Aktenzeichen AN 17 K 19.50306
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 36 Abs. 1, § 37 Abs. 1 S. 2
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO § 80 Abs. 4
Leitsatz
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klagen sind hinsichtlich Ziffer 1 der Klageanträge nur insoweit zulässig, als dass die Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 1. März 2019 beantragt wird. Insoweit wird der als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) formulierte Antrag in Ziffer 1 nach § 88 VwGO sachdienlich so ausgelegt, dass in ihm eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 1. März 2019 enthalten ist. Die Verpflichtungsklagen in Ziffer 1 auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG sind hingegen unzulässig.
Ebenfalls unzulässig sind die Hilfsanträge in Ziffer 2 auf Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes.
Zulässig hingegen sind die in Ziffer 2 hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklagen auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG.
Die Klagen sind, soweit zulässig, unbegründet.
1. a) Die Anfechtungsklage ist die einzig statthafte Klageart gegen die Unzulässigkeitsentscheidungen (Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes vom 1. März 2019) und die Folgeentscheidungen. Nicht statthaft hingegen sind die Verpflichtungsklagen in den Ziffern 1 und 2 der Klageanträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzstatus, mithin ein „Durchentscheiden“ des Gerichts über das Asylbegehren.
Eine erfolgreiche Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsfeststellung führt gegebenenfalls zur inhaltlichen Prüfung des Asylantrags durch die Beklagte und ebnet damit den Weg zum erstrebten Rechtsschutzziel, so dass es eines auf die Durchführung eines Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungsantrags nicht bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 1.7.2017 – 1 C 9.17 – NVwZ 2017, 1625 Ls.1, Rn. 15; BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris Rn. 20 ff.). Ein „Durchentscheiden“ des Gerichts über das Asylbegehren im Falle einer erfolgreichen Anfechtung der Unzulässigkeitsentscheidung findet nicht statt, da die Gliederung des Asylverfahrens in zwei Prüfungsstufen auch prozessual fortzuführen ist. Zunächst hat stets das Bundesamt über das Asylbegehren (Asyl, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz) inhaltlich zu befinden und darf nicht übergangen werden. Dies folgt auch aus dem Rechtsgedanken des § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn.19).
Dabei bleibt es auch nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; zuvor schon angelegt in EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris), nach der es den Mitgliedsstaaten verwehrt ist, von der Möglichkeit des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrens-RL) Gebrauch zu machen, den Antrag auf internationalen Schutz also als unzulässig abzulehnen, wenn dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedsstaat die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, aber die Lebensverhältnisse, die ihn dort als anerkannten Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigten erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 3 EMRK (s. Art. 52 Abs. 3 GRCh) zu erfahren.
Zwar verpflichtet der Europäische Gerichtshof das nationale Gericht dazu, „auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen [im Drittstaat] vorliegen“ (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 38; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 88), eine prozessuale oder verfahrensrechtliche Vorgabe hat der Europäische Gerichtshof damit aber nicht gemacht. Es ist vielmehr dem nationalen Rechtssystem überlassen, auf welchem prozessualen Weg bzw. auf welchem Verfahrensweg es zur Rechtsdurchsetzung für den Antragsteller kommt. Effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 47 GRCh und Art. 46 Verfahrens-RL ist für die Asylantragsteller auch dann gewährleistet, wenn, wie in der Bundesrepublik Deutschland, ein zweistufiges Verfahren besteht, in dem vom Gericht in einem ersten Schritt zunächst nur die getroffene Unzulässigkeitsentscheidung überprüft wird und die zuständige Behörde im Fall der Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung das Asylverfahren fortzusetzen und über die Asylgründe zunächst selbst zu befinden hat.
b) Die in Ziffer 2 der Klageanträge hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklagen auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG sind zulässig. Die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG stellt einen eigenständigen Streitgegenstand dar, über deren Vorliegen das Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG neben der Unzulässigkeitsentscheidung zu befinden hat. Dementsprechend kann dieser Streitgegenstand durch den Schutzsuchenden zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung gerichteten Anfechtungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden. Das ist auch deshalb folgerichtig, da hinsichtlich der Abschiebungsverbote bereits eine inhaltliche Prüfung des Bundesamtes stattgefunden hat (VG Ansbach, U.v. 12.9.2019 – AN 17 K 18.50204 – juris Rn. 19).
