Aktenzeichen RN 14 K 18.31563
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2c S. 2
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4
GG Art. 16a Abs. 2
Leitsatz
1. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann einem Schutzsuchenden im Asylprozess nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst werden (Anschluss an BVerwG BeckRS 9998, 45455). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine drohende Genitalverstümmelung könnte in Sierra Leone als nichtstaatliche, an das Geschlecht anknüpfende Verfolgungsmaßnahme zu qualifizieren sein, die grundsätzlich eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigen würde (Anschluss an VGH Kassel BeckRS 2005, 27113). (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Vorgaben des § 60a Abs. 2c S. 2 und 3 AufenthG finden nicht nur bei der Beurteilung eines inländischen Abschiebungshindernisses, insbesondere einer Reiseunfähigkeit, sondern auch im Rahmen der Prüfung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses Anwendung (Anschluss an VGH München BeckRS 2018, 489) (Rn. 77) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässigen, insbesondere fristgemäß erhobenen (vgl. § 74 Abs. 1 Hs. 1 AsylG) Klagen waren als unbegründet abzuweisen. Den Klägern steht im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus zu. Es besteht auch kein Anspruch auf die Feststellung des Bestehens von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Die vom Bundesamt gemäß den §§ 31 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 sowie den §§ 75 Nr. 12, 11 Abs. 2 AufenthG getroffenen Entscheidungen sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Klagen waren daher abzuweisen.
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
a) Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet (Nr. 2), dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Buchst. a)) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Buchst. b)). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Einzelne in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG ausgesetzt ist. Erforderlich ist insoweit, dass der Ausländer gezielte Rechtsverletzungen zu befürchten hat, die ihn wegen ihrer Intensität dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, B.v. 28.3.2014 – 13 A 1305/13.A – juris).
Eine Verfolgung kann nach § 3c AsylG ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die soeben genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (vgl. dazu § 3d AsylG), und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist. Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10 – juris, Rn. 22 = BVerwGE 140, 22). Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (QualRL – Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9 ff.). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein erlittener bzw. drohender sonstiger ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NRW, U.v. 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A – juris, Rn. 24).
Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der Tatrichter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris, Rn. 16 = BVerwGE 71, 180 und U.v. 11.11.1986 – 9 C 316.85 – juris, Rn. 11). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Ausländer nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris, Rn. 16, U.v. 1.10.1985 – 9 C 19.85 – juris, Rn. 16 und B.v. 21.7.1989 – 9 B 239.89 – juris, Rn. 3 = NVwZ 1990, 171).
b) Hinsichtlich des Klägers zu 1 scheitert die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hier unabhängig von seiner Glaubwürdigkeit bereits daran, dass dieser schon nach seinem eigenen Vortrag nicht aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG aufgeführten Gründen verfolgt wird. Er trägt vor, er habe das Land verlassen, weil er von der Ohjeh-Geheimgesellschaft verfolgt werde. Ein Baum sei beim Fällen auf das Haus der Society gefallen sei und dabei seien zwei Menschen ums Leben gekommen. Dabei handelt es sich schon nicht um eine an ein Merkmal des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG anknüpfende dem Kläger zu 1 persönlich drohende Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, sodass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für den Kläger zu 1 schon aus diesem Grund von vorneherein ausscheidet.
Soweit der Kläger zu 1 erst im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt betreffend den Kläger zu 4 ausgeführt hat, dass er zwischenzeitlich Christ geworden sei und das in der Gemeinschaft, aus der er komme nicht gern gesehen werde, scheint zwar grundsätzlich eine drohende Verfolgung wegen seiner Religion möglich, der Kläger hat allerdings hierzu weder bei der Anhörung beim Bundesamt betreffend sein eigenes Asylverfahren noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung substantiiert etwas vorgetragen. Zudem ergibt sich aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln, dass man in Sierra Leone stolz auf das friedliche und respektvolle Zusammenleben der Religionen ist (vergleiche Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ): Länder-Information-Portal-Sierra Leone-Stand Januar 2018). Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit. Es gibt keine Staatsreligion. In der Praxis wird die Religionsfreiheit von der Regierung auf allen Ebenen respektiert und geschützt. Es gibt weder Berichte über gesellschaftlichen Missbrauch oder Diskriminierung aufgrund der religiösen Zugehörigkeit, des Glaubens oder der Religionspraxis. (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Sierra Leone, Gesamtaktualisierung 4.7.2018, S. 12). Es ist daher auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger in Sierra Leone tatsächlich verfolgt würde, wenn er mittlerweile Christ geworden ist.
c) Die Klägerin zu 2 erfüllt die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ebenfalls nicht. Die Ausführungen der Klägerin zu 2 sind nicht geeignet, um eine an das unverfügbare Merkmal des Geschlechts anknüpfende Verfolgung im Sinne des § 3 a Abs. 2 Nr. 6, 3 b Abs. 1 Nr. 4 a AsylG zu begründen.
