Aktenzeichen 13a ZB 16.30516
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
Leitsatz
Die Frage, ob homosexuelle Personen bei einer Rückkehr in den Irak Verfolgungshandlungen ausgesetzt sind, ist einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich, da deren Beurteilung eine Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls voraussetzt. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 4 K 16.30339 2016-08-17 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 17. August 2016 bleibt ohne Erfolg.
Soweit sich der Kläger auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) beruft, macht er keinen der in § 78 Abs. 3 AsylG genannten Zulassungsgründe geltend.
Letzteres ist zwar der Fall bei der weiter von ihm erhobenen Rüge einer Divergenz, jedoch ist sein Antrag auch insoweit unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht vorliegen. Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht. Eine Divergenz im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz des höheren Gerichts abgewichen ist (BVerwG, B. v. 19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328). Vorliegend beruft sich der Kläger auf eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U. v. 7.3.2013 – A 9 S 1873/12 – juris) und des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 7.11.2013 – C-199/12 bis C201/12 – NVwZ 2014, 132). Beide Gerichte sind in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht als Divergenzgerichte genannt. Die Abweichung von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts betrifft nach dem Wortlaut des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG („des“ höheren Gerichts, nicht „eines“ höheren Gerichts) nur das im Rechtszug übergeordnete Berufungsgericht, also den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (zur insoweit gleich lautenden Regelung in § 124 VwGO Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 124 Rn. 38).
Aber auch wenn man das Begehren des Klägers dahin versteht, dass er grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG geltend machen möchte, führt sein Antrag nicht zum Erfolg. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).
Sinngemäß wirft der Kläger die Frage auf, ob homosexuelle Personen bei einer Rückkehr in den Irak Verfolgungshandlungen ausgesetzt sind und ob erwartet werden kann, dass sie ihre Homosexualität im Herkunftsland geheim halten, um eine Verfolgung zu vermeiden. Er trägt insoweit vor, er habe seine homosexuelle Orientierung glaubhaft gemacht. Gegenüber seinem sozialen Umfeld befürchte er die Offenlegung, weil er die Sittenstrenge seines Volks am Beispiel eines Verwandten erlebt habe. Im Irak habe er im Gegensatz zu Deutschland seine Homosexualität nur im Verborgenen ausgeübt.
Das Verwaltungsgericht führt hierzu aus, dass das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung grundsätzlich eine Gruppenzugehörigkeit zu begründen vermöge, der Kläger aber eine verfahrensrelevante Verfolgung nicht habe glaubhaft machen können. Insbesondere sei der Vortrag im Zusammenhang mit seinem Verwandten nicht glaubhaft. Das Risiko sozialer Ächtung überschreite die asylrelevante Erheblichkeitsschwelle nicht. Es sei ein Problem, das in allen Gesellschaften auftrete und auch durch die liberalisierte Gesetzeslage in Deutschland nicht gänzlich verhindert werden könne. Der Kläger lebe bei seinen Eltern in Deutschland und treffe sich mit seinem Partner. Durch die eigene Familie – sei es im Irak oder in Deutschland – verstoßen zu werden, möge zwar emotional belastend sein, stelle jedoch keine asylrelevante Verfolgungshandlung dar.
Zu dieser Einschätzung ist das Verwaltungsgericht nach einer Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Klägers und einer Würdigung der konkreten Situation gelangt. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die von ihm genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg und des Europäischen Gerichtshofs einwendet, es könne nicht erwartet werden, dass ein Asylbewerber seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält, um eine Verfolgung zu vermeiden, widerspricht das Verwaltungsgericht dem nicht. Im Fall des Klägers kommt es jedoch angesichts der Tatsache, dass er in Deutschland ebenfalls bei seinen Eltern wohne und nach seiner eigenen Aussage seine Homosexualität auslebe, zum Ergebnis, dass nach den von ihm vorgetragenen Umständen eine asylrelevante Verfolgung im Irak nicht zu befürchten sei (UA S. 8 ff.). Das entspricht der Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe im Wesentlichen Angst davor, dass seine in Deutschland lebenden Familienangehörigen von seiner homosexuellen Prägung erführen. Auch der Europäische Gerichtshof verlangt nach der vom Kläger zitierten Entscheidung eine Prüfung im Einzelfall, ob die festgestellten Umstände eine solche Bedrohung darstellten, dass der Betroffene in Anbetracht seiner individuellen Lage begründete Furcht haben könne, tatsächlich Verfolgungshandlungen zu erleiden. Diese Beurteilung der Größe der Gefahr beruhe ausschließlich auf einer konkreten Prüfung der Ereignisse und Umstände (EuGH, U. v. 7.11.2013 – C-199/12 bis 201/12 – NVwZ 2014, 132 Rn. 72, 73). Damit ist die so verstandene Frage einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich. Vielmehr setzt deren Beurteilung eine Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls voraus, insbesondere auch in Zusammenhang mit der konkreten Situation des Klägers.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.