Aktenzeichen AN 17 K 19.50826
Leitsatz
Die Abschiebung einer Familie mit minderjährigen Kindern nach Griechenland, die dort internationalen Schutz erhalten haben, ist wegen der sie erwartenden Lebensumstände unzulässig. (Rn. 15 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Ziffern 2 bis 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Juli 2019 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass für die Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Griechenland vorliegt.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
4. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Gründe
Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Klägerseite mit Schriftsätzen vom 6. Juli 2020 und die Beklagte mit Schriftsatz vom 25. Mai 2020 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben.
Klagegegenstand sind nach dem eindeutigen Klageantrag vom 19. August 2019 die Ziffern 2 bis 4 des Bescheides vom 24. Juli 2019. Nicht angegriffen wurde der Bescheid hingegen bezüglich seiner Ziffer 1. Aufgrund der insoweit eindeutigen Antragstellung durch einen Rechtsanwalt, ist eine weitergehende Klageerhebung auf Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung auch nicht durch Auslegung anzunehmen, auch wenn inzwischen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 37) durchaus Anlass zu einer derartigen Antragstellung geben würde.
1. Zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufentG ist die erhobene Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage, § 42 Abs. 1 Altern. 2 VwGO, die richtige Klageart, hinsichtlich Ziffern 3 und 4 die Anfechtungsklage. Die Rechtsprechung zur alleinigen Statthaftigkeit der Anfechtungsklage im Falle des Angriffs der Unzulässigkeitsentscheidung greift hier nicht (vgl. hierzu VG Ansbach, U.v. 14.5.2020 – AN 17 K 17.51040 u.a. – juris, BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn.19, OVG Saarlouis, U.v. 25.10.2016 – 2 A 95/16 – juris Rn.23). Das Gericht hat vielmehr in Bezug auf ein Abschiebungsverbot in Form einer Verpflichtung zu entscheiden, wenn das Bundesamt ein solches konkret abgelehnt hat. Es ist nicht darauf beschränkt, nur die fehlerhafte negative Feststellung aufzuheben. Da das Bundesamt über Abschiebungsverbote hinsichtlich Griechenland bereits in der Sache entschieden hat, liegt eine Überprüfung des Gerichts vor, wozu das Gericht berufen ist. Dem Kläger entgeht insoweit keine „zweite Instanz“, wie dies bei einem „Durchentscheiden“ des Gerichts ohne vorherige inhaltliche Entscheidung durch das Bundesamt der Fall wäre.
Die Klage ist auch nicht verfristet. Sie wurde zwar nicht innerhalb der gesetzlichen Klagefrist von einer Woche, §§ 74 Abs. 1 Halbs.2, 36 Abs. 3 AsylG erhoben, aber innerhalb der in der Rechtsbehelfsbelehrung:fälschlich angegebenen Zwei-Wochen-Frist.
2. Die Verpflichtungsklage auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 VwGO ist begründet. Das Bundesamt hat zu Unrecht die Zuständigkeit Griechenlands für die Kläger abgelehnt bzw. hält ihre Rückkehr nach Griechenland zu Unrecht für zumutbar. Dies verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse, die die Kläger als anerkannt Schutzberechtigte bei einer Rückkehr in Griechenland erwarten, haben sie einen Anspruch (mindestens) auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh.
Nach der Rechtsprechung der Kammer finden anerkannt schutzberechtigte Familien mit minderjährigen Kindern in Griechenland eine Lage vor, die eine Rückkehr dorthin unzumutbar macht, weil die tatsächliche Gefahr besteht, dass sie dort unmenschliche Verhältnisse i.S.v. Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh vorfinden (vgl. ausführlich im Folgenden). Nach der Rechtsprechung die Kammer, die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof folgt (EuGH, U.v. 13.11.2019 – juris; VG Ansbach, U.v. 5.3.2020 – AN 17 K 18.50394 oder U.v. 14.5.2020 – AN 17 K 17.51040 u.a. – jeweils juris), hätten die tatsächlichen Verhältnisse in Griechenland bei entsprechender Antragstellung zur Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1 des Bescheids) und in der Folge zur Aufhebung der übrigen Bescheidsziffern geführt. Im Fall der Akzeptanz der Unzulässigkeitsentscheidung wirkt sich die Unzumutbarkeit der Rückkehr nach Griechenland aber als nationales Abschiebungsverbot nach Art. 60 Abs. 5 AufenthG für Griechenland aus und ist dieses aufgrund der Klageanträge positiv festzustellen (so auch VG Gelsenkirchen, U.v. 22.11.2019 – 17a K 2746/18.A – juris; VG Würzburg, U.v. 6.3.2020 – W 1 K 19.31973 – juris Rn. 32).
Die Kläger sind bei einer Rückkehr nach Griechenland der ernsthaften Gefahr ausgesetzt, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; s.a. schon EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris) bzw. der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu erfahren.