Soweit die Klägerin zu 2 hat vorgetragen hat, dass sie gezwungen hätte werden sollen Anführerin in der Bundu-Society zu werden ist die Klägerin nach der Überzeugung des Gerichts von dieser Verfolgungsmaßnahme nicht bedroht. An dem von der Klägerin zu 2 vorgetragenen Verfolgungsschicksal bestehen erhebliche Zweifel, so dass der erforderliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung oder eines ernsthaften Schadens für den Fall der Rückkehr der Klägerin nach Sierra Leone nicht erfüllt ist. Deshalb kann im Ergebnis auch dahinstehen, ob eine von dieser Geheimgesellschaft drohende Verfolgung überhaupt an asylrechtlich relevante Merkmale im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG anknüpfen würde.
Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens ergeben sich vor allem aus dem Umstand, dass die Klägerin zu den angeblichen Geschehnissen nur sehr oberflächliche und pauschale Aussagen und teilweise widersprüchliche Angaben machen konnte. Diese Ausführungen machten in keiner Weise den Eindruck, als ob die Klägerin über etwas tatsächlich selbst Erlebtes berichtet. Im Verlauf ihres Asylverfahrens war die Klägerin zu 2 nicht in der Lage genau und detailliert zu beschreiben, in welcher Form sie konkret von Mitgliedern der Bundu-Society aufgefordert wurde, die Nachfolge der Anführerin anzutreten.
Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt gab die Klägerin diesbezüglich lediglich an, jedes Jahr werde jemand festgelegt, der der Society beitreten müsse. Sie hätte eine Führungsrolle übernehmen sollen, habe das Angebot jedoch verweigert, weil es mit vielen Problemen verbunden sei. Sie habe sich eine Woche bei einer Freundin in Bo versteckt und habe sich dann entschieden, das Land zu verlassen. Nähere Angaben machte sie dazu nicht. Sie gab weder an, wer ihr das Angebot gemacht hat noch wann das gewesen sein soll. Jedenfalls habe sie am 22.8.2016 ihr Heimatland verlassen und sei am 22.2.2017 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
Die Angaben zum Beitritt in der Society waren schon deshalb unplausibel, weil die Klägerin durch die bereits stattgefundene Beschneidung schon Mitglied in der Society war. Dies hat sie auch selbst eingeräumt.
Ebenso unsubstantiiert waren die Angaben der Klägerin, die sie in der mündlichen Verhandlung gemacht hat. Seitens des Gerichts wurde sie mehrmals gebeten, genauer zu schildern, wer sie aufgefordert hat, die Rolle in der Society zu übernehmen und wann dies gewesen sein soll. Auch hier antwortete die Klägerin ausweichend und völlig unsubstantiiert. Sie behauptete, sie sei zum ersten Mal Ende des Jahres 2016 von dem Anführer der Society aufgefordert worden. Sie persönlich sei aber gar nicht zu Hause gewesen und ihre Familie habe ihr das nur nach der Rückkehr erzählt. Die Klägerin konnte nicht darlegen, in welcher konkreten Form sie bedroht worden sei. Sie führte im Rahmen der mündlichen Verhandlung aus, sie habe sich 2 bis 3 Wochen bei einer Freundin in Bo versteckt und habe am 20.8.2017 ihr Heimatland verlassen. Diese zeitlichen Angaben der Klägerin stehen in unauflösbarem Widerspruch zu den sonstigen genannten Daten der Klägerin.
Aufgrund der völlig undetaillierten und unsubstantiierten, widersprüchlichen Angaben sowie aufgrund des persönlichen Eindrucks, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, ist die zur Entscheidung berufene Einzelrichterin davon überzeugt, dass eine konkrete Bedrohung der Klägerin, die als Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG angesehen werden könnte, vor ihrer Flucht aus Sierra Leone nicht stattgefunden hat.
