Verwaltungsrecht

Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich Afghanistan

Aktenzeichen  M 17 K 16.34859

Datum:
3.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern ist angesichts der in Afghanistan derzeit herrschenden schlechten humanitären Bedingungen davon auszugehen, dass eine extreme Gefahrenlage besteht, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung iSv Art. 3 EMRK führt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. September 2016 wird in den Nrn. 4, 5 und 6 aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2017 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden.
2. Soweit die Klagepartei die Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 VwGO.
3. Die Klage in ihrem verbliebenen Umfang ist zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben.
Der Bescheid vom 12. September 2016 wurde den Klägern erst mit persönlicher Übergabe durch eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde des Landratsamts Eichstätt am 18. November 2016 wirksam zugestellt, so dass die am 1. Dezember 2016 erhobene Klage fristgemäß innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben wurde (§ 74 AsylG).
Eine wirksame Zustellung des streitgegenständlichen Bescheides ist nicht bereits mittels Postzustellungsurkunde vom 15. September 2016 erfolgt, da der Bescheid an eine Anschrift adressiert war (…), an der sich die Kläger zum Zeitpunkt der Zustellung weder aufhielten noch aufzuhalten hatten. Mit Zuweisungsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 21. Januar 2015 (Bl. 57 BA) wurde den Klägern der Wohnsitz: … zugewiesen. Die Ausländerbehörde des Landratsamts Eichstätt teilte dem Bundesamt mit Schreiben vom 30. Januar 2015 und 11. März 2015 mit, dass die Kläger dorthin auch verzogen sind. In der Bundesamtsakte befinden sich zudem zwei weitere, allerdings widersprüchliche Zuweisungsbescheide der Regierung von Oberbayern jeweils datiert auf den 9. September 2015. Darin wurde den Klägern zum einen (Bl. … BA) die (bisherige) Adresse: …  und zum anderen (Bl. … BA) die Adresse: … als künftiger Wohnsitz zugewiesen. Laut telefonischer Mitteilung vom 31. März 2017 des seit 4. Februar 2015 für die Wohnsitzname innerhalb des Landkreises zuständigen Landratsamts Eichstätt gegenüber dem Gericht waren die Kläger bis zu ihrem Umzug am 2. November 2016 in die … fortwährend wohnhaft in der … Eine Verpflichtung, ihren Wohnsitz in die … zu verlagern, habe es nie gegeben. Eine Zuweisung der Regierung von Oberbayern nach … liegt der Ausländerbehörde nicht vor. Auch ein Empfangsbekenntnis der Kläger über eine solche Zuweisung kann der Bundesamtsakte nicht entnommen werden. Im Gegensatz dazu war für das Bundesamt aus dem handschriftlich berichtigten Adressfeld der Postzustellungsurkunde vom 18. August 2016 (Bl. … BA), mit der die Ladung vom 8. August 2016 zur Anhörung vor dem Bundesamt den Klägern zugestellt wurde, ersichtlich, dass die Kläger auch im Jahr 2016 und nach dem vermeintlichen Zuweisungsbescheid vom 9. September 2015 nicht in …, sondern nach wie vor in … lebten. Damit lag erst mit der persönlichen Übergabe des streitgegenständlichen Bescheides durch eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde des Landratsamts Eichstätt am 18. November 2016 eine wirksame Zustellung und damit eine fristgemäße Klageerhebung vor.
4. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hinsichtlich Afghanistan. Insoweit war der Bescheid des Bundesamtes vom 12. September 2016 in Nrn. 4, 5 und 6 aufzuheben (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 Rn. 16f.) Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der EMRK unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Die Reichweite der Schutznorm des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Eine unmenschliche Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK, die allein auf der humanitären Lage und den allgemeinen Lebensbedingungen beruht, ist möglich (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris Rn. 5 m.w.N. der Rspr. des BVerwG und des EuGH). Humanitäre Verhältnisse verletzen Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf Armut zurückzuführen seien oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum anderen könne – wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten – eine Verletzung darin zu sehen seien, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers Art. 3 EMRK. Der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog kann von der Gesetzessystematik her allerdings nicht herangezogen werden (BayVGH, B.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris Rn. 19). Die Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen setzt gleichwohl ein sehr hohes Gefährdungsniveau voraus. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (BayVGH, B.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris Rn. 19).
Ein entsprechend hohes Gefährdungsniveau liegt bei den Klägern unter Berücksichtigung der nachstehenden Ausführungen vor, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Es ist davon auszugehen, dass die Kläger zu 1) und zu 2), die zwei minderjährige Kinder im Kleinkind- bzw. Säuglingsalter (1 Jahr und 10 Monate bzw. 3 Monate) zu versorgen haben, als Rückkehrer tatsächlich Gefahr laufen, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
Insoweit kann nicht lediglich auf eine mögliche künftige Erwerbstätigkeit des Klägers zu 1) abgestellt werden. Es ist nicht sichergestellt, dass der Kläger zu 1) bei einer Rückkehr nach Afghanistan den Lebensunterhalt für sich, seine Ehefrau und zwei minderjährige Kinder wird erwirtschaften können. Der Kläger zu 1) verfügt nicht über eine qualifizierte Berufsausbildung. Ob er seine Tätigkeit als Musiker wieder wird aufnehmen können, ist ungewiss. Das Kleinkind bzw. der Säugling der Kläger sind auf eine Versorgung durch ihre Eltern angewiesen sind. Es ist daher davon auszugehen, dass die Kläger prognostisch nur mit einem Einkommen, da die Kinderbetreuung durch einen Kläger vorgenommen werden muss, den Lebensunterhalt für eine vierköpfige Familie nicht gewährleisten können.
Im Rahmen einer Gesamtschau steht damit zu befürchten, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine ausweglose Lage geraten, die ihnen nicht zugemutet werden kann.
Ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG liegt daher vor.
Aufgrund dessen waren auch die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 und das auf 30 Monate festgesetzte Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 AufenthG (Nr. 6) aufzuheben.
5. Ansonsten ist der angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 12. September 2016 rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Sie haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG (5.1.) noch des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG (5.2.). Zur Begründung wird auf die zutreffende Begründung in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
5.1. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
Die einzelnen Verfolgungshandlungen werden in § 3a AsylG näher umschrieben, die einzelnen Verfolgungsgründe in § 3b AsylG einer näheren Begriffsbestimmung zugeführt. Eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG kann nach § 3c AsylG ausgehen vom Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).
Diese Anforderungen zugrunde gelegt, kann dem Vorbringen der Kläger weder mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit entnommen werden, dass sie zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren vor ihrer Ausreise aus Afghanistan aus asylrelevanten Gründen verfolgt worden sind, noch dass sie bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit von diesen verfolgt werden würden.
5.1.1. Soweit sich die Kläger darauf berufen, als Musiker resp. Angehörige eines Musikers in Afghanistan verfolgt worden zu sein, fehlt es zum einen an der erforderlichen Intensität und Schwere einer Verfolgungshandlung. So bleibt das Motiv der vom Kläger geschilderten Angriffe auf seine Person auf einer Veranstaltung im August 2013 bzw. Juli 2014 völlig im Unklaren. Gleichwohl die anwesenden Gästen einzelne Täter überwältigen konnten und anschließend von der Polizei festgenommen wurden, ist der Kläger zu 1) laut seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, die Identität geschweige denn deren Motivlage näher zu umschreiben. Der Kläger zu 1) vermutet allerdings, dass diese Angriffe von dem Ex-Verlobten der Klägerin zu 2) bzw. dessen Familie initiiert waren. Damit galten die Gewaltakte ihm gegenüber nicht in seiner Funktion als Musiker, sondern als Verlobter und Ehemann der Klägerin zu 2). Entsprechend begründet der Kläger zu 1) in seiner Anhörung vor dem Bundesamt die Verletzungen seiner Brüder damit, dass diese mit ihm verwechselt worden seien. Eine Gefährdung als Musiker machte der Kläger zu 1) während seiner Anhörung vor dem Bundesamt nicht geltend. In der mündlichen Verhandlung am 31. März 2017 trug der Kläger darüber hinaus vor, dass es außer den beiden tätlichen Angriffen, die er selbst – wie dargestelltder Familie des Ex-Verlobten der Klägerin zu 2) zuschreibe, keine gewalttätigen Angriffe ihm gegenüber gegeben habe. Beleidigungen überschreiten nicht die asylrechtlich relevante Schwelle der Schwere einer Verfolgung. Soweit der Kläger zu 1) auf Nachfrage der Klägerbevollmächtigten ergänzte, dass beispielsweise die Mullahs am Freitag verkündet hätten, dass diejenigen, die Sänger umbringen würden, ins Paradies gehen würden, erreicht dies aufgrund der Allgemeinheit diese Bedrohung genauso wenig den Grad an Schwere einer Verfolgung wie der Vortrag, nahe Verwandte hätten ihm immer wieder nahegelegt, dass er die Koranschule besuchen und nicht weiter singen solle. Zwar ist davon auszugehen, dass in der sehr konservativen und von der Scharia geprägten Gesellschaft Afghanistans, Musiker keinen hohen Stellenwert einnehmen und aufgrund der noch von den Taliban geprägten Moralvorstellungen ein großes Misstrauen gegenüber Künstlern und künstlerische Betätigungen wie zum Beispiel Musik, Theater und Tanz besteht (VG Augsburg, U.v. 21.1.2013 – Au 6 K 12.30291 – juris Rn. 23) und es auch immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf Musiker von Seiten der Taliban kommt. Allerdings ist auch davon auszugehen, dass insbesondere in …, woher die Kläger stammen, Musik wieder langsam in das Leben der Menschen zurückkommt. So findet seit 2011 jährlich das … statt, eröffnete in … eine Schule für Rockmusik, sendet ein Radiosender „…“ Rockmusik rund um die Uhr und fand eine TV-Castingshow Afghan Star statt (ACCORD, Behandlung durch staatliche und nicht-staatliche Akteure von Personen, die öffentlich (Pop-)Musik machen bzw. versuchen, mit (Pop-)Musik ihren Lebensunterhalt zu verdienen). Dem entspricht der Vortrag des Klägers, wonach er eine Gesangsausbildung in Afghanistan durchlaufen habe (Bl. … BA; Niederschrift zur Anhörung S. 3) und sogar im Fernsehen aufgetreten sei und Interviews gegeben habe. Wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, enthielten die von ihm und seiner Band vorgetragenen Musikstücke zudem weder religiöse noch politische Texte. Sie handelten vornehmlich von Liebe. Die wegen seiner Auftritte als Musiker erlittene und damit unmittelbar – d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit – drohende Gefährdung hat sich damit nicht schon so weit verdichtet, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt als Musiker, der überwiegend auf Hochzeiten in … auftritt, aktuell rechnen muss (zum Maßstab: vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2009 – 10 C 24/08 – juris Rn. 14 m.w.N.). Dass eine Verfolgung auf einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 3b Abs. 1 AsylG abschließend bezeichneten Verfolgungsgründen beruht, ist damit nicht ersichtlich.
5.1.2. Aber auch hinsichtlich der Bedrohung durch den Ex-Verlobten der Klägerin zu 2) ist kein Verfolgungsgrund ersichtlich. Eine Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale lässt sich nicht feststellen. Die gewalttätigen Akte bis hin zum Mord aufgrund Ehrverletzungen knüpfen an ein den islamischen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen widersprechendes individuelles Verhalten und nicht an eine Person schicksalhaft prägende asylrelevante Eigenschaft an. Ihre Anwendung im Einzelfall bedeutet keine Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung, mithin keine politische Verfolgung.
Zudem ist das Vorbringen der Kläger hinsichtlich der Bedrohung durch den Ex-Verlobten der Klägerin zu 2) nicht glaubhaft.