Innerhalb der Europäischen Union erkennen zwar alle Mitgliedstaaten die grundlegenden Werte der Europäischen Union, wie sie etwa in Art. 4 GRCh zum Ausdruck kommen, an, so dass grundsätzlich gegenseitig darauf vertraut werden kann, dass alle Mitgliedsstaaten Unionsrecht in nationales Rechts umgesetzt haben bzw. dieses gleichermaßen beachten, insbesondere alle Staaten die in der GRCh anerkannten Grundrechte gewährleisten. (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 80 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 83 ff.; s.a. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Art. 4 GRCh Rn. 3). Dieser Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens gilt jedoch nicht absolut im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedsstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, bei einer Überstellung in diesen Mitgliedsstaat grundrechtswidrig behandelt werden. Dies zu prüfen obliegt den Mitgliedsstaaten einschließlich der nationalen Gerichte (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 83 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 86 ff.).
Derartige Funktionsstörungen müssen eine besonders hohe Schwelle an Erheblichkeit erreichen und den Antragsteller tatsächlich einer ernsthaften Gefahr aussetzen, im Zielland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, was von sämtlichen Umständen des Falles abhängt (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C -297/17 u.a. – juris Rn. 89). Nicht ausreichend für das Erreichen dieser Schwelle ist der bloße Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Rückführungsstaat nicht den Bestimmungen des Kapitels VII der Qualifikations-RL 2011/95/EU entsprechen (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36). Die Schwelle ist jedoch dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedsstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90). Plakativ formuliert kommt es darauf an, ob der Anerkannte bei zumutbarer Eigeninitiative in der Lage wäre, an „Bett, Brot und Seife“ zu gelangen (VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5). Angesichts dieser strengen Anforderungen überschreitet selbst eine durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichnete Situation nicht die genannte Schwelle, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden ist, aufgrund derer sich die betreffende Person in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 91).
Dafür genügt es nicht, dass in dem Mitgliedsstaat höhere Sozialleistungen gewährt werden oder die Lebensverhältnisse besser sind als in einem anderen Mitgliedsstaat, (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93 f.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 97). Ebenso wenig ist das Fehlen familiärer Solidarität in einem Staat in Vergleich zu einem anderen eine ausreichende Grundlage für die Feststellung extremer materieller Not. Gleiches gilt für Mängel bei der Durchführung von Integrationsprogrammen (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 94, 96).
Bei dem so definierten Maßstab ist weiter zu berücksichtigen, ob es sich bei der betreffenden Person um eine gesunde und arbeitsfähige handelt oder eine Person mit besonderer Verletzbarkeit (Vulnerabilität), die leichter unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 95; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 29 AsylG Rn. 26). Damit schließt sich der Europäische Gerichtshof der Tarakhel-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, 29217/12 – NVwZ 2015, 127), die wegen Art. 52 Abs. 3 GRCh auch im Rahmen des Art. 4 GRCh zu berücksichtigen ist.
Für die demnach zu treffende Prognoseentscheidung, ob den Antragstellern eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh droht, ist eine tatsächliche Gefahr („real risk“) des Eintritts der maßgeblichen Umstände erforderlich, d.h. es muss eine ausreichend reale, nicht nur auf bloße Spekulationen gegründete Gefahr bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 4 GRCh zuwiderlaufenden Behandlung muss insoweit aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein (OVG RhPf, B.v. 17.3.2020 – 7 A 10903/18.OVG – BeckRS 2020, 5694 Rn. 28 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris Rn. 184 ff. m.w.N. zur Rspr. des EGMR). Es gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die für eine solche Gefahr sprechenden Umstände müssen ein größeres Gewicht als die dagegen sprechenden Tatsachen haben (OVG RhPf, a.a.O.; vgl. VGH BW, a.a.O., juris Rn. 187).
Diesen Maßstab zu Grunde gelegt, war die Verneinung eines Abschiebungsverbotes für Griechenland im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunktes der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig, weil den Klägern als vulnerable Personengruppe – als Familie mit alleinerziehender Mutter, zwei minderjährigen Kindern und einem volljährigen Kind – nach Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr nach Griechenland eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung droht. Es ist davon auszugehen, dass sie in Griechenland unabhängig von ihrem Willen und persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten werden und ihre Grundbedürfnisse „Bett, Brot und Seife“ nicht werden befriedigen können.
Das Gericht geht auf Basis der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel von folgender Lage für in Griechenland anerkannte international Schutzberechtigte, die nach ihrer Anerkennung Griechenland verlassen haben und nun wieder zurückgeführt werden sollen, aus:
Asylbewerber, die bereits von Griechenland als international Schutzberechtigte anerkannt worden sind, werden im Falle einer Abschiebung dorthin von den zuständigen Polizeidienststellen in Empfang genommen und mit Hilfe eines Dolmetschers umfassend über ihre Rechte aufgeklärt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3). Die betroffenen Personen erhalten insbesondere Informationen zur nächsten Ausländerbehörde, um dort ihren Aufenthaltstitel verlängern zu können. Anerkannt Schutzberechtigte haben sich sodann beim zuständigen Bürgerservice-Center zu melden. Spezielle staatliche Hilfsangebote für Rückkehrer werden vom griechischen Staat nicht zur Verfügung gestellt. Auch für Familien mit Kindern gilt das genannte Verfahren (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 8 f.).