Zudem passt der Vortrag der Klägerin zu 2 auch nicht zusammen mit der sich aus den Erkenntnismitteln ergebenden Lage in Sierra Leone. Auch dies spricht für die Unglaubwürdigkeit der Klägerin zu 2. Nach der Erkenntnismittellage gibt es in Sierra Leone die sogenannten Frauenorganisationen „Bondo-“ (bzw. Bundu) und „Sowee-Society“, deren Hauptziel und Entstehungsgrund die Zwangsbeschneidung junger Mädchen und Frauen ist. Sie verfügen nach der Erkenntnismittellage über eine schwache Organisation und wenig Strukturen. Sie werden zumeist auf Gemeindeebene als „Geheimbünde“ gegründet, ihre Zusammentreffen finden überwiegend anlässlich von Beschneidungszeremonien statt. Derartige Gesellschaften gibt es schwerpunktmäßig in den ländlichen Provinzen, in der Hauptstadt Freetown sind sie eher in den weniger entwickelten Randgebieten tätig, allerdings auch dort mit zunehmend sinkender Tendenz (AA vom 30.4.2008 an BAMF sowie vom 2.12.2005 an VG Stuttgart). Zwangsrekrutierung bereits beschnittener Frauen gibt es nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes nicht. Dem Auswärtigen Amt ist bisher kein Fall bekannt geworden, bei dem zurückkehrende zwangsbeschnittene Frauen in der Hauptstadt Freetown etwas zu befürchten hatten (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 02.12.2005 an das VG Stuttgart). Die Beschneidung erfolgt üblicherweise im Rahmen von sogenannten Beschneidungsfesten, die von Geheimgesellschaften (Bondo oder Sowee) ausgerichtet werden, in denen nur Frauen Mitglied sind. Die Anführerin in einer derartigen Geheimgesellschaft ist zugleich diejenige, die auch die Beschneidungen vornimmt. Schätzungsweise gibt es im Land 50.000 Beschneiderinnen, die in der Gesellschaft ein hohes Ansehen haben und für ihre Tätigkeit gut bezahlt werden. Naturgemäß haben diese daher auch großes Interesse an der Weiterführung des Brauches. Versuche, den Brauch abzuschaffen oder doch einzudämmen, scheiterten bislang vor allem am Widerstand der einflussreichen Geheimgesellschaften (Informationszentrum Asyl und Migration, Weibliche Genitalverstümmelung, April 2010, S. 49). Den Frauen, die die Beschneidungszeremonien leiten und ausüben, werden in den Vorstellungen der traditionellen Kultur übernatürliche Fähigkeiten zugeschrieben. Sie werden wegen dieser Fähigkeiten gleichermaßen geachtet und gefürchtet. Durch die Ausübung der Beschneidungszeremonie erlangen sie materielle Vorteile (Geldeinkünfte), die ihnen einen herausgehobenen sozialen Status in ihrer Gemeinschaft ermöglichen. Für nicht wenige Frauen, die die FGM an Mädchen vornehmen, bildet diese Tätigkeit die einzige finanzielle Einnahmequelle. (Institut für Afrika-Kunde, Genitalverstümmelung in Gambia, Sierra Leone; hier: Sierra Leone, Auskunft vom 19.10.2004 an das VG Minden).
Vor diesem Hintergrund erscheint das Vorbringen der Klägerin wenig plausibel. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin gegen ihren Willen gezwungen werden sollte, Anführerin der Bundu-Society zu werden.
Soweit die Klägerin zur Untermauerung ihrer Ausführungen darauf hingewiesen hat, es gebe eine Nachfolgeregelung, wonach sie zu dieser Aufgabe bestimmt worden sei, ist ihr Vortrag völlig unglaubhaft. Während die Klägerin zu 2 im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt geschildert hat, sie hätte diese Tätigkeit von ihrer Tante übernehmen sollen, gab die Klägerin zu 2 im Rahmen der mündlichen Verhandlung an, dass jedes Jahr jemand aus den Reihen der Society für den Vorsitz ausgewählt werde und dieses Jahr die Wahl auf sie gefallen sei. Die Klägerin konnte aber nicht plausibel erklären, warum gerade sie dafür ausgewählt wurde. Von der vorherigen Tätigkeit der Tante als Anführerin berichtete die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung nichts. Es bleibt daher auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin zu 2 völlig unerfindlich, weshalb die Mitglieder der Geheimgesellschaft zu der Auffassung gelangt sein sollen, dass die Klägerin nunmehr (zum Zeitpunkt der von der Klägerin geschilderten Ereignisse Ende des Jahres 2016) die Aufgabe als Anführerin der Society übernehmen solle.
Eine der Klägerin in ihrem Heimatort drohende Genitalverstümmelung könnte zwar als nichtstaatliche, an das Geschlecht anknüpfende Verfolgungsmaßnahme zu qualifizieren sein, die grundsätzlich eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigen würde, da nach der eben geschilderten Auskunftslage in Sierra Leone die Genitalverstümmelung von der Regierung nach wie vor geduldet wird (vgl. zur Qualifizierung der zwangsweisen Genitalverstümmelung als asylrelevante Verfolgungsmaßnahme: VGH Kassel U.v. 23.3.2005 – 3 UE 3457/04 – juris). Die Klägerin ist jedoch nach der Überzeugung des Gerichts von dieser Verfolgungsmaßnahme nicht bedroht. Die Kläger wurde nach ihren eigenen Angaben bereits im Kleinkindalter beschnitten. Eine Beschneidung droht ihr damit nicht mehr.
Auch die erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung zum Beweis der angeblichen Geschehnisse im Heimatland vorgelegte Zeitschrift ist nicht geeignet, an dieser Einstufung des Gerichts etwas zu ändern. Unabhängig von deren Beweiswert und Echtheitszweifeln des Gerichts befasst sich der darin veröffentlichte Artikel nur mit dem vom Kläger zu 1 vorgetragenen Verfolgungsschicksal.
Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Mitglieder der örtlichen Bundu-Society die Klägerin wegen ihrer Weigerung, der Tante nachzufolgen, im Falle ihrer Rückkehr in ihren Heimatort in asylrechtlich relevanter Weise verfolgen würden, so kann die Klägerin jedenfalls internen Schutz im Sinne des § 3e Abs. 1 AsylG erlangen. Danach wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Gemäß § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG sind bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der Qualifikationsrichtlinie (QualRL – Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9 ff.) zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Gemessen hieran besteht für die Klägerin eine innerstaatliche Fluchtalternative.
Nach den dem Gericht vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Auskünften sind sogenannte Geheimgesellschaften wie die Bondo (teilweise auch Bundu geschrieben)-Society und die Poro-Society zwar im gesamten Staatsgebiet Sierra Leones verbreitet und damit auch in größeren Städten. Allerdings verfügt die Bondo-Society, die für FGM (Female Genital Mutilation) verantwortlich ist, über eine schwache Organisation und wenig Strukturen. Diese Geheimgesellschaft wird zumeist auf Gemeindeebene als „Geheimbund“ gegründet. Es sind zahlreiche Fälle aus der lokalen Presse bekannt, in denen sich junge Frauen durch Flucht, insbesondere in die Hauptstadt Freetown, diesem Ritus entzogen haben. In Freetown gibt es die traditionellen Bindungen und Zwänge der heimischen Ethnien nicht, insbesondere, wenn einzelne Personen dorthin ziehen und für sich leben. Aufgrund dieser Auskunftslage ist zu folgern, dass die örtliche Bondo-Society die Klägerin nicht ausfindig machen könnte, wenn sich die Klägerin in Freetown oder in einer anderen größeren Stadt Sierra Leones, wie etwa Kenema oder Makeni niederlassen würde. Aufgrund der schwachen Organisation und geringen Strukturen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin über Ableger der Bondo-Gesellschaft, die in der Umgebung derartiger Städte tätig sind, ausfindig gemacht werden könnte. In Sierra Leone existiert kein ordnungsgemäßes Zivilregister (AA, Auskunft an das BAMF vom 17.10.2017), so dass es selbst für staatliche Stellen schwierig sein dürfte, eine bestimmte Person in einer Großstadt ausfindig zu machen. Für nichtstaatliche Akteure dürfte dies jedenfalls nahezu unmöglich sein. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Mitglieder der örtlichen Bondo-Society, deren Chefin die Tante der Klägerin gewesen sein soll, eine Rückkehr der Klägerin nicht einmal bemerken würden, wenn sich die Klägerin in einem anderen Landesteil Sierra Leones oder in einer größeren Stadt dieses Landes niederlassen würde.
Dort wäre es ihr auch möglich, sich gemeinsam mit ihrer Familie das Existenzminimum zu sichern. Die Kläger verfügen nach der Überzeugung des Gerichts im Fall ihrer Rückkehr nach Sierra Leone gemeinsam über ausreichend Erwerbspotenzial. Die Kläger sind jung, gesund und arbeitsfähig. Sie verfügen über eine gute Schulbildung und berufliche Erfahrungen. Der Kläger zu 1 ist 12 Jahre zur Schule gegangen und hat mehrere Jahre als Elektriker gearbeitet und war dann selbständig im Handel von Baumaterialien. Die Klägerin zu 2 hat 10 Jahre die Schule besucht und hat dann eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert. Trotz der allgemein schlechten Wirtschaftslage ist davon auszugehen, dass die Kläger sich ein zumutbares Existenzminimum erwirtschaften könnten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der beiden minderjährigen Kinder, die von den Klägers zu versorgen wären. Beide Kläger verfügen über eine gute Schulbildung und haben bereits vor ihrer Ausreise praktische berufliche Erfahrungen gesammelt und waren auf diese Weise in der Lage, den Lebensunterhalt sicherzustellen und das Geld für die Ausreise zu beschaffen. Dass sie in der Lage wären, ihren Lebensunterhalt bei einer Rückkehr nach Sierra Leone sicherzustellen, steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Kläger zu 1 könnte zumindest durch Gelegenheitsarbeiten das nötige Einkommen erwirtschaften und die Klägerin zu 2 könnte durch eine Nebenbeschäftigung zum Familieneinkommen beitragen.
d) Auch den erst in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Klägern zu 3 und 4 steht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.
Schutz nach § 3 Abs. 1 AsylG kann nur derjenige beanspruchen, der selbst bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu erwarten hat. Dazu ist vorliegend nichts vorgetragen und es ist auch sonst für die männlichen Kläger keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ersichtlich. Eine Vorverfolgung kann aufgrund der Geburt in der Bundesrepublik Deutschland nicht stattgefunden haben. Das von dem Kläger zu 1 bzw. der Klägerin zu 2 vorgetragene Verfolgungsschicksal betrifft schon unabhängig von der Glaubwürdigkeit die Kläger zu 3 und 4 nicht persönlich, so dass schon aus diesem Grund die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschied.
2. Aus den gleichen Gründen schieden auch Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16 a GG aus. Auch eine Anerkennung als Asylberechtigter ist nur möglich, wenn einem Antragsteller politisch motivierte Verfolgungsmaßnahmen im Sinn von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG drohen. Im Vergleich zur Flüchtlingsanerkennung sind die Anspruchsvoraussetzungen jedoch enger, weil die mögliche Verfolgung von staatlicher Seite ausgehen oder dieser zumindest zurechenbar sein muss.
Hinzu kommt, dass sich auf das Asylrecht nicht berufen kann, wer aus einem sicheren Drittstaat, also aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG). Da die Kläger zu 1 und 2 eigenen Angaben zufolge auf jeden Fall über Italien in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist, können sie auch deshalb nicht als Asylberechtigter anerkannt werden. Die Kläger zu 3 und 4 sind erst in der Bundesrepublik Deutschland geboren worden. Auch für sei scheidet daher eine Anerkennung als Asylberechtigte von vorneherein aus.
3. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Die Gefahr eines ernsthaften Schadens kann nach den §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3c AsylG ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die soeben genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (vgl. dazu § 3d AsylG), und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist.
a) Dass den Klägern in Sierra Leone die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht, ist nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger zu 1 bei seiner Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung geäußert hat, dass beim Baumfällen ein Baum aus das Haus der Ohjeh-Geheimgesellschaft gefallen sei und dabei zwei Menschen ums Leben gekommen seien, hält das Gericht den diesbezüglichen Sachvortrag des Klägers zu 1 schon nicht für glaubhaft. Während der Kläger zu 1 im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt nur angab, dass ein Baum auf ein Haus der Ohjeh-Society gefallen sei und ihn deshalb Leute von der Society verfolgt hätten, steigerte er diesen Vortrag im Rahmen der mündlichen Verhandlung erheblich und führte aus, dass durch diesen Baumfall zwei Menschen ums Leben gekommen seien. Der Kläger zu 1 konnte aber weder plausibel erklären, warum er dies beim Bundesamt nicht erwähnte noch wann er von diesem Unglücksfall erfahren haben will. Der Gericht wertet dieses Vorbringen daher als gesteigertes Vorbringen, dass zur Unglaubwürdigkeit des Klägers zu 1 führt. Auffällig war auch, dass der Kläger zu 1 weder im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt noch während der mündlichen Verhandlung in der Lage war, eine konkrete Schilderung der Geschehnisse zu liefern. Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt blieb der Kläger zu 1 Angaben dazu schuldig, wer ihn konkret verfolgt hat. Auch fiel dem Kläger zu 1 eine zeitliche Einordnung des Geschehnisses schwerwährend er zunächst angab, dieser Vorfall sei im Dezember 2015 gewesen, berichtigte er diese Angaben auf Vorhalt des Bundesamts hin dahingehend, dass dieser Vorfall erst im Juni 2016 gewesen sei.
Auch die Ausführungen des Klägers zu 1 im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnten das Gericht nicht von der Wahrheit der geschilderten Geschehnisse überzeugen. Der Kläger zu 1 konnte weder genau angeben, wer tatsächlich die Baumfällarbeiten vorgenommen hat, noch um was für Bäume es sich gehandelt haben soll noch schildern wo sich die Bäume genau befunden hatten oder eine konkrete Schilderung von dem betroffenen Gebäude abgeben. Er war vielmehr bemüht, auf entsprechende Nachfragen des Gerichts möglichst unkonkret und ausweichend zu antworten. Das Gericht ist deshalb davon überzeugt, dass der Kläger zu 1 die von ihm geschilderten Geschehnisse lediglich erfunden hat, um seinem Asylbegehren zum Erfolg zu verhelfen. Zudem hat der Kläger zu 1 selbst nicht konkret die Befürchtung geäußert, die Polizei in Sierra Leone würde ihn suchen und ins Gefängnis bringen.
Die Glaubwürdigkeit des Klägers zu 1 ist zudem bereits aufgrund der unabhängig von dem eigentlichen Verfolgungsschicksal abgegebenen Äußerungen zu den gesamten Lebensumständen in Sierra Leone in Frage gestellt. Das Gericht hat bereits erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 tatsächlich bereits vor ihrer Ausreise aus Sierra Leone miteinander verheiratet waren und eine eheähnliche Beziehung geführt haben. Während der Kläger zu 1 nach seinen eigenen Angaben vor seiner Ausreise in Freetown gelebt hat, lebte die Klägerin zu 2 in Bo. Nach den Ausführungen der Kläger im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt und im Rahmen der mündlichen Verhandlung besuchten sich die Kläger gegenseitig jeweils am Wochenendemeist fuhr die Klägerin zu 2 nach Freetown, manchmal fuhr aber auch der Kläger zu 1 nach Bo. Freetown und Bo sind nach Internetrecherche 287 km voneinander entfernt. Dass der Kläger zu 1 dennoch auf Nachfrage des Gerichts angegeben hat, er habe mit dem Auto 1 ½ Stunden gebraucht, führt zur Unglaubwürdigkeit des entsprechenden Vortrags. Ein im Internet aufrufbarer Routenplaner veranschlagt für diese Route 4 Stunden und 13 Minuten. Auch die Angabe der Klägerin zu 2- sie habe zwischen 3 und 4 Stunden mit dem Motorrad für diese Strecke benötigtscheint vor diesem Hintergrund wenig glaubwürdig.
An dieser Einschätzung der Unglaubwürdigkeit ändert auch der erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegte Artikel in der Zeitschrift „Standard Times“ vom 15.9.2016, den der Kläger am 14.10.2019 per Post erhalten haben will nichts. Das Gericht hat im Hinblick auf die unterschiedliche Vergilbung der Seiten und die von Druckerschwärze herrührenden Flecken genau auf der maßgeblichen Seite schon erhebliche Zweifel an der Echtheit des vorgelegten Artikels. Zudem ist dem Gericht aufgrund einer Vielzahl anderer Asylverfahren von Asylbewerbern aus Sierra Leone bekannt, dass Fälschungen von gedruckten sowie im Internet veröffentlichten Zeitungsartikeln in Sierra Leone leicht erhältlich sind. Darauf kommt es allerdings deshalb nicht an, weil einem Zeitungsartikel, der im Wesentlichen lediglich die vom Kläger geschilderte Geschichte widergibt, so gut wie kein Beweiswert im Hinblick auf die Wahrheit der geschilderten Geschehnisse zukommt. Über den Wahrheitsgehalt sagt die Veröffentlichung nichts aus. Diese Artikel sind nicht geeignet, die im Hinblick auf die Ausführungen des Klägers im Rahmen der Anhörung bestehenden Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers auszuräumen oder eine nach Auffassung des Gerichts nicht bestehende Verfolgungsgefahr zu begründen. Für das Gericht ist auch nicht erkennbar, woraus der Kläger aus diesem im Jahr 2016 erschienenen Artikel bei einer Rückkehr nach Sierra Leone im Jahr 2019 noch eine drohende Verfolgung herleiten will. Diese Artikel sind nicht geeignet, die im Hinblick auf die Ausführungen des Klägers im Rahmen der Anhörung bestehenden Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers auszuräumen oder eine nach Auffassung des Gerichts nicht bestehende Verfolgungsgefahr zu begründen.
Im Übrigen wäre der Kläger zu 1 auch in Deutschland im Falle eines Todesfalles bei einem Anfangsverdacht für eine Täterbeteiligung ggf. einem Strafverfahren ausgesetzt. Es ist nicht Sinn des Asylverfahrens, den Kläger durch die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus vor einer für eine begangene Tat angemessenen Bestrafung zu schützen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Kläger selbst im Falle einer Verurteilung eine unmenschliche Bestrafung drohen könnte. Es sei darauf hingewiesen, dass die Verfassung von Sierra Leone Folter und andere grausame, inhumane oder entwürdigende Praktiken oder Bestrafungen verbietet. Die Todesstrafe ist für die Kapitalverbrechen Landesverrat und schweren Raub vorgesehen. Bei Mord ist sie zwingend vorgeschrieben. Die Kommission für Wahrheit und Versöhnung hat in ihrem Abschlussbericht aber deren Abschaffung empfohlen (vgl. Informationszentrum Asyl und Migration des BAMF, Glossar Islamische Länder – Band 17, Sierra Leone, Mai 2010). Auch wenn die Todesstrafe noch nicht abgeschafft ist, so wird ein Moratorium beachtet. Seit 1998 wurde sie nicht mehr praktiziert (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 3.5.2017). Die Sanktionierung des Verhaltens des Klägers, soweit dieses nach der sierra-leonischen Rechtsordnung von Relevanz ist, wäre legitim und vom Kläger hinzunehmen. Ein substantiierter Vortrag dahingehend, dass der Strafvollzug in Sierra Leone grundsätzlich oder im konkreten Einzelfall für den Kläger unverhältnismäßig oder diskriminierend im Sinne von § 3 a Abs. 2 Nr. 3 AsylG sei, erfolgte klägerseits nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Für die übrigen Kläger wurde schon nichts dazu vorgetragen, dass ihnen im Falle einer Rückkehr nach Sierra Leone die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht.
b) Nach der Überzeugung des Gerichts ist es aber auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für die Kläger die Gefahr besteht, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne der §§ 4 Abs. 3 S. 1, 3 c Nr. 3 AsylG zu erleiden.
Soweit die Klägerin zu 2 hierzu auf die drohende Verfolgung durch Mitglieder der Bundu-Society verwiesen hat, wird auf die obigen Ausführungen unter 1 c) verwiesen.