2. Soweit die Klagen zulässig sind, sind sie unbegründet und damit abzuweisen.
a) Die Unzulässigkeitsentscheidungen des Bundesamtes in Ziffer 1 des Bescheides vom 1. März 2019 gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG sind auch unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL 2013/32/EU rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Portugal gewährte am 12. April 2017 für den Kläger zu 1) und am 10. April 2017 für die Klägerinnen zu 2) bis 5) subsidiären Schutz, jeweils gültig bis zum 5. Juni 2021.
Die Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG setzt Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL 2013/32/EU in nationales Recht um und ist daher richtlinien- und europarechtskonform auszulegen. Nach Art. 33 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL dürfen die Mitgliedsstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig ablehnen, wenn ein anderer Mitgliedsstaat internationalen Schutz gewährt hat. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof der Vorschrift im Wege der Auslegung noch ein weiteres, negatives Tatbestandsmerkmal entnommen.
Nach der Entscheidung vom 13. November 2019 ist es den Mitgliedsstaaten nämlich nicht möglich von der Befugnis des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL Gebrauch zu machen und einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, wenn dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedsstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, aber die Lebensverhältnisse, die ihn dort als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; s.a. schon EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris). Nach Art. 52 Abs. 3 GRCh ist dabei auch die zu Art. 3 EMRK ergangene Rechtsprechung des EGMR zu berücksichtigen.
Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hat also in richtlinienkonformer Auslegung zu berücksichtigen, ob dem im anderen Mitgliedsstaat Anerkannten nach einer Rücküberstellung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dieser, durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13. November 2019 begründete Maßstab, ist wegen § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG auch auf den klagegegenständlichen Bescheid des Bundesamtes vom 1. März 2019 anzuwenden.
Dem steht auch nicht der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Unionsrecht entgegen, welcher besagt, dass die Mitgliedsstaaten regelmäßig grundlegende Werte der Union, wie sie etwa in Art. 4 GRCh zum Ausdruck kommen, anerkennen, das sie umsetzende Unionsrecht beachten und auf Ebene des nationalen Rechts einen wirksamen Schutz der in der GRCh anerkannten Grundrechte gewährleisten sowie dies gegenseitig nicht in Frage stellen. Dieser Grundsatz gilt auch im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und gerade bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL, in dem er zum Ausdruck kommt (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 80 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 83 ff.; s.a. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Art. 4 GRCh Rn. 3).
Der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens gilt jedoch nicht absolut im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedsstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, bei einer Überstellung in diesen Mitgliedsstaat grundrechtswidrig behandelt werden. Dies zu prüfen obliegt den Mitgliedsstaaten einschließlich der nationalen Gerichte (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 83 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 86 ff.).
Derartige Funktionsstörungen müssen eine besonders hohe Schwelle an Erheblichkeit erreichen und den Antragsteller tatsächlich einer ernsthaften Gefahr aussetzen, im Zielland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, was von sämtlichen Umständen des Falles abhängt (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 89). Nicht ausreichend für das Erreichen dieser Schwelle ist der bloße Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Rückführungsstaat nicht den Bestimmungen des Kapitels VII der Qualifikations-RL 2011/95/EU entsprechen (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36). Die Schwelle ist jedoch dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedsstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90). Plakativ formuliert kommt es darauf an, ob der Anerkannte bei zumutbarer Eigeninitiative in der Lage wäre, an „Bett, Brot und Seife“ zu gelangen (VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5). Angesichts dieser strengen Anforderungen überschreitet selbst eine durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichnete Situation nicht die genannte Schwelle, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden ist, aufgrund derer sich die betreffende Person in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 91).
