Verwaltungsrecht

Asylantrag, Iran, Herkunftsland, Bescheid, Einreise, Aufenthaltsverbot, Bundesamt, Abschiebungsschutz, Verfolgung, Abschiebungsverbote, Migration, Christentum, Verletzung, Gemeinde, Bundesrepublik Deutschland, Kosten des Verfahrens, Furcht vor Verfolgung

Aktenzeichen  AN 1 K 17.30598

Datum:
5.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42280
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage konnte trotz Ausbleiben der Beklagten verhandelt und entschieden werden, da die Beteiligten auf diese Möglichkeit in der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen worden sind, § 102 Abs. 2 VwGO.
Die Beklagte hat zudem auf die Einhaltung der Ladungsfrist sowie die Zustellung der Ladung mittels Empfangsbekenntnis mit Allgemeiner Prozesserklärung des Bundesamtes vom 27. Juni 2017 verzichtet.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Bundesamts vom 27. Januar 2017 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO).
Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG bzw. auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG.
Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn er sich
1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Mit der zum 1. Dezember 2013 in Kraft getretenen Neuregelung des § 3 Abs. 1 AsylG durch das Gesetz zur Umsetzung der RL 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 wurden die europarechtlichen Vorgaben für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als Teil der Gewährung internationalen Schutzes aus der RL 2011/95/EU (nachfolgend: RL), welche die RL 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie) abgelöst hat, im Asylverfahrensgesetz umgesetzt. Für die in der Neufassung inhaltlich geänderten Bestimmungen war den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 21. Dezember 2013 eingeräumt worden (Art. 39 Abs. 1 RL).
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 1 RL) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die
1. aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist oder
2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
Als Verfolgung in diesem Sinne können nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 RL) unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
1.die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 fallen,
6.Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 RL) muss zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist gemäß § 3b AsylG Folgendes zu berücksichtigen:
1. der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2. der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3. der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4. eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5. unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
Durch § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG wird insbesondere klargestellt, dass auch jegliche an das Geschlecht anknüpfende Verfolgung eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe darstellt (sog. geschlechtsspezifische Verfolgung; vgl. Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, Rn. 13 f. zu § 3b AsylG).
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts durch Urteil vom 5. September 2012 (C-71/11 und C-99/11 – juris) entschieden, unter welchen Voraussetzungen Eingriffe in die Religionsfreiheit als Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 a) RL angesehen werden können.
Diese Rechtsprechung, die vom Bundesverwaltungsgericht übernommen worden ist (U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris), kann auf § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG übertragen werden, der Art. 9 Abs. 1 a) RL in nationales Recht umgesetzt hat.
Eine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 a) RL kann danach nicht nur in der schwerwiegenden Verletzung der Freiheit liegen, seine Religion im privaten Rahmen zu praktizieren (forum internum), sondern auch in der Freiheit, den Glauben öffentlich zu leben (forum externum). Schon das Verbot bestimmter Formen der Religionsausübung kann eine beachtliche Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 RL darstellen, und zwar unabhängig davon, ob sich der davon betroffene Glaubensangehörige tatsächlich religiös betätigen wird oder auf die Ausübung aus Furcht vor Verfolgung verzichtet. Ein solches Verbot hat aber nur dann die für eine Verfolgungshandlung erforderliche objektive Schwere, wenn dem Ausländer durch die Ausübung seiner Religion mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Das Verbot weist nur dann die darüber hinaus erforderliche subjektive Schwere auf, wenn die Befolgung der verbotenen religiösen Praxis für den Einzelnen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 24 ff.).
Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind gemäß § 3c AsylG
1.der Staat,
2.Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Nichtstaatlichen Akteure i.S. von § 3c Nr. 3 AsylG können auch private Personen sein (z.B. Familienmitglieder). Das Bundesverwaltungsgericht hat zu der inhaltsgleichen Bestimmung des § 60 Abs. 1 Satz 4c AufenthG a.F. entschieden, dass unter diese schon ihrem Wortlaut nach einschränkungslos alle nichtstaatlichen Akteure, insbesondere also auch Einzelpersonen, von denen Verfolgungshandlungen ausgehen, fallen (BVerwG, U.v. 18.7.2006 – 1 C 15/05 – juris).