Auch dem Kläger zu 1 ist es weder im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung gelungen, eine ihm persönlich drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch Mitglieder der Ohjeh-Geheimgesellschaft substantiiert geltend zu machen. Die zur Entscheidung berufene Einzelrichterin ist mit dem Bundesamt davon überzeugt, dass der Kläger insoweit nicht von wahren Begebenheiten berichtet hat. Auf den Seiten 4 bis 6 des streitgegenständlichen Bescheids hat das Bundesamt ausführlich dargestellt, dass die Schilderungen des Klägers bei seiner Anhörung vage, oberflächlich, arm an Details und zum Teil nicht nachvollziehbar waren. Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht das Gericht insoweit von einer erneuten Darstellung in den Entscheidungsgründen ab und folgt vollumfänglich den Feststellungen und der Begründung des angegriffenen Bescheids. Dass der Kläger erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass bei dem Baumfall zwei Menschen ums Leben gekommen sind, wertet das Gericht als Versuch, der Argumentation des Bundesamtes den Boden zu entziehen. Dabei handelt es sich aberwie bereits oben dargestelltum gesteigertes Vorbringen, dass zur Unglaubwürdigkeit des Klägers zu 1 führt.
Selbst wenn eine derartige etwaige Bedrohung einem nichtstaatlichen Akteur im Sinne des § 3 c Nr. 3 AsylG zuzurechnen wäre, liegen dem Gericht außerdem keine Erkenntnisse darüber vor, dass der Staat nicht ausreichend Schutz vor einer derartigen Handlung gewähren würde. Es wäre dem Kläger zu 1 daher selbst bei Wahrunterstellung des vorgetragenen Geschehens zumutbar, sich hilfesuchend an den Staat bzw. die Polizei zu wenden.
Zudem wäre es den Klägern möglich und zumutbar, sich in einem anderen Teil von Sierra Leone aufzuhalten. Es besteht damit jedenfalls auch interner Schutz nach §§ 4 Abs. 3, 3 e AsylG (vgl. dazu die Ausführungen unter 1.).
c) Schließlich ist auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht erkennbar.
Die geforderte „individuelle“ Bedrohung muss dabei nicht notwendig auf die spezifische persönliche Situation des schutzsuchenden Ausländers zurückzuführen sein. Der betreffende subsidiäre Schutzanspruch besteht vielmehr auch dann, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson werde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 Elgafaji – juris = Slg. 2009, I-921).
Davon ist nach den vorliegenden Erkenntnissen jedoch nicht auszugehen. Der in Sierra Leone elf Jahre andauernde Bürgerkrieg wurde im Jahr 2002 beendet. Die Sicherheitslage im ganzen Land ist stabil. Armee und Polizei sind landesweit stationiert und haben nach dem vollständigen Abzug der UN-Friedenstruppen im Jahr 2005 die Verantwortung für die innere und äußere Sicherheit übernommen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 3.5.2017, S. 6; Informationszentrum Asyl und Migration des BAMF, Glossar Islamische Länder – Band 17, Sierra Leone, Mai 2010).
Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus schied daher aus.
4. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen nicht.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In diesem Zusammenhang kommt vor allem eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Frage (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris), wonach niemand unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist, ist eine unmenschliche Behandlung und damit eine Verletzung des Art. 3 EMRK allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen möglich (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C.15.12 – juris = BVerwGE 146, 12; U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – juris = BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 – M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 – NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 – Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 – NJOZ 2012, 952). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681, Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Rückführung in den Herkunftsstaat „zwingend“ seien. Solche humanitären Gründe können auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein (so auch BayVGH, U.v. 19.7.2018 – 20 B 18.30800- juris, Rn. 54).
Trotz der schwierigen Lebensbedingungen in Sierra Leone kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Rückführung der Klagepartei in ihr Heimatland nicht angenommen werden.
Die Wirtschaft Sierra Leones ist geprägt von der Landwirtschaft (überwiegend kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft) und der Rohstoffgewinnung. Das Land ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 4,5 Milliarden US-Dollar und einem Pro-Kopf-Einkommen von ca. 700 US-Dollar im Jahr 2015 eines der ärmsten Länder der Welt und belegt nach dem Human Development Index von 2016 Rang 179 der 188 untersuchten Länder. Ein Großteil der Bevölkerung (ca. 77%) lebt in absoluter Armut und hat weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Die Wirtschaft wird mit etwa 51,4% am Bruttoinlandsprodukt vom landwirtschaftlichen Sektor dominiert. Der Dienstleistungssektor trägt mit 26,6% und der Industriesektor mit 22,1% zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, wobei bisher keine verlässlichen statistischen Daten erhoben wurden. Die Mehrheit versucht mit Gelegenheitsjobs oder als Händler/in ein Auskommen zu erwirtschaften. Die Subsistenzwirtschaft wird in Familien oft parallel oder alternativ genutzt, um den Lebensunterhalt zu sichern (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 3.5.2017, S. 19 ff.).
Die Lebensumstände in Sierra Leone sind damit zwar äußerst schwierig, sie führen jedoch nach der Überzeugung des Gerichts nicht dazu, dass die Kläger dort einer unmenschlichen Behandlung im oben beschriebenen Sinn ausgesetzt wäre. Die Kläger verfügen nach der Überzeugung des Gerichts im Falle ihrer Rückkehr nach Sierra Leone über ausreichend Erwerbspotenzial. Es ist davon auszugehen, dass sie im Falle ihrer Rückkehr in die Heimat in der Lage sein werden, zumindest das Existenzminimum sicherzustellen (vgl. dazu die Ausführungen unter 1 c)). Zudem verfügen die Kläger auch noch über Familienangehörige in Sierra Leone, die sie in der ersten Zeit nach der Rückkehr in die Heimat unterstützen könnten. Ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 AufenthG kommt daher nicht in Betracht.
b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Eine derartige Gefahr besteht weder aufgrund des Gesundheitszustands der Kläger noch aufgrund der humanitären Verhältnisse, die die Kläger im Falle ihrer Rückkehr vorfinden würden. Die Gewährung von Abschiebeschutz nach dieser Bestimmung setzt grundsätzlich das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt.
Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel nicht als allgemeine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einzustufen, sondern als individuelle Gefahr, die am Maßstab des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris = BVerwGE 127, 33 sowie U.v. 25.11.1997 – 9 C 58.96 – juris = BVerwGE 105, 383). Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h., dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, U.v. 17.10.2006, – 1 C 18.05 – juris = BVerwGE 127, 33). Im Einklang mit dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 (BGBl I S. 390 ff. vom 11.3.2016) die Sätze 2 bis 4 des § 60 Abs. 7 AufenthG eingefügt. Danach liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (Satz 2). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (Satz 3) und schließlich liegt eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 4).
Das Gericht geht darüber hinaus mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Vorgaben des § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG nicht nur bei der Beurteilung eines inländischen Abschiebungshindernisses, insbesondere einer Reiseunfähigkeit, sondern auch im Rahmen der Prüfung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses Anwendung finden (so auch: BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 16.30735 – juris, Rn. 6 ff.; OVG Bremen, B.v. 13.6.2018 – 2 LA 60/17 – juris; OVG LSA, B.v. 28.9.2017 – 2 L 85/17 – juris; OVG Hamburg, B.v. 23.9.2016 – 1 Bs 100/16 – juris; VG Hamburg, B.v. 2.2.2017 – 2 AE 686/17 – juris; VG Augsburg, B.v. 6.6.2016 – Au 6 S 16.30662 – juris; VG Gelsenkirchen, U.v. 10.5.2016 – 6a K 3120/15.A – juris). Nach diesen Vorschriften ist eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft zu machen. Die ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
Dem Gericht wurden keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt aus denen sich ergibt, dass einer der Kläger an einer derart schwerwiegenden Erkrankung leiden würde, bei der die Gefahr beststeht, dass sie sich m Falle einer Rückkehr nach Sierra Leone in lebensbedrohlicher Weise verschlechtert. Es wird daher gemäß § 60 a Abs. 2 c AufenthG vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen.
Bestehen für bestimmte Personengruppen allgemeine Gefahren, die nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Rahmen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG grundsätzlich keine Berücksichtigung finden können, so kann in Einzelfällen gleichwohl Abschiebeschutz gewährt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nämlich im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG gebieten danach die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn einer extremen Lebensgefahr oder einer extremen Gefahr der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit entgegen gewirkt werden muss, was dann der Fall ist, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt sein würde (BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9.95 – juris, Rn. 14 = BVerwGE 99, 324, U.v. 19.11.1996 – 1 C 6.95 – juris, Rn. 34 = BVerwGE 102, 249 sowie U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – juris, Rn. 16 = BVerwGE 115, 1). Eine derartige Gefahrensituation kann sich grundsätzlich auch aus den harten Existenzbedingungen und der Versorgungslage im Herkunftsstaat ergeben.
Eine derartige Gefahr besteht jedoch für die Kläger nicht, was bereits oben dargestellt wurde.
5. Die in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Sie beruht auf den §§ 34 Abs. 1 AsylG, 59 AufenthG. Die den Klägern gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen beruht auf § 38 Abs. 1 AsylG.
6. Die in Ziffer 6 des angegriffenen Bescheids ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ist gleichfalls rechtmäßig. Die Beklagte musste nach den §§ 11 Abs. 2 Sätze 1 und 4, 75 Nr. 12 AufenthG eine Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG treffen. Über die Länge der Frist wird gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Ermessensfehler sind hier nicht ersichtlich. Grundsätzlich darf die Frist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nicht überschreiten. Hier hat das Bundesamt diese maximale Frist zur Hälfte ausgeschöpft, was nicht zu beanstanden ist. Besonderer Umstände, die eine kürzere Frist gebieten würden, sind von den Klägern weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.
Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.