Aktenzeichen B 3 S 17.50506
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Art. 23 Abs. 2, Art. 25 Abs. 2
Leitsatz
1 Ein an sich unzuständiger Staat ist auch dann verpflichtet, einen Asylantragsteller aufzunehmen, wenn er die an sich rechtmäßige Ablehnung des Aufnahmegesuchs nicht oder nicht fristgerecht erklärt hat. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Weder die auf den anhaltenden Zustrom von Flüchtlingen zurückzuführende lange Dauer der Asylverfahren in Italien noch die im Bereich der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern weiterhin feststellbaren Mängel und Defizite begründen Anhaltspunkte für die Annahme systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 10.04.2017 wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die angeordnete Überstellung nach Italien im Rahmen eines sogenannten „Dublin-Verfahrens“.
Der Antragsteller, syrischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 10.10.2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 17.10.2016 einen Asylantrag.
Bei der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 17.10.2016 in Bamberg, erklärte der Antragsteller, er habe im Jahr 2012 sein Herkunftsland erstmalig verlassen. Er sei von Syrien aus mit dem Flugzeug nach Ägypten gereist. Von dort weiter mit dem Auto nach Libyen. In Libyen habe er sich ungefähr vier Jahre aufgehalten. Nach dem Aufenthalt in Libyen sei er mit einem Boot nach Lampedusa gefahren. Auf Lampedusa habe er sich ca. eine Woche aufgehalten. Dort seien ihm auch Fingerabdrücke abgenommen worden. Anschließend sei er von Italien über Österreich, Deutschland und Dänemark nach Schweden gereist. In Schweden habe er sich neun Monate aufgehalten und dort einen Asylantrag gestellt. Anschließend sei er mit dem Zug über Dänemark am 10.10.2016 in Deutschland eingereist.
Die EURODAC-Abfrage am 12.10.2016 ergab einen Treffer der „Kategorie 2“ ( …) aufgrund einer erkennungsdienstlichen Behandlung des Antragstellers am 01.12.2015 in Italien (Lampedusa) sowie einen Treffer der „Kategorie 1“ ( …) aufgrund der Asylantragstellung am 20.12.2015 in Schweden.
Am 05.12.2016 richtete die Antragsgegnerin ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-VO an Italien, auf das innerhalb der festgesetzten Frist (zwei Monate nach Erhalt des Gesuchs bei einem EURODAC-Treffer der Kategorie 2 nach der Dublin-III-VO) keine Antwort einging.
Mit Bescheid vom 03.04.2017 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Ziff. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2). Es wurde die Abschiebung nach Italien angeordnet (Ziff. 3) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 4).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Unzulässigkeit des Antrags ergebe sich aus § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, da Italien aufgrund des illegalen Grenzübertrittes nach Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheides – die sich vor allem mit dem Nichtvorliegen systemischer Mängel in Italien sowie mit fehlenden Abschiebungsverboten auseinandersetzt – verwiesen.
Am 10.04.2017 erhob der Antragsteller zur Niederschrift der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts Bayreuth in Bamberg Klage gegen den Bescheid vom 03.04.2017 und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, er habe in Italien keinen Asylantrag gestellt. Dort seien lediglich Fingerabdrücke genommen worden. Da er nur in Deutschland eine Lebensperspektive sehe, wünsche er ein Asylverfahren in Deutschland. Im Übrigen verwies der Antragsteller auf die Anhörung beim Bundesamt.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 20.04.2017,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezog sich die Antragsgegnerin auf die angefochtene Entscheidung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte des Klageverfahrens (B 3 K 17.50507) und die Gerichtsakte dieses Verfahrens verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
II.
Der Antragsteller begehrt – nach entsprechender Auslegung gemäß §§ 122, 88 VwGO – die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren B 3 K 17.50507 gegen die im Bescheid des Bundesamts vom 03.04.2017 enthaltene Abschiebungsanordnung (Ziff. 3) anzuordnen.
Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage – im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG – ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht in der Regel kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG München, B.v. 18.7.2016 – M 12 S. 16.50473 – juris). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessensabwägung.
Vorliegend stellt sich die angegriffene Abschiebungsanordnung unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung zurückzutreten hat.
Nach § 34a Abs. 1 AsylG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einem für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Zuständigkeit des anderen Staates gegeben ist und feststeht, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht aus andren Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier – wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt – im Hinblick auf die beabsichtigte Überstellung nach Italien vor.