Die Furcht vor Verfolgung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) ist begründet, wenn dem Ausländer die oben genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich drohen.
Der in dem Tatbestandsmerkmal „… aus der begründeten Furcht vor Verfolgung …“ des Art. 2 Buchst. d) RL enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG übernommen worden ist, orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Er stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“; vgl. nur EGMR, Große Kammer, U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06, Saadi – NVwZ 2008, 1330); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1996 – 9 C 77.95 – juris; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33.07 – juris; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – juris; U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10 – juris; U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris).
Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118.90 – juris).
Die Tatsache, dass ein Drittstaatsangehöriger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Betroffene erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 RL).
Diese Vorschrift greift sowohl bei der Entscheidung über die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz für einen Vorverfolgten (bzw. von Verfolgung unmittelbar Bedrohten) als auch bei der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes zugunsten desjenigen, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. davon unmittelbar bedroht war. In beiden Varianten des internationalen Schutzes privilegiert sie den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind.
Art. 4 Abs. 4 RL ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (grundlegend BVerfG, B.v. 2.7.1980 – 1 BvR 147/80 – juris; dem folgend BVerwG, U.v. 31.3.1981 – 9 C 237.80 – juris). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (BVerwG, U.v. 18.2.1997 – 9 C 9.96 – juris), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (BVerwG, U.v. 27.4.1982 – 9 C 308.81 – juris). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden – auch seelischen – Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (BVerwG, U.v. 18.2.1997 – 9 C 9.96 – juris). Diese zum Asylgrundrecht entwickelte Rechtsprechung (zusammenfassend BVerwG, U.v. 25.9.1984 – 9 C 17.84 – juris; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118.90 – juris) wurde auf den Flüchtlingsschutz (Abschiebungsschutz aus politischen Gründen) gemäß § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21.92 – juris), nicht jedoch auf die Abschiebungsverbote des § 53 AuslG 1990 übertragen (BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9.95 – juris; U.v. 4.6.1996 – 9 C 134.95 – juris).
Art. 4 Abs. 4 RL privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten jedoch auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, U.v. 2.3.2010 – C-175/08, C-176/08, C-178/08 und C-179/08 – juris). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Große Kammer, U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06, Saadi – NVwZ 2008, 1330). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 RL kann im Einzelfall selbst dann widerlegt sein, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde. Dieser Maßstab hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung mehr (zum Ganzen: BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – juris).
Für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ist nicht nur im Rahmen des Flüchtlingsschutzes, sondern auch im Rahmen des subsidiären Schutzes erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zu Grunde liegende Vermutung, erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht zu sein, beruht wesentlich auch auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung – bei gleichbleibender Ausgangssituation – aus tatsächlichen Gründen naheliegt (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4/09 – juris).
Bei Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sind alle Akte zu berücksichtigen, denen der Kläger ausgesetzt war oder ausgesetzt zu werden droht, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne § 3a Abs. 1 AsylG (Art. 9 Abs. 1 RL) gelten können (vgl. EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 – juris Rn. 68). Liegt keine Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 1 AsylG vor, ist weiter zu prüfen, ob sich eine solche aus einer Gesamtbetrachtung nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b RL) ergibt.
§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG erfasst Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG kann auch eine Kumulation unterschiedlicher Maßnahmen die Qualität einer Verletzungshandlung haben, wenn der Ausländer davon in ähnlicher Weise betroffen ist wie im Falle einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Nr. 1. Die Maßnahmen im Sinne von Nr. 2 können Menschenrechtsverletzungen, aber auch Diskriminierungen sein, die für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzung aufweisen.
