Aktenzeichen B 3 K 17.32946
Leitsatz
1. Kurden können bei einer Rückkehr in den Irak im Bedarfsfall Schutz in der Region Kurdistans suchen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine staatliche Verfolgung von Christen in Kurdistan. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 20.11.2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II.
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, i.S.d. § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes: Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 – Au 5 K 16.30604 – juris).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl-und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).
Gemessen an diesen Maßstäben haben die Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht.
a) Soweit der Kläger zu 1 eine Verfolgungsgefahr aufgrund seiner Spitzeltätigkeit für die „ … … vorträgt, folgt hieraus kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Gericht folgt insoweit zunächst vollumfänglich den zutreffenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
aa) Neben den zutreffenden Feststellungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid, wonach kein Verfolgungsgrund im Sinne des § 3b Abs. 1 AsylG ersichtlich ist, schenkt das Gericht nach Durchführung der mündlichen Verhandlung auch der geschilderten „Verfolgungshandlung“ keinen Glauben. Die diesbezüglichen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung sind teilweise vage und detailarm sowie teils in nicht unerheblichem Maße widersprüchlich zu den Angaben des Klägers zu 1 beim ….
Insbesondere sind die Angaben zur Häufigkeit der Bestechungsgelder widersprüchlich. Der Kläger zu 1 gab am 04.05.2017 beim … an, er habe insgesamt fünf Briefumschläge mit Bestechungsgeld bekommen. Dem Gericht erklärte er hingegen in der mündlichen Verhandlung, er habe von der …” nur vier Mal Geld erhalten. Eine plausible Erklärung für diesen Widerspruch konnte der Kläger zu 1 trotz Vorhalt des Gerichts nicht liefern.
Im Übrigen konnte der Kläger zu 1 in der mündlichen Verhandlung nicht einmal ungefähr zeitlich angeben, wann er sich dem Freund, der ebenfalls bei der Polizei gewesen ist, anvertraut und von seiner Spionagetätigkeit erzählt hat. Sein diesbezügliches Nichtwissen rechtfertigte er in der mündlichen Verhandlung wiederum nur mit dem pauschalen Einwand, er wisse dies nicht, da er seit sieben Monaten in Deutschland sei.
Auch die angeblich mehrfachen Wohnsitzwechsel bis zur Ausreise, um einer Bedrohung zu entgehen, wurden nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Bei der Anhörung beim … wurde mit keinem Wort erwähnt, dass die Kläger unmittelbar vor der Ausreise wiederholt den Wohnsitz gewechselt haben. Angesprochen auf eine inländische Fluchtalternative erklärte der Kläger zu 1 beim Bundesamt sogar, sie seien nicht woanders hingegangen, weil man sie woanders auch gefunden hätte. Bis zur Ausreise sei er von der …” in Ruhe gelassen worden, da er dieser Gruppierung gegenüber erklärt habe, dass er momentan keine Zeit für eine Zusammenarbeit hätte. Nachdem die Beklagte im angefochtenen Bescheid zutreffend darauf einging, dass den Klägern mehrere Monate bis zur Ausreise nichts passiert sei und dementsprechend nicht von einer ernsthaften Verfolgungsgefahr auszugehen sei, wurde in der mündlichen Verhandlung ein mehrfacher Wohnsitzwechsel eingeführt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin zu 2 nicht einmal grob zeitlich einordnen konnte, wann diese Wohnsitzwechsel erfolgt sein sollen.
Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten, dem Kläger zu 1 sei – nachdem er den Auftrag, den Polizeichef zu exekutieren, zweimal abgelehnt habe – angedroht worden, dass er selbst getötet werde, falls er den Auftrag nicht erfülle, entbehrt jeglicher Grundlage. Diesbezügliche Äußerungen machte der Kläger zu 1 weder beim Bundesamt, noch wurde dies in der mündlichen Verhandlung vom Kläger zu 1 bestätigt bzw. vorgebracht. Dem Kläger zu 1 wurde nach eigenen Angaben von der …” nur mit der Offenlegung der Zusammenarbeit gegenüber dem Generalmajor gedroht, falls er am Komplott zu Lasten des Generalmajors nicht mitwirke.
Weiterhin erscheint es völlig unglaubwürdig, dass sich sowohl die …” als auch der Generalmajor in der besagten Angelegenheit über Monate hinweg vertrösten haben lassen. Wären die Akteure tatsächlich so gefährlich wie von den Klägern beschrieben, hätten sich diese wohl kaum vom Kläger zu 1 mehrmals und über einen längeren Zeitraum mit fadenscheinigen Ausreden abspeisen lassen.
