Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Abschiebungsanordnung betreffend die Tschechische Republik im Rahmen des Dublin-Verfahrens

Aktenzeichen  M 8 S 17.50451

Datum:
24.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 10, Art. 11, Art. 12 Abs. 2, Abs. 4, Art. 17 Abs. 1, Art. 32 Abs. 1
GRCh GRCh Art. 4
AsylG AsylG § 34a Abs. 1
AufenthG AufenthG § 60a Abs. 2c

 

Leitsatz

1 Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ein Asylbewerber im Falle seiner Abschiebung in die Tschechische Republik infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung iSv Art. 4 GRCh ausgesetzt wäre (wie BayVGH BeckRS 2915, 52036). (Rn. 19 – 21) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Bei Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG sind sowohl inlands- als auch zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen (wie BayVGH BeckRS 2014, 49104). (Rn. 23) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Nach § 60a Abs. 2c S. AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass einer Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten (wie VG München BeckRS 2017, 109580). (Rn. 25 – 27) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Nach Art. 32 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III-VO ist der überstellende Mitgliedstaat verpflichtet, dem zuständigen Mitgliedsstaat Informationen über besondere Bedürfnisse der zu überstellenden Person zum Zweck der medizinischen Versorgung oder Behandlung zu übermitteln, woraufhin der zuständige Mitgliedstaat dafür Sorge trägt, dass diesen besonderen Bedürfnissen in geeigneter Weise, insbesondere, sofern erforderlich, durch eine medizinische Erstversorgung, Rechnung getragen wird. Voraussetzung hierfür bildet die ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen zur Datenübermittlung; deren Fehlen bzw. deren Verweigerung steht der Überstellung nicht entgegen (Art. 32 Abs. 2 Dublin III-VO). (VG München BeckRS 2017, 109580). (Rn. 29 – 31) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Wird der Asylantrag des Ehegatten eines Asylbewerbers nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG abgelehnt, lässt sich weder aus Art. 10 noch aus Art. 11 Dublin III-VO ein familienbezogener Anspruch auf eine inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens in der Bundesrepublik ableiten. (Rn. 32) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für … (Bundesamt) vom 9. Februar 2017.
Der Antragsteller ist ukrainischer Staatsangehöriger, reiste eigenen Angaben zufolge am 24. Oktober 2016 mit seiner Ehefrau in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 24. November 2016 einen Asylantrag. Der Antragsteller war im Besitz eines von der Tschechischen Republik erteilten Kurzaufenthaltsvisums, das vom 16. Oktober bis 8. November 2016 gültig war.
Am 11. Januar 2017 wurde vom Bundesamt ein Übernahmeersuchen an die Tschechische Republik gerichtet. Mit Schreiben vom 7. Februar 2017 erklärte das dortige Ministerium des Innern, Abteilung für Asyl und Migrationspolitik, unter Bezugnahme auf Art. 12 Abs. 4 VO (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), die Bereitschaft zur Aufnahme des Antragstellers.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 9. Februar 2017, dem Antragsteller zugestellt am 13. Februar 2017, wurde in Nummer 1 der Antrag auf Asyl als unzulässig abgelehnt, in Nummer 2 festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen, in Nummer 3 die Abschiebung in die Tschechische Republik angeordnet und in Nummer 4 das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 20. Februar 2017, der bei Gericht am selben Tag eingegangen ist, hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 9. Februar 2017 erhoben. Mit gleichzeitig gestelltem Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) wird beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 9. Februar 2017 anzuordnen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller leide an chronischer Pankreatitis und pankreaoprivem Diabetes. Dies habe er im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates angegeben. Sein Gesundheitszustand habe sich in der Zwischenzeit wesentlich verschlechtert. Er sei am 16. Februar 2017 von dem gerufenen Notarzt ins Klinikum gebracht worden. Er befinde sich zurzeit in einem überwachungspflichten Zustand auf der internistischen Intensivstation. Für den 21. Februar 2017 sei ein operativer Eingriff geplant. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, da von der Antragsgegnerin ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis nicht geprüft worden sei. Aufgrund des kritischen gesundheitlichen Zustands sei der Antragsteller nicht reisefähig. Auch sei es von der Antragsgegnerin eine Prüfung aufgrund des Familienverfahrens unterlassen worden. Der Antragsteller sei gemeinsam mit seiner Ehefrau eingereist und habe gemeinsam mit ihr einen Asylantrag gestellt. Die Ehefrau leide an schweren chronischen Krankheiten. Es sei nicht ausgeschlossen, dass im Falle der Ehefrau Abschiebungshindernisse vorlägen. Die Ehefrau habe beim Verwaltungsgericht München am 20. Februar 2017 einen Eilantrag gestellt und Klage erhoben. Zudem wurde eine eidesstattliche Versicherung vom 21. Februar 2017 sowie ein ärztlicher Befundbericht vom 10. Februar 2017 sowie eine Bescheinigung des Klinikums … vom 20. Februar 2017 vorgelegt.
Das Klageverfahren der Ehefrau des Antragstellers ist beim erkennenden Gericht unter M 8 K 17.50454 anhängig. Mit Beschluss vom 24. März 2017 hat es den Antrag der Ehefrau, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden ihrer Klage gegen den dort streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts, der ebenfalls vom 9. Februar 2017 datiert, abgelehnt (M 8 S. 17.50453).