In Nr. 1 beruht die Schwere der Eingriffshandlungen auf ihrer Art oder Wiederholung („nature or repetition“). Während die „Art“ der Handlung ein qualitatives Kriterium beschreibt, enthält der Begriff der „Wiederholung“ eine quantitative Dimension (so auch Hailbronner/Alt in Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1072 Rn. 30).
Setzt die Erfüllung des Tatbestandes von Nr. 1 mithin eine bestimmte gravierende Eingriffshandlung oder die Wiederholung gleichartiger Handlungen voraus, ermöglicht die Tatbestandsalternative der Nr. 2 in einer erweiterten Perspektive die Berücksichtigung einer Kumulation unterschiedlicher Eingriffshandlungen, wie sie beispielhaft in § 3a Abs. 2 AsylG (Art. 9 Abs. 2 RL) aufgeführt sind. Die Kumulationsbetrachtung entspricht auch dem Verständnis des UNHCR vom Verfolgungsbegriff in Art. 1 A Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 1979, Rn. 53). In die nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b RL) erforderliche Gesamtbetrachtung können insbesondere verschiedenartige Diskriminierungen gegenüber den Angehörigen einer bestimmten Glaubensgemeinschaft einbezogen werden, z.B. beim Zugang zu Bildungs- oder Gesundheitseinrichtungen, aber auch existenzielle berufliche oder wirtschaftliche Einschränkungen (vgl. UNHCR Richtlinie vom 28. April 2004 zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund religiöser Verfolgung, HCR/GIP/04/06 Rn. 17). Die einzelnen Eingriffshandlungen müssen nicht für sich allein die Qualität einer Menschenrechtsverletzung aufweisen, in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung im Sinne von Buchstabe a entspricht.
Mit Rücksicht darauf, dass sich der Schutzsuchende vielfach hinsichtlich asylbegründender Vorgänge außerhalb des Gastlandes in einem gewissen sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt bezüglich dieser Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung, die aber den Anforderungen des § 108 Abs. 1 VwGO entsprechen muss, wohingegen für Vorgänge innerhalb des Gastlandes grundsätzlich der volle Nachweis auf Grund von Tatsachen zu fordern ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris).
Bei der Feststellung der für eine Verfolgung im Herkunftsland im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG sprechenden Umstände kommt dem Vorbringen des Schutzsuchenden deshalb besondere Bedeutung zu. Er ist auf Grund der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten gehalten, die in seine Sphäre fallenden tatsächlichen Umstände substantiiert und in sich stimmig zu schildern. Das Gericht muss sich die feste Überzeugung vom Wahrheitsgehalt des klägerischen Vorbringens verschaffen können (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris; U.v. 12.11.1985 – 9 C 27.85 – juris). Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Schutzsuchenden nur geglaubt werden, wenn diese Unstimmigkeiten überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris Rn. 18; U.v. 23.2.1988 – 9 C 32.87 – juris Rn. 9).
Hiervon ausgehend kann der Kläger nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG beanspruchen. Der Kläger konnte nicht glaubhaft machen, im Iran Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG ausgesetzt gewesen zu sein, womit ihm auch die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 RL nicht zu Gute kommt.
Der Einzelrichter konnte sich nicht die volle Überzeugung vom Wahrheitsgehalt der Schilderungen des Klägers zu den angeblichen, fluchtauslösenden Ereignissen im Iran verschaffen. Der Vortrag des Klägers, dass er sich im Iran mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt habe und sein Elternhaus zweimal gestürmt worden sei, ist nicht glaubhaft. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers ist teilweise widersprüchlich und enthielt Abweichungen zu den gegenüber dem Bundesamt gemachten Angaben.
Der Kläger machte bereits widersprüchliche Angaben dazu, wie sein Interesse am Christentum geweckt worden sei.
Der Kläger machte vor dem Bundesamt geltend, dass er einen Film über Jesus gesehen habe und dies sein Interesse am Christentum geweckt habe (Bl. 54 der elektronischen Behördenakte). Der anwaltliche Bevollmächtigte des Klägers konkretisierte den Vortrag mit Schriftsatz vom 20. Februar 2017 dahingehend, dass der Kläger den Film im Fernsehen gesehen habe (Bl. 29 der Gerichtsakte). Demgegenüber gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, dass er den Film über YouTube heruntergeladen habe (S. 3 VG-Niederschrift).
