Aktenzeichen B 3 K 17.31531
AufenthG § 23 Abs. 1, § 59 Abs. 1 u. 2, § 60 Abs. 7, § 60a Abs. 2c u. Abs. 2d
VwGO § 77 Abs. 2, § 102 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1, § 117 Abs. 3 S. 2, § 154 Abs. 1, § 167
RL 2011/95/EG Art. 4 Abs. 4
Leitsatz
1. Die Anforderung an ein fachärztliches Attest nach § 60a Abs. 2c AufenthG gelten auch im Rahmen der Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nach § 60a Abs. 7 Satz 1 AufenthG. (Rn. 49)
2. Mit der alleinigen Vorlage einer psychotherapeutischen Bescheinigung kann der Kläger nicht widerlegen, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. (Rn. 48)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II.
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes:
Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 – Au 5 K 16.30604 – juris).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A juris).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt zunächst vollumfänglich den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
a) Für das Gericht ist keine konkrete, individuelle Verfolgungshandlung gegenüber dem Kläger im Sinne des § 3a AsylG ersichtlich.
Der Kläger hat sowohl bei der Anhörung beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 angegeben, er habe Bagdad insbesondere wegen der dort angespannten allgemeinen Sicherheitslage verlassen. Im Jahr 2013 sei eine Mine vor seiner Schule explodiert. Ca. drei Wochen vor seiner Ausreise sei eine an einem Motorrad befestigte Bombe in der Nähe einer Shischa-Bar explodiert, welche er unmittelbar vor der Explosion verlassen habe. Dabei seien zwei seiner Freunde ums Leben gekommen. Da er unter der Situation in Bagdad stark psychisch gelitten habe, sei er nach Europa gekommen. In Europa wolle er seinen Traum als Fußballer verwirklichen und leben wie ein normales Kind, da er im Irak keine Kindheit hatte.
Die Beweggründe für die Flucht nach Deutschland sind zwar menschlich nachvollziehbar, stellen aber schon im Ansatz keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG dar. Der Kläger wurde in Bagdad niemals individuell im Sinne des § 3a AsylG verfolgt. Allein die allgemeine angespannte Sicherheitslage und die Angst, einmal selbst Opfer einer Explosion, einer Entführung oder eines Anschlages zu werden, stellt keine individuelle Verfolgung des Klägers im Sinne des Flüchtlingsrechts dar. Auch die – in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragenen – Drohungen der Milizen gegenüber dem Vater des Klägers führen nicht dazu, dass der Kläger als individuell verfolgt im Sinne des § 3a AsylG anzusehen wäre. Zum einen bleibt der Sachvortrag hinsichtlich der Bedrohungen äußerst vage. Der Kläger konnte in der mündlichen Verhandlung keine Details und nicht einmal einen zeitlichen Rahmen der Drohungen nennen. Zum anderen gab der Kläger selbst an, sein Vater habe sich hauptsächlich in der Türkei aufgehalten und die Drohungen hätten diesen in der Türkei erreicht. Beim Kläger in Bagdad seien hingegen keine Drohungen eingegangen.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass eine Verfolgungshandlung gegenüber dem Kläger nicht ersichtlich ist.
b) Weiterhin fehlt es hinsichtlich des klägerischen Sachvortrages an einem Anknüpfungsmerkmal im Sinne des § 3b Abs. 1 AsylG.
c) Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch nicht von einer Gruppenverfolgung von Schiiten im Irak auszugehen ist. Hierzu fehlt bereits jeglicher Vortrag des Klägers. Im Übrigen geht die ständige Rechtsprechung davon aus, dass keine Gruppenverfolgung der Schiiten im Irak gegeben ist (vgl. VG Bayreuth, U.v. 21.3.2017 – B 3 K 16.31634 – juris; VG Augsburg, U.v. 1.2.2016 – Au 5 K 15.30408 – juris m.w.N.).