Das Bundesamt hat die Verfahrensakte elektronisch vorgelegt. Eine Antragstellung erfolgte nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Akte des Bundesamts Bezug genommen.
II.
Der gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid ist unbegründet, da die in der Hauptsache erhobene Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
Entfaltet ein Rechtsbehelf – wie hier – von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
1. Lehnt das Bundesamt auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG die Durchführung eines Asylverfahrens als unzulässig ab und ordnet nach § 34a Abs. 1 AsylG die Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union – hier in die Tschechische Republik – an, besteht die Besonderheit, dass das Bundesamt lediglich die Frage nach dem für die Prüfung des Asylbegehrens des Antragstellers zuständigen Mitgliedstaat erwogen hat, sich aber nicht mit den Gründen für die Gewährung von Asyl und der Frage nach einer Abschiebung in den Herkunftsstaat befasst hat. Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin-III-VO und die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens erfolgt in zwei getrennten Verfahren. Die Frage nach der Prüfung des für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaates ist der inhaltlichen Prüfung des Asylantrags vorgelagert.
2. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist hier mit Blick auf die Tschechische Republik der Fall.
Die Tschechische Republik ist als Mitgliedsstaat, der dem Antragsteller ein Visum ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Dublin-III-VO.
Art. 3 Abs. 1 der Dublin-III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedsstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitel III der Dublin-III-VO als zuständiger Mitgliedsstaat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist die Tschechische Republik für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Gemäß Art. 12 Abs. 2 und 4 UAbs. 1 der Dublin-III-VO ist derjenige Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, der einem Antragsteller ein Visum erteilt hat, wenn dieses Visum, wie hier, seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist. Zum nach Art. 7 Abs. 2 der Dublin-III-VO maßgeblichen Zeitpunkt der Asylantragstellung am 24. November 2016 war das von der Tschechischen Republik erteilte Visum, das bis 8. November 2016 gültig war, noch nicht weniger als sechs Monate abgelaufen, sodass die Tschechische Republik für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Dies und die entsprechende Bereitschaft zur Aufnahme des Antragstellers hat die Tschechische Republik mit Schreiben vom 7. Februar 2017 auch ausdrücklich bestätigt.
3. Die Abschiebung in die Tschechische Republik kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden.
Die Zuständigkeit ist nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 der Dublin-III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung in die Tschechische Republik als den zuständigen Mitgliedsstaat an Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin-III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung in die Tschechische Republik infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedsstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedsstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedsstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in der Tschechischen Republik aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. insbesondere BayVGH, B.v. 17.08.2015 – 11 B 15.50111 – juris Rn. 23 ff.). Danach verfügt die Tschechische Republik unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass im Asylsystem der Tschechischen Republik systemische Schwächen vorliegen, die auf strukturellen Missständen beruhen, von den tschechischen Behörden tatenlos hingenommen werden und zu massiven Grundrechtsbeeinträchtigungen der Asylsuchenden führen würden. Das erkennende Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung, insbesondere auch unter Bezugnahme auf die dort zitierten und ausgewerteten Erkenntnismittel an.
4. Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 der Dublin-III-VO notwendig machen, liegen ebenso wenig vor, wie inlands- oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse.
Im Rahmen der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG sind sowohl inlandsals auch zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu betrachten (vgl. z.B. BayVGH, B.v.12.3.2014 – 10 CE 14.427 – juris).
4.1 Weder der ärztliche Befundbericht vom 10. Februar 2017 noch die Bescheinigung des Klinikums … vom 20. Februar 2017 belegen die Reiseunfähigkeit des Antragstellers, sodass auch kein inländisches Abschiebungshindernis besteht (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1, Abs. 2c AufenthG).
Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer ein im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
Vor dem so umrissenen rechtlichen Hintergrund geht das erkennende Gericht davon aus, dass die mithin bestehende gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit des Antragstellers vorliegend nicht widerlegt ist, sodass ein ernsthaftes Risiko, der Gesundheitszustand werde sich unmittelbar durch die Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern, nicht vorliegt.
