Verwaltungsrecht

Folgeantrag unter Hinweis auf die erfolgte Hinwendung zum Christentum

Aktenzeichen  W 9 K 19.31811

Datum:
4.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6071
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 28 Abs. 2, § 71 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwVfG § 51 Abs. 1, Abs. 3
EMRK Art. 3
WRV Art. 137 Abs. 1 3 S. 1

 

Leitsatz

Mit § 28 Abs. 2 AsylG hat der Gesetzgeber die risikolose Verfolgungsprovokation durch Nachfluchtgründe, die der Betreffende nach Abschluss des ersten Asylverfahrens selbst geschaffen hat, regelhaft unter Missbrauchsverdacht gestellt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 13. September 2019 erweist sich in dem nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Vorliegend handelt es sich um ein Folgeverfahren nach § 71 AsylG. Stellt der Ausländer nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Nach § 51 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn (erstens) sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat, (zweitens) neue Beweismittel vorliegen, die eine den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, oder (drittens) Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (vgl. BVerwGE, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 14).
Ist das Bundesamt der Ansicht, dass Wiederaufnahmegründe auf der Grundlage von § 51 VwVfG vorliegen, ist der Folgeantrag inhaltlich daraufhin zu überprüfen, ob die neue Sach- oder Rechtslage tatsächlich zu einer anderen Einschätzung der Gefährdung führt oder ob das neue Beweismittel zu einer insgesamt positiven Glaubwürdigkeitsbeurteilung berechtigt und falls ja, ob nun von einer Gefährdung ausgegangen werden kann (Müller in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 71 AsylG Rn. 48).
So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat das Vorbringen des Klägers im Folgeantrag überprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG wegen einer nachträglichen Änderung der Sachlage vorliegen. In dem streitgegenständlichen Bescheid führt das Bundesamt insoweit aus, dass die vorgetragene, durch die Taufe nach außen hin sichtbare Konversion des Klägers eine solche veränderte Sachlage darstelle, aufgrund derer sich der Vortrag des Klägers bei objektiver Beurteilung zu seinen Gunsten auswirken könne.
1.1 Allerdings hat das Bundesamt im Rahmen der inhaltlichen Prüfung des Folgeantrags entschieden, dass der Kläger auch aufgrund seines nunmehrigen Vorbringens keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat. Dies ist unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht zu beanstanden.
Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden, wenn ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag stellt und diesen auf Umstände stützt, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat. Es soll mithin dann, wenn nach Abschluss des ersten Asylverfahrens vom Asylbewerber aus eigenem Entschluss geschaffene Verfolgungsgründe mangels Kausalität zwischen Verfolgung und Flucht in der Regel nicht zur Flüchtlingsanerkennung führen können (vgl. BayVGH, U.v. 14.6.2007 – 14 B 05.31264 – juris Rn. 15). Mit § 28 Abs. 2 AsylG hat der Gesetzgeber die risikolose Verfolgungsprovokation durch Nachfluchtgründe, die der Betreffende nach Abschluss des ersten Asylverfahrens selbst geschaffen hat, regelhaft unter Missbrauchsverdacht gestellt. Das ergibt sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs, die darauf abzielt, den bislang bestehenden Anreiz zu nehmen, nach unverfolgter Ausreise und abgeschlossenem Asylverfahren aufgrund neu geschaffener Nachfluchtgründe ein weiteres Asylverfahren zu betreiben (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 110). Demgegenüber greift kein Filter für subjektive Nachfluchttatbestände, die bereits während des Erstverfahrens verwirklicht worden sind; für die Flüchtlingsanerkennung müssen diese – anders als bei der Asylanerkennung gemäß § 28 Abs. 1 AsylG – nicht einmal auf einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung beruhen. In dem (erfolglosen) Abschluss des Erstverfahrens liegt die für das Verständnis der Vorschrift entscheidende zeitliche Zäsur; für nach diesem Zeitpunkt selbst geschaffene Nachfluchtgründe wird ein Missbrauch der Inanspruchnahme des Flüchtlingsschutzes in der Regel vermutet. Damit erübrigt sich ein positiver Nachweis des finalen Zusammenhangs zwischen selbst geschaffenem Nachfluchttatbestand und erstrebtem Flüchtlingsstatus im Einzelfall. § 28 Abs. 2 AsylG verlagert die Substantiierungssowie die objektive Beweislast auf den Asylbewerber, der die gesetzliche Missbrauchsvermutung widerlegen muss, um in den Genuss der Flüchtlingsanerkennung zu gelangen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 18.12. 2008 – 10 C 27/07 – BVerwGE 133, 31-42 – juris Rn. 14).