Die staatlichen Integrationsmaßnahmen im Allgemeinen erscheinen defizitär. Es existiert kein funktionierendes Konzept für die Integration von Flüchtlingen (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 11). Diesbezügliche Ansätze der Regierung wie die „Nationale Strategie zur Integration von Drittstaatsangehörigen“ sind nur teilweise umgesetzt (Pro Asyl, a.a.O.) oder haben wie im Falle der nationalen Integrationsstrategie aus Juli 2018 keine rechtlich bindende Wirkung (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7). Zwar berichten einige Erkenntnismittel etwa von 53 Integrationsräten auf lokaler Ebene, welche das Ziel verfolgten, Integrationsprobleme zu identifizieren und dem jeweiligen Gemeinderat Vorschläge für eine möglichst reibungsfreie Integration von Einwanderern zu unterbreiten (BAMF, Länderinformation: Griechenland, Stand Mai 2017, S. 5). Diese Beschreibung deutet jedoch auf ein eher politisches Gremium hin, welches sich um Änderungen bemüht, selbst aber keine Integrationsleistungen anbietet. Hinsichtlich staatlicher Kurse zu Sprache sowie Kultur und Geschichte des Landes ist das Bild uneinheitlich (für die Existenz kostenloser Kurse: Konrad Adenauer Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 11), wobei aktuellere und insofern vorzugswürdige Erkenntnismittel ein solches Angebot verneinen (Raphaelswerk, Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 12). Zudem wird die hohe Abhängigkeit etwaiger Integrationsprogramme von einer Finanzierung durch die EU betont, da auf nationaler und kommunaler Ebene keine nennenswerten Ressourcen zur Verfügung stehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7).
In diese Lücke stoßen jedoch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, die auf verschiedensten Feldern Integrationshilfe leisten (OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 91 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2), aber räumlich zum einen auf die Ballungsräume Athen und Thessaloniki konzentriert sind und zum anderen den weitestgehenden Ausfall staatlicher Strukturen nicht kompensieren.
Hingegen ist der Zugang zum staatlichen Schulsystem für Minderjährige gewährleistet (Raphaelswerk, Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 11 f.).
Hinsichtlich des Zugangs zu einer Unterkunft gilt für anerkannte Schutzberechtigte ebenso der Grundsatz der Inländergleichbehandlung mit griechischen Staatsangehörigen. Da es in Griechenland kein staatliches Programm für Wohnungszuweisungen an Inländer gibt, entfällt dies auch für anerkannt Schutzberechtigte. Auch findet keine staatliche Beratung zur Wohnraumsuche statt. Sie sind zur Beschaffung von Wohnraum grundsätzlich auf den freien Markt verwiesen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 2; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierter Stand 19.3.2020, S. 30; Raphaelswerk, Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 9). Das Anmieten von Wohnungen auf dem freien Markt ist durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte oder Studenten sowie gelegentlich durch Vorurteile gegenüber Flüchtlingen erschwert (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierter Stand 19.3.2020, S. 30).
Zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigten werden nicht in den Flüchtlingslagern oder staatlichen Unterkünften untergebracht. Zwar leben dort auch anerkannt Schutzberechtigte, jedoch nur solche, die bereits als Asylsuchende dort untergebracht waren und über die Anerkennung hinaus dort verblieben sind (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, Stand 4.10.2019, S. 26; Raphaelswerk, Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 9). Von einer Unterbringung kann nur ausgegangen werden, soweit eine explizite Zusage im Einzelfall zur Betreuung des Rückkehrers seitens der griechischen Behörden vorliegt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f.).
Auch haben die zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigten keinen Zugang zu einer Unterbringung im Rahmen des EUfinanzierten und durch das UNHCR betriebenen ESTIA-Programms (Emergency Support to Accomodation and Integration System). Über das ESTIA-Programm stehen – Stand Januar 2020 – 4.610 Appartements und insgesamt ca. 25.650 Unterbringungsplätze zur Verfügung (UNHCR, Fact Sheet Greece, Stand Februar 2020). Dieses steht jedoch nur Asylsuchenden und begrenzt zwischenzeitlich auch für international Anerkannte zur Verfügung, die bereits dort gelebt haben (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2; Pro Asyl, Returned recognized refugees face a dead-end in Greece – a case study, Stand 4.1.2019, S. 3). Durch das neue Asylgesetz vom 1. November 2019 wurden die Bedingungen für die anerkannt Schutzberechtigten überdies verschärft, sie sollen nunmehr unmittelbar ab dem Zeitpunkt der Anerkennung die ESTIA-Unterkünfte verlassen, wobei es eine einmalige Übergangsfrist von zwei Monaten Anfang 2020 geben soll (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2).
Das Helios 2-Programm, ein von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Abstimmung mit dem griechischen Migrationsministerium entwickeltes und durch die EU finanziertes Integrationsprogramm, sieht zwar 5000 Wohnungsplätze für anerkannte Schutzberechtigte vor. Die Wohnungsangebote werden dabei von Nichtregierungsorganisationen und Entwicklungsgesellschaften griechischer Kommunen als Kooperationspartner der IOM zur Verfügung gestellt und von den Schutzberechtigten, unter Zahlung einer Wohnungsbeihilfe an sie, angemietet (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2 f.). Hinsichtlich des Zeitpunkts des Beginns des Helios 2-Programmes bestehen Unklarheiten (OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 105: 1.6.2019; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 3: frühestens ab September 2019). Das Programm kommt nach derzeitigem Erkenntnisstand aber nicht den anerkannten Flüchtlingen zugute, die nach Griechenland zurückkehren, sondern gilt für ab dem 1. Januar 2018, vorzugsweise ab dem 1. Januar 2019 Anerkannte nach einer Übergangsfrist von sechs Monaten im ESTIA-Programm (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2).
Eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften ist zwar grundsätzlich möglich, allerdings reichen die kommunalen Unterkünfte, etwa in Athen, kapazitätsmäßig nicht aus und sind chronisch überfüllt (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierter Stand 19.3.2020, S. 30, Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Die Wartelisten sind entsprechend lang und teils stellen die Unterkünfte weitere Anforderungen an die Interessenten, wie etwa Griechisch- oder Englischkenntnisse und psychische Gesundheit (Pro Asyl, Returned recognized refugees face a dead-end in Greece – a case study, Stand 4.1.2019, S. 4). Eine Erhebung des Refugee Support Aegean (RSA) vom 16. Juli 2018 ergab, dass von zwölf seitens der Stadt Athen genannten Obdachlosenunterkünften, soweit sie überhaupt Familien aufnehmen, alle bis auf eine entweder belegt oder gar geschlossen waren. In dieser einen, der „EKKA“-Unterkunft mit einer Kapazität von 65 Personen, werden Familien wiederum nur ausnahmsweise und nur mit griechischen oder englischen Sprachkenntnissen und maximal für drei Monate aufgenommen (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 6 ff.).
Wohnungsbezogene Sozialleistungen, die das Anmieten einer eigenen Wohnung unterstützen könnten, gibt es seit dem 1. Januar 2019 mit dem neu eingeführten sozialen Wohngeld, dessen Höhe maximal 70,00 EUR für eine Einzelperson und maximal 210,00 EUR für einen Mehrpersonenhaushalt beträgt. Das soziale Wohngeld setzt allerdings einen legalen Voraufenthalt in Griechenland von mindestens fünf Jahren voraus (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 1 f.).
Angesichts dessen bleiben viele international Schutzberechtigte obdachlos oder wohnen in verlassenen oder besetzten Gebäuden, häufig ohne Strom und fließend Wasser (OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 108 f.; Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 5). Obdachlosigkeit ist unter Flüchtlingen in Athen dennoch kein augenscheinliches Massenphänomen, was wohl auf landsmannschaftliche Strukturen und Vernetzung untereinander zurückzuführen ist (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3).
Zugang zu Sozialleistungen besteht für anerkannt Schutzberechtigte, die nach Griechenland zurückkehren, unter den gleichen Voraussetzungen wie für Inländer. Das im Februar 2017 eingeführte System der Sozialhilfe basiert auf drei Säulen. Die erste Säule sieht ein Sozialgeld in Höhe von 200,00 EUR pro Einzelperson vor, welches sich um 100,00 EUR je weiterer erwachsener Person und um 50,00 EUR je weiterer minderjähriger Person im Haushalt erhöht. Alle Haushaltsmitglieder werden zusammen betrachtet, die maximale Leistung beträgt 900,00 EUR pro Haushalt. Die zweite Säule besteht aus Sachleistungen wie einer prioritären Unterbringung in der Kindertagesstätte, freien Schulmahlzeiten, Teilnahme an Programmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen, aber auch trockenen Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Reis, Kleidung und Hygieneartikeln. Alles steht jedoch unter dem Vorbehalt der vorhandenen staatlichen Haushaltsmittel. Die dritte Säule besteht in der Arbeitsvermittlung. Neben zahlreichen Dokumenten zur Registrierung für die genannten Leistungen – unter anderem ein Aufenthaltstitel, ein Nachweis des Aufenthalts (z.B. elektronisch registrierter Mietvertrag, Gas-/Wasser-/Stromrechnungen auf eigenen Namen oder der Nachweis, dass man von einem griechischen Residenten beherbergt wird), eine Bankverbindung, die Steuernummer, die Sozialversicherungsnummer, die Arbeitslosenkarte und eine Kopie der Steuererklärung für das Vorjahr – wird ein legaler Voraufenthalt in Griechenland von zwei Jahren vorausgesetzt. (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 4 ff.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierter Stand 19.3.2020, S. 28 f.: Mindestaufenthalt ein Jahr).
Das sogenannte Cash-Card System des UNHCR, welches über eine Scheckkarte Geldleistungen je nach Familiengröße zur Verfügung stellt, steht nur Asylbewerbern, nicht aber anerkannt Schutzberechtigten, die zurückkehren, offen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierter Stand 19.3.2020, 28 f.).
