Aktenzeichen B 7 K 17.32826
EMRK Art. 3
AsylG § 3 Abs. 1, § 3e, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 26 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsatz
1. Die staatliche Enteignung des Grundeigentums zur Gewinnung von Bodenschätzen – selbst wenn sie entschädigungslos ist – stellt keine konkret individuelle Verfolgungshandlung mit flüchtlingsrechtlicher Relevanz iSd § 3 AsylG dar. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG, wonach bei einem wegen politischer Oppositionstätigkeit vorverfolgten äthiopischen Asylbewerber die Verfolgungsfurcht weiterhin begründet ist bzw. er als Unterstützer der OLF tatsächlich Gefahr läuft, bei einer Rückkehr ernsthaften Schaden zu erleiden, ist aufgrund der gegenwärtigen Auskunftslage und der aktuellen politischen Veränderungen als widerlegt anzusehen. (Rn. 38 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Aufgrund der jüngsten Gesetze, Maßnahmen und Vereinbarungen, verbunden mit der Rückkehr namhafter Exilpolitiker, kann nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass oppositionelle Tätigkeiten in Äthiopien zu flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen führen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
4. Volkszugehörige der Oromo unterliegen nach der gegenwärtigen Auskunftslage keiner Gruppenverfolgung. (Rn. 43 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ein innerstaatlicher Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist in Äthiopien nicht ersichtlich. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 31.10.2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II.
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG besteht ebenfalls nicht. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt Folgendes:
Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 – Au 5 K 16.30604 – juris).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Obwohl die Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Bescheid zur ABO als „Westsomalische Befreiungsfront“ bzw. zur ONLF offensichtlich neben der Sache liegen, da der Kläger lediglich mit der OLF sympathisiert hat, besteht unter der Berücksichtigung der Schilderungen des Klägers im Klageverfahren und in der mündlichen Verhandlung im Ergebnis kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
a) Die klägerischen Ausführungen sind vage, detailarm und zum Teil von massiven Widersprüchen geprägt, so dass das Gericht dem Vorfluchtgeschehen keinen Glauben schenkt.
Widersprüchlich sind bereits die klägerischen Angaben zur Ausreise aus Äthiopien. Bei der Anhörung beim Bundesamt am 16.05.2017 gab der Kläger zunächst an, Äthiopien am 22.04.2008 des äthiopischen Kalenders (entspricht dem 01.01.2016 des europäischen Kalenders) verlassen zu haben. Nachdem der Kläger vom anhörenden Entscheider im Rahmen der Reisezeit auf Widersprüchlichkeiten angesprochen wurde, korrigierte er seine Angaben zum Ausreisedatum und erklärte sodann, er habe Äthiopien am 22.08.2008 (entspricht dem 30.04.2016 des europäischen Kalenders) verlassen. Die Ehefrau des Klägers erklärte dem gegenüber in ihrem Asylverfahren, sie hätten Äthiopien am 23.08.2008 des äthiopischen Kalenders, was dem 01.05.2016 des europäischen Kalenders entspricht, verlassen. Befragt zur Ausreise in der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger nunmehr, er habe am 25.04.2016 nach europäischer Zeitrechnung – zusammen mit seiner Frau und seiner großen Tochter – Äthiopien verlassen. Nach einer Umrechnung entspricht dies dem 17.08.2008 nach äthiopischer Zeitrechnung. Auf Vorhalt des Gerichts zu den widersprüchlichen Angaben im Verwaltungsverfahren bzw. zu den abweichenden Angaben seiner Ehefrau führte der Kläger lediglich aus, er habe beim Bundesamt die Daten in europäischer Zeitrechnung angegeben und dort zutreffend den 25.04.2016 genannt. Diese Einlassung ist aber ausweislich der Niederschrift über die persönliche Anhörung vom 16.05.2017 unrichtig. Der Kläger hat während der gesamten Anhörung und Befragung die maßgeblichen Daten anhand des äthiopischen Kalendersystems vorgetragen. Eine Umrechnung in das europäische Kalendersystem ist erst durch das Bundesamt erfolgt. Soweit der Kläger nach Angaben in der mündlichen Verhandlung dennoch am 25.04.2016 nach europäischer Zeitrechnung Äthiopien verlassen haben will, steht diese Einlassung wiederrum teilweise im Widerspruch zu den weiteren Ausführungen des Klägers gegenüber dem Gericht. Der Kläger erklärte dem Gericht nämlich im anderen Zusammenhang, sie hätten am 25.04.2016 J. verlassen. Danach habe es fünf Tage bis zur Grenze zum Sudan gedauert. An der Grenze zum Sudan hätten sie dann noch zwei Tage verweilt, bevor es drei Tage gedauert habe, bis sie Khartum im Sudan erreicht hätten. Dementsprechend hat der Kläger mit seiner Familie offensichtlich doch noch nicht am 25.04.2016 Äthiopien verlassen, sondern allenfalls die Stadt J.
