Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines äthiopischen Staatsangehörigen oromischer Volkszugehörigkeit – fehlerhafte Befristung des Eineise- und Aufenthaltsverbots

Aktenzeichen  AN 9 K 17.31620

Datum:
7.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14721
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, Abs. 4, § 4 Abs. 1, § 28 Abs. 1a
AufenthG § 11 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3, Art. 8 Abs. 1
VwVfG § 46

 

Leitsatz

1. Im Regelfall droht einfachen Mitgliedern einer exilpolitischen Organisation derzeit bei einer Rückkehr nach Äthiopien aufgrund der Neuausrichtung der Politik der äthiopischen Regierung gegenüber der Opposition keine erhebliche Verfolgungsgefahr (Rn. 33). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens von Ermessensfehlern ist eine materielle, weshalb weiterhin die Unbeachtlichkeitsvorschrift des § 46 VwVfG in diesen Fällen keine Anwendung findet (Rn. 56). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 6. März 2017 wird in Ziffer 6 aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur hinsichtlich Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheids vom 6. März 2017 begründet.
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (vgl. Ziff. 1.) noch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Ziff. 3.). Ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 – 7 AufenthG (vgl. Ziff. 4.) steht dem Kläger nicht zu, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Auch die Anordnung in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids ist rechtmäßig.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 3 Abs. 1 AsylG.
1.1 Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, sofern nicht die in dieser Bestimmung angeführten – hier nicht einschlägigen – besonderen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 8 AufenthG erfüllt sind. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. BGBL Jahr 1953 II Seite 559, BGBL Jahr 1953 II 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9 – RL 2011/95/EU) umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 11). Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind unter anderem gemäß § 3c Nr. 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden, § 3b Abs. 2 AsylG.
1.2 Die Furcht vor Verfolgung ist nach § 3 Abs. 1 AsylG dann begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller Vorverfolgung erlitten hat. Dieser im Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 14). Vorverfolgte bzw. geschädigte Asylantragsteller werden durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 15; EuGH, U.v. 2.3.2010 – C-175/08 – juris Rn. 94). Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 23).
Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Asylsuchenden Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann, weil nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 14; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33.07 – juris Rn. 37).
1.3 Nach diesen Maßstäben ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.
1.4 Der Kläger hat keine Vorverfolgung glaubhaft gemacht.
Angesichts des im Flüchtlingsrechts typischen Beweisnotstands kann bereits der Tatsachenvortrag des Klägers zum Klageerfolg führen, sofern seine Angaben insofern glaubhaft sind, dass das Gericht von deren Wahrheit überzeugt ist (BVerwG, U.v. 30.4.1985, 1 C 33/81). Aufgrund der ihm obliegenden Darlegungs- und Mitwirkungslast (vgl. § 86 Abs. 1 Hs. 2 VwGO, § 15 AsylG) ist es insoweit primär Sache des Klägers, die Gründe für eine drohende Verfolgung vorzutragen bzw. glaubhaft zu machen. Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen einen stimmigen, schlüssigen Sachverhalt schildern, der geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 22.3.1983, 9 C 68.81). Es fehlt in der Regel an der erforderlichen Glaubhaftmachung, wenn im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht werden, das Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, die Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnisse entsprechender, vergleichbarer Geschehensabläufe als unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn das Vorbringen im Laufe des Verfahrens ohne plausiblen Grund gesteigert wird (OVG NRW, U.v. 12.3.2003, 8 A 3189/01.A).
Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht, auch nicht im Hinblick auf seine Angaben in der mündlichen Verhandlung, in deren Rahmen der Kläger die Möglichkeit hatte, sich zu den von der Beklagten angeführten Gründen, aufgrund der die Beklagte von fehlender Glaubhaftmachung ausging, zu äußern.