1. Der Asylantrag ist gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in Deutschland unzulässig, da Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
a) Vorliegend ist der Antragsteller aus einem Drittstaat (Libyen) mit dem Boot illegal nach Italien (Lampedusa) eingereist und wurde dort am 01.12.2015 erkennungsdienstlich behandelt. Dies ergibt sich aus dem EURODAC-Treffer der „Kategorie 2“. Damit war Italien zunächst nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Die so begründete Zuständigkeit endete jedoch gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO 12 Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts (vgl. OVG Münster, U.v. 22.9.2016 – 13 A 2448/15.A – juris)
Die Antragsgegnerin ersuchte trotzdem am 05.12.2016 – zumindest formal rechtmäßig (vgl. Art. 21 Abs. 1 u. 3 Dublin-III-VO) – Italien um Aufnahme des Antragstellers. Da Italien das gestellte Übernahmeersuchen innerhalb der festgesetzten Frist (zwei Monate nach Erhalt des Gesuchs bei einem EURODAC-Treffer der „Kategorie 2“ gem. Art. 21 Abs. 1 UAbs. 2 Dublin-III-VO) nicht beantwortet hat, gilt das Übernahmeersuchen gem. Art. 22 Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 Dublin-III-VO als angenommen und akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person aufzunehmen. Das gilt auch dann, wenn ein an sich unzuständiger Staat nur dadurch zuständig wird, dass er die an sich rechtmäßige Ablehnung des Aufnahmegesuchs nicht rechtzeitig erklärt hat (VG Hannover, B.v. 16.2.2015 – 10 B 403/15 – juris; VG Regensburg, B.v. 21.5.2015 – RN 5 S. 15.50363).
b) Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht durch Ablauf der Überstellungsfrist wieder entfallen. Die Überstellungsfrist beträgt nach Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO sechs Monate ab dem Tag der Annahme des Auf- oder Wiederaufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedsstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Vorliegend ist die Zustimmungsfiktion Italiens im Februar 2017 eingetreten, so dass gegenwärtig die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
2. Die Abschiebung nach Italien ist auch nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich.
a) Insbesondere liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO begründen oder möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO sprechen.
aa) Systemische Mängel des italienischen Asylverfahrens liegen nach Auffassung des Gerichts nicht vor.
Nach dem vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten „Konzept der normativen Vergewisserung“ ist davon auszugehen, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK – sichergestellt ist (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris). Dieses vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Konzept steht im Einklang mit dem der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems zugrundeliegenden Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – Rs. C-411/10 – und – C-493/10 – juris). Unter diesen Bedingungen muss die nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung gelten, dass die Behandlung eines Asylbewerbers bzw. als schutzberechtigt anerkannten Ausländers in jedem einzelnen dieser Staaten im Einklang mit den genannten Rechten steht.
Hiervon kann nur dann nicht ausgegangen werden, wenn sich auf Grund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem Konzept der normativen Vergewisserung bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht aufgefangen wird (vgl. EuGH, U.v. 10.12.2013 – Rs. C-394/12 – juris, BVerfG, U.v. 14.5.1996 a.a.O.). Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Personen implizieren (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrdRCh bzw. Art. 3 EMRK droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris, m.w.N., B.v. 6.6.2014 – 10 B 35/14 – juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten – nicht rein quantitativen – Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegensprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
Dies zugrunde gelegt, ist in Bezug auf Italien nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller bei einer Überstellung dorthin eine menschenunwürdige Behandlung im vorgenannten Sinne droht (so auch VG München, B.v. 11.1.2017 – M 8 S. 16.51193 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 18.1.2017 – 12 L 3754/16.A – juris; VG Hamburg, B.v. 8.2.2017 – 9 AE 5887/16 – juris). Es ist nicht hinreichend ersichtlich, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen vorliegen. Das Gericht schließt sich insoweit der Bewertung des umfangreichen aktuellen Erkenntnismaterials durch verschiedene Obergerichte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an (s. hierzu statt vieler aktuell OVG NW, U.