Aufgrund des Gesamteindrucks in der mündlichen Verhandlung hält das Gericht zudem den Vortrag, der Anführer der paramilitärischen Einheit … habe auch seine Familie bedroht für eine unglaubwürdige Steigerung des Sachvortrags. Weder der Kläger zu 1 noch die Klägerin zu 2 haben diesbezüglich bei ihren Anhörungen beim … etwas erwähnt. Im Gegenteil, der Kläger zu 1 erklärte beim … ausdrücklich, dass es nach der fiktiven Anzeige im November 2016 beim Generalmajor bis zur Ausreise am 27.03.2017 mit niemandem irgendwelche Schwierigkeiten gegeben habe. Erstmals in der mündlichen Verhandlung wurde vorgetragen, der Anführer der Militäreinheit habe – während der Kläger zu 1 bei der Arbeit gewesen sei – zweimal Leute zum Haus der Familie geschickt. Eine plausible Erklärung für den erstmaligen Vortrag in der mündlichen Verhandlung konnten weder der Kläger zu 1 noch die Klägerin zu 2 liefern. Der Kläger zu 1 flüchtete sich wiederum in allgemeine Floskeln und erklärte, er habe sich beim … kurz fassen müssen und dies nicht sagen dürfen, was wiederum im Widerspruch zur Anhörungsniederschrift vom 04.05.2017 steht, wonach der Kläger zu 1 bestätigte, dass er ausreichend Gelegenheit hatte, seine Fluchtgründe zu schildern. Die Klägerin zu 2 rechtfertigte den insoweit fehlenden Sachvortrag beim … mit der Aussage, man habe sie nicht danach gefragt. im Übrigen blieb dieser Themenkomplex -trotz weiterer Nachfragen des Gerichts zu den vermeintlichen Besuchen der …” -wiederum vage, detailarm und unsubstantiiert. Auch insoweit konnte die Klägerin zu 2 nicht einmal grob zeitlich einordnen, wann die … bei ihnen vorstellig geworden sei, da „sie unter Konzentrationsverlust leide“.
Im Übrigen macht das Gericht von seinem Ermessen gebrauch und weist den Vortrag, die … habe zweimal Leute zum Haus der Familie geschickt, gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO als präkludiert zurück.
Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG hat der Kläger die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung anzugeben. Nach § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der obigen Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und der Beteiligte über die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist. Die Kläger wurden sowohl von der Beklagten im Bescheid vom … als auch vom Gericht in der Klageeingangsmitteilung darauf hingewiesen, dass die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids anzugeben sind. Die Kläger haben diesen Aspekt weder ins behördliche Verfahren beim … noch bis zur mündlichen Verhandlung in das gerichtliche Verfahren eingeführt, obwohl sie im Bescheid bzw. in der Klageeingangsmitteilung noch einmal darauf hingewiesen wurde, dass nach § 74 Abs. 1 Satz 2 AsylG nicht nur Beweismittel, sondern sämtliche Tatsachen innerhalb der genannten Frist vorzutragen sind. Die Kläger haben auch in keiner Weise plausibel dargelegt, warum diese Tatsachen erstmals in der mündlichen Verhandlung zur Sprache gekommen sind, sondern lediglich Ausflüchte (keine entsprechende Fragestellung bzw. keine Gelegenheit zum diesbezüglichen Vortrag) gesucht. Daher macht das Gericht von seinem Ermessen gebrauch und weist den verspäteten Vortrag als präkludiert zurück, da zur Klärung dieser Frage weitere Aufklärungsmaßnahmen notwendig wären, die zur Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits führen würden.
bb) Selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags und bei Berücksichtigung der verspätet vorgetragenen Bedrohung der Familie, steht den Klägern kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zu. Neben dem fehlenden Anknüpfungsmerkmal i.S.d. § 3b Abs. 1 AsylG hinsichtlich der Bedrohungen infolge der Spionagetätigkeit, stünde den Klägern zudem eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließt. Einem Ausländer wird gem. § 3e Abs. 1 AsylG die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).
Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Kläger als Kurden – sollten sie tatsächlich in flüchtlingsrelevanter Weise bedroht werden – bei einer Rückkehr in den Irak im Bedarfsfall Schutz in der Region Kurdistans suchen können. Für kurdische Volkszugehörige ist eine sichere und legale Einreise nach Kurdistan problemlos (z.B. über die Flughäfen in Erbil und Sulaimaniya) möglich. Es ist auch davon auszugehen, dass sie als Kurden in Kurdistan (wieder) aufgenommen werden Es ist nicht ersichtlich, warum sie nicht dorthin zurückkehren könnten. In Kurdistan besteht kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (vgl. hierzu ausführlich unter 2.). Der pauschale Hinweis, man würde sie überall finden und bekomme in Kurdistan Probleme mit dem Generalmajor, schließt vorliegend die innerstaatliche Fluchtalternative nicht aus. Die Kläger könnten problemlos anderweitig „untertauchen“, zumal sie offensichtlich – trotz angeblicher Gefahrenlage – sogar noch über einen längeren Zeitraum unbehelligt in Kirkuk leben konnten. Dass die … und der Polizeichef über Monate hinweg „vertröstet“ werden konnten, ist völlig unglaubwürdig (s.o.)
Der Kläger zu 1 ist jung, gesund und erwerbsfähig. Es ist ihm zumutbar alle Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen, insbesondere auch schlichten Hilfstätigkeiten nachzugehen, um für sich und seine Familie zu sorgen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es in einer fremden Stadt schwieriger ist, Arbeit zu finden, zumal sich die wirtschaftliche Lage auch in Kurdistan-Irak verschlechtert hat (vgl. auch VG Ansbach, B.v. 2.2.2017 – AN 2 K 16.31008 – juris). Überdies leben noch Verwandte und die Großfamilie der Kläger im Irak, so dass im Bedarfsfall mit Unterstützung zu rechnen ist. Die Klägerin zu 2 stammt sogar aus Sulaimanyia. Ihre Großfamilie lebt dort. Es ist schon im Ansatz nicht glaubhaft, dass sich die Klägerin zu 2 wegen der Hinwendung zum Christentum mit ihrer Familie überworfen hat (siehe hierzu sogleich unter b.).
b) Die in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgebrachte Hinwendung der Kläger zum Christentum führt ebenfalls nicht zum Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
aa) Für das Gericht ist bereits nicht glaubhaft vorgetragen, dass die Hinwendung zum christlichen Glauben auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung beruht und die Betätigung des christlichen Glaubens Teil der religiösen Identität der Kläger ist (vgl. hierzu VG Augsburg, U.v. 9.1.2017 – Au 5 K 16.31898 – juris, VG Bayreuth, U.v. 3.5.2017 – B 3 K 17.30947). Die Annahme einer Verfolgungsgefährdung wegen des Abfalls vom muslimischen Glaubens und der Zuwendung zum Christentum setzt im konkreten Einzelfall voraus, dass die vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zum Christentum zur vollen Überzeugung des Gerichts auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum Christentum vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigten sind. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht. Das Gericht ist auch nicht an die Beurteilung des Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden, der Taufe des Betroffenen liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde. Eine beachtliche Verfolgungsgefährdung lässt sich ferner auch nicht allein daraus ableiten, dass sich der Asylsuchende in Deutschland religiös betätigt hat. Das Gericht muss vielmehr die volle Überzeugung gewinnen, dass der Asylsuchende die religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet. Es muss davon ausgehen können, dass der Asylsuchende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland ungehindert leben zu können. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Herkunftsland eine Religion aktiv lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris m.w.N.; BayVGH, B.v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris, BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris; OVG NRW, B.v. 10.2.2017 – 13 A 2648/16.A – juris; OVG Lüneburg, – B.v. 16.9.2014 – 13 LA 93/14 – juris; VGH BW, B.v. 23.4.2014 – A 3 S 269/14 – juris; VG München, U.v. 11.4.2017 – M 2 K 17.30353 – juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere der Einlassungen in der mündlichen Verhandlung, zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die am 20.11.2017 erstmals vorgebrachte Hinwendung zum Christentum nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche die religiöse Identität der Kläger prägt, sondern vielmehr dass dieser ganz offensichtlich Opportunitätserwägungen und asyltaktische Überlegungen zu Grunde liegen.