Das Gericht geht insbesondere, wie im streitgegenständlichen Bescheid überzeugend ausgeführt wird – auf die Begründung wird insoweit nach § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen -, davon aus, dass die Angaben zum Kerngeschehen des Flucht- und Verfolgungsschicksals, zur der Flucht unmittelbar vorausgehenden Festnahme widersprüchlich und damit unglaubhaft sind und die Glaubhaftigkeit des Sachvortrags insgesamt erschüttern, da nicht nachvollzogen werden kann, warum der Kläger freigelassen wurde, obwohl er sich geweigert haben soll, in der Haft die Namen der Mitglieder der OLF aufzuschreiben, für die seine 2012 getöteten Eltern gearbeitet hätten. Diesen Widerspruch hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumt, er hat zu diesem Gesichtspunkt in der Sache keine Angaben gemacht. Der Kläger konnte auch nicht plausibel erklären, warum er nach dieser Festnahme zunächst nach Hause zurückgegangen ist, obwohl sie angekündigt hätten, ihn dort kurz nach der Freilassung wegen der Namensliste aufzusuchen.
1.5 Zudem geht die Kammer nach Auswertung der aktuellen, in das Verfahren einbezogenen Erkenntnismittel davon aus, dass aufgrund des grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien – derzeit, im Regelfall – aufgrund behaupteter früherer Unterstützung der Opposition bzw. behaupteter früherer Konflikte mit der Regierung in Äthiopien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit mehr droht (s. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31645; U.v. 13.2.2019 – 8 B 18.30261; U.v. 13.2.2019 – 8 B 18.30257; U.v. 12.3.2019 – 8 B 18.30252; U.v. 12.3.2019 – 8 B 18.30274 sowie die jeweils verfahrensgegenständlichen, auch in dieses Verfahren einbezogenen Erkenntnismittel).
1.6 Der Kläger hat auch erhebliche Nachfluchtgründe (§ 28 Abs. 1a AsylG) nicht glaubhaft gemacht, insbesondere nicht im Hinblick auf die vorgetragene exilpolitische Tätigkeit für die TBOJ bzw. die vorgetragene Mitgliedschaft in der TBOJ. Im Regelfall droht einfachen Mitgliedern einer exilpolitischen Organisation derzeit aufgrund der Neuausrichtung der Politik der äthiopischen Regierung gegenüber der Opposition bei Rückkehr keine erhebliche Verfolgungsgefahr (s. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31645; U.v. 13.2.2019 – 8 B 18.30261; U.v. 13.2.2019 – 8 B 18.30257; U.v. 12.3.2019 – 8 B 18.30252; U.v. 12.3.2019 – 8 B 18.30274 sowie die jeweils verfahrensgegenständlichen, auch in dieses Verfahren einbezogenen Erkenntnismittel, insbesondere die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2019, Gz. 508-516.80/50673).
Auch der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes geht, ungeachtet weiterhin bestehender nachrichtendienstlicher Überwachung exilpolitischer Tätigkeiten im Ausland und ungeachtet Nichtvorliegens von Erkenntnissen über weiteren Missbrauch des sog. Anti-Terror-Gesetzes nicht (mehr) von staatlichen Repressionen für Rückkehrer, bei denen eine einfache Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland vorliegt, aus (Lagebericht vom 8. April 2019, Gz. 508-516.80/3; die Frage des Drohens von möglichen Repressionen für Rückkehrer offen gelassen noch im Lagebericht vom 22. März 2018, Gz. 508-516.80/3).
Die klägerseits insoweit angebrachten Zweifel, insbesondere hinsichtlich der Befriedung des Konflikts mit der OLF und hinsichtlich der Behandlung von Rückkehrern sind vorliegend bereits deswegen nicht erheblich, da ein exilpolitisches Engagement seitens des Klägers nicht glaubhaft gemacht wurde. Der diesbezügliche Vortrag erschöpft sich in der bloßen, erstmals im Gerichtsverfahren getätigten Angabe, exilpolitisch engagiert zu sein und Mitglied der TBOJ zu sein. Weiterer Vortrag erfolgte auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht. Diese unsubstantiierten und unbelegten Angaben sind auch im Vergleich zu anderen Fällen exilpolitischen Engagements in keiner Weise ausreichend. Ungeachtet dessen wäre das exilpolitische Engagement des Klägers als derart niederschwellig einzuordnen, dass daraus nach Überzeugung der Kammer bei Rückkehr keine Verfolgungsgefahr mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit bestünde. Denn nach übereinstimmender Auskunftslage hängt, selbst wenn man angesichts der vorstehenden Ausführungen nicht von einem Entfallen der Verfolgungsgefahr hinsichtlich exilpolitisch tätiger Personen (im Regelfall, für einfache Mitglieder) ausginge, das Interesse der äthiopischen Behörden von der Art der konkreten exilpolitischen Aktivität und dem Verhalten bei Rückkehr ab (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8. April 2019, vom 17. Oktober 2018, vom 22. März 2018, jeweils Gz. 508-516.80/3; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14. Juni 2018, Gz. 508-516.80/50673; German Institute of Global and Area Studies, Bericht vom 19. Mai 2018; die Rechtsprechung nahm insoweit bislang regelmäßig (nur) eine Verfolgungsgefahr für Personen mit exponiertem exilpolitischem Engagement an, s. statt aller VG Ansbach, U.v. 28.7.2016, AN 3 K 16.30401). Der Kläger ist seinem Vortrag nach lediglich Mitglied der TBOJ. Weitere Tätigkeiten, die den Kläger aus der Masse hervorheben würden und die in besonderem Maße die Aufmerksamkeit bzw. das Interesse der äthiopischen Behörden hervorrufen wurden, sind nicht vorgetragen.