Das Gericht muss sowohl von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung bzw. Gefährdung die volle Überzeugung gewinnen. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher gesteigerte Bedeutung beizumessen. Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (vgl. nunmehr auch Art. 4 Richtlinie 2011/95 EU sowie bereits bislang BVerfG (Kammer), B.v. 7.4.1998 – 2 BvR 253/96 – juris). Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal machen.
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Die Schilderungen der Kläger sind vage, oberflächlich sowie unsubstantiiert geblieben. Ihre Angaben zur vermeintlichen Bedrohungslage sind nicht geeignet, ein auch nur ansatzweise nachvollziehbares Bild eines realen Geschehensablaufs sowie eine konkrete Bedrohungssituation hervorgerufen durch die Familie des Ex-Verlobten zu vermitteln. Wie dargestellt, ist den Klägern weder die Identität noch die Motivlage der Angreifer bei den Musikveranstaltungen und der Säureattentäter bekannt. Vor allem die Angaben vor dem Bundesamt waren hinsichtlich der Bedrohung durch den Ex-Verlobten detailarm und unkonkret. So erfolgte von Klägerseite eine lediglich pauschale Beschreibung sowohl des Ex-Verlobten („anderer Mann“, „Verlobter“) als auch dessen Herkunft („Mein Verlobter ist für einige Jahre verschwunden. Als er wieder aufgetaucht war, hat er mich und meinen damaligen Verlobten und jetzigen Mann bedroht.“). Auch die Bedrohungsszenarien sind vage und basieren auf reinen Vermutungen hinsichtlich deren Urheberschaft. Insbesondere die Ausführungen der Klägerin zu 2) blieben hinsichtlich der Bedrohungslage pauschal und widersprüchlich. Während ihrer Anhörung vor dem Bundesamt gab sie noch an, weder direkt noch persönlich bedroht worden zu sein. Nachdem das Bundesamt im Bescheid vom 12. September 2016 die mangelnde direkte Bedrohung für unglaubhaft hielt, schilderte sie demgegenüber erstmals in der Klagebegründung vom 15. Dezember 2016, dass auf sie ein Säureattentat verübt worden sei. Aus welchem Grund sie dies nicht bereits bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt auch auf Nachfrage erwähnte, erschließt sich nicht.
Ferner spricht gegen die Glaubhaftigkeit der von den Klägern geschilderten Bedrohung durch den Ex-Verlobten der Umstand, dass der Vater der Klägerin zu 2) diesen Geschehensablauf bei der Schilderung seines Verfolgungsschicksals gänzlich unerwähnt ließ. Die Klägerin zu 2) führte in der mündlichen Verhandlung aus, dass ihr (30 Jahre alter) Ex-Verlobter, der zudem der beste Freund ihres Vaters gewesen sei, diesen von Pakistan aus oft bedroht habe. Später habe ihr Vater eingestanden, dass die Verlobung ein Fehler gewesen sei. Obgleich dem Vater der Klägerin zu 2) damit eine Schlüsselrolle zukam, er maßgeblichen Anteil an der vermeintlichen Bedrohungssituation der Klägerin zu 2) hatte und auch selbst unmittelbar bedroht wurde, erwähnte der Vater ausweislich des ihm gegenüber ergangenen Bescheides des Bundesamtes vom 29. August 2016 die Bedrohung durch den Ex-Verlobten mit keiner Silbe. Obwohl dies nahe gelegen wäre, schildert der Vater stattdessen die Bedrohung durch einen reichen bekannten Mann, der gute Beziehungen zu den Taliban gehabt habe und dessen Tochter gegen dessen Willen den Neffen des Vaters der Klägerin zu 2) geheiratet habe. Soweit die Klägerin zu 2) in der mündlichen Verhandlung erklärte, dass sie nicht wisse, welche Probleme ihre Eltern gehabt hätten und dass die Bedrohung durch ihren Ex-Verlobten vor allen Dingen ihre gewesen seien, vermag sie die bestehenden erheblichen Zweifel an dem geschilderten Geschehen jedoch nicht auszuräumen, zumal auch in der Klagebergründung vom 15. Dezember 2016 erneut darauf hingewiesen wurde, dass auch die Familie der Klägerin zu 2) massiv von der Familie ihres ehemaligen Verlobten bedroht worden sei und diese es vor allem dem Vater der Klägerin zu 2) sehr übel genommen habe, dass er die zweite Verlobung und die Hochzeit der Klägerin zu 2) mit dem Kläger zu 1) nicht verhindert habe.