Der vom Antragsteller vorgelegt ärztliche Befundbericht vom 10. Februar 2017 belegt zwar eine chronische Pankreatitis mit einer nicht auszuschließenden Pankreasneoplasie, die offenbar einen Aufenthalt im Klinikum … mit dem geplanten operativen Eingriff am 21. Februar 2017 notwendig gemacht haben. Der Antragsteller hat es jedoch versäumt, auch über die Folgen und Ergebnisse dieses Eingriffs unverzüglich (vgl. dazu § 60a Abs. 2d AufenthG) eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung im Sinne des § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG vorzulegen. Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen enthalten keine substantiierten Aussagen über die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus dieser krankheitsbedingten Situation und auch ihrer zwischenzeitlichen Behandlung voraussichtlich ergeben werden. Sie legen zwar – wie bereits ausgeführt – die entsprechende gastroenterologische Diagnose und den Krankenhausaufenthalt im Februar 2017 dar, verhalten sich aber gerade nicht – dies gilt insbesondere für die Bescheinigung des Klinikums … – zur Reisefähigkeit oder dazu, ob sich das Krankheitsbild des Antragstellers – gerade auch nach zwischenzeitlich erfolgter klinischer Behandlung – infolge einer Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich in der Tschechischen Republik verschlechtern würde (vgl. dazu anschließend unter 4.2). Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen aus dem Februar 2017 entsprechen mithin nicht den Anforderungen, die an eine qualifizierte und aktuelle ärztliche Bescheinigung im Sinn von § 60a Abs. 2c Satz 2, 3 und Abs. 2d AufenthG zu stellen sind.
4.2 Vorhandene Erkrankungen des Antragstellers sind auch in der Tschechischen Republik behandelbar, sodass zudem auch kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis für diesen EU-Mitgliedsstaat vorliegt. Insbesondere liegt kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Vorliegend steht weder eine Pflicht der Antragsgegnerin zur Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots noch eine solche zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 der Dublin-III-VO wegen fehlender Reisefähigkeit aufgrund innerer Erkrankungen inmitten, da deren Behandlung auch in der Tschechischen Republik zum medizinischen Alltag gehört und dort entweder ambulant durch einen Arzt der Aufnahmeeinrichtung oder gegebenenfalls auch in einem Krankenhaus erfolgen kann (vgl. BayVGH, aaO Rn. 25; VG Oldenburg, B.v. 6.3.2014 – 3 B 402/14 – juris).
4.3 Nach Art. 32 Abs. 1 UAbs. 1 der Dublin-III-VO ist der überstellende Mitgliedstaat verpflichtet, dem zuständigen Mitgliedsstaat Informationen über besondere Bedürfnisse der zu überstellenden Person zum Zweck der medizinischen Versorgung oder Behandlung zu übermitteln. Hierzu gehören die beim Bundesamt vorhandenen Angaben zur körperlichen Gesundheit des Antragstellers. Diese Informationen werden vom überstellenden Mitgliedstaat in einer Gesundheitsbescheinigung, der die erforderlichen Dokumente beigefügt sind, übermittelt. Der zuständige Mitgliedstaat trägt sodann dafür Sorge, dass diesen besonderen Bedürfnissen in geeigneter Weise, insbesondere auch, sofern erforderlich, durch eine medizinische Erstversorgung, Rechnung getragen wird.
Voraussetzung hierfür ist allerdings die ausdrückliche Einwilligung des Antragstellers zur Datenübermittlung. Das Fehlen der Einwilligung, einschließlich ihrer Verweigerung, steht der Überstellung nicht entgegen (Art. 32 Abs. 2 der Dublin-III-VO).
Auf diese Weise kann vorliegend auch im Falle des Antragstellers und seiner Ehefrau (vgl. zur spezifischen krankheitsorientierten Kommunikations- und Abstimmungsobliegenheit der Antragsgegnerin mit der Tschechischen Republik im Fall der Ehefrau: Beschluss vom 24.3.2017, M 8 S. 17.50453) sichergestellt werden, dass bei ihrer Überstellung an die Tschechische Republik die Wahrung der gesundheitlichen Belange die notwendige Beachtung findet.
4.4 Endlich ergibt sich – entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerseite – auch weder aus Art. 10 der Dublin-III-VO noch aus deren Art. 11 mit Blick auf die vom Antragsteller in Bezug genommene Klage- und Antragsverfahren M 8 S. 17.50453 und M 8 K 17.50454 seiner Ehefrau eine Pflicht der Antragsgegnerin zur inhaltlichen Prüfung dieser Asylanträge. Nachdem auch hinsichtlich der Ehefrau mit Bescheid vom 9. Februar 2017 von Seiten des Bundesamts eine Antragsablehnung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG wegen Unzulässigkeit erfolgte und ihre Abschiebung in die Tschechische Republik angeordnet wurde, besteht für die Ehegatten keine Gefahr ihrer Trennung. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Ehefrau hat das erkennende Gericht im Verfahren M 8 S. 17.50453 mit Beschluss vom 24. März 2017 ebenfalls abgelehnt. Mithin ist die Tschechische Republik für die inhaltliche Prüfung der Anträge beider Ehegatten nach Art. 12 Abs. 2 und Abs. 4 UAbs. 1 der Dublin-III-VO sowie deren Unterbringung und auch ausreichende medizinische Versorgung während des Verfahrens zuständig. Das Bundesamt hat in seinem Übernahmeersuchen vom 11. Januar 2017 auch ausdrücklich auf die Ehefrau des Antragstellers hingewiesen. Von Seiten des Innenministeriums der Tschechischen Republik wurde in der Folge auch hinsichtlich der Ehefrau des Antragstellers die Übernahmebereitschaft und Verfahrenszuständigkeit – ebenfalls mit Schreiben vom 7. Februar 2017 – ausdrücklich bestätigt. Sonach ist auch kein Verstoß gegen die vorgenannten Familienschutzvorschriften im Kapitel III der Dublin-III-VO erkennbar.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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