Der Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt ist für international Schutzberechtigte grundsätzlich gleichermaßen wie für Inländer gegeben. Allerdings sind die Chancen auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes gering, da die staatliche Arbeitsverwaltung schon für die griechischen Staatsangehörigen kaum Ressourcen für eine aktive Arbeitsvermittlung hat. Zudem haben sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierter Stand 19.3.2020, S. 31). Rechtmäßig ansässige Drittstaatsangehörige sind, wenn sie überhaupt Arbeit finden, meist im niedrigqualifizierten Bereich und in hochprekären Beschäftigungsverhältnissen oder gleich in der Schattenwirtschaft tätig (Konrad Adenauer Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 9). Dazu tritt regelmäßig die Sprachbarriere (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7). Eine spezielle Förderung zur Arbeitsmarktintegration anerkannt Schutzberechtigter findet derzeit nicht statt (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 10), vereinzelt haben Nichtregierungsorganisationen Initiativen zur Arbeitsvermittlung gestartet (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7).
Der Zugang zu medizinischer Versorgung und dem Gesundheitssystem ist für anerkannt Schutzberechtigte gegeben, unterliegt allerdings denselben Beschränkungen durch Budgetierung und restriktive Medikamentenausgabe wie für griechische Staatsbürger (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9; OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 141 f.)
Auf Basis dieser Lage in Griechenland droht den Klägern bei Rückkehr nach Griechenland nach Auffassung des Gerichts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh. Es ist davon auszugehen, dass sie in Griechenland unabhängig von ihrem Willen und persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten werden und ihre Grundbedürfnisse „Bett, Brot und Seife“ nicht werden befriedigen können.
Die Kläger sind als Familie mit alleinerziehender Mutter, zwei minderjährigen Kindern und einem inzwischen volljährigen Sohn besonders vulnerabel. Ihnen steht weder eine Unterkunft im Rahmen des ESTIA-Programms noch des Helios 2-Programms zur Verfügung. Auch ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine Anmietung einer ausreichenden Wohnung auf dem privaten Wohnungsmarkt nicht möglich sein wird. Einerseits wegen der dort bestehenden Hürden wie einer Bevorzugung von Familienmitgliedern oder Studenten als Mietern, zum anderen wegen des zumindest in den ersten fünf Jahren bestehenden Ausschlusses wohnungsbezogener Sozialleistungen und des Ausschlusses vom Sozialgeld in den ersten zwei Jahren sowie des für anerkannt Schutzberechtigte kaum zugänglichen Arbeitsmarktes. Insoweit wird es den Klägern aller Voraussicht nach an entsprechenden finanziellen Mitteln fehlen, um die Miete bestreiten zu können. Eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften ist angesichts der Familiengröße und der limitierten Kapazitäten und der teils bestehenden Aufnahmebeschränkungen wie etwa Sprachkenntnissen eine nur vage und unwahrscheinliche Möglichkeit, die die tatsächliche Gefahr der drohenden Obdachlosigkeit nicht zu beseitigen vermag. Daran ändert auch die Tatsache, dass es etwa auf den Straßen Athens keine augenscheinliche Massenobdachlosigkeit gibt, nichts. Dies ist vor allem auf informelle Möglichkeiten zur Unterkunft, wie leer stehende oder besetzte Gebäude, meist ohne Wasser und Strom, zurückzuführen, auf die die Kläger sich nicht verweisen lassen müssen. Eine solche Unterkunft ist einer Familie mit Minderjährigen, wobei jedenfalls der Kläger zu 4) als erst 7-Jähriger noch in besonderem Maße schutzbedürftig ist, nicht zumutbar. Davon abgesehen ist fraglich, ob die Kläger in den Genuss einer solchen Unterkunft kämen, da ihnen aufgrund des zwischenzeitlichen Aufenthalts in Deutschland die informellen Kontakte zu Landsleuten in Griechenland fehlen dürften.
Angesichts des beschriebenen temporären Ausschlusses von Sozialleistungen in den ersten zwei bzw. für das Wohngeld fünf Jahren des (legalen) Aufenthalts in Griechenland und der äußerst problematischen Arbeitsmarktsituation für Anerkannte sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei den Klägern um eine zu versorgende vierköpfige Familie handelt, droht trotz rechtlicher Inländergleichbehandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verelendung, da innerhalb einer Zeitspanne von zwei Jahren nach Rückkehr keine Änderung in Hinblick auf Obdach und Sozialleistungen absehbar ist. Das Gericht geht davon aus, dass die Kläger durch jedes soziale Netz fallen würden und sich auch nicht aus eigener Kraft und eigenem Engagement heraus ein menschenwürdiges Existenzminimum für ihre Familie erwirtschaften können. Von den Klägern könnten allenfalls die Klägerin zu 1) oder der inzwischen volljährige Kläger zu 2) einer Erwerbsarbeit nachgehen. Angesichts der schlechten Situation des griechischen Arbeitsmarktes ist aber nicht zu erwarten, dass diese derzeit in Griechenland eine Arbeit finden, die den Unterhalt der Gesamtfamilie decken wird. Der Kläger ist gerade erst volljährig geworden und hat keinerlei Berufsausbildung, die Klägerin ist familienbedingt bislang keiner Berufstätigkeit nachgegangen.
