraussetzungen glaubhaft zu machen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der vorgetragenen Vorfälle im Iran als auch hinsichtlich der Teilnahme an Protesten gegen den Iran in Frankreich und der Taufe des Klägers zu 1) in Frankreich.
Hinsichtlich der Vorfluchtgeschichte im Iran wurden schon keine geänderte Sach- oder Rechtslage bzw. keine neuen Beweismittel i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 VwVfG angeführt. Es fehlt insoweit bereits an einer schlüssigen Substanziierung eines Wiederaufgreifensgrundes.
Bezüglich der vorgetragenen Teilnahme der Kläger an Protesten gegen den Iran in Frankreich fehlt es vorliegend ebenfalls schon an der schlüssigen Substantiierung eines Wiederaufgreifensgrundes. Im Verlauf des gesamten Verfahrens wurden die vagen Angaben zur Teilnahme an einer Demonstration, einem Protestmarsch und mehreren Reden nicht näher substanziiert. Insoweit wurde weder schlüssig dargelegt, noch ist sonst erkennbar, dass diese Handlungen als exilpolitische Tätigkeit von Relevanz für die Zweitanträge der Kläger sind. Nach der Rechtsprechung ist maßgeblich für eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten als untergeordnete Handlungen eingestuft werden, die dem Betreffenden nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten lassen, oder nicht. Die Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten ist anzunehmen, wenn ein iranischer Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein gesamtes Verhalten den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran hineinwirkenden Regimegegner erscheinen lässt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 29.7.2013 – 14 ZB 13.30084 – juris; B.v. 25.1.2013 – 14 ZB 12.30326 – juris; B.v. 15.1.2013 – 14 ZB 12.30220 – juris; B.v. 7.12.2012 – 14 ZB 12.30385 – juris; sowie etwa VG Würzburg, U.v. 26.8.2015 – W 6 K 15.30206 – juris; vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 20.4.2016 – B 3 K 15.30486 – juris). Ein solches besonderes Hervortreten der Kläger ist vorliegend weder schlüssig dargelegt, noch ist es sonst ersichtlich.
Weiterhin wurde hinsichtlich aller drei Komplexe die Frist gemäß § 51 Abs. 3 VwVfG nicht gewahrt. Des Weiteren ist den Klägern auch ein Verschulden vorzuwerfen (§ 51 Abs. 2 VwVfG), weil sie ihre Gründe nicht schon in Frankreich im dort laufenden Verfahren geltend gemacht haben.
Der Kläger zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung auf wiederholte Nachfrage des Gerichts, warum er seine Konversion nicht schon im Verfahren in Frankreich geltend gemacht hat, insbesondere im dortigen Gerichtsverfahren, das erst mit Urteil vom 5. Juli 2013 endete, nur ausweichend geantwortet bzw. ist, wie auch sonst im gerichtlichen Verfahren, eine diesbezügliche Erklärung schuldig geblieben.
Mit Blick auf die Vorfluchtgeschichte ist bereits nicht erkennbar, in welcher Form und seit wann neue Sach-/Rechtsumstände bzw. Beweismittel vorhanden sein sollen.
Bezüglich der Teilnahme an Protesten gegen den Iran in Frankreich hatten die Kläger bereits mit der entsprechenden Teilnahme und damit deutlich über drei Monate vor der Stellung der Zweitanträge positive Kenntnis von dem neuen Sachverhalt.
Mit Blick auf die vorgetragene Konversion des Klägers zu 1) ist insbesondere von der Taufe am 27. Januar 2013 als relevantem Datum und damit von einer Verfristung auszugehen. Denn bei gerade sich fließend entwickelten dauerhaften Sachverhalt wie hier bei der Religionskonversion ist unter anderem maßgeblich auf die Taufe als der nach außen erkennbaren Manifestation der Konversion abzustellen (vgl. dazu HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1389/09.A – Asylmagazin 2010, 120). Es ist auch nachher kein weiterer Qualitätssprung eingetreten, insbesondere in den letzten drei Monaten vor Antragstellung bzw. während des Laufs des Behörden- oder Gerichtsverfahrens. Denn dafür wäre erforderlich, dass nun eine qualitativ neue Bewertung möglich erscheint. Voraussetzung wäre, dass weitere mit den bisherigen nicht mehr vergleichbaren Aktivitäten entwickelt werden. Die auf die Taufe indes folgenden christlichen Aktivitäten, wie Besuch von Gottesdiensten und weiteren kirchlichen Veranstaltungen, dienten hingegen der Verfestigung und dem Ausleben des neuen Glaubens, ohne dass sie einen neuen Fristbeginn begründeten. Der entscheidende Qualitätsumschwung ist schon zuvor gerade mit der Taufe erfolgt.