Daher kann auch der Umstand, dass international Schutzberechtigte in dem Mitgliedsstaat, der sie anerkannt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten nur in deutlich reduziertem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne dabei anders als die Angehörigen dieses Mitgliedsstaats behandelt zu werden, nur dann zur Feststellung der Gefahr einer Verletzung des Standards des Art. 4 GRCh führen, wenn der Antragsteller sich aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not im oben genannten Sinne befände. Dafür genügt nicht, dass in dem Mitgliedsstaat, in dem einer neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, höhere Sozialleistungen gewährt werden oder die Lebensverhältnisse besser sind als in dem Mitgliedsstaat, der bereits internationalen Schutz gewährt hat (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93 f.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 97). Ebenso wenig ist das Fehlen familiärer Solidarität in einem Staat in Vergleich zu einem anderen eine ausreichende Grundlage für die Feststellung extremer materieller Not. Gleiches gilt für Mängel bei der Durchführung von Integrationsprogrammen (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C 163/17 – juris Rn. 94, 96).
Bei dem so definierten Maßstab ist weiter zu berücksichtigen, ob es sich bei der betreffenden Person um eine gesunde und arbeitsfähige handelt oder eine Person mit besonderer Verletzbarkeit (Vulnerabilität), die leichter unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 95; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 29 AsylG Rn. 26). Damit schließt sich der Europäische Gerichtshof der Tarakhel-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, 29217/12 – NVwZ 2015, 127), die wegen Art. 52 Abs. 3 GRCh auch im Rahmen des Art. 4 GRCh zu berücksichtigen ist.
Für die demnach zu treffende Prognoseentscheidung, ob dem Antragsteller eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh droht, ist eine tatsächliche Gefahr („real risk“) des Eintritts der maßgeblichen Umstände erforderlich, d.h. es muss eine ausreichend reale, nicht nur auf bloßen Spekulationen gegründete Gefahr bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 4 GRCh zuwiderlaufenden Behandlung muss insoweit aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein (OVG RhPf, B.v. 17.3.2020 – 7 A 10903/18.OVG – BeckRS 2020, 5694 Rn. 28 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris Rn. 184 ff. m.w.N. zur Rspr. des EGMR). Es gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die für eine solche Gefahr sprechenden Umstände müssen ein größeres Gewicht als die dagegensprechenden Tatsachen haben (OVG RhPf, a.a.O.; vgl. VGH BW, a.a.O., juris Rn. 187).
Diesen Maßstab zu Grunde gelegt, war die Ablehnung der Anträge der Kläger als unzulässig im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunktes der mündlichen Verhandlung rechtmäßig, weil den Klägern selbst als vulnerable Personengruppe – eine Familie mit vier Kindern (geboren* … 2009, zwei … 2011 und … 2019, letzteres nicht verfahrensbeteiligt) – nach Überzeugung der Kammer (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bei Rückkehr nach Portugal als dort anerkannte subsidiär Schutzberechtigte keine erniedrigende und unmenschliche Behandlung droht. Es ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie in Portugal unabhängig von ihrem Willen und persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten werden und ihre Grundbedürfnisse „Bett, Brot und Seife“ nicht werden befriedigen können.
Hinsichtlich der Kläger ist als Rückkehrperspektive nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von einer gemeinsamen Rückkehr als Kernfamilie, also der Kläger und des weiteren, nicht verfahrensbeteiligten Kindes, auszugehen. Dies gilt selbst dann, wenn bezüglich des nicht verfahrensbeteiligten Kindes noch ein Schutzstatus zuerkannt oder ein Abschiebungsverbot festgestellt würde (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – NVwZ 2020, 158, allerdings für die Prüfung von § 60 Abs. 5 AufenthG).