Die zu erwartenden Lebensumstände beruhen zwar nicht auf der Gleichgültigkeit (so die Formulierung des EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90) des griechischen Staates, aber auf dessen massiver Überforderung, die trotz Unterstützung durch den UNHCR und die EU weiterhin besteht. So kamen im Jahr 2019 74.600 Asylsuchende in Griechenland an und damit 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor (UNHCR, Fact Sheet Greece, Stand Dezember 2019), in den Monaten Januar und Februar 2020 erreichen Griechenland rund 7.000 Flüchtlinge im Gegensatz zu rund 5.000 in den Monaten Januar und Februar 2019 (UNHCR, Fact Sheet Greece, Stand Februar 2020), was angesichts einer Bevölkerungszahl von etwa 11 Millionen und der Steigerungsrate eine enorme Belastung darstellt. Zum Vergleich wurden in Deutschland im Jahr 2019 etwa 150.000 Asylsuchende und damit 11 Prozent weniger als im Jahr 2018 registriert (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Das Bundesamt in Zahlen 2019, S. 7). In absoluten Zahlen sind dies zwar gut doppelt so viele wie in Griechenland, allerdings bei einer mehr als sieben Mal so großen Gesamtbevölkerung. Im europäischen Vergleich muss Griechenland gemessen an seiner Größe überproportionale Lasten bei der Aufnahme von Flüchtlingen schultern und ist mit diesem Ausmaß, insbesondere was die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung anbelangt, überfordert. Für die Betroffenen wirkt sich die Überforderung des griechischen Staates im Ergebnis genauso wie Gleichgültigkeit, worauf der Europäische Gerichtshof abgestellt hat (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90), aus. Rechtlich maßgeblich ist letztlich allein, ob wegen der Defizite mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK droht, was sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof ergibt, wo dieser an anderer Stelle den „allgemeinen und absoluten Charakter des Verbots in Art. 4 der Charta, das eng mit der Achtung der Würde des Menschen verbunden ist und ausnahmslos jede Form unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verbietet“, betont (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 37).
Der Annahme einer drohenden erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung steht auch nicht entgegen, dass die Kläger als anerkannte Schutzberechtigte freiwillig aus Griechenland ausgereist sind, damit – möglicherweise sogar bewusst – auf die ihnen zustehenden Sozialleistungen verzichtet und ihre eigene Notsituation im Falle einer Rückkehr erst herbeigeführt haben. Zwar stellt der Europäische Gerichtshof grundsätzlich auf eine Notsituation der schutzberechtigten Person „unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen“ ab (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90). Eine so zu berücksichtigende Eigenverantwortung liegt aber hinsichtlich der Kinder, der Kläger zu 2) bis 4), nicht vor. Die Entscheidung ihrer Mutter kann nicht zu ihren Lasten wirken. Auch eine getrennte Betrachtung der Verursachungsanteile dahingehend, dass dieser Umstand zur Verneinung einer drohenden unmenschlichen Behandlung hinsichtlich der Klägerin zu 1), aber zu deren Bejahung hinsichtlich der Kläger zu 2) bis 4) führt, hat nach Ansicht des Gerichts nicht zu erfolgen. Insoweit ist mit Blick auf Art. 7 GRCh und Art. 8 EMRK eine einheitliche Beurteilung für den Kernfamilien-Verbund vorzunehmen.
Schließlich vermag auch das allgemeine Schreiben des griechischen Ministeriums für Migrationspolitik vom 8. Januar 2018 bezüglich zurückkehrender anerkannter Flüchtlinge nach Griechenland eine drohende unmenschliche Behandlung nicht auszuschließen. In diesem wird zugesichert, dass Griechenland die Qualifikations-RL 2011/95/EU rechtzeitig in griechisches Recht umgesetzt hat und basierend hierauf allen international Schutzberechtigten die Rechte aus der Richtlinie gewährt werden unter Beachtung der Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention. Eine Zusicherung, die die Gefahr einer gegen Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK verstoßenden unmenschlichen Behandlung ausschließen soll, muss nach der Rechtsprechung des EGMR hinreichend konkret und individualisiert, etwa durch detaillierte und zuverlässige Informationen über die materiellen Bedingungen in der Unterkunft mit Bezug zu den Klägern, ausgestaltet sein (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, 29217/12 – NVwZ 2015, 127 Rn. 120 ff.). Das Bundesverfassungsgericht betont hinsichtlich der Beurteilung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK die Notwendigkeit einer „hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage“ (BVerfG [2. Senat, 1. Kammer], B.v. 10.10.2019 – 2 BvR 1380/19 – juris Rn. 15 f., wo auch auf die Tarakhel-Entscheidung des EGMR Bezug genommen wird). Gemessen an diesem Maßstab bleibt die Mitteilung Griechenlands vom 8. Januar 2018 zu abstrakt und damit nicht ausreichend.