Selbst wenn man entgegen der Ansicht des Gerichts über die jeweilige Kenntnis hinaus darauf abstellt, dass der Kläger in groben Umrissen die mögliche Relevanz der Tatsache für das Asylverfahren erkannt haben muss, fehlt es vorliegend jedenfalls an einer Plausibilisierung des Nichterkennens der Relevanz.
Das Erfordernis der Einhaltung der Dreimonatsfrist ist entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht europarechtswidrig. Zwar wird die Auffassung vertreten, dass mit der Neufassung der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie) eine zeitliche Präklusion nicht mehr den unionsrechtlichen Vorgaben, konkret Art. 42 Verfahrensrichtlinie, entspricht und die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 19. Juli 2015 nicht mehr angewendet werden darf (so Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand April 2016, § 71, Rn. 283; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 71, Rn. 85). Jedoch überzeugt das Gericht diese Rechtsauffassung nicht. Zum einen ist § 51 Abs. 3 VwVfG weiterhin geltendes Recht. Zum anderen lässt Art. 42 RL 2013/32/EU ebenso wie schon die Vorgängerregelung entsprechende innerstaatliche Regelungen zu. Aus der Entstehungsgeschichte folgt jedenfalls nicht zwingend Gegenteiliges, weil die Aufzählung wie früher beispielhaft ist und die nicht näher begründete Streichung der betreffenden Passage auch daran liegen könnte, dass es ohne ausdrückliche Nennung gerade den Mitgliedsstaaten überlassen bleiben kann, entsprechende Regeln ein- und fortzuführen. Abgesehen davon galt die alte Rechtslage auch nach der Gegenmeinung bis zum Ende der Umsetzungsfrist am 19. Juli 2015. Bis dahin war die Präklusion vorliegend längst eingetreten. Wenn die Dreimonatsfrist nunmehr nicht mehr gelten sollte, kann es mit Hinblick auf die Rechtssicherheit nicht dazu führen, dass sämtliche in der Vergangenheit liegenden und längst abgeschlossenen Verfahren wieder aufgerollt werden könnten (vgl. auch VG Oldenburg, B.v. 16.3.2017 – 3 B 1322/17 – juris; VG Karlsruhe, B.v. 5.1.2017 – A 6 K 7295/16 – juris sowie schon VG Würzburg, B.v. 29.6.2016 – W 6 K 16.30358).
Auch war die Frist von drei Monaten nicht erst nach der Einreise der Kläger in Deutschland in Lauf zu setzen. Wohl wird teilweise vertreten, dass der Lauf der Dreimonatsfrist erst nach der Einreise aus dem Ausland beginnen könne (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 71 Rn. 21; Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 71a Rn. 11). Das Gericht geht jedoch davon aus, dass die Dreimonatsfrist jedenfalls während eines Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits dort durchaus durch entsprechende Kenntnis eines neuen Beweismittels bzw. neuer Sach-/Rechtsumstände in Lauf gesetzt werden kann. Nach Art. 40 ff. Verfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes) muss es Asylsuchenden in allen Mitglieds-staaten der Europäischen Union möglich sein, erst später bekannt gewordene bzw. entstandene neue Beweismittel/Sachverhalte geltend zu machen. Mit dieser Möglichkeit korrespondiert jedoch auch die Obliegenheit der Asylsuchenden neue Beweismittel/Sachverhalte zeitnah nach ihrem Entstehen/Bekanntwerden gegenüber den zuständigen Stellen anzuführen. Es kann weder im Interesse der Asylsuchenden liegen, noch des Mitglieds-staates, in dem sich der Asylsuchende zu dessen Zeitpunkt aufhält, noch im Interesse der effizienten Ausgestaltung und Durchführung der einschlägigen Asylvorschriften, wenn die Kläger auf entsprechende Ausführungen zu einem neuen Beweismittel bzw. zu neuen Sach-/Rechtsumständen in einem Mitgliedstaat verzichten, um dann erst später (gegebenenfalls nach einer zwischenzeitlichen Ausreise aus der Europäischen Union) in einem anderen Mitgliedstaat unter Berufung auf diese bereits zuvor bekannten Beweismittel bzw. Sach-/Rechtsumstände ein weiteres Asylverfahren einzuleiten. Entsprechend hätten die Kläger ihre Ausführungen gerade hinsichtlich ihrer Teilnahme an Protesten gegen den Iran in Frankreich und der Taufe des Klägers zu 1) bereits in Frankreich geltend machen können und müssen. Dadurch, dass sie dies nicht getan haben, haben sie sich eigenverantwortlich dem Risiko ausgesetzt, dass ihr Vorbringen in Mitgliedstaaten, die von der Möglichkeit einer entsprechenden Fristenregelung Gebrauch gemacht haben, als verspätet nicht weiter berücksichtigt wird.