Nachdem der Kläger angab, dass sein Interesse an dem Christentum durch den Film geweckt worden sei, es somit der Zeitpunkt des Beginns für die Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben war, wäre zu erwarten gewesen, dass sich der Kläger hieran genau erinnert. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben glaubt das Gericht dem Kläger nicht, dass er sich im Iran mit dem Christentum auseinandergesetzt hat. Überdies war der Kläger trotz gerichtlicher Nachfrage nicht in der Lage nachvollziehbar darzustellen, warum der Film sein Interesse an dem christlichen Glauben geweckt haben soll. Vielmehr führte der Kläger nur ganz allgemein aus, dass er mehr Informationen habe wollte (S. 3 VG-Niederschrift).
Zudem machte der Kläger widersprüchliche Angaben, wie er sich im Iran über das Christentum informiert haben möchte.
Vor dem Bundesamt gab der Kläger an, dass er sich nur über das Internet und Freunde über den christlichen Glauben informiert habe (Bl. 55 der elektronischen Behördenakte). Demgegenüber trug er erstmals in der mündlichen Verhandlung vor, dass er sich auch mit einer geschenkten Bibel informiert habe (S. 3 VG-Niederschrift), wobei er offen ließ, woher er diese hatte.
Weiter gab der Kläger vor dem Bundesamt an, dass er christliche Kurse besucht habe (Bl. 54 der elektronischen Behördenakte). Dies hat auch der anwaltliche Bevollmächtigte des Klägers in einem Schriftsatz vom 28. Februar 2020 nochmals ausgeführt (Bl. 77 der Gerichtsakte). Demgegenüber bestritt der Kläger in der mündlichen Verhandlung Kurse besucht zu haben (S. 3 VG-Niederschrift). Der Kläger konnte dies auch auf gerichtlichen Vorhalt nicht nachvollziehbar erklären und merkte zunächst lediglich an, dass es sich um eine Verwechslung mit einem Kurs in Deutschland gehandelt haben könne, um danach erstmals zu rügen, dass auch falsch übersetzt worden sei (S. 4 VG-Niederschrift). Dem ist aber zu entgegnen, dass der Kläger gegen Unterschrift bestätigt hat, dass das rückübersetzte Protokoll seinen Angaben entspreche und es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe (Bl. 9 der elektronischen Behördenakte). Zudem wurde während des gesamten Asylverfahrens zu keinem Zeitpunkt gerügt, dass das Protokoll fehlerhaft gewesen sei.
Ferner steigerte er seinen Vortrag dahingehend, dass in einer Gruppe Gottesdienste abgehalten worden seien (S. 4 VG-Niederschrift). Demgegenüber führte er zuvor lediglich aus, dass er sich mit drei bis vier Freunden versammelt habe und mit ihnen über den Film sprach und auch diskutierte (S. 3 VG-Niederschrift).
Das Gericht glaubt dem Kläger zudem nicht, dass sein Elternhaus zweimal gestürmt worden sei. Der Kläger machte hierzu lediglich sehr kurze und abgehakte Ausführungen (Bl. 54 f. der elektronischen Behördenakte; S. 4 VG-Niederschrift), so dass das Gericht nicht den Eindruck hatte, dass der Kläger über tatsächlich erlebte Ereignisse berichtet.
Zudem sind auch die vom dem Kläger geschilderten Abläufe nicht glaubhaft. So gab er an, dass seine Nachbarn gesehen hätten, dass der Geheimdienst (Bl. 55 der elektronischen Behördenakte) bzw. die Polizei (S. 4 VG-Niederschrift) käme und daraufhin der Kläger von seinen Nachbarn gewarnt worden sei. Es ist bereits nicht nachvollziehbar, woher die Nachbarn gewusst haben sollen, dass die iranischen Behörden zu dem Kläger fahren wollten. Zudem erscheint es in zeitlicher Hinsicht als unwahrscheinlich, dass die Nachbarn die Behördenvertreter sahen und danach noch ausreichend Zeit hatten zu dem Haus des Klägers zu gehen und diesen persönlich zu warnen (S. 4 VG-Niederschrift), bis die Behördenvertreter selbst vor Ort waren.