Nach Auffassung des Gerichts sind die Kläger auch nach Erreichen der Volljährigkeit des Klägers zu 2) rechtlich weiter als Familie gemeinsam zu betrachten und ist für den Kläger zu 2) nicht aufgrund seiner Volljährigkeit die Frage eines Abschiebungsverbotes für ihn isoliert zu beurteilen. Zwar ist es einem Volljährigen rechtlich und tatsächlich generell durchaus zumutbar, alleine zu leben und zu reisen, gegebenenfalls auch alleine in einem anderen Land. In der hier vorliegenden konkreten Familienkonstellation verbietet sich jedoch ein Auseinanderreißen der Familie, da dies hier einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK, Art. 7 GRCh bzw. Art. 6 GG darstellen würde. Zum einen hat der Kläger zu 2) die Volljährigkeit gerade erst erreicht und hat er bislang noch zu keinem Zeitpunkt ein eigenständiges Leben ohne seine Mutter und Geschwister geführt, zum anderen ist anzunehmen, dass der Kläger zu 2) durch und seit dem Tod des Vaters auch für seine Familie eine besondere Unterstützerrolle einnimmt. Da die (Kern-)Familie auf ihrer Flucht bislang auch stets zusammen unterwegs war und das Asylverfahren in Griechenland wie auch in Deutschland als Familienverfahren geführt worden ist, würde eine zwangsweise dauerhafte Trennung gegebenenfalls ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot für die Kläger darstellen. Ein solches ist zwar im Rahmen der Asylentscheidung, auch bei Drittstaatenbescheiden, an sich noch nicht zu berücksichtigen, sondern ist erst in der Folge für die Ausländerbehörde bei der tatsächlichen Abschiebung relevant. Für die Frage, auf welchen Familienverbund bei der Rückführprognose abzustellen ist, ist dies jedoch im Rahmen der Asylentscheidung bereits mittelbar von Bedeutung. Bei hier gebotener gemeinsamer Betrachtung der Kläger als Kernfamilie (vgl. auch BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 50.18 – juris, allerdings nur für Familie mit minderjährigen Kindern) liegt hier für alle Kläger ein Abschiebungsverbot vor und der Frage, ob dies auch bei getrennter Betrachtung für den Kläger zu 2) als jungen, gesunden Erwachsenen der Fall wäre (was nach der Rechtsprechung der Kammer nicht generell der Fall ist), muss nicht weiter nachgegangen werden. Für diese Betrachtung spricht auch die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (U.v. 16.7.2020 – C-133/19, C 136/19 und 137/19 – Kurzinformation in juris, Urteil noch nicht verfügbar), der für den Fall eines Antrags auf Familienzusammenführung bzw. auf Nachzug zu einem international Anerkannten für die Volljährigkeit auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt hat und nicht auf den Entscheidungszeitpunkt des Gerichts. Die Erwägungen des Europäischen Gerichtshof sind auch in der hier vorliegenden Fallkonstellation gleichermaßen tragend.
3. Nachdem ein Abschiebungsverbot für Griechenland vorliegt, kann in der Folge auch die Ziffer 3 des Bescheids nicht aufrechterhalten werden. Die angeordnete Abschiebungsandrohung nach Griechenland gemäß §§ 35, 36 AsylG, ist aufzuheben. Eine Abschiebungsandrohung kann nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG nämlich nur erlassen werden, wenn die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nicht vorliegen. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG macht die Abschiebungsandrohung jedenfalls dann insgesamt rechtswidrig, wenn es sich bei dem Staat, für den ein solches existiert, um denjenigen handelt, der in der Abschiebungsandrohung in erster Linie genannt ist. Ein sinnvoller Restregelungsgehalt verbleibt für die Abschiebungsandrohung dann nicht (für die Aufhebung auch der Abschiebungsandrohung z.B. auch OVG Schleswig-Holstein, U.v. 25.7.2019 – 4 LB 12/17 – juris Rn. 61). § 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG greift insofern nicht ein. Für Abschiebungsandrohungen nach dem AsylG geht § 34 AsylG dem § 59 AufenthG im Kollisionsfall vor.
Von der Aufhebung umfasst ist auch die Feststellung in Ziffern 3 letzter Satz des streitgegenständlichen Bescheids, dass die Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfen. Diese Feststellung steht ersichtlich in unmittelbarem und untrennbarem Zusammenhang mit der Abschiebungsandrohung nach Griechenland und kann ohne diese nicht mit dem beabsichtigten Regelungsgehalt isoliert bestehen bleiben. Die Benennung des behaupteten Verfolgerstaats als denjenigen, in den nicht abgeschoben werden darf, erfolgte allein deshalb, weil bei einem unzulässigen Asylantrag im Hinblick auf den Herkunftsstaat nichts inhaltlich geprüft wird und es deshalb auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass dort eine Verfolgungsgefahr besteht (Pietzsch in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 24. Edition Stand 1.11.2019, § 35 AsylG Rn. 11) und die Formulierung der Abschiebungsandrohungen mit den jeweiligen Sätzen 3 der Ziffern 3 („Die Antragsteller können auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist“) eine Abschiebung in den Herkunftsstaat von der Formulierung her nicht ausschließt, so dass zur Verhinderung vorsorglich der Satz 4 aufgenommen wurde. Das Aufrechterhalten des Satzes 4 würde der Feststellung eine qualitativ völlig andere Bedeutung verleihen, nämlich die Aussage, dass für Syrien Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG inhaltlich geprüft und positiv erkannt wurden. Diese Feststellung wurde von der Beklagten so nicht getroffen und war nicht gewollt (s. Ausführung hierzu auf S. 10, letzter Absatz unter 2. des Bescheides vom 24.7.2019). Die Nichtabschiebung nach Syrien war nur für das Zuständigkeitsverfahren nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und nicht darüber hinaus ausgesprochen. Die isolierte Aufrechterhaltung des Satzes 4 ist damit ausgeschlossen. Auch die insoweit – isoliert betrachtet (was sich nach Ansicht des Gerichts aber verbietet) – begünstigende Regelung ist mit aufzuheben.