Bei der Befragung in der mündlichen Verhandlung offenbarte sich, dass den Klägern zu 1 und 2 selbst grundlegendste Kenntnisse über den christlichen Glauben fehlen. Der Kläger zu 1 vermochte zwar noch das „Vater unser“ auf Kurdisch aufzusagen, wusste aber nicht einmal den religiösen Hintergrund des bevorstehenden Weihnachtsfestes. Die Klägerin zu 2 wusste nur, dass „die Christen an Weihnachten feiern“. Der religiöse Hintergrund war ihr ebenfalls völlig fremd. Mit dem Begriff „Ostern“ konnte die Klägerin zu 2 überhaupt nichts anfangen.
Die Kläger zu 1 und 2 konnten dem Gericht auch nicht einmal im Ansatz darlegen, warum sie nicht mehr am sunnitischen Glauben festhalten können bzw. wollen und warum sie sich zum Christentum hingezogen fühlen. Auf Fragen des Gerichts kamen nur allgemeine und vage Floskeln, wie beispielsweise der Kläger zu 1 sei nicht glücklich mit dieser Religion gewesen, da der Koran immer falsch interpretiert worden sei. Die Klägerin zu 2 will nur deswegen kein Moslem mehr sein, weil sie „so viele schlechte Dinge im Islam gesehen habe.“ Eine plausible und nachvollziehbare Schilderung, was das Christentum für die Kläger ausmache, wurde ebenfalls nicht abgegeben. Der Kläger zu 1 beschränke sich auf völlig vage Oberbegriffe wie „Liebe“ und „Ehrlichkeit“. Die Klägerin zu 2 gab an, „Tugend und Liebe“ würden sie vom Christentum überzeugen, ohne dass eine nähere und inhaltliche Beschreibung dieser „Floskeln“ erfolgt ist.
Der Einschätzung des Gerichts, dass die Kläger lediglich aus asyltaktischen Gründen die Hinwendung zum Christentum vortragen, steht auch nicht entgegen, dass die Kläger zu 1 und 2 offensichtlich seit dem 22.09.2017 an einem Taufkurs in der Friedenskirche teilnehmen. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht zum Ausdruck einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung. Im Übrigen hat vorliegend noch nicht einmal eine Taufe stattgefunden. Diese soll vielmehr erst am 15.12.2017 erfolgen, wobei der Sinngehalt der unmittelbar bevorstehenden Taufe für das Gericht aufgrund der eklatanten Lücken der Kläger zu 1 und 2 in den absoluten Grundlagen des christlichen Glaubens mehr als fraglich erscheint. An dieser Einschätzung des Gerichts ändern auch die Bescheinigungen des Vereins C.A.S. e.V. (ComeAndSee – House For All Nations e.V.) vom 13.11.2017 bzw. 18.11.2017 sowie die Stellungnahme der Pfarrerin … (Friedenskirche … vom 10.11.2017 nichts. Nach der Stellungnahme vom 13.11.2017 nähmen der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 seit einiger Zeit regelmäßig an der öffentlichen internationalen Bibelstunde und dem Gottesdienst für Iraner und Kurden teil. Im Übrigen nähmen sie am Taufkurs in der Friedenskirche … teil, um sich und die Kinder am Ende des Kurses taufen zu lassen. Die Kläger zu 3 und 4 würden auf Wunsch der Kläger zu 1 und 2 den evangelischen Religionsunterricht in der Kirche besuchen. Nach der Bescheinigung vom 18.11.2017 bestehe an der Ernsthaftigkeit der Hinwendung der Kläger zu 1 und 2 zum christlichen Glauben kein Zweifel. Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 würden seit etwa fünf Monaten die jeden Mittwochabend stattfindende internationale Bibelstunde besuchen, seien dort mit großem Eifer dabei und würden sich auch in ihrer Umgebung zum christlichen Glauben bekennen. Die Pfarrerin der Stadtkirche führte in ihrer Stellungnahme vom 10.11.2017 aus, dass die Kläger seit 22.09.2017 regelmäßig den Taufkurs besuchen und sich sehr intensiv an den Gesprächen beteiligen würden. Sie freue sich, die Kläger noch vor Weihnachten taufen zu dürfen, da sie überzeugt sei, dass diese mit dem Herzen glauben.