Das Gericht ist angesichts der in das Verfahren einbezogenen, einschlägigen Erkenntnismittel, insbesondere im Hinblick auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8. April 2019, Gz. 508-516.80/50673 sowie die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2019, Gz. 508-516.80/50673, insoweit genügend sachkundig. Angesichts des geringen exilpolitischen Engagements des Klägers ist die Erforderlichkeit der Einholung weiterer Erkenntnisquellen nicht dargelegt.
Der in der mündlichen Verhandlung gestellte, bedingte Beweisantrag hinsichtlich der Verfolgungsgefahr von Rückkehrern mit exilpolitischem Engagement war damit abzulehnen.
1.7 Die Klage ist daher im Hauptantrag erfolglos.
2. Die Klage ist auch erfolglos, soweit hilfsweise die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus beantragt wurde, da die Anspruchsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen.
Nach dem Vortrag des Klägers kommt das Drohen eines ernsthaften Schadens in der Gestalt der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) nicht in Betracht.
Angesichts der obigen Ausführungen ist nicht von beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungshandlungen auszugehen. Damit kommt ebenfalls das Drohen eines ernsthaften Schadens in der Gestalt von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) nicht in Betracht.
Es ist weiter nicht davon auszugehen, dass dem Kläger eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) droht.
Der BayVGH führt dazu in seiner Entscheidung vom 13. Februar 2019, 8 B 17.31645 unter anderem Folgendes aus:
„Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu.
Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (zum Ganzen vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 82 ff. m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG bei dem Kläger, der keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor. Zwar werden […] in Äthiopien zunehmend ethnische Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen, die erhebliche Binnenvertreibungen zur Folge haben. Es gibt nach aktueller Erkenntnislage aber in keiner Region Äthiopiens bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Konflikte zwischen Ethnien oder die Auseinandersetzungen der Regierung mit bewaffneten Oppositionsbewegungen haben trotz begrenzten Einflusses und Kontrolle der Zentralregierung in der Somali-Region keine derartige Intensität (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 20).“
Die Kammer schließt sich dieser Einschätzung an und geht nicht davon aus, dass in Äthiopien, insbesondere in der Herkunftsregion des Klägers bewaffnete Konflikte vorliegen, die alle Zivilisten ernsthaft individuell bedrohen. Die Aussage, dass in Äthiopien keine bürgerkriegsähnlichen Zustände herrschen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17. Oktober 2018, Gz. 508-516.80/3) wurde zwar im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8. April 2019, Gz. 508-516.80/3 nicht aufrecht erhalten und es wird von einer besorgniserregenden Zunahme ethnischer Spannungen und gewaltsamer Auseinandersetzungen in vielen Teilen des Landes, auch in Oromia sowie den Grenzregionen zu benachbarten Regionalstaaten, sowie Binnenvertreibungen berichtet, dies im Hinblick auf ethnische Spannungen, Auseinandersetzungen mit der Regierungsmacht sowie im Hinblick auf Kampf um Wasser und Weideland (s. auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Österreich, Länderinformationsblatt mit Staatendokumentation, 8. Januar 2019). Anhaltspunkte für Konflikte mit dem erforderlichen Gefährdungsgrad ergeben sich heraus jedoch nicht.