Bei einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit, Motivation und des Vorbringens des Klägers ist die gesetzliche Regelvermutung vorliegend nicht widerlegt. Das Gericht ist davon überzeugt (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass die Hinwendung des Klägers zum Christentum rein asyltaktisch motiviert ist und nicht seine religiöse Identität in einer Weise bindend prägt, dass er eine Betätigung seines neuen Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um diese Identität zu wahren.
Der formale Glaubenswechsel genügt nicht. Vielmehr ist darüber hinaus erforderlich, dass der Glaubenswechsel, insbesondere, wenn er – wie im vorliegenden Fall beim Kläger – erst nach der Ausreise aus dem Herkunftsland durchgeführt wurde, nicht rein aus asyltaktischen Gründen erfolgt, sondern auf einem ernsthaften, dauerhaften religiösen Einstellungswandel beruht und nunmehr die religiöse Identität des Betroffenen prägt (BayVGH, B.v. 20.4.2015 – 14 ZB 13.30257 – juris Rn. 4; B.v. 9.4.2015 – 14 ZB 14.30444 – juris Rn. 7; HessVGH, U.v. 26.7.2007 – 8 UE 3140/05.A – juris Rn. 20 ff.; OVG NRW, U.v. 7.11.2012- 13 A 1999/07.A – juris Rn. 37 ff.). Diese Tatsache muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 30; B.v. 9.12.2010 – 10 C 19.09 – BVerwGE 138, 270, juris Rn. 43; OVG NRW, B.v. 11.10.2013 – 13 A 2041/13.A – juris Rn. 7; U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 13). Da es sich um eine innere Tatsache handelt, lässt sich die religiöse Identität nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen aufgrund einer ausführlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung feststellen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 a.a.O. Rn. 31; VGH BW, U.v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 50).
Das Gericht ist nicht an kirchliche Bescheinigungen und Einschätzungen gebunden (BayVGH, B.v. 9.4.2015 – 14 ZB 14.30444 – juris Rn. 5; OVG Lüneburg, B.v. 16.9.2014 – 13 LA 93/14 – juris Rn. 6). Es ist die ureigene Aufgabe des Gerichts zu einer eigenen Einschätzung hinsichtlich der Frage der Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts zu gelangen. An die Ausstellung eines Taufscheins sowie an die Einschätzung der Glaubensüberzeugung eines Konvertiten durch eine Kirchengemeinde bzw. einen Pfarrer oder Pastor ist das Gericht nicht gebunden. Aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 und 3 Satz 1 WRV ergibt sich nichts Anderes. Danach ordnet und verwaltet zwar jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Dazu gehört selbstverständlich auch die Mitgliedschaft in der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Es bleibt der Kirchengemeinde des Klägers mithin unbenommen, diesen weiter als ihr Mitglied anzusehen. Auch für die Gültigkeit oder Wirksamkeit kirchenrechtlicher Akte wie der Taufe verbleibt es bei der Kompetenz der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob die Mitgliedschaft in der jeweiligen Religionsgemeinschaft eine staatliche Flüchtlingsanerkennung nach sich zieht. Die Beantwortung dieser Frage ist allein Aufgabe der staatlichen Gerichte. Die in diesem Rahmen erforderliche Überprüfung beschränkt sich nicht auf die Entgegennahme kirchlicher Bescheinigungen oder die unkritische Übernahme kirchlicher Stellungnahmen (BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – NVwZ 2015, 457; OVG NRW, B.v. 14.2.2018 – 13 A 125/18.A – juris).
Vorliegend spricht bereits der zeitliche Ablauf dafür, dass die Hinwendung des Klägers zum Christentum rein asyltaktisch motiveiert war. In dem Erstverfahren (Az.: W 5 K 17.30851) machte der Kläger geltend, er sei vom islamischen Glauben abgefallen. Mit Schriftsatz vom 14. September 2018 trug sein damaliger Bevollmächtigter vor, der Kläger habe sich entschieden, ohne Religion zu leben. Mit keinem Wort erwähnte der Kläger eine etwaige Zuwendung zum christlichen Glauben. Vielmehr gab der Kläger ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2018 auf Frage des Gerichts, ob er sich mit anderen Religionen beschäftigt habe, an, er würde jede andere Religion annehmen. Bereits vier Monate nach dem Termin zur mündlichen Verhandlung wurde der Kläger getauft.
Auch die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit, Motivation und des Vorbringens des Klägers führt zu dem Ergebnis, dass die Hinwendung des Klägers zum Christentum nicht identitätsprägend ist. Der Kläger sagte eindeutig, dass er die Betätigung seines vorgetragenen neuen Glaubens für sich selbst nicht als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren. Nicht seine vorgetragene innere Überzeugung, sondern äußere Einflüsse sind für ihn maßgeblich. So gab der Kläger unmissverständlich und wiederholt an, dass er sich ohne Einverständnis seiner Familie nicht für den christlichen Glauben entschieden hätte. Dem Kläger kann daher der Nachfluchtvortrag, dass er die wesentlichen islamischen Glaubensregeln auch in Afghanistan nicht mehr durchführen werde, nicht abgenommen werden. Hierbei berücksichtigt das Gericht auch, dass der Kläger ausweislich des rechtkräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 19. Oktober 2018 (Az.: W 5 K 17.30851) bereits im Erstverfahren hinsichtlich seiner vorgetragenen Abkehr vom islamischen Glauben unglaubhafte Angaben gemacht hat.