Von zeitlichen Widersprüchen sind ferner die Angaben zum Aufenthalt der Familie im Sudan geprägt. Gegenüber dem Bundesamt und dem Gericht erklärte der Kläger, sie hätten sich vier Tage im Sudan aufgehalten. Die Ehefrau des Klägers führte hingegen bei ihrer Anhörung gegenüber dem Bundesamt aus, sie seien ungefähr zwei Wochen im Sudan gewesen, davon vier Tage in Khartum. Konfrontiert mit diesem Widerspruch lieferte der Kläger dem Gericht wiederrum keine plausible Erklärung. Der Kläger führte lediglich aus, seine Frau beziehe die 14 Tage offensichtlich auf die zehntägige Reise in den Sudan und den viertägigen Aufenthalt im Sudan. Diese Einlassung überzeugt das Gericht nicht. Die Ehefrau des Klägers sprach unmissverständlich von zwei Wochen Aufenthalt im Sudan, wovon vier Tage auf die Stadt Khartum entfallen sind. Im Gegensatz zu den klägerischen Ausführungen hinsichtlich Reise- und Aufenthaltszeiten sind zumindest die Angaben seiner Ehefrau insoweit weitgehend stimmig.
Als unglaubwürdig stuft das Gericht den Vortrag des Klägers zu Misshandlungen während der vom 11.04.2008 bis zum 16.07.2008 des äthiopischen Kalenders dauernden Haft ein. Auf Frage des Gerichts führte der Kläger aus, er und die anderen Gefangenen seiner Zelle seien ca. zweimal wöchentlich nachts mit einem Stock geschlagen worden. Von ihm habe man durch die Schläge erreichen wollen, dass er den Aufenthaltsort der unterstützten Mitglieder preisgebe. Bei der Anhörung beim Bundesamt war hingegen keine Rede von Misshandlungen im Gefängnis. Angesprochen auf diesen ergänzenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger lediglich, man habe ihn beim Bundesamt nicht danach gefragt. Zudem habe der Entscheider zu ihm gesagt, man wisse um die Zustände in den Gefängnissen, als er angefangen habe über die Haftzustände zu berichten. Diese Einlassungen des Klägers stuft das Gericht als reine Schutzbehauptung ein. Der Kläger hat gegenüber dem Bundesamt bestätigt, dass ihm ausreichend Gelegenheit gegeben worden ist, seine Fluchtgründe umfassend darzustellen. Er wollte ausweislich der Niederschrift nichts Weiteres hinzufügen. In Anbetracht des Gesamteindrucks vom Kläger stuft das Gericht die nunmehr vorgetragenen Misshandlungen als unglaubwürdig gesteigertes Sachvorbringen des Klägers ein, zumal auch in der Anhörung der Ehefrau – bei einem anderen Entscheider – mit keinem Wort eine Misshandlung des Klägers im Gefängnis erwähnt wurde. Die Ehefrau des Klägers führte lediglich aus, ihr Mann sei durch Schmiergeldzahlungen freigelassen worden. Ihr Mann habe ihr erzählt, dass er mit dem Tod bedroht worden sei, falls er noch einmal in Erscheinung trete. Wäre der Kläger tatsächlich im Gefängnis misshandelt worden, ist davon auszugehen, dass der Kläger seiner Frau darüber berichtet hätte und die Ehefrau dies auch im Rahmen der Frage nach der Haft ihres Ehemanns erwähnt hätte.