aa) Die Kammer geht auf Basis der ihr zur Verfügung stehenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel von folgender Lage für in Portugal anerkannte international Schutzberechtigte aus, die nach ihrer Anerkennung Portugal verlassen haben und nun wieder zurückgeführt werden sollen:
Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltsberechtigung für fünf Jahre, subsidiär Schutzberechtigte eine solche für drei Jahre. Schutzberechtigte haben ein Recht auf Unterbringung wie portugiesische Staatsbürger. Ebenso haben Schutzberechtigte nach ihrer Anerkennung ungehinderten Zugang zum Arbeitsmarkt. Es besteht auch Zugang zum Bildungssystem für minderjährige Schutzberechtigte, zum System der Sozialhilfe und zur medizinischen Versorgung wie für portugiesische Bürger. Die medizinische Versorgung umfasst auch die psychologische Betreuung und die Behandlung durch Spezialisten. Asylbewerber und Schutzberechtigte sind von jeglichen Gebühren für die medizinische Versorgung befreit. Hinsichtlich von Integrationsprogrammen für Schutzberechtigte sieht das portugiesische Recht vor, dass diese von den zuständigen Stellen bereitzustellen sind. Zudem gibt es ein Begrüßungshandbuch zum portugiesischen Gesundheitssystem für Ausländer sowie ein Migrantenorientierungsprogramm als landesweite Initiative einer Gruppe lokaler Partner, das Freiwilligenarbeit und den Austausch von Erfahrungen und Unterstützung für Migranten fördert (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Portugal, Gesamtaktualisierung am 5.7.2017, S. 8 ff.).
bb) Nach dem nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anzuwendenden strengen Beurteilungsmaßstab steht nach Ansicht der Kammer bei diesen tatsächlichen Verhältnissen der Rückführung von anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten, auch soweit es sich um eine Familie mit insgesamt vier Kindern handelt, nach Portugal grundsätzlich kein rechtliches Hindernis entgegen. International Schutzberechtigte sind nach Überzeugung der Kammer dort keiner Lage ausgesetzt, die für sie einen Verstoß gegen die Rechte aus Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCh bedeuten würde.
Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte genießen in Portugal die gleichen sozialen Rechte wie portugiesische Staatsbürger. Als Ehepaar mit vier Kindern, eines davon ein Kleinkind, steht ein Erwachsener als Erwerbstätiger zur Verfügung und ist der andere Elternteil in der Lage, für die Angelegenheiten des täglichen Lebens und vor allem die notwendige Kinderbetreuung zu sorgen. Der Kläger zu 1) ist dabei trotz seiner glaubhaft vorgetragenen Augenerkrankung, die zu einer Reduzierung des Sehvermögens auf dem rechten Auge auf ein Prozent und auf dem linken Auge auf 90 Prozent geführt hat, nicht dem Arbeitsmarkt gänzlich entzogen. Lediglich einzelne Tätigkeiten, die ein vollständig intaktes Sehvermögen voraussetzen (ggf. mit Hilfsmitteln), wie etwa als Berufskraftfahrer, dürften ausscheiden. Hinsichtlich des vorgetragenen erlittenen Bandscheibenvorfalls vor zwei Jahren liegt keine qualifizierte ärztliche Bescheinigung zur Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit des Klägers zu 1) vor. Selbst wenn man aber die Angaben des Klägers zu 1) als wahr unterstellt, dass er keine schweren körperlichen Arbeiten verrichten dürfe, bliebe immer noch ein hinreichend breites Feld möglicher Tätigkeiten auf dem portugiesischen Arbeitsmarkt. Auch die Klägerin zu 2) wäre, wenn sich statt ihrer der Kläger zu 1) um die gemeinsamen Kinder kümmerte, arbeitsfähig. Ihre Angabe in der mündlichen Verhandlung, dass sie Probleme mit dem Fuß und Schmerzen im linken Bein habe, ist zu unsubstantiiert, als dass sie ihre Arbeitsfähigkeit erschüttern könnte, überdies liegen diesbezüglich keine qualifizierten ärztlichen Atteste vor.
