Aktenzeichen M 8 S 16.50324
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1a, § 34a
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3
GRCh GRCh Art. 4
Leitsatz
Es bestehen keine systemischen Mängel im schweizerischen Asylverfahren oder den dortigen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung iSv Art. 4 GRCh mit sich bringen (ebenso VG Hannover BeckRS 2016, 52215). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtschutz gegen die im Bescheid vom 1. April 2016 angeordnete Abschiebung in die Schweiz im Rahmen eines so genannten „Dublin-Verfahrens“.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger Eritreas und wurde am … Januar 1997 in … geboren. Er reiste nach seinen eigenen Angaben am 4. Dezember 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 12. Januar 2016 einen Asylantrag.
Eine EURODAC-Recherche durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ergab am 13. Januar 2016 einen Treffer der ersten Kategorie für die Schweiz, EURODAC-Nr. CH1…
Mit Schreiben vom 23. Februar 2016 wurde der Antragsteller vom Bundesamt zu einem persönlichen Gespräch gemäß Art. 5 Dublin-III-VO zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens eingeladen.
Am 25. Februar 2016 wurde vom Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch an die Schweiz gerichtet. Mit Schreiben vom 7. März 2016 hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) mitgeteilt, dass es die Verantwortung für den Antragsteller gemäß Art. 18 Abs. 1d Dublin-III-VO akzeptiert.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 1. April 2016, dem Antragsteller mit Postzustellungsurkunde am 8. April 2016 zugestellt, wurde in Ziff. 1 der Antrag als unzulässig abgelehnt und Ziff. 2 die Abschiebung in die Schweiz angeordnet sowie in Ziff. 3 das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 9 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. In den Bescheidsgründen wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylG unzulässig, da die Schweiz aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1d Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Dublin-III-VO dürfe auf das persönliche Gespräch verzichtet werden, wenn der Antragsteller flüchtig sei bzw. dem Antragsteller Gelegenheit gegeben worden sei, alle weiteren sachdienlichen Informationen vorzulegen, die für die ordnungsgemäße Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates von Bedeutung seien, bevor eine Entscheidung über die Überstellung des Antragstellers in den nach Art. 26 Abs. 1 Dublin-III-VO zuständigen Mitgliedsstaat ergehe. Diese Gelegenheit zum persönlichen Gespräch sei dem Antragsteller am 17. März 2016 gegeben worden; er sei jedoch der Einladung nicht gefolgt bzw. ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen. Somit sei nach Aktenlage unter Berücksichtigung der Nichtmitwirkung zu entscheiden gewesen.
Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung in die Schweiz als zuständigen Mitgliedsstaat innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmeersuchens oder der endgültigen negativen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung – wenn diese aufschiebende Wirkung habe – durchzuführen (Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO).
Die Anordnung der Abschiebung in die Schweiz beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG.
Mit Schreiben vom 14. April 2016, am 15. April 2016 beim Verwaltungsgericht Berlin eingegangen, beantragte der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung seiner am 14. April 2016 erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. April 2016 (…) anzuordnen.
Mit Schreiben vom 25. April 2016 führte der Antragsteller aus, er habe in seinem in der Schweiz begonnenen Asylverfahren aus Unwissenheit und Furcht wichtige Angaben zu seinem Asylgrund nicht getätigt. Er sei in Eritrea als Minderjähriger zum Militärdienst einberufen worden und habe sich geweigert, dieser Einberufung Folge zu leisten. Daraufhin sei er trotz seiner Minderjährigkeit 4 Monate inhaftiert worden. Aufgrund seiner anschließend nachgewiesenen Minderjährigkeit sei er nach 4 Monaten entlassen worden. Da ihm eine erneute Einberufung zum Militär gedroht habe, habe er sich im Januar 2014 auf die Flucht begeben, die ihn über den Sudan, Libyen und Italien in die Schweiz geführt habe. Da diese asylrelevanten Begebenheiten nicht zur Sprache gekommen seien und das Verfahren in der Schweiz seinerseits abgebrochen worden sei, fürchte er im Falle seine Rückführung in die Schweiz keine faire Bewertung seiner Asylgründe zu erhalten und schlimmstenfalls in sein Herkunftsland Eritrea abgeschoben zu werden. Daher beantrage er, dass Deutschland im Rahmen eines Selbsteintritts in das Verfahren eine faire Würdigung seiner Asylgründe vornehme. Mit weiterem Schreiben vom 4. Mai 2016 führte der Antragsteller aus, er sei Anfang 2016 aus der Schweiz kommend in Bayern eingereist, worauf sich der Zuweisungsbescheid der Regierung … vom 5. Januar 2016 beziehe. Allerdings sei er hier nur wenige Tage verblieben und habe sich anschließend hilfesuchend zu seinen Verwandten nach … begeben. Von dort aus sei er in die Verteilung nach Berlin gekommen, wo er am 12. Januar 2016 erstmalig einen Asylantrag gestellt habe.