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zur Seite. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG berufen, noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
a) Es gibt – insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz – keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht. Auch für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes muss ein ernsthafter Schaden im Herkunftsland konkret drohen. Bloße vage Befürchtungen, künftig selbst Opfer eines Anschlages oder Übergriffes zu werden bzw. die Bezugnahme auf das Schicksal anderer Personen, reicht auch im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht aus.
b) Dem Kläger steht der subsidiäre Schutz auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EUGH, U.v. 17.2.2009 – C-465.7 – juris).
Zwar geht auch das Gericht davon aus, dass in Bagdad ein innerstaatlicher bewaffneter zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, jedoch erreicht der Grad willkürlicher Gewalt nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau, demzufolge jedem Kläger allein wegen seiner Anwesenheit in Bagdad Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG gewährt werden muss (VG Augsburg, U.v. 24.4.2017 – Au 5 K 17.30922 – juris; VG Ansbach, U.v. 15.12.2016 – AN 2 K 16.30398 – juris; VG Ansbach, U.v. 13.4.2017 – AN 2 K 16.30810 – juris). Weitere individuell gefahrerhöhende Umstände wurden weder vorgetragen noch sind diese für das Gericht ersichtlich. Insbesondere reicht hierfür nicht aus, dass der Kläger aus dem Stadtteil Al Karrada stammt, in dem es nach Auffassung des Klägervertreters – unter Bezugnahme auf einen „Spiegelartikel“ – besonders gefährlich sei. Das Gericht vermag – unter Heranziehung der Auskunftslage – nicht zu erkennen, dass in Al Karrada besonders gefährliche Wohnumstände herrschen, die dazu führen würden, dass dem Kläger allein wegen seiner dortigen Anwesenheit der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen wäre.
3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).
Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Die schlechten humanitären Verhältnisse im Umfeld des Klägers gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es dem jungen und erwerbsfähigen Kläger nicht gelingen könnte, sich zumindest eine existenzsichernde Grundlage im Irak zu schaffen. Der Kläger hat zwar angegeben, im Irak noch nicht gearbeitet zu haben sowie dass ihm körperliche Arbeit schwerfalle. Gleichwohl konnte der Kläger im Irak – zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester – existenzsichernd bei seiner Tante leben. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Irak nicht an diese Bedingungen anknüpfen könnte. Die Familie des Klägers lebt weiterhin unbescholten in Bagdader Stadtteil Al Karrada. Es ist nicht ersichtlich, dass das Existenzminimum des Klägers im Irak nicht im Rahmen der wechselseitigen Unterstützung innerhalb des Familienverbandes gesichert werden kann.
4. Dem Kläger droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solche ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat wesentlich verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Darüber hinaus kann sich – trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung – das Abschiebungsverbot aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In die Beurteilung mit einzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankung führen können. Für die Annahme einer „konkreten Gefahr“ genügt jedoch nicht die bloße theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr entspricht der Begriff der Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dem asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr für „diesen Ausländer“ das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten oder erheblichen Gefährdungssituation statuiert (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 23.11.2012 – 13a B 12.30061 – juris).
Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind allerdings Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift sieht vor, dass die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen kann, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1 AufenthG.
Die vorgetragene posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bzw. die „schwere psychische Störung“ beim Kläger, stellen jedoch keine allgemeine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG dar, so dass die Sperrwirkung dieser Vorschrift nicht greift (BayVGH, B.v. 23.11.2012 – 13a B 12.30061 – juris). Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 17.8.2011 – 10 B 13.11 – juris).
Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist daher, dass sich die vorhandene schwerwiegende Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes gesprochen werden, sondern nur bei außergewöhnlichen schweren physischen oder psychischen Schäden oder Zuständen. Dies stellt nunmehr auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG klar, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt. Insbesondere ist es gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Irak mit der der Versorgung in Deutschland vergleichbar ist (vgl. zum Ganzen auch VG Gelsenkirchen, B.v. 08.11.2016 – 6a L 2452/16.A – juris).