Ergänzend ist noch anzumerken, dass die Erforderlichkeit der Einhaltung der Voraussetzung des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG im Rahmen des § 71a AsylG auch nicht sonst europarechtswidrig ist. Angesichts der Regelung in § 40 der Verfahrensrichtlinie ist insbesondere ein dahingehender Umkehrschluss für den Zweitantrag aus den Regelungen für den Folgeantrag nicht zwingend geboten; vielmehr sind diese Regelungen entsprechend auf den Zweitantrag als Sonderform des Folgeantrags anzuwenden. Dafür sprechen die grundsätzliche Systematik sowie Sinn und Zweck der europarechtlichen Regelungen, weil prinzipiell nur ein Mitgliedsstaat für die Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes zuständig sein soll und die Voraussetzungen nur einmal geprüft werden sollen, soweit nicht neue Erkenntnisse hinzutreten. Andernfalls würde der Kläger bevorzugt, der anstatt einen (weiteren) Folgeantrag in den selben Mitgliedsstaat zu stellen, in dem auch der Erstantrag gestellt wurde (hier: Frankreich), diesen Mitgliedsstaat verlässt und einen anderen Mitgliedsstaat (hier: Deutschland) erneut einen Antrag stellt, der abermals umfassend geprüft werden müsste. Im Ergebnis bestehen gegen die mitgliedsstaatsübergreifende Anwendung des unionsrechtlich ermöglichten Folgeantragskonzepts jedenfalls keine grundsätzlichen unionsrechtlichen Bedenken (offen gelassen vom BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – InfAuslR 2017, 162).
Die Klage ist jedoch im Hilfsantrag begründet.
Die Nummern 2 bis 4 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. September 2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger zu 1) – anders als die Kläger zu 2) bis 5), die nicht konvertiert sind – in seinen Rechten. Denn der Kläger zu 1) – im Folgenden: Kläger – hat Anspruch auf Feststellung, dass bei ihm ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt. Denn nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist bei Ablehnung eines Zweitantrags als unzulässig festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris).
Der Kläger hat vorliegend einen Anspruch auf Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 und 9 EMRK. Denn unter Berücksichtigung der ins Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen besteht zurzeit im Iran eine konkrete Gefahr für konvertierte Christen, jedenfalls unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden. Der Begriff der tatsächlichen Gefahr bzw. eines ernsthaften Risikos in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist mit der beachtlichen Wahrscheinlichkeit vergleichbar (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – BVerwGE 146, 67). Erniedrigende oder unmenschliche Maßnahmen sind aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte ernsthaft zu befürchten; stichhaltige Gründe für die Annahme des Realrisikos einer solchen Misshandlung sind gegeben. An der Feststellung der drohenden Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung sind keine allzu strengen Anforderungen zu stellen.
Aufgrund der aktuellen Lage besteht im Iran für christliche Konvertiten, die ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen ausüben, die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (vgl. VG Würzburg, U.v. 9.7.2014 – W 6 K 14.30301 – juris m.w.N.) sowie verschiedener Obergerichte (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207; U.v. 23.10.2007 – 14 B 06.30315; OVG NRW, U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A; U.v. 30.7.2009 – 5 A 982/07.A; HessVGH, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A; SächsOVG, U.v. 13.11.2008 – A 1 B 550/07; OVG Saarl, U.v. 26.6.2007 – 1 A 222/07 – alle juris jeweils mit weiteren Nachweisen; kritischer OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 9.6.2011 – 13 A 947/10.A – juris in einem gesondert gelagerten Einzelfall) unterliegen iranische Staatsangehörige, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (Anerkennungsrichtlinie), wenn sie im Iran lediglich ihren Glauben ausüben und an öffentlichen Riten teilnehmen. Insgesamt betrachtet ist eine religiöse Betätigung von muslimischen Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, im Iran selbst im häuslich-privaten oder nachbarschaftlich kommunikativen Bereich nicht mehr gefahrlos möglich (vgl. HessVGH, B.v. 11.2.2013 – 6 A 2279/12.Z.A; B.v. 23.2.2010 – 6 A 2067/08.A; U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08 A – alle juris).