Diese Stellungnahmen bzw. Bescheinigungen sind jedoch nicht geeignet, das Gericht von einer ernsthaften und identitätsprägenden Entscheidung der Kläger für das Christentum zu überzeugen, zumal die Kläger – wie bereits ausgeführt – nahezu keine Ahnung vom christlichen Glauben haben und auch der Zeitpunkt der erstellten Bescheinigungen bzw. der Beginn des Taufunterrichts im unverkennbaren Zusammenhang mit der Ablehnung des Asylantrags bzw. der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren steht. Im Übrigen erscheint es nicht nachvollziehbar, warum die Kläger ihre Zuwendung zum christlichen Glauben erstmals in der mündlichen Verhandlung vortragen, obwohl nach der Stellungnahme vom 18.11.2017 bereits seit etwa fünf Monaten, also ab etwa Mitte Juni 2017, die internationale Bibelstunde besucht wird. Insoweit verweist das Gericht zudem auf die vorstehenden Ausführungen zu § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO und weist – unter Ausübung pflichtgemäßer Ermessens – den Vortrag der Hinwendung zum christlichen Glauben ebenfalls als präkludiert zurück.
Nach alledem ist bei einer Gesamtwürdigung der Umstände zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die behauptete Hinwendung zum Christentum im Fall der Kläger nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche deren religiöse Identität prägt.
bb) Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Kläger tatsächlich aus innerer Überzeugung Christen geworden sind, haben sie ihr Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft dargelegt. Bei einer Rückkehr in den von der kurdischen Regionalregierung kontrollierten Gebieten bzw. in die Autonome Region Kurdistan – was den Klägern ebenfalls ohne weiteres zumutbar ist (s.o.) – droht wegen des Abfalls vom Islam und der Zuwendung zum christlichen Glauben nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG.
(1) Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine staatliche Verfolgung von Christen in Kurdistan. Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln geht das Gericht von folgender Lage im Irak, insbesondere in der kurdischen Autonomieregion – KAR – aus: Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamistischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z.B. den Abfall vom Islam; auch spezielle Straftatbestände, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. In der KAR wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der KAR stehen, sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt (zum Vorstehenden: Auswärtiges Amt -AA-, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 18.2.2016, S. 9 sowie Auswärtiges Amt -AA-, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 07.02.2017, S. 12). Nach dem Vorstoß des „Islamistischen Staats“ – IS – im Sommer 2014 in den Nord- und Zentralirak, der auch das christliche Kernland im Irak traf, sind zehntausende Christen in die KAR geflohen. Es gibt in der KAR keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung von Christen (vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 15.12.2016 – M 4 K 16.31327 – juris; VG München, U.v. 13.1.2017 – M 4 K 16.31091 – juris, VG Aachen, U.v. 12.10.2016 – 4 K 993/14.A – juris m.w.N.).
Dass muslimische Kurden, die zum Christentum konvertieren, in Kurdistan anders behandelt werden, als gebürtige Christen, oder dass sogar ein diesbezügliches Verbot mit strafrechtlichen Konsequenzen besteht, ist für das Gericht nicht ersichtlich (vgl. VG Augsburg, U.v. 9.1.2017 – Au 5 K 16.31898 – juris; VG Aachen, U.v. 12.10.2016 – 4 K 993/14.A – juris; siehe auch: https://www.youtube.com/watch?v=zvg20OPlKw0 – Beitrag „Immer mehr Kurden werden Christen“; http://www.kath.net/news/52725 – Beitrag vom 04.11.2015 „Nordirak: Immer mehr kurdische Muslime werden Christen“).
(2) Eine Verfolgung der Kläger durch nichtstaatliche Akteure im Nordirak, insbesondere durch die Familie der Klägerin zu 2, ist weder glaubhaft und substantiiert vortragen noch anderweitig für das Gericht ersichtlich. Die Klägerin zu 2 behauptet lediglich, Angst zu haben, von ihrer Familie getötet zu werden. Selbst bei unterstellten privaten Verfolgungshandlungen durch die
(2) Familie der Klägerin zu 2 wegen einer Abkehr vom Islam, steht den Klägern jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative zu, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließt. Auf die vorstehenden Ausführungen zur internen Fluchtalternative im Rahmen der Bedrohung durch die …” bzw. durch den Generalmajor wird verwiesen. Selbst bei einer (zusätzlichen) Bedrohung durch die Familie könnten die Kläger durch eine Niederlassung außerhalb des Machtbereiches der Familie, insbesondere in größeren Städten, gefahrlos untertauchen können. Dort sind sie – selbst wenn sie tatsächlich Christen und in Lebensgefahr wären – hinreichend sicher (so auch VG München, U.v. 15.12.2016 – M 4 K 16.31327 – juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2017 – B 3 K 16.31958; vgl. auch VG Aachen, U.v. 12.10.2016 – 4 K 993/14.A – juris, VG Bayreuth, U.v. 3.5.2017 – B 3 K 17.30242 – juris).