Dies zugrunde gelegt besteht für den Kläger keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist nicht ersichtlich, dass eine wesentliche Verschlechterung einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung alsbald nach der Rückkehr in den Irak droht.
a) Die – undatierte – „Bescheinigung“ der Kinder- und Jugendpsychologin … …, genügt schon nicht den Anforderungen der Rechtsprechung im Hinblick auf die Substantiierung des Vorbringens einer PTBS.
Zur Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung an PTBS sowie eines entsprechenden Beweisantrags gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 11.09.2007 – 10 C 17/07 – juris).
(aa) Vorliegend wurde schon kein fachärztliches Attest, sondern lediglich eine „Bescheinigung“ einer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin – die noch dazu undatiert, aber aufgrund des Begleitschreibens (Bl. 86 d. A.) mindestens 13 Monate alt sein muss – vorgelegt. Das BVerwG im geht im Urteil vom 11.07.2007 davon aus, dass „regelmäßig“ ein fachärztliches Attest vorzulegen ist. Aus dem Wort „regelmäßig“ wurde bzw. wird z.T. zwar geschlossen, dass in Ausnahmefällen auch Psychologische Psychotherapeuten aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation befähigt sein sollen, posttraumatische Belastungssituationen zu diagnostizieren (vgl. OVG Münster, B.v. 12.12.2008 – 8 A 3053/08.A – juris). Im Beschluss vom 26.7.2012 (10 B 21/12) verlangt das BVerwG hingegen ein aktuelles fachärztliches Attest.
Jedenfalls durch die Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG, wonach Abschiebungshindernisse durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft zu machen sind, hat der Gesetzgeber nunmehr klargestellt, dass zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung, dass gesundheitliche Gründe einer Abschiebung nicht entgegenstehen, eine Bescheinigung eines approbierten Arztes erforderlich ist (vgl. dazu die ausdrückliche Klarstellung in der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/7538 S. 19). Insofern hat der Gesetzgeber im Wesentlichen die obergerichtliche Rechtsprechung nachvollzogen, wonach zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört (BayVGH, B.v. 23.8.2016 – 10 CE 15.2784 – juris). Ungeachtet der Rechtslage vor der Änderung durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren bleiben damit Atteste von Psychotherapeuten und Psychologen grundsätzlich außer Betracht (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 30.8.2016 – 2 O 31/16 – juris). Allenfalls im Wege einer Gesamtschau können derartige Atteste ergänzend zu anderen Erkenntnissen, die nicht die Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung erfüllen, zu anderweitigen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Erkrankung nach Maßgabe von § 60a Abs. 2d AufenthG beitragen. Demgegenüber kann die alleinige und ausschließliche Vorlage einer psychologischen bzw. psychotherapeutischen Stellungnahme keine anderweitigen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Erkrankung i.S.d. § 60a Abs. 2d AufenthG begründen, da dies eine Umgehung der gesetzlichen Wertungen des § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG bedeuten würde (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 30.8.2016 a.a.O.).
Die Regelungen in § 60a Abs. 2c AufenthG beschränken sich auch nicht auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Zusammenhang mit der Reisefähigkeit, sondern umfassen auch zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (VG München, U.v. 10.1.2017 – M 21 K 15.31612 – juris; VG Würzburg, B.v. 14.7.2017 – W 8 S 17.32770, juris; VG München, GB v. 7.7.2017 – M 21 K 16.36151 – juris; VG Gelsenkirchen, U.v. 3.2.2017 – 6a K 2802/15.A. – juris). Der Wortlaut des § 60a Abs. 2c AufenthG stellt ausschließlich darauf ab, ob Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen vorliegen und differenziert nicht zwischen inlands- und zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten. Auch die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Vermutungsregelung in § 60a Abs. 2c AufenthG die Abschiebung erleichtern und die Anforderungen an die Geltendmachung psychischer Erkrankungen als Abschiebungshindernisse insgesamt erschweren wollte. In der Gesetzesbegründung wird hierzu Folgendes ausgeführt:
„Mit der Regelung zur Glaubhaftmachung einer Erkrankung durch den Ausländer wird auf erhebliche praktische Probleme hinsichtlich der Bewertung der Validität von ärztlichen Bescheinigungen im Vorfeld einer Abschiebung reagiert, wie sie auch aus dem Bericht der unterarbeitsgruppe Vollzugsdefizite der Bund – Länder – Arbeitsgruppe Rückführung über die Ergebnisse der Evaluierung des Berichts über die Probleme bei der praktischen Umsetzung von ausländerbehördlichen Ausreiseaufforderungen und Vollzugsmaßnahmen von April 2015 hervorgehen.