Die konkrete Gefahr, jedenfalls unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden, resultiert dabei daraus, dass Christen häufig von iranischen Behörden und Sicherheitskräften drangsaliert, festgenommen, verhört, ohne Kontakte in Haft gehalten, misshandelt, gefoltert, angeklagt und verurteilt werden. „Outen“ als Christ ist in der derzeitigen Lage im Iran extrem gefährlich. Von einer sehr bedrohlichen Lage für konvertierte Christen im Iran ist auszugehen. Aufgrund dieser Erkenntnisse kommt der Hessische Verwaltungsgerichtshof (vgl. U.v. 28.1.2009 – 6 A 1867/07.A – juris, der allerdings § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anwendet) im Lichte einer verfassungs- und europakonformen Auslegung zu der Erkenntnis, dass muslimische Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, spätestens dann einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt sind, wenn sie sich im Iran zu ihrem christlichen Glauben bekennen und Kontakt zu einer solchen Gruppierung aufnehmen. Sie müssen dann mit Inhaftierung, körperlichen Übergriffen, Einschüchterungen und oder sonstigen erniedrigenden Maßnahmen durch iranische Sicherheitskräfte rechnen. Die Gefahrenmomente haben sich so verdichtet, dass von einer konkreten Gefahr für jeden einzelnen Konvertierten auszugehen ist. Denn gerade wenn bei christlichen Konvertiten entsprechende Maßnahmen gegen Angehöriger bestimmter Personengruppen mehr oder weniger regelmäßig angewandt werden, begründet dies ein allgemein wirkendes Abschiebungsverbot, so dass eine ernsthafte Gefahr anzunehmen ist (vgl. Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 60 AufenthG, Rn. 34 ff.). Demnach besteht im Fall einer ernsthaften Konversion ein Abschiebungsverbot (vgl. in der Sache genauso HessVGH, U.v. 28.1.2009 – 6 A 1867/07.A – allerdings mit Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG; VG Stuttgart – U.v. 30.6.2008 – A 11 K 1623/08; VG Hamburg – U.v. 24.4.2008 – 10 A 291/07 – jeweils bezüglich § 60 Abs. 5 AufentG i.V.m. Art. 3 bzw. 9 EMRK – alle juris).
Aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung besteht nach Überzeugung des Gerichts für den Kläger eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran, da der Kläger aufgrund einer tiefen inneren Glaubensüberzeugung lebensgeschichtlich nachvollziehbar den christlichen Glauben angenommen hat. Das Gericht ist weiterhin davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund seiner persönlichen religiösen Prägung entsprechend seiner neu gewonnenen Glaubens- und Moralvorstellungen das unbedingte Bedürfnis hat, seinen Glauben auch in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen öffentlich auszuüben, und dass er ihn auch tatsächlich ausübt. Das Gerichtet erachtet weiter als glaubhaft, dass eine andauernde christliche Prägung des Klägers vorliegt und dass er auch bei einer Rückkehr in den Iran seinen christlichen Glauben leben will. Das Gericht hat nach der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck, dass sich der Kläger bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) nur vorgeschoben aus opportunistischen, asyltaktischen Gründen dem Christentum zugewandt hat. Die Würdigung der Angaben des Klägers zu seiner Konversion ist ureigene Aufgabe des Gerichts im Rahmen seiner Überzeugungsbildung gemäß § 108 VwGO (BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19 sowie OVG NRW, B.v. 20.1.2016 – 13 A 1868/15.A – juris; BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris; B.v. 9.4.2015 – 14 ZB 14.30444 – NVwZ-RR 2015, 677; NdsOVG, B.v. 16.9.2014 – 13 LA 93/14 – KuR 2014, 263; VGH BW, B.v. 19.2.2014 – A 3 S 2023/12 – NVwZ-RR 2014, 576), wobei keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind, zumal Glaubens- und Konversionsprozesse individuell sehr unterschiedlich verlaufen können und nicht zuletzt von der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seiner religiösen und kulturellen Prägung und seiner intellektuellen Disposition abhängen (Berlit, jurisPR-BVerwG 22/2015, Anm. 6).
Das Gericht ist nach informatorischer Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung sowie aufgrund der schriftlich vorgelegten Unterlagen davon überzeugt, dass dieser ernsthaft vom Islam zum Christentum konvertiert ist. So legte der Kläger ein persönliches Bekenntnis zum Christentum ab. Der Kläger schilderte weiter nachvollziehbar und ohne Widersprüche glaubhaft seinen Weg vom Islam zum Christentum, Inhalte des christlichen Glaubens und seine christlichen Aktivitäten. Die Schilderungen des Klägers sind plausibel und in sich schlüssig. Der Kläger legte verschiedene Unterlagen vor. In diesen Unterlagen werden die Taufe des Klägers, seine Konversion zum Christentum sowie seine christlichen Aktivitäten bestätigt. Außerdem bekräftigte seine christliche Gemeinde seine Angaben und den Eindruck einer ehrlichen und aufrichtigen Konversion zum Christentum.
Der Kläger hat glaubhaft seinen Weg vom Islam zum Christentum dargetan. Der Kläger schilderte glaubhaft, im Iran als Moslem geboren und als Moslem gelebt zu haben. Er berichtete ausführlich von den näheren Umständen seines Glaubenswechsels in Frankreich im Zusammenhang mit der schweren Erkrankung seiner Frau während der Schwangerschaft. Zu diesem Zeitpunkt seien zufälligerweise Zeugen Jehovas zu ihm gekommen und hätten mit ihm über das Christentum gesprochen. Er habe auch eine Bibel erhalten. Er beschrieb weiter ausführlich wie er Kontakt zu einem iranisch sprechenden protestantischen Pfarrer in Paris erhielt, der seine Fragen beantwortete und ihm half. Der Kläger gab dabei ehrlich an, zunächst nicht in die Bibel geschaut zu haben und erst nach und nach Interesse gefunden zu haben. Es habe einige Monate gedauert und auch heute noch befinde er sich auf der Hälfte des Weges und wolle noch viel lernen. Er habe vor der Taufe noch Fragen stellen und sich sicher sein wollen. Es habe acht bis neun Monate bis zur Taufe gedauert. Er habe festgestellt, dass es nicht so einfach sei zu konvertieren und die Religion zu wechseln wie ein Hemd. Er habe sich dann aber in vollem Bewusstsein zum Religionswechsel entschieden. Er sei sich klar gewesen, nicht mehr beim Islam bleiben zu wollen, aber es habe noch einige Zeit gedauert, bis er sich habe protestantisch taufen lassen. Der Kläger beschrieb die Wassertaufe, bei der er mit dem ganzen Körper eingetaucht sei. Er gab ehrlich an, erst im Nachhinein die nähere Bedeutung der Taufe erfahren zu haben. Er erläuterte die Bedeutung der Taufe mit einem Bild, wonach man Schuld und Sünden auf sich geladen habe und nach dem Eintauchen ins Wasser wieder auferstehe wie Jesus Christus. Der Kläger schilderte weiter seine Aktivitäten hier in Deutschland in der Baptistengemeinde mit dem Besuch der Gottesdienste und der Hauskreise. Er gab schließlich auch an, dass er seine Töchter christlich erziehe, wenn er ihnen auch die freie Entscheidung über Religion lassen wolle. Des Weiteren äußere er sich im Internet über das Christentum.
Besonders zu erwähnen ist in dem Zusammenhang, dass der Kläger seinen Glauben nicht nur öffentlich und nach außen hin lebt, sondern dass er sich auch für seinen Glauben engagiert. Der Kläger erklärte glaubhaft, dass er missioniert habe, insbesondere werbe er bei seiner Familie und seinem Bruder für das Christentum. Seine Frau und seine Kinder seien noch nicht konvertiert, aber sie würden sich in letzter Zeit vermehrt für das Christentum interessieren, ebenso seinen Bruder. Er habe auch teilweise schon Erfolg gehabt, manche hätten dann an das Christentum geglaubt; wieder andere hätten ihn aber nicht ernst genommen. Er habe des Weiteren seiner Mutter von der Konversion berichtet. Die Mutter habe ihn erst gefragt, warum er ungläubig geworden sei. Schließlich habe sie sinngemäß geäußert, jeder solle seinen Weg gehen, es sei egal, was er mache. Vor diesem Hintergrund wird der Eindruck bestätigt, dass der Kläger bei seiner Glaubensbetätigung auch nicht vor seiner Heimat Halt macht, was für eine nachhaltige und ehrliche Konversion sowie für eine entsprechende Glaubensbetätigung auch bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran spricht.