c) Die in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragene Desertion des Klägers zu 1 vom Polizeidienst führt ebenfalls nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
aa) Zum einen wurde dieser Aspekt – ohne nachvollziehbaren Grund – erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Insoweit macht das Gericht wiederum von seinem Ermessen gebrauch und weist das Vorbringen nach § 74 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 87 b Abs. 3 VwGO als präkludiert zurück.
bb) Selbst wenn man die Desertion vom Polizeidienst als wahr unterstellt, ergibt sich für das Gericht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass dem Kläger zu 1 der Tod bzw. infolge einer militärischen Gerichtsverhandlung eine lange Haftstrafe mit unmenschlicher Behandlung im Gefängnis droht. Aufgrund eines Auskunftsersuchens des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14.09.2011 in der Streitsache W 4 K 09.30149, wies das Europäische Zentrum für Kurdische Studien in Berlin mit Schreiben vom 28.02.2013 darauf hin, dass sich das Strafmaß der irakischen Militärgerichtsbarkeit, vor der sich der Kläger zu 1 fürchtet, nach dem Militärstrafgesetz Nr. 19 aus dem Jahr 2007 richtet. In Art. 33 Abs. 1 heißt es: „Jeder Soldat, der 15 Tage ohne Erlaubnis von seiner Militäreinheit fernbleibt und jeder Offizier, der 10 Tage ohne Erlaubnis und Grund nicht zum Dienst erscheint, wird mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft.“ Weiterhin wird nach Art. 35 Abs. 5 jede Peron, die ins Ausland flüchtet, zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt. Nach diesen Grundsätzen der irakischen Militärgerichtsbarkeit hätte der Kläger zu 1 somit allenfalls mit einer Gefängnisstrafe von 5 Jahren zu rechnen. In der obigen Auskunft vom 28.02.2013 wird aber zugleich darauf hingewiesen, dass das Militärstrafgesetz derzeit im Irak nicht umgesetzt wird. In der Praxis werden Offiziere, die 10 Tage nicht zum Dienst erschienen sind, lediglich entlassen. Hintergrund für den „Nichtvollzug“ des Strafgesetzes sind die hohen Desertionszahlen und die damit einhergehende Unmöglichkeit der Strafverfolgung (vgl. umfassend: VG Bayreuth, U.v. 28.10.2016 – B 3 K 16.31099).
In Anbetracht dieser Erkenntnisse spricht bereits einiges dafür, dass der Kläger zu 1 bei einer Rückkehr wegen Desertion nicht zwingend verhaftet bzw. bestraft werden würde.
Selbst wenn der Kläger zu 1 im Irak zur Rechenschaft gezogen wird, rechtfertigt die drohende Gefängnisstrafe im Heimatland für eine begangene „Fahnenflucht“ noch nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Eine Bestrafung wegen Desertion stellt an sich noch keine diskriminierende Maßnahme im Sinne des Flüchtlingsrechts dar (VG München, U.v. 16.11.2016 – M 25 K 15.31291 – juris; VG Bayreuth, U.v. 12.10.2017 – B 3 K 17.31455 – juris). Die gesetzliche Freiheitsstrafe von 5 Jahren ist an sich ebenfalls nicht unverhältnismäßig oder diskriminierend i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG (VG Bayreuth, U.v. 28.10.2016 – B 3 K 16.31099, VG Bayreuth, U.v. 24.4.2017 – B 3 K 17.30796; VG Bayreuth, U.v. 24.8.2017 – B 3 K 17.31275; VG Bayreuth, U.v. 12.10.2017 – B 3 K 17.30523). Zwar fällt das diesbezügliche Strafmaß höher aus als in einigen europäischen Ländern, jedoch findet sich beispielsweise auch im deutschen Wehrstrafrecht eine ähnliche Strafandrohung für den Fall der „Fahnenflucht“ (vgl. § 16 WStG).