Aufgrund der aufgezeigten Widersprüche sowie aufgrund des von den Klägern zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamteindrucks steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass diese die Verfolgungsgeschichte nur vorgebracht haben, um ein Bleiberecht im Bundesgebiet zu erlangen.
5.2. Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Dabei gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
5.2.1. Dass den Klägern in Afghanistan die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe droht, ist nicht ersichtlich. Ferner haben die Kläger auch nicht glaubhaft vorgetragen, dass sie mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit befürchten müssen, dass ihnen bei einer Rückkehr nach Afghanistan von staatlichen bzw. nichtstaatlichen Stellen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Den Klägern droht kein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG insoweit identischen Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 35 zur Vorgängerregelung des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.). Dies gilt gemäß §§ 4 Abs. 3 i.V.m. 3c, 3d AsylG. auch dann, wenn die Gefahr von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht und kein ausreichender staatlicher oder quasi-staatlicher Schutz zur Verfügung steht. Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 1.11.2012, § 60 AufenthG Rn. 124 zur Vorgängerregelung des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Vorbringen hinsichtlich einer unmittelbaren Bedrohung durch die Familie des Ex-Verlobten der Klägerin zu 2) ist nicht glaubhaft (s.o. 5.1.).
5.2.2. Aber auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG kann nicht bejaht werden.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist rechtsgrundsätzlich geklärt, dass und unter welchen Voraussetzungen eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Entsprechend ist zu prüfen, ob von einem bewaffneten Konflikt in der Zielregion für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30182 – juris Rn. 4; BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – NVwZ-RR 2014, 487 = juris Rn. 23; BVerwG, U.v. 17.11.2011 -10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454 = juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 10 B 11.13 – juris Rn. 7; U.v. 17.11.2011 a.a.O.; U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – BVerwGE 136, 360; U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – BVerwGE 131, 198). Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, U.v. 17.11.2011 a.a.O. Rn. 19; U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – BVerwGE 134,188 Rn. 15 mit Verweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 – Elgafaji, C-465/07 – Slg. 2009, I-921 = NVwZ 2009, 705). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (BVerwG, U.v. 17.11.2011 a.a.O. Rn. 19; U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – BVerwGE 136, 360 Rn. 33).
Zur Ermittlung einer für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr ausreichenden Gefahrendichte ist – in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts (vgl. dazu BVerwG, U.v. 18.7.2006 – 1 C 15.05 – BVerwGE 126, 243 Rn. 20 ff.) – aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Herkunftsprovinz lebenden Zivilpersonen annäherungsweise zu ermitteln und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung zu setzen. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht das vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ermittelte Risiko für das Jahr 2009 von ca. 1:800 oder 0,12%, in der Herkunftsprovinz verletzt oder getötet zu werden, sowie die auf der Grundlage dieser Feststellungen gezogene Schlussfolgerung, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt sei, im Ergebnis revisionsgerichtlich nicht beanstandet (BVerwG, U.v. 17.11.2011 a.a.O. Rn. 22).
Gemessen daran ist die Annahme subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG für die Kläger nicht gerechtfertigt.
a) Das Bestehen individueller, gefahrerhöhender Umstände, die eine Gefährdung im o.g. Sinne dennoch begründen könnten, ergibt sich für die Kläger nach deren Vorbringen nicht in einem rechtlich relevanten Maße. Sie gehören keiner Berufsgruppe an, wie z.B. Ärzte oder Journalisten, die in besonderem Maße der Gefahr ausgesetzt sind, Opfer von sicherheitsrelevanten Vorfällen zu werden. Jedenfalls unter Beachtung der obigen Ausführungen zur Flüchtlingseigenschaft erfüllt er auch sonst kein persönliches Merkmal, das ihn in besonderem Maße der Gefahr, Opfer von Anschlägen zu werden, aussetzen würde.