Mit Beschluss vom 18. Mai 2016 im Verfahren VG 34 L 97.16 A und Beschluss vom 19. Mai 2016 im Verfahren VG 34 K 96.16 A hat das Verwaltungsgericht Berlin sowohl das Eil- als auch das Klageverfahren in der Hauptsache an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht München verwiesen. Anlass war ein Bescheid der Regierung … vom 5. Januar 2016, mit dem der Antragsteller mit Wirkung ab dem 8. Januar 2016 dem Landkreis … zugewiesen worden war, so dass gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO das Verwaltungsgericht München für die Verfahren nach dem Asylgesetz örtlich zuständig war.
Mit Schreiben vom 25. April 2016 beantragte die Antragsgegnerin,
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Mit Schreiben vom 9. Juni 2016 wurden durch das Bundesamt die Asylakten vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegten Behördenakten des Bundesamtes Bezug genommen.
II.
Der gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage ist unbegründet, da die Hauptsacheklage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
1. Entfaltet ein Rechtsbehelf – wie hier – von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regemäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
2. Gemessen an diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, da diese voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) davon auszugehen, dass sich der angefochtene Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen wird und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt. Die Ablehnung des Asylantrages als „unzulässig“ erfolgte voraussichtlich zurecht auf der Grundlage des § 27a AsylG bzw. nunmehr § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG (AsylG i. d. F. der Bekanntmachung v. 2.9.2008, BGBl. I S. 1798, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes v. 31.7.2016, BGBl. I S. 1939). Die Abschiebungsanordnung auf der Grundlage des § 34a AsylG ist voraussichtlich ebenso rechtmäßig wie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 9 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
3. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der VO (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1b AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Letzteres ist hier der Fall, da aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen zwischen der Europäischen Union und der Schweiz vom 26. Oktober 2004 die Regelungen der Dublin-III-VO auch bei Asylbewerbern anzuwenden sind, die zuvor in der Schweiz Schutz gesucht haben.
3.1 Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Dublin-III-VO. Die Zuständigkeitskriterien der Dublin-III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge nach dem 1. Januar 2014 Anwendung.
Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von einem Mitgliedsstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kap. III der Dublin-III-VO als zuständiger Mitgliedsstaat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist die Schweiz für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO ist derjenige Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Ausgehend vom Vortrag des Antragstellers und nach dem EURODAC-Treffer hat der Antragsteller in der Schweiz einen Asylantrag gestellt. Der Umstand der Asylantragstellung wird durch den für den Antragsteller erzielten EURODAC-Treffer mit der Kennzeichnung „CH1“. Die Ziff. „1“ steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 VO (EU) Nr. 603/2013 v. 26.6.2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über die Einrichtung von EURODAC für den Abgleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung der VO (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrag auf international Schutz zuständig ist und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedsstaaten und EUROPOLs auf den Abgleich mit EURODAC-Daten sowie zur Änderung der VO (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Neufassung – EURODAC-VO)).
3.2 Die Zuständigkeit der Schweiz ist auch nicht aus verfahrensbezogenen Gründen auf die Antragsgegnerin übergegangen. Insbesondere wurde das Gesuch um Aufnahme des Antragstellers am 25. Februar 2016 und damit innerhalb von 3 Monaten nach der Antragstellung an die Schweiz gerichtet (Art. 21 Abs. 1 UABS. 1 Dublin-III-VO). Auch auf der Grundlage von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO ergibt sich keine Zuständigkeit der Antragsgegnerin. Die dort geregelte 6-monatige Überstellungsfrist beginnt erst mit der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder einer Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat.