Es besteht ein praktisches Bedürfnis, eine vom Ausländer vorgelegte Bescheinigung hinsichtlich der Erfüllung formaler und inhaltlicher Vorgaben zu validieren. Hierzu legt der Gesetzgeber nunmehr die in Absatz 2c genannten Qualitätskriterien fest, die die jeweilige ärztliche Bescheinigung insbesondere enthalten soll.“
Auch nach Sinn und Zweck umfasst die Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG auch die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Durch die zusammen mit der Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG vorgenommenen Einfügung der Sätze 2 bis 4 in § 60 Abs. 7 AufenthG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen. Entsprechend der Gesetzesbegründung erfüllt eine PTBS regelmäßig nicht die Anforderungen an ein Abschiebungsverbot (BT-Drs. 18/7538 S. 18).
Weiterhin erfolgt die Behandlung akuter lebensbedrohlicher bzw. ähnlich schwerwiegender Zustände aufgrund einer PTBS regelmäßig im Rahmen einer medikamentösen Behandlung. Antidepressiva nehmen in der Behandlung depressiver Symptome bei PTBS einen hohen Stellenwert ein. Insofern handelt es sich um klassische ärztliche Aufgaben. Auf die darüber hinaus für die vollständige Diagnose und Behandlung einer PTBS bedeutsamen psychotherapeutischen und sozialpsychiatrischen Behandlungsansätze kommt es im Hinblick auf den durch § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG vorgegebenen Maßstab nicht an (VG München, U.v. 10.1.2017 – M 21 K 15.31612 – juris).
Anhaltspunkte für eine aktuell lebensbedrohliche oder schwerwiegende psychische Störung, die in einer Gesamtschau nach Maßgabe von § 60a Abs. 2d Satz 2 AufenthG auch ohne ausreichende ärztliche Bescheinigung Anlass zu weiteren Ermittlungen bieten, bestehen nach dem Eindruck des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht. Dem Gericht liegen auch – neben der undatierten, älteren Bescheinigung der Psychotherapeutin – keine weiteren ärztlichen oder therapeutischen Befunde vor.
(bb) Selbst wenn man – trotz § 60a Abs. 2c AufenthG – (weiterhin) ein Attest eines Psychotherapeuten zur Substantiierung eines Beweisantrages bzgl. PTMS für geeignet erachtet (so beispielsweise BayVGH, B.v. 11.08.2016 – 20 ZB 16.30110 – juris, der in keiner Weise auf § 60a Abs. 2c AufenthG eingeht und lediglich auf die Rechtsprechung vor der Gesetzesänderung verweist), entspricht jedenfalls der undatierte „Befundbericht“ auch inhaltlich nicht den geforderten Anforderungen an die Substantiierung eines Beweisantrags zum Nachweis einer PTBS durch eine qualifizierte „ärztliche“ Bescheinigung.
Der Bescheinigung ist zwar zu entnehmen, dass der Kläger seit 05.04.2016 einmal wöchentlich in psychotherapeutischer Behandlung ist. Sie enthält aber keine Angaben, ob die geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden und ob die seit April 2016 durchgeführte Therapie erfolgreich verläuft und in welchem zeitlichen Abstand die Gespräche gegenwärtig stattfinden. Bei einer über 13 Monate alten Bescheinigung, ist mehr als fraglich, ob noch von einem aktuellen Attest i.S.d. Rechtsprechung gesprochen werden kann, zumal auch der Kläger von eingetretenen Besserungen und großzügigerer Behandlungsdichte berichtet.