Ob die Kläger von Deutschland nach Syrien abgeschoben werden können, richtet sich danach, ob die Anerkennungsentscheidung durch Griechenland nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AsylG auch für Deutschland Gültigkeit hat (vgl zur Bindungswirkung – zweifelnd – VG Ansbach, z.B. U.v. 14.5.2020 – AN 17 K 17 51040 u.a.). Sollte dies nicht angenommen werden, stünde den Klägern wohl die Möglichkeit offen, einen Antrag auf Feststellung von nationalen Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG in Bezug auf Syrien zu stellen. Mangels Vorliegen einer Abschiebungsandrohung nach Syrien, sind die Kläger von einer Abschiebung nach Syrien derzeit aber ohnehin nicht bedroht. Hierzu müsste erst eine entsprechende Abschiebungsandrohung ergehen. In diesem Zusammenhang wäre auch über ein Abschiebungshindernis nach Syrien zu entscheiden.
Die Ausreisefrist von einer Woche entspricht der Vorgabe des § 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Sie knüpft den Fristlauf allerdings an die Bekanntgabe des Bescheides. Dies könnte mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Gnandi“ (U.v. 19.6.2018 – C-181/16 – NVwZ 2018, 1625) zweifelhaft erscheinen. Allerdings ist schon fraglich, ob die Grundsätze der „Gnandi“- Entscheidung überhaupt auf die vorliegende Konstellation einer Abschiebungsandrohung mit einwöchiger freiwilliger Ausreisefrist ab Bekanntgabe des Bescheids nach § 35 und § 36 Abs. 1 AsylG in Folge einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG übertragbar sind (dafür wohl Pietzsch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 25. Edition Stand 1.3.2020, § 36 AsylG Rn. 3 ff.; offenlassend etwa VG Würzburg, B.v. 19.12.2019 – W 4 S 19.32094 – BeckRS 2019, 34656). Denn die Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungs-RL), auf die sich der Europäische Gerichtshof in der „Gnandi“ – Entscheidung maßgeblich stützt, definiert in deren Art. 3 Nr. 3 eine Rückkehr grundsätzlich als Rückführung in Drittländer, die keine EU-Mitgliedstaaten sind (so VG Würzburg, B.v. 19.12.2019 – W 4 S 19.32094 – BeckRS 2019, 34656 Rn. 27). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls wurde die „Gnandi“ – Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bislang nur für die hier nicht gegebenen Fälle einer inhaltlichen Ablehnung des Asylantrages als (einfach oder offensichtlich) unbegründet verbunden mit einer Abschiebungsandrohung nachvollzogen (BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 22.19 – BeckRS 2020, 12399; BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202).
Selbst wenn man aber die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in Sachen „Gnandi“ für übertragbar hielte, käme man nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung nach Portugal. Denn jedenfalls hätte das Bundesamt durch die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsandrohung und damit auch des Laufs der Ausreisefrist in Ziffer 5 des Bescheides vom 1. März 2019 nach § 80 Abs. 4 VwGO einen unionsrechtskonformen Zustand hergestellt (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 22.19 – BeckRS 2020, 12399 Rn. 52 f.). Die durch den Europäischen Gerichtshof im Weiteren statuierten Informationspflichten bei einer Verbindung von ablehnender Asylentscheidung und Rückkehrentscheidung hätten auch im Fall ihrer Missachtung keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202 Ls. 4 und Rn. 34 ff.; BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 22.19 – BeckRS 2020, 12399 Ls. 4 und Rn. 60 ff.)
4. Rechtmäßig ist auch die implizite Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Ziffer 4 des Bescheides. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG mit der Abschiebungsandrohung unter der aufschiebenden Bedingung der Abschiebung, spätestens mit der Abschiebung erlassen werden.
Die nicht dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der einen behördlichen Erlass des Einreise- und Aufenthaltsverbots fordert, entsprechende Formulierung der Ziffer 4, dass das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet wird sowie die entsprechende Annahme in der Begründung des Bescheides unter 4., dass es sich um ein gesetzliches, also ipso iure eintretendes Einreise- und Aufenthaltsverbot handele, ist insoweit unschädlich.
Die nunmehr durch § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer ist in unionsrechtskonformer Auslegung anhand des Art. 11 Abs. 1 der Rückführungs-Richtlinie regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu sehen (BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 72; s.a. BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21/17 – NVwZ 2019, 483 Rn. 25).
Ebenfalls rechtmäßig ist die Befristungsdauer von 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Die Entscheidung über die Befristung hat gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG von Amts wegen bei Erlass des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu ergehen und ist nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eine Ermessensentscheidung. Das Gericht prüft die Festsetzung in zeitlicher Hinsicht nur auf Ermessensfehler hin (§ 114 Satz 1 VwGO). Ein solcher liegt nicht vor, da keine für eine Fristverkürzung sprechenden Belange vorgetragen oder ersichtlich sind. Da keiner der Kläger nach dem ablehnenden Bescheid ein gesichertes Aufenthaltsrecht in Deutschland hat.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.