3.3 Es liegen keine Gründe vor, die trotz der Zuständigkeit der Schweizer Eidgenossenschaft eine Verpflichtung der Antragsgegnerin begründen könnten, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin-III-VO Gebrauch zu machen oder die es ausschließen würden, den Antragsteller in die Schweiz abzuschieben.
3.4 Die Antragsgegnerin ist nicht nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO gehindert, den Antragsteller in die Schweiz zu überstellen.
Zwar darf ein Asylbewerber dann nicht an den nach der Dublin-III-VO zuständigen Staat überstellt werden, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Staat aufgrund systemischer Mängel regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19.3.2014 – 10 B 6/14 – juris). Es gibt indes keine wesentlichen Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Antragsteller in der Schweiz systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich bringen (vgl. VG Hannover, B. v. 26.9.2016 – 13 B 5311/16 – juris Rn. 21).
Das gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris Tz. 78). Dem gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaatgemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Abl. C 83/389 v. 30. März 2010, des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v. 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S.559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S.685 in der Fassung der Bekanntmachung v. 20. Oktober 2010 (BGBl. II S.1198) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention – GFK – und der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – zukommt (EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O. – juris Tz. 80).
Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93, BVerfGE 94, 49 – juris Rn. 181 ff.) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 5 f. m. w. N.). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten – nicht rein quantitativen – Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegensprechenden Tatsachen zukommen, d. h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U. v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
In Bezug auf Schweiz ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass in der Schweiz systemische Mängel des Asylverfahrens vorhanden sind, die einen Vollzug des Dublin-Verfahrens im Fall des Antragstellers hindern könnten. Für die Annahme, die Schweiz erfülle nicht die EU-Kernanforderungen im Flüchtlingsrecht nach der Dublin-VO, bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte (so auch VG Hannover, B. v. 26.9.2016 – 13 B 5311/16 – juris Rn. 23; VG München, U. v. 25.5.2016 – M 17 K 14.30166 – juris Rn. 35 – jeweils m. w. N.).
Die Schweiz ist zudem als sicherer Drittstaat nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG. Nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG kann sich ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist, nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen und wird er nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht als Asylberechtigter anerkannt.. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs- und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93, BVerfGE 94, 49 – juris Rn. 189). Dies ist – bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat – etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93, BVerfGE 94, 49 – juris Rn. 190). Nach dem Vortrag des Antragstellers muss es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängen, dass er von einem der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. Die Sonderfälle in diesem Sinn entsprechen inhaltlich den systemischen Mängeln, die zu einer Gefahr für unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylsuchenden führen, im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Solche Sonderfälle liegen, wie oben dargestellt, im Falle der Schweiz nicht vor.
4. Die Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung in die Schweiz findet sich in § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt in Fällen, in denen der Ausländer in einen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
An der rechtlichen und tatsächlichen Durchführbarkeit der Abschiebung des Antragstellers in die Schweiz bestehen keine Bedenken. Die Schweizer Behörden haben der Rückführung des Antragstellers ausdrücklich zugestimmt. Ein der Abschiebung in die Schweiz entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34 Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der Antragsgegnerin auch noch nach dem Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 11 f.; OVG NRW, B. v. 30.8.2011 – 18 B 1060/11 – juris Rn. 4), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
5. Auch die erfolgte Befristung des Einreiseverbotes auf 9 Monate nach § 11 AufenthG begegnet keinen Bedenken und wird in der Hauptsache voraussichtlich Bestand haben.
Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot). Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG mit der Ausreise beginnt. Gem. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist über die Länge der Frist nach Ermessen zu entscheiden. Sie darf gem. § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Anhaltspunkte dafür, dass die neunmonatige Frist gegen die vorstehenden Vorgaben verstößt, bestehen nicht.
6. Nach alledem war der Eilantrag daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).