Der Kläger verdeutlichte in der mündlichen Verhandlung des Weiteren plausibel und glaubhaft seine Beweggründe für die Abkehr vom Islam und die Hinwendung zum Christentum. In dem Zusammenhang legte er – in seinen Worten und im Rahmen seiner Persönlichkeit und intellektuellen Disposition (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19; Berlit, jurisPR-BVerwG 22/2015, Anm. 6) – auch zentrale Elemente des christlichen Glaubens als für sich wichtig dar. Gerade mit seinen Aussagen zur Stellung von Jesus Christus im Christentum sowie zur Erbsünde machte der Kläger zentrale Elemente des christlichen Glaubens und den fundamentalen Unterschied zwischen Islam und Christentum deutlich und zeigte, dass er dies verinnerlicht hat. Der Kläger erklärte: Er habe festgestellt, dass es im Koran viele Stellen gebe, die gleich seien mit der Bibel. Er habe erkannt, dass Jesus Christus nicht nur ein Prophet, sondern ein Gott sei. Im Islam entstehe alles aus Blut, im Christentum sei alles aus Erde (Staub). Im Koran stehe, dass sie alle Knechte von Gott seien. In der Bibel stehe, dass wir alle Kinder von Gott seien. Im Koran würde auf die Rechte der Frauen verzichtet. Im Christentum gebe es keine großen Unterschiede. Jesus habe nicht alles wiederholt, was Moses gemacht habe, er habe es nur verbessert. Mohammed habe Blödsinn gemacht, Hände und Füße abgehauen und dergleichen. Die Menschen hätten von Gott das Leben bekommen. Sie hätten auch erlaubt bekommen, etwas Neues zu erschaffen. Sie seien sündenfrei gewesen. Adam und Eva hätten trotz des Verbots von Gott den Apfel vom verbotenen Baum gegessen. Adam und Eva hätten damit alles durcheinander gebracht. Sie hätten dadurch eine Sünde begangen. Gott habe sich dann von Adam und Eva distanziert. Jesus Christus helfe nun, dass die Menschen sich Gott wieder näherten. Jesus Christus sei auf die Erde gekommen. Jesus Christus habe sich durch die Kreuzigung für die Menschen geopfert. Sobald die Menschen daran glaubten, würden sie die Sünden los.
Der Kläger offenbarte weiter konkrete wesentliche Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse, die seine Glaubensentscheidung und seinen Gewissensschritt zusätzlich belegen. Der Kläger benannte in dem Zusammenhang einzelne christliche Feiertage sowie christliche Gebote. Des Weiteren kannte der Kläger auch christliche Gebete, wie das „Vater unser“. Der Kläger bezog sich zudem wiederholt auf die Bibel und auf einzelne Bibelstellen.