Angesichts der obigen Ausführungen sind in der Person des Klägers auch keine gefahrerhöhenden Umstände ersichtlich, es ist angesichts des Vortrags des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er nach Rückkehr als Unbeteiligter in den geschilderten Konflikten ernsthaft und individuell bedroht ist. Daher drängt sich dem Gericht insoweit auch keine weitere Beweiserhebung auf.
3. Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund schlechter humanitärer Bedingungen liegen ebenfalls nicht vor.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 9).
Dass sich der Kläger in einer derartigen besonders gravierenden Lage befinde, wurde weder geltend gemacht noch ist dies sonst ersichtlich. Es wird insoweit auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides gem. § 77 Abs. 2 AsylG verwiesen.
4. Ebenso wenig besteht im Hinblick auf die individuelle Situation des Klägers ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen erheblicher konkreter Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit.
Umstände, die dies begründen würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
5. Die nach Maßgabe der §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden.
6. Hingegen ist die Ermessensentscheidung nach § 11 Abs. 3 AufenthG über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 1, 2 AufenthG fehlerhaft i.S.d. § 114 Satz 1 VwGO. Gem. dem i.S.d. § 91 Abs. 1 VwGO ergänzten Antrag der Klägerseite war die Beklagte daher gem. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verpflichten, den Kläger insoweit erneut zu verbescheiden.
Die Ermessensentscheidung berücksichtigt ausweislich ihrer Begründung nicht, ob die Beziehung zur Lebensgefährtin (Gz. der Beklagten …*), die der Kläger nach religiösem Ritus geheiratet hat und hinsichtlich der mit Bescheid vom 20. Februar 2016 ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt wurde, was für ein Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 3 AufenthG spricht, eine berücksichtigungsfähige wesentliche Bindung darstellt, zumal für den Schutz nach Art. 8 Abs. 1 EMRK bereits eine gelebte Beziehung zwischen Partnern ausreicht (EGMR Urt. v. 22.4.1997 – 21830/93).
Die Ermessensentscheidung berücksichtigt ausweislich ihrer Begründung nicht, ob die Beziehung zum gemeinsamen Kind eine berücksichtigungsfähige wesentliche Bindung darstellt. Der Asylantrag des Kindes wurde mit Bescheid vom 13. September 2017 abgelehnt (Gz. … …, AN 9 K 17.35586), es spricht jedoch einiges für ein Aufenthaltsrecht nach den §§ 29, 33 AufenthG.
Eine Ergänzung der Ermessenserwägungen i.S.d. § 114 Satz 2 VwGO, die auf diese Gesichtspunkte eingeht, erfolgte nicht.
Die fehlende Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte bei der Ermessenentscheidung stellt ungeachtet der Frage, ob ein fehlerhaftes Ergebnis des Ermessensvorgangs vorliegt, bereits einen beachtlichen Ermessensfehler in Form eines Ermessensdefizits dar (BVerwG, Beschluss vom 16.09.1986 – 1 B 143/86). Es kommt nicht darauf an, ob dieser Fehler, weil möglicherweise keine getrennte Abschiebung stattfindet, das Ergebnis des Ermessensvorgangs beeinflusst. Zum einen ist diese Frage bei gerichtlicher Prüfung nicht, insbesondere nicht ohne entsprechende Bescheidsbegründung (§ 39 Abs. 1 VwVfG) offensichtlich zu beantworten bzw. es ist nicht offensichtlich, dass die Ermessensentscheidung bei Berücksichtigung und Abwägung dieser Gesichtspunkte ebenso ausgefallen wäre. Zum anderen würden andernfalls durch das Gericht in der Sache eigene Ermessenserwägungen angestellt, was nicht statthaft ist. Da die Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens von Ermessensfehlern eine materielle Frage ist, findet weiterhin die Unbeachtlichkeitsvorschrift des § 46 VwVfG keine Anwendung. Sie gilt nur für Verfahrens- oder Formfehler.
7. Im Übrigen war die Klage daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da der Kläger nur zu einem geringen Teil obsiegt – der Frage der Ermessensfehlerfreiheit der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbot kommt auch wertmäßig gegenüber der Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens der begehrten Schutzgegenstände nur geringe Bedeutung zu – hat der Kläger gem. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen