Aktenzeichen W 10 K 17.32175
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2
RL 2011/95/EU Art. 6 ff.
Leitsatz
Im Südwesten Nigerias haben Christen keine Verfolgung wegen der Religionszugehörigkeit oder Anschläge von Islamisten zu befürchten. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die zulässige Klage, über die auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden durfte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrten Entscheidungen zu seinen Gunsten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065, S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Die §§ 3 ff. AsylG setzen die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie – QRL, Amtsblatt-Nr. L 337, S. 9) im deutschen Recht um.
a) Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl. 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Die für eine Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsschutzes nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG relevanten Merkmale (Verfolgungsgründe) sind in § 3b Abs. 1 AsylG näher definiert. Gemäß § 3b Abs. 2 AsylG ist es bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden. Nach § 3c AsylG kann eine Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen. Schutz vor Verfolgung kann gemäß § 3d Abs. 1 AsylG nur geboten werden (Nr. 1) vom Staat oder (Nr. 2) von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß § 3d Abs. 2 AsylG zu bieten. Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft jedoch gemäß § 3e Abs. 1 AsylG nicht zuerkannt, wenn er (Nr. 1) in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und (Nr. 2) sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (interner Schutz bzw. innerstaatliche Fluchtalternative). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach § 3e Abs. 1 AsylG erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 QRL zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen (§ 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen steht dem Kläger kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu, weil er zumutbaren internen Schutz gemäß § 3e Abs. 1 AsylG in Anspruch nehmen kann.
Der Kläger ist nach seinen eigenen, nicht weiter nachprüfbaren Angaben zwar im Bundesstaat Edo im Südwesten Nigerias geboren, jedoch in Kano City im Norden Nigerias aufgewachsen. Er hat in seiner Anhörung vor dem Bundesamt sowie in der informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung zum einen vorgetragen, in der Heimatstadt als Christ durch Muslime verfolgt und zusammengeschlagen worden zu sein, die sein Onkel väterlicherseits gegen ihn aufgehetzt habe. Der Kläger habe seinen Onkel gegen sich aufgebracht, weil er dessen Ansinnen, zum Islam überzutreten, widerstanden habe. Des Weiteren hat der Kläger vorgetragen, von der Familie seiner verstorbenen Freundin, insbesondere von deren Vater verfolgt worden zu sein, der ein hochrangiger Polizist sei und den Tod seiner Tochter bei der Geburt eines gemeinsamen Kindes rächen wolle. Der Kläger befürchtet, im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria landesweit durch von seinem Onkel gegen ihn aufgebrachte Muslime bzw. durch Freunde oder Helfer des Vaters seiner verstorbenen Freundin bedroht und getötet zu werden.
Dieser Einschätzung folgt das Gericht jedoch nicht. Dem Kläger steht im Südwesten Nigerias eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative (interner Schutz) i.S.d. § 3e Abs. 1 AsylG zur Verfügung. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln über die Lage im Bundesstaat Nigeria sowie einschlägiger Rechtsprechung besteht grundsätzlich in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich einzelne Personen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage, ethnischem Ressentiment und der Bedeutung familiärer Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es für viele Menschen schwer, an Orten ohne ein bestehendes soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2017, S. 18).