d) Weiterhin ist – entgegen dem Vorbringen des Bevollmächtigten der Kläger – in der Rechtsprechung geklärt, dass die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, im Irak die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte nicht aufweisen. Für die Annahme einer entsprechenden Verfolgungsdichte ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, U.v. 21.4.2009 -10 C 11/08 – juris). Zwar existieren im Irak schiitische Milizen, die zum Teil auch gewaltsam gegen Sunniten vorgehen. Dabei handelt es sich aber um einzelne Übergriffe. Die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, weisen weder im Staat Irak in seiner Gesamtheit noch in Kirkuk die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte auf (vgl. BayVGH, U.v. 09.01.2017 -13a ZB 16.30740 – juris; BayVGH, B.v. 01.02.2017 – 13a ZB 16.30990 – juris; BayVGH, B.v. 15.03.2017 – 20 ZB 17.30308 – juris; VG Augsburg, U.v. 12.12.2016 – Au 5 K 16.31959 – juris; VG Augsburg, U.v. 11.07.2016 – Au 5 K 16.30604 – juris; VG Bayreuth, U.v. 18.10.2016 -B 3 K 16.30613).
e) Im Ergebnis steht damit den Klägern unter keinem Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.
2. Den Klägern steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu. Sie können sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen.
a) Es gibt – insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz -keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG durch die … bzw. durch den Generalmajor oder durch die Familie der Klägerin zu 2 droht. Auch subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt nur dann in Betracht, wenn glaubhaft und konkret individuell die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung droht.
b) Den Klägern steht der subsidiäre Schutz auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen, hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes i.S.d. Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009, C-465.7, juris).
a) Zwar geht auch das Gericht davon aus, dass in der Region Kirkuk ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht oder zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, jedoch erreicht der Grad willkürlicher Gewalt – auch und erst-recht nach dem kürzlich erfolgten, widerstandslosen Rückzug der Peschmerga aus Kirkuk (vgl.: http://www.spiegel.de/politik/ ausland/kirkuk-schwarze-woche-fuer-die-kurden-des-irak-a-1173939.html) – nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau, demzufolge jedem Kläger allein wegen seiner Anwesenheit in Kirkuk Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG gewährt werden muss (so auch VG Ansbach, U.v. 01.12.2016 – AN 2 K 16.30864 – juris; VG Bayreuth, U.v. 13.04.2017 – B 3 K 17.30673 – juris, VG Bayreuth, U.v. 5.5.2017 – B 3 K 17.30140). Es sind auch keine besonderen, in der Person der Kläger liegenden, individuellen Umstände ersichtlich, die auf eine erhöhte Gefährdung im Verhältnis zu sonstigen Angehörigen der Zivilbevölkerung schließen lassen.
c) Im Übrigen stünde den Klägern als Kurden jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG in die formellen Grenzen der Autonomen Region Kurdistan offen. Auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz wird verwiesen.
3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in den kurdisch kontrollierten Gebieten des Iraks führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung der Kläger eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Die schlechten humanitären Verhältnisse im Umfeld der Kläger gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es den Klägern nach einer Rückkehr in den Irak nicht gelingen könnte, sich zumindest eine existenzsichernde Grundlage zu schaffen. Der Kläger zu 1 ist jung, gesund und erwerbsfähig. Es ist nicht ersichtlich, dass er nicht für sich und seine Familie sorgen könnte.
b) Den Klägern droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
a) c) Weiterhin sind nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10.08.2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 03.03.2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird.
Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – juris; VG München, U.v. 22.12.2016 – M 4 K 16.33226 – juris). Sonstige Gefahren i.S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.
Entscheidungen nach den vorstehenden Maßgaben ergehen aber nicht durch das … im Asylverfahren, sondern allenfalls durch die zuständige Ausländerbehörde.
4. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn die Kläger sind, wie oben ausgeführt, weder als Flüchtlinge anzuerkennen noch stehen ihnen subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu. Sie besitzen auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
5. Unabhängig von der Tatsache, dass die Aufhebung des gesetzlichen – nach § 11 Abs. 2 AufenthG von der Beklagten befristeten – Einreise- und Aufenthaltsverbot aus § 11 Abs. 1 AufenthG nach § 11 Abs. 4 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde und nicht in der Entscheidungskompetenz der Beklagten steht (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG sowie BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 27/16 – juris und OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 28.4.2017 – OVG 11 N 163.16 – juris) sowie ungeachtet der Frage, ob – in Anbetracht der Klageanträge -eine (kürzere) Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch die Beklagte nach § 11 Abs. 2 AufenthG überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens ist, zumal eine bloße Aufhebung der Befristung im Rahmen einer Anfechtungsklage zu einem unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot führen würde, sind Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, nicht ersichtlich.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.