Von massiven Widersprüchen sind letztlich die Ausführungen des Klägers zu seinem Aufenthalt nach der Haftentlassung geprägt. Der Kläger erklärte dem Gericht, zwei Tage nachdem er aus der Haft entlassen worden sei, sei er zu seiner Frau und deren Tante nach J. gegangen. Dementsprechend müsste der Kläger noch im Juli 2008 des äthiopischen Kalenders zu seiner Familie, die sich seit seiner Festnahme bei der Tante seiner Ehefrau in J. aufgehalten hat, gestoßen sein. Die Ehefrau des Klägers erklärte hingegen gegenüber dem Bundesamt, der Kläger sei erst am 17.08.2008 des äthiopischen Kalenders – und damit mehr als einen Monat nach seiner Freilassung – nach J. gekommen. Für diesen eklatanten zeitlichen Widerspruch lieferte der Kläger wiederrum keine plausible Erklärung. Der Kläger berief sich lediglich auf mögliche Fehler bei der Umrechnung der Kalenderdaten. Diese Argumentation läuft schon deswegen ins Leere, da sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau beim Bundesamt Angaben nach dem äthiopischen Kalender gemacht haben und eine Umrechnung erst durch das Bundesamt erfolgt ist. Die Unglaubwürdigkeit der klägerischen Ausführungen zu seinem Aufenthalt nach der Freilassung setzen sich sodann noch fort, indem der Kläger dem Gericht erklärte, er sei dann noch einen Monat zusammen mit seiner Familie bei der Tante der Ehefrau in J. gewesen, bevor sie gemeinsam Äthiopien verlassen hätten. Die Ehefrau des Klägers gab hingegen gegenüber dem Bundesamt an, die Familie sei noch in der gleichen Nacht, als der Kläger zu ihnen nach J. gekommen sei, aus J. aufgebrochen. Konfrontiert mit diesem Widerspruch suchte der Kläger wiederrum vage und unplausible Ausflüchte. Insbesondere will er mehrmals kurz aus J. weggewesen sein. J. will er mit seiner Familie aber erst einen Monat nach seiner dortigen Ankunft verlassen haben. Auch die Vermutung, seine Frau habe wohl gemeint, dass sie erst nach einem Monat in J. Äthiopien verlassen hätten, hält das Gericht für abwegig, da die Ehefrau eindeutig davon berichtet hat, dass noch in der Nacht der Ankunft des Klägers die Familie J. verlassen hat.
b) Lediglich ergänzend ist noch auszuführen, dass die entschädigungslose Enteignung des Hauses des Klägers – selbst wenn dieser Vortrag der Wahrheit entsprechen sollte – nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führt.