Von dem Kläger ist jedoch vernünftigerweise zu erwarten, dass er sich in dem Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative niederlässt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass im Südwesten Nigerias die reale Gefahr droht, in einen gewaltsamen Konflikt hineingezogen zu werden (vgl. VG Minden, U.v. 14.3.2017 – 10 K 2413/16.A – juris). Der Kläger ist zwar nach seinen, nicht weiter überprüfbaren Angaben im Bundesstaat Edo im südwestlichen Nigeria geboren, aber in der im Norden Nigerias liegenden Stadt Kano City im Bundesstaat Kano zunächst bei seinen Eltern und nach deren Tod bei seinem Onkel väterlicherseits aufgewachsen. Nachdem der Kläger mit seinen Eltern bereits im Alter von drei Jahren nach Kano City gezogen ist und nach seinen Angaben sich im Bundesstaat Edo bzw. allgemein im südwestlichen Nigeria keine Familienangehörigen mehr befinden, ist davon auszugehen, dass der Kläger dort ohne nähere Ortskenntnisse zurecht kommen müsste und auf sich alleine gestellt wäre. Das Gericht geht aber in Anbetracht der persönlichen Situation des Klägers davon aus, dass dieser unter Überwindung von Anfangsschwierigkeiten die Möglichkeit haben wird, sich im Südwesten Nigerias, insbesondere in Edo, eine Existenzgrundlage aufzubauen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, in Kano City als Kraftfahrzeugmechaniker tätig gewesen zu sein. Er hat dazu angegeben, was vom in der mündlichen Verhandlung hinzugezogenen Dolmetscher auch bestätigt wurde, dass man in Nigeria keine besondere Schulbildung oder Ausbildung für den Beruf des Kfz-Mechanikers benötigt. Vielmehr kann man direkt als solcher bzw. als Hilfskraft eingestellt werden. Es ist somit nicht ersichtlich, dass es dem Kläger als gesunden, relativ jungen Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen nicht möglich sein wird, im Südwesten Nigerias Fuß zu fassen und sich eine wirtschaftliche Existenzgrundlage aufzubauen. Aufgrund des Fehlens von Beschränkungen der Freizügigkeit (siehe unten) wird es potentiellen Verfolgern aus Kano im Nordwesten des Landes zumindest in der Anonymität einer südwestlichen Großstadt wie zum Beispiel Lagos oder Benin City auch nicht möglich sein, den Kläger ausfindig zu machen.
Der Kläger hat in Nigeria auch keine landesweite Verfolgung wegen seiner Religionszugehörigkeit oder durch Anschläge von Islamisten (z.B. der islamistischen Terrororganisation Boko Haram) zu befürchten. Derartige Anschläge finden nicht landesweit statt, sondern hauptsächlich im Norden und Nordosten Nigerias, während es im Süden nur zu vereinzelten Anschlägen kommt (vgl. etwa Lagebericht, a.a.O., S. 5 und S. 10; OVG NRW, B.v. 14.7.2015 – 11 A 2515/14.A, B.v. 27.4.2015 – 11 A 2087/14.A – jeweils juris m.w.N.; VG Würzburg, U.v. 5.10.2018 – W 4 K 17.32551 – juris; VG München, U.v. 9.11.2018 – M 21 K 17.42545 – juris Rn. 29). Mit einer Fläche von 925.000 Quadratkilometer ist Nigeria fast drei Mal so groß wie Deutschland. Verfolgte Personen können, wie zahlreiche durch Islamisten wie die Terrorgruppe Boko Haram bedrohte Christen, in andere Landesteile umziehen. Sie sind dabei keinen besonderen Einschränkungen unterworfen. Nach Art. 41 der Verfassung der Bundesrepublik Nigeria von 1999 steht es jedem Nigerianer frei, sich überall in Nigeria niederzulassen (vgl. VG Minden, U.v. 14.3.2017 – 10 K 2413/16.A – juris Rn. 15). Denkbar ist für den Kläger insbesondere eine Ansiedlung im Gebiet der südwestlichen Staaten, z.B. in Lagos oder in seiner Geburtsregion, dem Bundesstaat Edo, dort insbesondere in Benin City. In den südwestlichen Bundesstaaten Nigerias würden für den Kläger auch keine nennenswerten Sprachprobleme entstehen. Er ist, wie die mündliche Verhandlung gezeigt hat, des Englischen soweit mächtig, dass er sich zumindest verständlich machen kann. Diese Sprache dient in der genannten Region als Verkehrssprache. Zudem dominiert im Südwesten Nigerias, anders als z.B. im stark muslimisch geprägten Norden des Landes, keine bestimmte Religion. Zwar sind viele der dort lebenden Menschen Moslems oder praktizieren traditionelle Religionen. Daneben bekennt sich aber auch eine große Zahl der dort lebenden Menschen zum Christentum (vgl. dazu VG Minden, U.v. 14.3.2017 – 10 K 2413/16.A – juris Rn. 17 m.w.N.). Der Kläger würde somit als Christ im Südwesten Nigerias, der für ihn auch tatsächlich erreichbar sein wird, keiner religiösen Minderheit angehören. Es ist nicht ersichtlich, dass er dort aufgrund seiner Religionszugehörigkeit diskriminiert würde oder in anderer Weise gefährdet wäre. In den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln, vor allem in dem Bericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Bundesrepublik Nigeria finden sich zudem keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass für Christen im Südwesten des Landes in absehbarer Zeit eine ähnlich bedrohliche Situation entstehen könnte wie in anderen Landesteilen. Die südwestlichen Bundesstaaten sind bislang von den regelmäßig im Norden bzw. Nordosten Nigerias vorkommenden Angriffen der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram ebenso weitgehend verschont geblieben wie von (sonstigen) religiös motivierten Auseinandersetzungen größeren Ausmaßes. In der Region gibt es seit Jahrhunderten ein friedliches Zusammenleben zwischen Christen und Moslems. Mischehen zwischen Angehörigen beider Religionen sind häufig (vgl. zu allem VG Minden, U.v. 14.3.2017 – 10 K 2413/16.A – Rn. 20 ff.; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, a.a.O., S. 13 f.; EASO, Country of Origin Report, Nigeria – Country Focus, June 2017, S. 53). Zwar bestehen in den Bundesstaaten des Niger-Deltas andere Konflikte, etwa um Öl sowie um die Vorherrschaft im politischen Meinungskampf, die teilweise mit Waffengewalt ausgetragen werden (vgl. EASO, Country of Origin Report, Nigeria a.a.O., S. 29). Dennoch ist Edo unter diesen Bundesstaaten der sicherste (EASO a.a.O.).
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG zu.
a) § 4 Abs. 1 AsylG setzt die Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 304 v. 30.9.2004, S. 2 – 2, ABl. L 304 v. 30.9.2004, S. 12 – 23) – Qualifikationsrichtlinie a.F. (QRL), jetzt Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, ber. ABl. 2017 L 167 S. 58) -, insbesondere deren Art. 15 ff. im deutschen Recht um. Diese bilden nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes – zu den Vorläuferregelungen des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG – einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14/10 – DVBl. 2011, 1565 f.; BayVGH, U.v. 20.1.2012 – 13a B 11.30427 – juris). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, weil er auch insoweit gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG auf die interne Schutzmöglichkeit im Südwesten Nigerias nach § 3e AsylG zu verweisen ist. Auf die entsprechenden Ausführungen im vorliegenden Urteil wird verwiesen.
c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG; U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07- Elgafaji). Im Falle des Klägers ist daher insoweit auf Kano City als Herkunftsregion abzustellen. In diesem Landesteil Nigerias herrscht kein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, weil es auch dafür an den Anspruchsvoraussetzungen fehlt. Individuelle Abschiebungshindernisse, wie beispielsweise Erkrankungen, wurden vom Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Relevant sind daher vorliegend nur solche Abschiebungsverbote, die sich für den Kläger aus einer Verdichtung der – aus der ungünstigen allgemeinen Wirtschafts- und Versorgungslage resultierenden – allgemeinen Gefahrenlage im Herkunftsland zu einer extremen Gefahrensituation in seiner Person ergeben könnten.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Aus der EMRK folgt kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (vgl. BVerwG; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 – Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich – NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 Nr. 8319/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich – NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris Rn. 17 f.).