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris, m.w.N., U.v. 7.7.2016 – 13 A 2302/15.A – juris). Es mag zwar immer wieder vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrags in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil auch obdachlos sind. Dies und auch die zum Teil lange Dauer der Asylverfahren sind darauf zurückzuführen, dass das italienische Asylsystem aufgrund der momentan hohen Asylbewerberzahlen stark ausgelastet und an der Kapazitätsgrenze ist. Die im Bereich der Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber weiterhin feststellbaren Mängel und Defizite sind aber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen „Dublin-Rückkehrer“ nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGrdRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad nahelegt. (vgl. OVG NRW, U.v. 18.7.2016 a.a.O). Es ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, völker- und unionsrechtskonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. In Italien bestehen ausdifferenzierte Strukturen zur Aufnahme von Asylbewerbern, auch speziell für „Dublin-Rückkehrer“. Diese befinden sich in staatlicher, in kommunaler, kirchlicher oder privater Trägerschaft und werden zum Teil zentral koordiniert (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 – juris, m.w.N.). Das italienische Recht gewährt den Asylsuchenden ab dem Zeitpunkt des Asylantrags Zugang zu Unterbringungsmöglichkeiten. In der Praxis wird zwar der Zugang zu den Aufnahmezentren häufig erst von der formellen Registrierung des Asylantrags abhängig gemacht, so dass hierdurch eine Zeitspanne ohne Unterbringung entstehen kann. Die Behörden sind jedoch darum bemüht, diese zu verringern (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 a.a.O.). Auch „Dublin-Rückkehrer“ haben bei ihrer Ankunft in Italien nach Kapazität sofort Zugang zu bestimmten Unterkünften. Es ist auch gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr ihr ursprüngliches Asylverfahren weiterbetreiben bzw. – wenn sie das noch nicht getan haben – einen Asylantrag oder – falls das Asylverfahren in Italien mit negativem Ergebnis bereits abgeschlossen sein sollte – einen Folgeantrag stellen können (s. OVG NRW, U.v. 19.5.2016 – 13 A 516/14.A – juris).
Darüber hinaus spielt eine möglicherweise vorhandene oder zu erwartende Entscheidung seitens des Abschiebungszielstaates über den Asylantrag im Rahmen der Bestimmung des für die Entscheidung über den Asylantrag zuständigen Zielstaates keine Rolle. Wie Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO ausdrücklich regelt, ist grundsätzlich nur ein Mitgliedstaat für die Entscheidung über den Asylantrag zuständig. Die Regelungen der Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 17 Dublin III-VO sorgen nicht dafür, dass inzident bei der Frage des zuständigen Mitgliedstaates geprüft werden müsste, wie der zuständige Zielstaat entschieden hat oder entscheiden würde und ob diese Entscheidung den eigenen nationalen Voraussetzungen entsprechen würde, sodass quasi in eine hypothetische materielle Prüfung einzusteigen wäre (VG Bayreuth, B.v. 3.3.2017 – B 5 S. 17.50112 – juris).
bb) Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen könnten, sind nicht ersichtlich. Eine Pflicht zum Selbsteintritt gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO nach erfolgter Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats kommt nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht und ist selbst nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht zwingend anzunehmen (vgl. EuGH, U.v. 14.11.2013 – C-4/11 – juris).
Insbesondere führt der Vortrag des Antragstellers, er habe sich in Italien nicht sicher gefühlt und sehe nur in Deutschland eine Lebensperspektive, nicht zur Verpflichtung der Antragsgegnerin ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben.
b) Es sind auch keine Anhaltspunkte für innerstaatliche oder zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote ersichtlich.
Insbesondere steht der Gesundheitszustand des Antragstellers einer Überstellung nach Italien nicht entgegen. Dem Antragsteller droht in Italien keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vor. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Der Antragsteller trug bei seiner Anhörung vor, er habe aufgrund eines Unfalls im Jahr 2009 sechs Schrauben und eine Platte im Bein. Darüber hinaus sei er am 19.12.2016 wegen eines Leistenbruchs in Bamberg operiert worden. Bezüglich der vorgetragenen Erkrankungen sei er aktuell auf Medikamente angewiesen. Bei Kälte habe er aber noch Probleme mit dem Bein, die behandelt werden müssen.
Bei den geschilderten Krankheitsbildern handelt es sich schon nicht ansatzweise um eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die einer Abschiebung nach Italien entgegenstehen würde. Im Übrigen weist die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid zutreffend daraufhin, dass die Probleme in Italien hinreichend behandelt werden können, so dass von einer wesentlichen Verschlechterung durch die Abschiebung keine Rede sein kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.