Überdies machte der Kläger noch unterschiedliche Angaben zu der Person, die ihn verraten habe. Vor dem Bundesamt gab er an, dass der Geheimdienst von einer Person erfahren habe, dass der Kläger Christ sei. Die Person sei auf jeden Fall ein Moslem gewesen (Bl. 55 der elektronischen Behördenakte). Demgegenüber gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass ein Mitglied der Gruppe ihn verraten habe (S. 4 VG-Niederschrift). Neben diesem Widerspruch ist auch nicht nachvollziehbar, woher der Kläger diese Information erhalten haben möchte.
Gegen die Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrages sprechen auch die von ihm geschilderten zeitlichen Abläufe. Vor dem Bundesamt gab er an, dass sein Elternhaus, in dem er gelebt habe, im März 2014 gestürmt worden sei und er daher April 2014 gezwungen gewesen sei nach … zu gehen (Bl. 54 der elektronischen Behördenakte). Ausgereist sei der Kläger aber erst am 22. Oktober 2015 (Bl. 53 der elektronischen Behördenakte).
Bereits diese zeitlichen Abläufe lassen den Vortrag des Klägers als unglaubhaft erscheinen. Zunächst ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, warum der Kläger nicht bereits nach der ersten Stürmung des Elternhauses dieses verlassen hat. Zudem muss aufgrund des Umstandes, dass man innerhalb kurzer Zeit zweimal das Elternhaus des Klägers stürmte, um diesen zu verhaften, davon ausgegangen werden, dass die Behörden ein gesteigertes Interesse hatten den Kläger zu finden. Vor diesem Hintergrund erscheint es als unwahrscheinlich, dass der Kläger nach seiner Flucht aus … noch eineinhalb Jahre ohne Probleme in … leben konnte. Der Kläger war in der mündlichen Verhandlung außerstande dies für das Gericht nachvollziehbar zu erklären, da er zunächst lediglich angab, dass man ihn aufgrund der Entfernung von 500 km zwischen … und … nicht gefunden habe (S. 2 VG-Niederschrift). Auf weitere Frage des Gerichts führte der Kläger aus, dass der Geheimdienst einen bei Glaubensangelegenheiten nicht so schnell finde (S. 3 VG-Niederschrift), was für das Gericht nicht glaubhaft ist, da der Geheimdienst sehr wohl in der Lage ist, Personen im gesamten Iran zu finden und man im Falle des Klägers auch aufgrund seiner Behauptung, dass sein Elternhaus zweimal gestürmt worden sei, von einem gesteigerten Verfolgungsinteresse ausgehen musste.
Das Gericht geht aufgrund dieser erheblichen Widersprüche davon aus, dass der Vortrag des Klägers frei erfunden ist. Sein gesamtes Vorbringen zu den Ereignissen im Iran ist daher als unglaubhaft einzustufen. Das Gericht geht daher nicht davon aus dass sich der Kläger im Iran bereits mit dem Christentum auseinandergesetzt und Gottesdienste seiner Gruppe besucht hat. Vielmehr hat der Kläger Iran unverfolgt verlassen.
Der Kläger kann sich auch nicht auf einen beachtlichen Nachfluchtgrund berufen.