b) In Bezug auf die Herkunftsregion … hat sich die Sicherheitslage trotz der aktuellen Häufung von Anschlägen nicht derart verschärft, dass jede Zivilperson unabhängig von besonderen gefahrerhöhenden Umständen allein aufgrund ihrer Anwesenheit im betreffenden Gebiet konkret und individuell gefährdet ist, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 13a ZB 16.30824 – juris; B.v. 17.8.2016 – 13a ZB 16.30090 – juris, Rn. 10; B.v. 5.2.2015 – 13a ZB 14.30172 – juris, Rn. 7, B.v. 27.5.2014 – 13a ZB 13.30309 – juris, Rn. 4 und B.v. 18.7.2012 – 13a ZB 12.30150 – juris Rn. 7 ff.; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris, Rn. 73; B.v. 20.7.2015 – 13 A 1531/15.A – juris Rn. 8; VG Lüneburg U.v. 6.2.2017 – 3 A 140/16 – juris Rn. 29 ff.; U.v. 6.2.2017 – 3 A 126/16 – juris Rn. 46 ff. unter Aufzählung einzelner jüngster Anschläge). Die Wahrscheinlichkeit für Zivilperson dort verletzt oder getötet zu werden ist nicht so hoch, dass jeder Zivilperson aus … subsidiärer Schutz zuzuerkennen wäre.
aa) In der Zentralregion Afghanistans, die neben … (Einwohnerzahl ca. 4,3 Millionen, jeweils nach EASO Country of Origin Information Report Afghanistan vom November 2016 und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 19.12.2016, S. 57 ff.) die Provinzen Parwan (Einwohnerzahl ca. 665.000 – siehe EASO Country of Origin Information Report Afghanistan vom November 2016 und UNOCHA Afghanistan: Population estimate for 2015 vom 26. August 2015; entgegen 65.000 im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), Kapisa (Einwohnerzahl ca. 440.000), Logar (Einwohnerzahl ca. 390.000), Panjshir (Einwohnerzahl ca. 150.000) und Wardak (Einwohnerzahl ca. 595.000) umfasst (vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 29.07.2016, S. 49; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 12) und in der insgesamt ca. 6,5 Millionen Einwohner leben, wurden bei einem Anstieg von 34% im Vergleich zum Jahr 2015 im Zeitraum Januar bis Dezember 2016 2.348 Zivilpersonen verletzt oder getötet (UNAMA, Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016, Februar 2017, S. 4). Damit ergibt sich ein Risiko von 1:2768, verletzt oder getötet zu werden..
bb) Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar entschieden, dass es neben der quantitativen Ermittlung des Risikos, in der Rückkehrprovinz verletzt oder getötet zu werden, auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung bedarf. Ist allerdings die Höhe des quantitativ festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens – wie hier – weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, vermöge sich das Unterbleiben einer wertenden Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht auszuwirken. Zudem sei die wertende Gesamtbetrachtung erst auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte möglich (U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24; 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 23; 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; BayVGH, B.v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30182 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Nach alledem ist es angesichts der Bevölkerungszahl auf der einen und den Verletzten und getöteten Zivilpersonen auf der anderen Seite für eine Zivilperson auch bei einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände in … nicht beachtlich wahrscheinlich, aufgrund eines sicherheitsrelevanten Vorfalls verletzt oder getötet zu werden (vgl. auch BayVGH, B.v. 17.08.2016 – 13a ZB 16.30090 -, juris Rn. 10; OVG NW, B.v. 8.6.2016 – 13 A 1222/16.A – juris Rn. 10; NdsOVG, B.v. 27.4.2016 – 9 LA 46/16; B.v. 13.4.2015 – 9 LA 58/13). Die Mehrzahl der Binnenflüchtlinge zieht es dementsprechend gerade auch nach … (vgl. etwa Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 19.12.2016, S. 48).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Kostenteilung in Asylverfahren (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 29.6.2009 – 10 B 60/08 – juris). Das Verfahren ist gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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