Die Diagnostik der Therapeutin wirft ebenfalls Fragen auf. Auf der Seite 1 der Bescheinigung wird lediglich ausgeführt, der Kläger berichte „von Symptomen, die auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung schließen lassen“. Lediglich eine Anpassungsstörung (F 43.21) gilt nach dem Bericht als gesichert. Unter dem Punkt „Diagnosen“ (Seite 4) werden dann noch dissoziative Krampfanfälle (F 44.5) bescheinigt. Bezüglich der Diagnose PTBS verweist die Bescheinigung auf einen Arztbrief der Klinik- und Jugendpsychiatrie …vom November 2015, der dem Gericht nicht vorliegt und auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt werden konnte. Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten, das Fehlen der Nachweise könne nicht zu Lasten des Klägers gehen, da er seinerzeit unter Vormundschaft stand und der Vormund nichts vorgelegt habe, geht ins Leere. Zum einen muss sich der Kläger das Verhalten seines Vormundes zurechnen lassen, zum anderen endete die Vormundschaft des Klägers mit dessen Volljährigkeit am 13.04.2016, so dass dieser selbst bzw. sein Bevollmächtigter für die Vorlage aktueller (ärztlicher) Bescheinigungen verantwortlich ist.
Soweit die Therapeutin ausführt, der Kläger könne sich einer jugendpsychiatrischen Behandlung nicht öffnen, fehlt es ebenfalls an einer weitergehenden Darlegung, insbesondere warum eine begleitende psychiatrischen Behandlung nicht erfolgt bzw. erfolgte.
Ferner geht die Bescheinigung nicht hinreichend darauf ein, wann die Probleme des Klägers erstmals in Erscheinung getreten sind und wie die Behandlung im Irak ausgesehen hat. Bei der Anamnese wird lediglich festgestellt, dass sich „der Kläger bereits als Jugendlicher im Irak psychisch belastet gefühlt habe“.
Im Ergebnis ist die PTBS nicht hinreichend substantiiert vorgebracht worden um den Beweisanträgen nachkommen zu müssen.
b) Gleiches gilt für die von der Therapeutin bescheinigte Anpassungsstörung, die dissoziativen Krampfanfälle und die von Klägerbevollmächtigten unter Beweis gestellte „schwere psychische Störung“. Selbst wenn man die obige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur auf PTBS und nicht auf andere (psychische) Erkrankungen anwendet, so sind jedenfalls die anderen Krankheitsbilder auch nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Die Krampfanfälle werden nur beiläufig erwähnt. Im Übrigen mangelt es auch hier der Stellungnahme an Aktualität. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, dass es ihm besser gehe und die Träume nachlassen würden. Im Ergebnis wird daher der Vortrag weiterer (psychischer) Erkrankungen (lt. Beweisantrag „schwere psychische Störung“) den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag einer psychischen Erkrankung ebenfalls nicht gerecht (vgl. hierzu wiederum § 60a Abs. 2c AufenthG sowie VG Gelsenkirchen, U.v. 3.2.2017 – 6a K 2802/15.A – juris und VG München, U.v. 10.01.2017 – M 21 K 15.31612 – juris).
c) Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass die psychischen Erkrankungen des Klägers im Irak hinreichend behandelbar sind. Dabei wird nicht verkannt, dass die medizinische Versorgungslage im Irak nach wie vor angespannt ist. Grundsätzlich kann sich zwar jeder Iraker überall im Land in öffentlichen Krankenhäusern kostenfrei behandeln lassen, wobei Unterschiede zwischen dem Zentralirak und dem kurdisch verwalteten Norden nicht bestehen. De facto existiert aber nach den Angaben verschiedener Erkenntnisquellen eine Zwei-Klassen-Medizin. Die öffentlichen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet und leiden vor allem an einem Mangel an Medikamenten und technischem Gerät. Auch haben qualifizierte Ärzte aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Medikamente sind meist nur theoretisch kostenfrei und müssen überwiegend privat in Apotheken gekauft werden (vgl. hierzu ausführlich VG Aachen, U. v. 20.01.2017 – 4 K 2040/15.A – juris m. w. N.).