Auch hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten insbesondere für die Augenerkrankung des Klägers zu 1), die mit einer Medikamenteneinnahme (Anhörung Bundesamt: „FML Liquifilm“ und „1mg/ml Colirio suspensao Fluorometolona“) einhergeht, bestehen für das Zielland Portugal keine Bedenken mit Blick auf Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK. Laut der Erkenntnislage besteht für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Portugal der kostenfreie Zugang auch zu ärztlichen Spezialisten. Dies deckt sich mit der Angabe des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung, dass er bereits in Portugal Augentropfen erhalten habe. Erst recht bestünde eine Behandlungsmöglichkeit für etwaige Fuß- und Beinschmerzen der Klägerin zu 2).
Von der bestehenden Arbeitsfähigkeit der Kläger zu 1) und 2) abgesehen, haben sie als anerkannt Schutzberechtigte die gleichen Ansprüche auf Sozialleistungen wie portugiesische Staatsbürger. Die Erkenntnismittel schlüsseln zwar im Einzelnen nicht die Voraussetzungen und die Höhe der staatlichen Sozialleistungen auf, allerdings fordern Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK zunächst einmal nicht mehr als die Gleichbehandlung mit Inländern und verpflichten gerade nicht dazu, jede Person innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs mit Obdach zu versorgen und sie finanziell zu unterstützen, um ihr einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725/10 – BeckRS 2013, 81948; U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – NVwZ 2011, 413). Auch gewährt die Vorschrift Ausländern keinen Anspruch auf Verbleib in einem bestimmten Mitgliedstaat, um in diesem von den hier geltenden Unterstützungen und Leistungen (weiter) zu profitieren (EGMR, B.v. 2.4.2013, a.a.O.). Angesichts des bereits dargelegten Prognosemaßstabes der mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden tatsächlichen Gefahr („real risk“) des Gegebenseins der Umstände, die eine Verletzung von Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK begründen würden, kann nicht angenommen werden, dass die Kläger durch jedes Netz der sozialen Sicherung in Portugal fallen würden. Der Kläger zu 1) selbst hat in der mündlichen Verhandlung geschildert, dass in den ersten beiden Jahren pro Monat eine Leistung von 525,00 EUR gewährt worden sei, danach nehme die Leistung auf 36,00 EUR pro Kind und Monat ab. Da die Kläger am 7. April 2017 nach Portugal eingereist sind, am 10. bzw. 12. April 2017 als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt wurden und bereits am 7. Februar 2019 nach Deutschland eingereist sind, wurde nicht einmal der selbst vorgetragene begrenzte Anspruchszeitraum von zwei Jahren ausgenutzt, weswegen die Aussage des Klägers zu 1) über den Zeitraum danach eine bloße Prognose darstellt. Selbst wenn aber bei vier Kindern nur eine monatliche Leistung von ca. 150,00 EUR gewährt würde, drohte zusammen mit einer zumutbaren (Aushilfs) Tätigkeit eines Elternteils keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verelendung. Überdies ist angesichts des fast schon eineinhalbjährigen Aufenthalts in Deutschland nicht davon auszugehen, dass die Kläger komplett ohne eigene Finanzmittel nach Portugal zurückkehren werden.
Gleiches wie für die soziale Sicherung gilt für die Unterkunftssituation. Auch hier haben anerkannt Schutzberechtigte unter den gleichen Voraussetzungen wie portugiesische Staatsbürger ein Recht auf Unterbringung. Angesichts dessen, dass den Klägern bereits während ihres Aufenthalts und auch nach ihrer Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigte am 10. bzw. 12. April 2017 (Einreise nach Portugal am 7.4.2017) in Portugal wenigstens begrenzt für zwei Jahre eine Wohnung durch eine Hilfsorganisation zur Verfügung gestellt wurde, zeigt, dass insbesondere für vulnerable, anerkannt schutzberechtigte Gruppen keine Obdachlosigkeit droht. Die Kläger haben die gestellte Wohnung zudem bereits vor Ablauf der vorgetragenen Befristung von zwei Jahren verlassen, da deren Einreise nach Portugal am 7. April 2017 erfolgte und die Einreise nach Deutschland bereits am 7. Februar 2019. Insofern kann nicht mit der nötigen beachtlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der portugiesische Staat und die Hilfsorganisationen die Kläger nach einer potentiellen Räumung aus der bisherigen Unterkunft der Obdachlosigkeit preisgegeben hätten bzw. dies bei einer Rückkehr der Kläger nach Portugal zukünftig tun würden. Dagegen spricht auch, dass für Vulnerable, wenn hierfür auch nur Erkenntnismittel für das Asylverfahren vorliegen, spezielle Unterbringungskapazitäten bereitgehalten werden (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Portugal, Gesamtaktualisierung am 5.7.2017, S. 8).