Der Kläger erklärte weiter, er könnte sich nicht vorstellen, vom Christentum wieder zum Islam zurückzukehren. Er sei jetzt auf dem richtigen Weg. Wieso solle er auf den falschen Weg wieder zurückfahren oder -laufen. Weiter gab der Kläger glaubhaft an, er könne sich nicht vorstellen, bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran seine Konversion zu verheimlichen. Denn es sei im Christentum wichtig, zu lesen und zu beten; und die sozialen Kontakte seien wichtig. Das müsse man durchaus mit anderen tun. Jesus habe laut dem Matthäus-Evangelium befohlen, andere zu taufen, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und dies weiter zu geben. Es sei ein Geschenk von Gott. Man müsse es verteilen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das gesamte Verhalten des Klägers vor und nach seiner Ausreise im Zusammenhang mit der Konversion zum Christentum sowie die von ihm vorgetragenen Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse über die christliche Religion – auch in Abgrenzung zum Islam – eine ehrliche Konversion glaubhaft machen und erwarten lassen, dass der Kläger bei einer angenommenen Rückkehr in seine Heimat seiner neu gewonnenen Religion entsprechend leben würde. Der Kläger hat lebensgeschichtlich nachvollziehbar seine Motive für die Abkehr vom Islam und seine Hinwendung zum christlichen Glauben dargestellt. Er hat seine Konversion anhand der von ihm gezeigten Glaubenskenntnisse über das Christentum und durch seine Glaubensbetätigung gerade auch in Bezug zur Öffentlichkeit nachhaltig und glaubhaft vorgebracht. Der Eindruck einer ernsthaften Konversion wird dadurch verstärkt, dass der Kläger missionarische Aktivitäten entwickelt, indem er bei anderen für den christlichen Glauben wirbt. Weiter ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger bei einer theoretischen Rückkehr in den Iran seine Konversion ohne Not verheimlichen würde, da prognostisch von einer andauernden christlichen Prägung auszugehen ist. Abgesehen davon kann einem Gläubigen nicht als nachteilig entgegengehalten werden, wenn er aus Furcht vor Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichtet, sofern die verfolgungsrelevante Glaubensbetätigung wie hier die religiöse Identität des Schutzsuchenden kennzeichnet. Ein so unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungener Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen und hindert nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 14.15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19; U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – BVerwGE 146, 67; Berlit, juris PR-BVerwG 22/2015, Anm. 6 und 11/2013, Anm. 1; Marx, Anmerkung, InfAuslR 2013, 308). Umgekehrt kann einem Gläubigen von den deutschen Behörden bzw. Gerichten nicht zugemutet werden, bei einer Rückkehr in den Iran von seiner religiösen Betätigung Abstand zu nehmen, um nicht verfolgt zu werden (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 – ABl EU 2012, Nr. C 331 S. 5 – NVwZ 2012, 1612).
Der Kläger hat insgesamt durch sein Auftreten in der mündlichen Verhandlung und durch die Darlegung seiner Beweggründe nicht den Eindruck hinterlassen, dass er nur aus opportunistischen und asyltaktischen Gründen motiviert dem christlichen Glauben nähergetreten ist, sondern aufgrund einer ernsthaften Gewissensentscheidung und aus einer tiefen Überzeugung heraus den religiösen Einstellungswandel vollzogen hat. Dieser Eindruck erhärtet sich durch das schriftliche Vorbringen sowie die vorgelegten Unterlagen.
Dazu tragen auch die Ausführungen seines christlichen Beistandes in der mündlichen Verhandlung bei. Dieser erklärte, der Kläger sei am Christentum sehr interessiert. Er könne zurzeit wegen der Überschneidung beim Sprachkurs nur unregelmäßig an einem Bibelkurs teilnehmen. Aber der Kläger gehe in den persischen Gottesdienst. Er mache sich immer Notizen. Der Kläger habe auch schon Sekundärliteratur zusätzlich zur Bibel bekommen. Er sei auch sonst sehr aktiv. Er habe eine Tochter im Iran, die habe er ebenfalls zum christlichen Glauben gebracht.
Nach alledem ist beim Kläger zu 1) unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. September 2016 in Nummer 2 festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt.
Des Weiteren sind auch die verfügte Abschiebungsandrohung und die Ausreisefristbestimmung (Nr. 3 des Bundesamtsbescheides) infolge des bestehenden nationalen Abschiebungsverbotes rechtswidrig und daher aufzuheben, soweit sie sich auf den Kläger zu 1) beziehen.
Schließlich war auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG (Nr. 4 des Bundesamtsbescheides) aufzuheben, soweit sie sich auf den Kläger zu 1) bezieht, weil mit der Aufhebung der Abschiebungsandrohung auch die Voraussetzungen für die Entscheidung über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 AufenthG entfallen (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG).
Hinsichtlich der Kläger zu 2) bis 6) war die Klage in vollem Umfang abzuweisen, weil bei diesen im Gegensatz zum Kläger zu 1) – insbesondere mangels bereits vollzogener Religionskonversion – keine Abschiebungsverbote festzustellen waren.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG gemäß dem jeweiligen Obsiegen bzw. Unterliegen. Das Gericht kommt dabei zu einer Quotelung von 1/18 zu 17/18, weil von den sechs Klägern nur einer gewonnen hat, nämlich der Kläger zu 1), und der Kläger zu 1) selbst zudem nur zu einem Teil gewonnen hat, wobei das Gericht die Antragsablehnung unter Nr. 1 des Bundesamtsbescheid als doppelt so schwer gewichtet als die weiteren Nummern des Bescheides, und zwar im Verhältnis von zwei Drittel zu ein Drittel.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.