Psychische Krankheiten werden zwar häufig nur medikamentös behandelt, jedoch sind psychische Erkrankungen, insbesondere depressive Störungen auch im Irak grundsätzlich behandelbar. Die Kosten hierfür hängen von Art und Dauer der Behandlung ab und können daher – auch infolge fehlender ärztlicher Gebührenordnung – nicht allgemein und pauschal abgeschätzt werden. Auch sonst gibt es im Irak eine erhebliche Anzahl von Nervenärzten, die an psychischen Erkrankungen leidenden Patienten behandeln können. Psychopharmaka sind vorhanden und in der Regel preisgünstig. Die ärztliche Behandlung kann in staatlichen Krankenhäusern kostenlos erfolgen sowie in privaten Praxen für ca. 10,00 Euro (vgl. VG Aachen, U. v. 20.01.2017 – 4 K 2014/15.A – juris, mit weiteren Hinweisen und Nachweisen zur Auskunftslage).
Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass eine Behandlung des Klägers auch in Bagdad möglich ist. Zwar mag der Einwand des Klägers zutreffen, dass viele gute Ärzte und Therapeuten Bagdad verlassen haben und es daher schwierig ist, eine gute psychotherapeutische Behandlung im Irak zu bekommen. Dem Gericht erschließt sich jedoch nicht, warum der Kläger jegliche psychiatrische, insbesondere medikamentöse Behandlung seiner psychischen Erkrankung – neben einer Psychotherapie – ablehnt bzw. „sich dafür nicht öffnen kann“. Insoweit fehlt auch jeglicher ärztlicher bzw. therapeutischer Vortrag. Nach Auffassung des Gerichts muss sich auch der Kläger auf die medikamentöse Behandlung seiner psychischen Erkrankungen, die im Irak möglich ist, verweisen lassen. Dies gilt zumindest solange nicht nachvollziehbar vorgetragen ist, warum dem Kläger eine psychiatrische Behandlung unter Gabe von Medikamenten nicht zumutbar ist bzw. warum der Kläger ausschließlich im Rahmen einer Psychotherapie behandelt werden kann.
Der Kläger hat im Übrigen schon bereits geraume Zeit vor der Ausreise mit den psychischen Problemen im Irak gelebt und im Jahr 2013 eine Psychotherapie begonnen, die er eigenmächtig abgebrochen hat. Es ist nicht ersichtlich, warum der Kläger hieran in seiner Heimat nicht anknüpfen kann bzw. warum eine psychologische oder psychiatrische Behandlung für den Kläger im Irak nicht erreichbar sein sollte.
Unter vorstehenden Umständen ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger an einer schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, die sich im Fall einer Abschiebung wegen er spezifischen Verhältnisse im Zielstaat wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
d) Insgesamt ist daher festzustellen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zusteht.
e) Wie bereits oben erwähnt, sind nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – juris; VG München, U.v. 22.12.2016 – M 4 K 16.33226 – juris).
Entscheidungen nach den vorstehenden Maßgaben ergehen aber nicht durch das Bundesamt im Asylverfahren, sondern allenfalls durch die zuständige Ausländerbehörde.
5. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
6. Unabhängig von der Tatsache, dass die Aufhebung des gesetzlichen – nach § 11 Abs. 2 AufenthG von der Beklagten befristeten – Einreise- und Aufenthaltsverbot aus § 11 Abs. 1 AufenthG nach § 11 Abs. 4 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde und nicht in der Entscheidungskompetenz der Beklagten steht (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG sowie BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 27/16 – juris und OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 28.4.2017 – OVG 11 N 163.16 – juris) sowie ungeachtet der Frage, ob – in Anbetracht der Klageanträge – eine (kürzere) Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch die Beklagte nach § 11 Abs. 2 AufenthG überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens ist, zumal eine bloße Aufhebung der Befristung im Rahmen einer Anfechtungsklage zu einem unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot führen würde, sind Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, nicht ersichtlich.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.