Die Integrationsbemühungen Portugals sind nach der Erkenntnislage jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit so unzureichend, dass daraus eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung folgt. Der Zugang zum Bildungssystem besteht insbesondere für vier Kinder der Kläger zu 1) und 2).
Nach alldem besteht für die Kläger bei einer Rückkehr nach Portugal als Familie keine Prognose einer quasi ausweglosen, zur Verelendung führenden Situation extremer materieller Not. Es ist vielmehr zu erwarten, dass sie aus eigenen Kräften und gegebenenfalls durch Sozialleistungen und Unterstützung hinsichtlich einer Unterkunft einer ernsthaften und lebensbedrohenden Armut entgehen. Schließlich ist auch davon auszugehen, dass die Kläger nach einem eineinhalbjährigen Voraufenthalt in Deutschland nicht völlig mittellos nach Portugal ausreisen.
b) Die Ablehnung der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des AufenthG in Ziffer 2 des Bescheides vom 1. März 2019 erweist sich ebenfalls als rechtmäßig.
aa) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung ist nach der EMRK insbesondere dann unzulässig, wenn dem Kläger in der Zielregion eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielland rechtfertigen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nur ausnahmsweise ein Abschiebungsverbot und sind nach den Darlegungen unter 2. a) nicht gegeben.
bb) Ferner können die Kläger kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG geltend machen. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Norm setzt voraus, dass der Ausländer bei einer Rückkehr mit hoher – und nicht nur beachtlicher – Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage hinsichtlich der genannten Rechtsgüter ausgesetzt wäre (BVerwG, U.v. 8.8.2018 – 1 B 25/18 – NVwZ 2019, 61 Rn. 13). Er müsste „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ werden. Nur dann gebieten es die Grundrechte der Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG trotz fehlender politischer Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 60).
Unter Berücksichtigung dieses strengen Maßstabs steht den Klägern kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Die Augenerkrankung des Klägers zu 1), durch die sein Sehvermögen auf dem rechten Auge auf ein Prozent geschrumpft ist, mag eine ernsthafte Erkrankung sein, allerdings nach Überzeugung der Kammer weit entfernt von einer drohenden Lebensgefahr und angesichts der Behandlungsmöglichkeiten auch von schwersten Verletzungen bei einer Rückkehr nach Portugal. Auch hinsichtlich der Kläger zu 2) bis 5) ist nichts für eine individuell drohende Lebensgefahr oder eine Gefahr schwerster Verletzungen bei Rückkehr nach Portugal ersichtlich oder vorgetragen. Nach den Ausführungen unter 2. a) droht den Klägern auch keine, nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zu berücksichtigende, extreme Gefahrenlage mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert zu werden (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 60).
c) Nachdem sowohl die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 als auch die Ablehnung der Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten in Ziffer 2 des Bescheides vom 1. März 2019 rechtmäßig sind, ist es auch die Abschiebungsandrohung mit Zielland Portugal in Ziffer 3 gemäß § 35 AsylG.