Das erkennende Gericht konnte nicht die volle Überzeugung gewinnen, dass der Kläger aus ernsthafter, fester Überzeugung im Bundesgebiet zum christlichen Glauben übergetreten ist und für ihn die Ausübung des christlichen Glaubens eine besondere, identitätsprägende und unverzichtbare Bedeutung hat (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris; B.v. 7.5.2013 – 14 ZB 13.30083 – juris; B.v. 29.4.2010 – 14 ZB 10.30043 – juris). Eine derartige feste innere Überzeugung lässt sich insbesondere nicht aus dem formalen Akt der am 27. November 2016 vollzogenen Taufe herleiten (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40/15 – juris; BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris; OVG NW, B.v. 27.4.2015 – 13 A 440/15.A – juris). Insoweit unterliegt es der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, auf welche Weise der Tatrichter versucht, sich die erforderliche Überzeugungsgewissheit vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsache der Wahrung der religiösen Identität des Asylbewerbers zu verschaffen (BayVGH, U.v. 14.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris Rn. 28). Bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit ist das Gericht insbesondere nicht an die Einschätzung des zuständigen Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden. Gleiches gilt für die Bewertung durch weitere Personen, die den Kläger innerhalb der Kirchengemeinde kennenlernten und die ihren persönlichen Eindruck über den Kläger darlegen.
Im Hinblick darauf, dass der Kläger zur Überzeugung des erkennenden Gerichts im Iran keinen Kontakt zum christlichen Glauben hatte, insbesondere auch keine christlichen Hauskirchen oder Gottesdienste besucht hat, und sein gesamtes Vorbringen unglaubhaft ist, sind seine religiösen Aktivitäten im Bundesgebiet kritisch zu würdigen (so auch BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris Rn. 58).
Es ist iranischen Asylbewerbern insbesondere durch Kontakte mit Landsleuten, die sich bereits als Asylbewerber im Bundesgebiet aufhalten, durchweg bekannt, dass eine Konversion zum Christentum die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zur Folge haben kann, weshalb sie ihr Verhalten danach ausrichten und in fast allen Asylverfahren iranischer Staatsangehöriger, über die die Kammer zu entscheiden hatte und noch hat, eine angebliche Konversion zum Christentum vorgetragen wird. So vermitteln andere iranische Asylbewerber, die bereits christliche Gemeinden besuchen, neu eingereisten Landsleuten entsprechende Kontakte. Das Gericht geht aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindrucks davon aus, dass dies auch bei dem Kläger der Fall ist.
Dem Kläger ist zuzugestehen, dass er sich aufgrund seines längeren Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland zwischenzeitlich Wissen über das Christentum und die Bibel aneignen konnte. So war er in der Lage entsprechende Fragen des Gerichtes weitestgehend zutreffend zu beantworten.
Es fiel jedoch auf, dass der Kläger weder in der Lage war den ihn taufenden Pfarrer namentlich zu benennen noch seinen Taufspruch wiederzugeben (S. 5 VG-Niederschrift). Gerade bei einem volljährigen Konvertiten, der sich bewusst und aus innerer Überzeugung heraus für einen neuen Glauben entscheidet, wäre zu erwarten gewesen, dass ihm die Umstände seiner Taufe, aufgrund deren Bedeutung für die Kirche und den Gläubigen, nachhaltig im Gedächtnis bleiben, weshalb schon dies massive Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Glaubenswechsels begründet.
Zudem verkennt das Gericht nicht, dass der Kläger den Gottesdienst besucht und in der Kirchengemeinde hilft sowie zumindest die letzten Wochen vor der mündlichen Verhandlung Veranstaltungen der Freien evangelischen Gemeinde … (nachfolgend: FeG) besuchte (Schreiben der FeG vom 3. März 2020).
Jedenfalls ist das Gericht aufgrund der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass sich der Kläger rein aus asyltaktischen Gründen in der Kirche engagiert. Für das Gericht wurde nicht glaubhaft dargelegt, dass dies auf einer inneren Überzeugung beruht.
Zu dieser Einschätzung gelangte das Gericht insbesondere aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Das Gericht hat den Eindruck gewonnen, dass der Kläger nicht aus einer inneren Überzeugung heraus dem christlichen Glauben beigetreten ist. Vielmehr wirkten seine Ausführungen sehr oberflächlich. Der Kläger konnte daher für das Gericht nicht nachvollziehbar darlegen, warum er nunmehr Christ sei.
So gab der Kläger auf die Frage nach christlichen Aktivitäten lediglich an, dass er die Gemeinde unterstütze und für Aufgaben zur Verfügung stehe (S. 6 VG-Niederschrift).
Nach der Bedeutung des christlichen Glaubens für sein tägliches Leben gefragt, gab er an, dass er dadurch viel Energie bekommen habe und nun viel Zuneigung geben könne. Er versuche ein sündenfreies Leben zu führen (S. 6 VG-Niederschrift).
Er führte auf die Frage, warum er zum christlichen Glauben konvertiert sei, lediglich aus, dass jeder ein Interesse an etwas Bestimmten habe. In Deutschland sei man frei und werde zu nichts gezwungen (S. 6 VG-Niederschrift). Dies erklärt jedoch nicht, warum der Kläger nunmehr Christ sein möchte. Er konnte keine individuellen Gründe angeben, die einen Konversionswunsch nachvollziehbar gemacht hätten.
Trotz der unstrittigen Beteiligung des Klägers an dem kirchlichen Gemeindeleben konnte das Gericht nicht von einer persönlichkeitsprägenden Verinnerlichung christlicher Inhalte und Werte überzeugt werden. Eine spontane Hinwendung zum Christentum ohne konkreten Anlass im persönlichen Umfeld, z.B. in Form eines einschneidenden Erlebnisses bzw. selbstkritischer Reflexion, erscheint nicht überzeugend.
Zusammenfassend ist das Gericht deshalb zu der Einschätzung gelangt, dass der behauptete Glaubenswechsel des Klägers nur zweckgerichtet erfolgt ist und sich nicht in identitätsprägender Weise manifestiert hat. Der Kläger hat wohl im zeitlichen Zusammenhang mit der Stellung seines Asylantrags erkannt, dass eine Konversion zum Christentum sich als erfolgversprechende Möglichkeit darstellt, den begehrten Flüchtlingsstatus zu erhalten. Um glaubhaft darstellen zu können, aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert zu sein, hat sich der Kläger dann auch mit den christlichen Glaubensgrundsätzen beschäftigt und sich in der Kirchengemeinde engagiert und eingebracht. Dies ändert jedoch nichts an der Einschätzung, dass das Handeln des Klägers asyltaktisch motiviert ist.
Mangels identitätsprägender Hinwendung zum christlichen Glauben ist auch nicht zu erwarten, dass sich der Kläger im Iran anderen gegenüber als Christ bezeichnen, christliche Veranstaltungen (im häuslichen oder außerhäuslichen – kirchlichen – Bereich) besuchen oder gar missionieren werde.
Allein durch die behauptete Konversion zum Christentum hat der Kläger bei einer Rückkehr in den Iran keine Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten. Den iranischen Sicherheitsbehörden ist bekannt, dass Asylbewerber aus dem Iran überwiegend aus anderen als politischen Gründen versuchen, in Deutschland einen dauernden Aufenthalt zu erreichen, hierzu Asylverfahren betreiben und häufig eine Konversion zum Christentum behaupten (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris).
Bei der Rückkehr in den Iran kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen, insbesondere zu Kontakten während dieser Zeit. Die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Keiner westlichen Botschaft ist aber bislang ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren oder im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Es gibt derzeit auch keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis (vgl. OVG NW, B.v. 10.2.2017 – 13 A 293/17.A – juris; VGH BW, U.v. 15.4.2015 – A 3 S 1459/13 – juris; SächsOVG, U.v. 14.1.2014 – A 2 A 911/11 – juris; BayVGH, B.v. 9.7.2018 – 14 ZB 17.30670 – juris; BayVGH, B.v. 25.2.2013 – 14 ZB 13.30023 – juris).
Dem Kläger steht unter diesen Umständen auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG bzw. auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu.
Auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid wird Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Rechtsgrundlage der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG.
Auch die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Auch insoweit wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

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