Von einer derart ernsthaften Versorgungslage in Nigeria kann jedoch keine Rede sein. Nigerias Haupteinnahmequelle stammt mit etwa 80% der Gesamteinnahmen aus der Öl- und Gasförderung. Zudem sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet. Die Industrie (Zentren im Südwesten, Südosten und Norden) leidet an Energiemangel und an Defiziten bei der Infrastruktur. Weiterhin leben ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum. Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner betrug im Jahr 2016 nach Angaben der Weltbank 2.178,00 US-Dollar, ist aber ungleichmäßig zwischen einer kleinen Elite und der Masse der Bevölkerung verteilt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 23). Im Gegensatz zum Nordosten Nigerias, wo wegen der anhaltenden Sicherheitsgefährdungen eine humanitäre Krisenlage besteht und etwa 5,2 Millionen Menschen zeitweise auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen waren (vgl. Lagebericht, a.a.O., S. 10/11), ist daher die wirtschaftliche Lage im Südwesten des Landes wesentlich entspannter. Somit ist zwar die wirtschaftliche und soziale Lage in Nigeria insgesamt schwierig und den vorhandenen sozialen Netzwerken sowie familiären Bindungen kommt eine hohe Bedeutung bei der Sicherung des Lebensunterhalts zu (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts, a.a.O., S. 18). Das erkennende Gericht hat aber, wie ausgeführt, keine durchgreifenden Zweifel daran, dass dem Kläger im Anschluss an eine Rückkehr in die Bundesrepublik Nigeria die Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz auch ohne ein familiäres Netzwerk möglich sein wird. Erforderlich und ausreichend ist insoweit, dass er durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem notwendigen Lebensunterhalt Notwendige erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, die nicht den überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24.06 – NVwZ 2007, 590; OVG NRW, U.v. 17.11.2008 – 11 A 4395/04.A – juris Rn. 47). Es ist nicht feststellbar, dass der Kläger eine diesen Anforderungen genügende Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nicht vorfinden bzw. nicht nutzen können wird. Anhaltspunkte für eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers aus gesundheitlichen Gründen liegen nicht vor. Von seiner Arbeitsfähigkeit ist daher ohne weiteres auszugehen. Es ist angesichts dessen nicht erkennbar, warum es dem Kläger weder möglich noch zumutbar sein sollte, nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Nigeria außerhalb seiner Heimatregion und ohne Einbindung in ein familiäres Netz Fuß zu fassen. Im Gegenteil wird er voraussichtlich durch die Aufnahme einer legalen Erwerbstätigkeit seinen notwendigen Lebensunterhalt sichern können. Internationale Akteure wie GIZ und IOM (durch deutsche und EU-Finanzierung) sind bemüht, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Finanzmittel für die Wiedereingliederung von Rückkehrern sind in den letzten Monaten durch internationale Geber erheblich gestiegen; die genannten Angebote befinden sich im Aufbau (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 26). Nicht zuletzt hat der Kläger auch als junger, gesunder und auch heute noch arbeitsfähiger Mann durch seine Reise nach Europa bewiesen, dass er sich in einer für ihn unbekannten Umgebung behaupten kann (vgl. VG München, U.v. 9.11.2018 – M 21 K 17.42545 – juris Rn, 30).
b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger insbesondere nicht angesichts der Versorgungslage in Nigeria. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus folgerechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein und in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.
Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung stellt die nach den eingeführten Erkenntnisquellen bestehende unzureichende Versorgungslage in Nigeria eine allgemeine Gefahr dar, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Nigeria erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BverwGE 115, 1 m.w.N. = juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage den baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alldem BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – BVerwGE 137, 226 = juris).
Eine derart extreme Gefahrenlage liegt nicht vor. Wie ausgeführt, hat das Gericht keine Zweifel daran, dass es dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria möglich sein wird, sich unter Überwindung von Anfangsschwierigkeiten eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen.
4. Liegen nach alledem keine Abschiebungsverbote vor, bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.
5. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Änderung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 AufenthG. Er hat keine persönlichen Gründe vorgetragen, aus denen sich die Unangemessenheit der von der Beklagten gesetzten Frist ergeben könnte.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.