Die staatliche Enteignung des klägerischen Grundeigentums zur Gewinnung von Bodenschätzen stellt nach Auffassung des Gerichts keine konkret individuelle Verfolgungshandlung mit flüchtlingsrechtlicher Relevanz i.S.d. § 3 AsylG dar. Die Enteignung ist – selbst wenn diese entschädigungslos ist – keine Handlung, die aufgrund ihrer Art so gravierend ist, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellt. Auch andere Rechtsordnungen sehen das Institut der Enteignung vor. Allein die Tatsache, dass die „Verfahrensvorschriften“ nicht eingehalten worden sind bzw. dass der Kläger für den Landentzug die versprochene Entschädigung nicht erhalten hat, erfüllt mangels Intensität schon nicht die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG in Anknüpfungen an einen Verfolgungsgrund des § 3b AsylG. Vielmehr handelt es sich – soweit dem Kläger hierfür eine Entschädigung zugestanden hätte – lediglich um staatliches Unrecht außerhalb der flüchtlingsrechtlichen Relevanz. Dies gilt vorliegend umso mehr, da es dem Kläger offensichtlich möglich war – nach der Enteignung des ersten Grundstückes – sich in Matoso eine neue Existenz aufzubauen. Die entschädigungslose Enteignung des ersten Grundstücks stellt damit keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. des § 3 Abs. 1 AsylG dar (vgl. Unabhängiger Bundesasylsenat der Republik Österreich [UBAS], Entscheidung vom 22.07.1998 – 203.929/0-VIII/22/98; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 – B 7 K 17.32889 – juris). Hinsichtlich des Hauses in …, in dem der Kläger zuletzt mit seiner Familie gelebt hat, konnte der Kläger hingegen in der mündlichen Verhandlung keine weiteren Angaben machen. Der Kläger berief sich nur auf Besprechungen zur Erweiterung des Abbaugebietes. Zum Zeitpunkt der Flucht hat der Abbau in diesem Bereich aber noch gar nicht begonnen. Der Kläger wusste nicht einmal, ob das zweite Wohngrundstück inzwischen zum Abbaugebiet gehört bzw. ob den Eigentümern für eventuelle weitere Enteignungen nicht eine Entschädigung zugestanden wird/wurde, da der Kläger inzwischen Äthiopien verlassen und keine weiteren Informationen hinsichtlich der Situation vor Ort hat.
c) Im Übrigen – und ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt – würde die die klägerische Fluchtgeschichte jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen einer Verfolgung aus politischen Gründen führen. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG, wonach bei einem wegen politischer Oppositionstätigkeit vorverfolgten Asylbewerber die Verfolgungsfurcht weiterhin begründet ist bzw. er tatsächlich Gefahr läuft, bei einer Rückkehr ernsthaften Schaden zu erleiden, ist aufgrund der gegenwärtigen Auskunftslage und der aktuellen politischen Veränderungen, insbesondere im Juli, August und September 2018, gegenwärtig als widerlegt anzusehen (VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 – B 7 K 17.33349 – juris). Als Folge des im Frühjahr 2018 eingeleiteten Umbruchs hat sich die Situation für Oppositionelle in Äthiopien grundlegend geändert. Unter dem neuen Premierminister Abiy Ahmed wurde insbesondere die Einstufung der OLF, ONLF und Ginbot 7 als terroristische Organisationen am 5.7.2018 durch das Parlament aufgehoben (vgl. https://www.aljazeera.com/news/2018/06/ethiopia-olf-onlf-ginbot-7-terror-list1806301105016 97.html). Das Kabinett wurde umgebildet. Die Hälfte der Ministerposten ist zwischenzeitlich mit Frauen besetzt (http://www.africanews.com/2018/10/16/female-appointees-form-half-of-ethiopia-s-new-cabinet-reports/). Es ist gegenwärtig nicht ersichtlich, dass diese Neuerungen alsbald – durch „alte Strukturen im Hintergrund“ – wieder rückgängig gemacht werden (können).
Mit Gesetz vom 20.7.2018 wurde zudem allen Äthiopiern, die wegen Verrats, Verbrechen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder bewaffneten Widerstands verurteilt wurden oder Objekt von Ermittlungen sind, Straffreiheit zugesichert. Durch die Amnestie für alle politische Vergehen soll den Oppositionellen ermöglicht werden, eine friedliche politische Karriere in Äthiopien zu verfolgen (vgl. https://www.aljazeera.com/news/2018/07/ethiopian-grants-amnesty-political-prisoners-180720191811460.html). Daneben hat die äthiopische Regierung am 7.8.2018 in Asmara ein „Friedensabkommen“ mit der OLF geschlossen. Die OLF will ihre politischen Ziele danach künftig mit friedlichen Mitteln durchsetzen (https://www.aljazeera.com/ news/africa/2018/08/ethiopia-signs-deal-oromo-rebels-hostilities-180807184317117.html; http://www.africanews.com/2018/08/07/ethiopia-govt-agrees-peace-deal-with-ex-terror-group-based-in-eritrea). Am 15.09.2018 wurde die OLF offiziell in Äthiopien willkommen geheißen (http://www.africanews.com/2018/09/16/like-pg7-ethiopia-govt-welcomes-oromo-liberation-front-back-home/).
Auch die Ginbot 7 ist zwischenzeitlich von ihrem Stützpunkt im benachbarten Eritrea nach Äthiopien zurückgekehrt, weil deren Kämpfern und Unterstützern in Äthiopien keine Verfolgung mehr droht (http://www.africanews.com/2018/09/03/ethiopia-s-ex-rebel-group-ginbot-7-returns-from-eritrea-base/). Die Zahl der Oppositionellen, die nach Äthiopien zurückkehren, steigt stetig und rasant (http:// www. africanews.com/ 2018/09/03/photos-exiled-oromia-regional-president-returns-to-fanfare/).
Daher besteht für den Kläger, der die OLF nur (finanziell) unterstützt hat, keinerlei beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus politischen Gründen (mehr). Das Gericht verkennt nicht, dass die Arbeit des neuen Premierministers mit Rückschlägen und Gegenwind verbunden ist. Die weiterhin vereinzelten Anschläge und Gewaltakte in Äthiopien vermögen an der Einschätzung des Gerichts zur politischen Verfolgung nichts zu ändern. Die Gewaltakte finden zum einen im Wesentlichen in der „Somali-Region“ statt. Zum anderen wird vorwiegend von andauernden bzw. schwelenden ethnischen Konflikten zwischen den Bevölkerungsgruppen berichtet (http://www.africanews.com/2018/09/16/brutal-ethnic-attacks-on-outskirts-of-ethiopia-capital-addis-ababa/), aber nicht von konkret-individuellen Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3a AsylG wegen politischer Aktivitäten Einzelner (https://www.dw.com/de/%C3%A4thiopien-ethnische-konflikte-schwelen-weiter/a-45011266 und https://www.sueddeutsche.de/politik/aethiopien-abiy-ahmed-superstar-1.4187205).
Aufgrund der jüngsten Gesetze, Maßnahmen und Vereinbarungen, verbunden mit der Rückkehr namhafter Exilpolitiker, kann daher nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass oppositionelle Tätigkeiten in Äthiopien zu flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen führen (VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 – B 7 K 17.33349 – juris; vgl. auch VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 – RO 2 E 18.31617 – juris… VG Regensburg, B.v. 31.7.2018 – RO 2 K 17.33894 – juris). Es liegen insbesondere auch keinerlei Anhaltspunkte davor vor, dass die vom Parlament beschlossenen Veränderungen zugunsten der politischen Opposition in der (Vollzugs-) Praxis ignoriert würden. … Dies gesteht der Kläger sogar letztlich in der mündlichen Verhandlung selbst ein, indem er dem Gericht erklärte, er habe bei einer Rückkehr nach Äthiopien keine Angst mehr vor der Regierung. Es habe in Äthiopien Veränderungen gegeben. Sogar die Oppositionellen seien inzwischen zurückgekehrt. Nach Äthiopien könne er jedoch nicht zurückkehren, weil er dort keine Bleibe und keinen Kontakt zu Verwandten mehr habe. Diese Ausführungen rechtfertigen aber im Ansatz schon, keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung in Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund, sondern werden allenfalls im Rahmen des Bestehens von Abschiebungsverboten relevant.
d) Entgegen der Behauptung des Klägerbevollmächtigten unterliegen Volkszugehörige der Oromo – auch nach der gegenwärtigen Auskunftslage – im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keiner sogenannten Gruppenverfolgung.
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (sog. Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Volkszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 3b AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. zum Ganzen: BVerwG. U.v. 5.7.1994 – 9 C 158.94 – juris; VGH Mannheim, U.v. 5.10.2016 – A 10 S 332/12 – juris; VG Bayreuth, U.v. 7.3.2017 – B 3 K 16.31008 – juris). Zudem gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass diese mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur dann vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (VGH Mannheim, U.v. 5.10.2016 – A 10 S 332/12 – juris, VG Bayreuth, U.v. 7.3.2017 – B 3 K 16.31008 – juris; VG Augsburg, U.v. 7.11.2016 – Au 5 K 16.31853 – juris).
Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 3c Nr. 1 und 2 AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. (vgl. zu alledem BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 10 C 11.08 – juris; VGH Mannheim, U.v. 5.10.2016 – A 10 S 332/12 – juris).
Dies zugrunde gelegt, droht dem Klägerin wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Oromo nicht die Gefahr einer landesweiten Gruppenverfolgung. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass Volkszugehörige der Oromo verstärkt Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien ausgesetzt sind bzw. waren. Die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische landesweite Verfolgungsdichte von oromischen Volkszugehörigen war schon bislang (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 06.03.2017 – Gz. 508-516.80/3 – ETH) und ist erst Recht nach den aktuellen politischen Veränderungen zugunsten des Oromo-Volkes gegenwärtig nicht zu erkennen.
e) Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter dem Aspekt des „Familienasyls“ zu. Er kann einen Schutzanspruch weder von seiner Ehefrau noch von seinen Kindern ableiten.
aa) Der Ehefrau des Klägers wurde – nach Auffassung des Gerichts mehr als fragwürdig – mit Bescheid vom 10.11.2017 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 26 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 AsylG setzt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Rahmen des „Familienasyls“ u. a. voraus, dass die Ehe- oder Lebenspartnerschaft mit dem international Schutzberechtigten schon im Herkunftsland bestanden hat (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zwar geben der Kläger und seine Ehefrau übereinstimmend an, bereits am 01.06.2014 – und damit vor der Ausreise aus Äthiopien – in Äthiopien nach religiösem Ritus geheiratet zu haben. Eine Ehe im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist jedoch nur eine bereits im Verfolgerstaat eingegangene und von diesem als Ehe anerkannte und registrierte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau. Eine nur nach religiösem Ritus mit Eheschließungswillen eingegangene Verbindung, die im Heimatstaat nicht anerkannt worden ist, ist dagegen keine Ehe in diesem Sinne. So liegen die Dinge auch bei der vorliegenden Eheschließung zwischen dem Kläger und seiner Frau. Die ausschließlich nach islamischen Ritus geschlossene Ehe führt – ungeachtet ihrer langen Tradition, ihrer Verbreitung, ihrer staatlichen Tolerierung und ihres Ansehens – mit Blick auf die fehlende Rechtsgültigkeit einer solchen Eheschließung nicht zur Anwendbarkeit der Vorschriften über das Familienasyl (BVerwG, U. v. 22.02.2005 – 1 C 17/03 – juris; VG München, B. v. 21.08.2018 – M 9 E 18.52559 – juris; Marx, AsylG, 9. Auflage 2018, § 26 Rz. 27). Im Übrigen – und ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt – ist nicht einmal glaubhaft gemacht, dass der Kläger in Äthiopien eine traditionelle Ehe geschlossen hat. Die Belege für eine Eheschließung in Äthiopien sind angeblich auf der Flucht in Libyen verloren gegangen.
bb) Der Kläger kann einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch nicht von seinen Kindern, die in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt sind, ableiten. Voraussetzung für einen Schutzanspruch aufgrund „Elternasyls“ ist gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 AsylG eine originäre Statusberechtigung bei den Kindern. Ausweislich der Bundesamtsakten der Kinder (vgl. insbesondere die jeweiligen Bescheide vom 13.11.2017) verfügen diese jedoch über keinen originären Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG, sondern – eindeutig und unmissverständlich – nur über einen von ihrer Mutter abgeleiteten Schutzstatus. Von einem Kind, dass die Flüchtlingseigenschaft lediglich von seiner Mutter ableitet, kann der mit der Mutter nicht im staatlichen Sinne verheiratete Vater jedoch keinen Flüchtlingsschutz ableiten, da es ansonsten zu einer unüberschaubaren Folge von Kettenableitungen kommen würde (BVerwG U. v. 07.03.1995 – 9 C 389/94 – juris; BVerwG, U. v. 16.08.1993 – 9 C 7/93 – juris; vgl. Marx a. a. O., § 26 Rz. 34).
f) Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass dem Kläger unter keinem Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zusteht.
2. Der Kläger hat auch keinen (originären oder abgeleiteten) Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG, da insbesondere nicht einmal die weitergefassten Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG (i.V.m. § 26 AsylG) vorliegen.
3. Dem Kläger steht kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen.
a) Es gibt – insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz – keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht.
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen, hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465.7 – juris).
Ein innerstaatlicher Konflikt im obigen Sinne ist im Herkunftsland – und insbesondere in Herkunftsregion – des Klägers nicht ersichtlich (vgl. nur VG Ansbach, U.v. 19.9.2017 – AN 3 K 16.30505 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 – AN 3 K 16.31836 – juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 – B 7 K 17.32889 – juris; VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 – B 7 K 17.33349 – juris).
4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).
a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Äthiopien führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Der Kläger ist jung, gesund und erwerbsfähig. Er hat in Äthiopien die Schule bis zur 5. Klasse besucht. Er hat zwar keinen Beruf erlernt; ihm war es aber ohne weiteres möglich, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie durch den Betrieb eines Gemischtwarenladens zu bestreiten. … Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien an diese Verhältnisse nicht anknüpfen könnte. Selbst wenn der Kläger einer derartigen Tätigkeit nicht mehr nachgehen kann, ist es ihm zur Sicherung seines Existenzminimums zumutbar, sämtliche Tätigkeiten – auch schlichte Hilfstätigkeiten – auszuüben. Weiterhin kann der Kläger nach Auffassung des Gerichts im Bedarfsfall auf Unterstützung im Rahmen des Familienverbundes zählen. Der Kläger gab gegenüber dem Bundesamt an, noch über einen Vater und eine Mutter sowie einen Bruder, eine Schwester und eine Großfamilie in Äthiopien zu verfügen. Zudem verfügt der Kläger über einen Bruder in Jemen. Auch in der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger, dass er noch Verwandte in Äthiopien habe. Der (ergänzenden) Unterstützung durch Verwandte steht auch nicht entgegen, dass der Kläger seit Verlassen des Landes keinen Kontakt mehr zu seinen Verwandten in Äthiopien gehabt hat. Solche Kontakte lassen sich ohne weiteres wiederherstellen. Im Übrigen ist das Gericht der Auffassung, dass der Kläger als junger erwerbsfähiger Mann auch ohne familiäre Unterstützung sich existenzsichernd in Äthiopien niederlassen kann.
b) Dem Kläger droht bei einer Abschiebung nach Äthiopien auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz führen würde. Derartige Umstände sind weder vorgetragen noch anderweitig für das Gericht ersichtlich.
c) Lediglich ergänzend sei in diesem Zusammenhang noch angemerkt, dass innerstaatliche Vollstreckungshindernisse, insbesondere aus Art. 6 GG, kein Gegenstand dieses Verfahrens sind.
5. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling anzuerkennen. Ihm steht auch kein subsidiärer Schutz oder ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt zudem keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
6. Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, liegen nicht vor.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.