Die Ausreisefrist von einer Woche entspricht der Vorgabe des § 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Sie knüpft den Fristlauf allerdings an die Bekanntgabe des Bescheides. Dies könnte mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Gnandi“ (U.v. 19.6.2018 – C-181/16 – NVwZ 2018, 1625) zweifelhaft erscheinen. Allerdings ist schon fraglich, ob die Grundsätze der „Gnandi“- Entscheidung überhaupt auf die vorliegende Konstellation einer Abschiebungsandrohung mit einwöchiger freiwilliger Ausreisefrist ab Bekanntgabe des Bescheids nach § 35 und § 36 Abs. 1 AsylG in Folge einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG übertragbar sind (dafür wohl Pietzsch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 25. Edition Stand 1.3.2020, § 36 AsylG Rn. 3 ff.; offenlassend etwa VG Würzburg, B.v. 19.12.2019 – W 4 S 19.32094 – BeckRS 2019, 34656). Denn die Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungs-RL), auf die sich der Europäische Gerichtshof in der „Gnandi“ – Entscheidung maßgeblich stützt, definiert in deren Art. 3 Nr. 3 eine Rückkehr grundsätzlich als Rückführung in Drittländer, die keine EU-Mitgliedstaaten sind (so VG Würzburg, B.v. 19.12.2019 – W 4 S 19.32094 – BeckRS 2019, 34656 Rn. 27). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls wurde die „Gnandi“ – Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bislang nur für die hier nicht gegebenen Fälle einer inhaltlichen Ablehnung des Asylantrages als (einfach oder offensichtlich) unbegründet verbunden mit einer Abschiebungsandrohung nachvollzogen (BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 22.19 – BeckRS 2020, 12399; BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202).
Selbst wenn man aber die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in Sachen „Gnandi“ für übertragbar hielte, käme man nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung nach Portugal. Denn jedenfalls hätte das Bundesamt durch die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsandrohung und damit auch des Laufs der Ausreisefrist in Ziffer 5 des Bescheides vom 1. März 2019 nach § 80 Abs. 4 VwGO einen unionsrechtskonformen Zustand hergestellt (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 22.19 – BeckRS 2020, 12399 Rn. 52 f.). Die durch den Europäischen Gerichtshof im Weiteren statuierten Informationspflichten bei einer Verbindung von ablehnender Asylentscheidung und Rückkehrentscheidung hätten auch im Fall ihrer Missachtung keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202 Ls. 4 und Rn. 34 ff.; BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 22.19 – BeckRS 2020, 12399 Ls. 4 und Rn. 60 ff.).
d) Rechtmäßig sind auch die impliziten Anordnungen der Einreise- und Aufenthaltsverbote gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Ziffer 4 des Bescheides vom 1. März 2019. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG mit der Abschiebungsandrohung unter der aufschiebenden Bedingung der Abschiebung, spätestens mit der Abschiebung erlassen werden.
Die nicht dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der einen behördlichen Erlass des Einreise- und Aufenthaltsverbots fordert, entsprechende Formulierung der Ziffer 4, dass „das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (…) auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet [wird]“ sowie die entsprechende Annahme in der Begründung des Bescheides unter 4., dass es sich um ein gesetzliches, also ipso iure eintretendes Einreise- und Aufenthaltsverbot handele, ist insoweit unschädlich.
Die nunmehr durch § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer ist in unionsrechtskonformer Auslegung anhand des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungs-RL) regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu sehen (BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 72; s.a. BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21/17 – NVwZ 2019, 483 Rn. 25).
Ebenfalls rechtmäßig ist die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Die Entscheidung über die Befristung hat gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG von Amts wegen bei Erlass des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu ergehen und ist nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eine Ermessensentscheidung. Das Gericht prüft die Festsetzung in zeitlicher Hinsicht nur auf Ermessensfehler hin (§ 114 Satz 1 VwGO).
Ein Ermessensfehler liegt nicht vor, da keine für eine Fristverkürzung sprechenden Belange vorgetragen oder ersichtlich sind. Da keiner der Kläger nach dem ablehnenden Bescheid vom 1. März 2019 ein gesichertes Aufenthaltsrecht in Deutschland hat und da hinsichtlich des in Deutschland nachgeborenen, nicht verfahrensbeteiligten Kindes der Kläger zu 1) und 2), bislang keine Entscheidung über den Asylantrag vorliegt, sind keine wesentlichen Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland erkennbar.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.