Die erkennende Einzelrichterin nimmt dem Kläger den behaupteten längerfristigen inneren Wandlungsprozess nicht ab. Seine Angaben hierzu sind nicht glaubhaft. Es ist kein plausibler Grund ersichtlich, warum der Kläger seine nun behauptete Hinwendung zum christlichen Glauben nicht im Erstverfahren erwähnte, obwohl er dort den Abfall vom islamischen Glauben als Verfolgungsgrund geltend gemacht hat. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger im hiesigen Verfahren, angab, er sei erstmalig 2017 in die Kirche gegangen. Als er am 17. Februar 2019 getauft worden sei, sei er schon circa zwei Jahre zur Kirche gegangen. Am Anfang sei er nicht so oft in die Kirche gegangen. Ab 2018 sei es öfter gewesen. Er habe sich intensiv mit der Taufe beschäftigt. Bereits Anfang 2018 habe er sich taufen lassen wollen. In der mündlichen Verhandlung am 28. Februar 2020 behauptete der Kläger, die Abkehr vom Islam beruhe auf der Hinwendung zum Christentum. Vor diesem Hintergrund ist keineswegs nachvollziehbar, warum der Kläger seine Hinwendung zum Christentum nicht bereits im Erstverfahren erwähnt hat. Insbesondere hat der Einzelrichter den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2018 ausdrücklich gefragt, ob sich dieser mit anderen Religionen beschäftigt habe. Trotz Vorhalt der erkennenden Einzelrichterin im hiesigen Verfahren hatte der Kläger hierfür keine plausible Erklärung. Außerdem widersprach sich der Kläger hinsichtlich des Zeitpunkts, wann er seiner Meinung nach vom islamischen Glauben abgefallen sei. Während er in der mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2018 im Verfahren W 5 K 17.30851 vortrug, er sei sieben bis acht Monate zuvor aus dem Islam ausgetreten, gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 28. Februar 2020 an, er habe ungefähr als die Gerichtsverhandlung gewesen sei, entschieden, kein Moslem mehr zu sein.
Der Kläger verstrickte sich in unauflösbare Widersprüche hinsichtlich des Zeitpunkts, wann er seiner Familie erstmalig von seinem Vorhaben, sich taufen zu lassen, erzählt habe. Während der Kläger in der mündlichen Verhandlung zunächst angab, er habe sich bereits Anfang 2018 taufen lassen wollen, seine Familie sei jedoch dagegen gewesen, behauptete der Kläger im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung, er habe seiner Familie erstmalig 2017 davon erzählt. Auf entsprechende Nachfrage des Klägerbevollmächtigten gab der Kläger dann an, es sei im Frühjahr 2018 gewesen. Insgesamt sind die Angaben des Klägers hierzu unglaubhaft, weil sie noch weitere unauflösbare Widersprüche enthalten. So gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, er habe 2017 ein Kirchenfoto bei Instagram gepostet, ohne dabei über einen Religionswechsel nachzudenken. Seine Familie habe das Bild gesehen und gedacht, der Kläger sei Christ geworden. Seine Familie habe eine Zeit lang nicht mit ihm gesprochen. Demgegenüber gab der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 26. Juli 2019 an, er habe ab circa Anfang 2018 fünf oder sechs Monate keinen Kontakt mehr zu seiner Familie gehabt, nachdem er seiner Mutter von seinem Wunsch zu konvertieren erzählt hatte. Dies steht auch im Widerspruch zu den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe ab Anfang 2018 wöchentlich auf seine Familie eingeredet. Auch gab er auf Frage des Gerichts, wie lange es gedauert habe, bis er die Zustimmung seiner Familie hatte, an, es habe 2017 mit dem Bild angefangen.
Auch die weiteren Ausführungen des Klägers lassen den Schluss zu, dass seine Zuwendung zum christlichen Glauben nicht auf einer tiefen innerlich prägenden religiösen Überzeugung beruht, sondern wohl vornehmlich aus allgemein sozialen, integrativen und opportunistischen Gründen erfolgt. So gab der Kläger an, durch Frau H. sei er raus sowie auf andere Gedanken gekommen und habe andere Leute kennengelernt. Dass der Kläger die Erteilung einer Ausbildungserlaubnis als Wunder bzw. Schlüsselerlebnis auffasst, nimmt das Gericht dem Kläger nicht ab. Aus der beigezogenen elektronischen Ausländerakte der Regierung von Unterfranken ergibt sich vielmehr, dass die Zentrale Ausländerbehörde Unterfranken dem Kläger erst am 28. September 2019 die Ausbildungserlaubnis erteilt hat, nachdem der Kläger zum Nachweis seiner Identität tätig geworden. Das afghanische Generalkonsulat in München hat darauf die Staatsangehörigkeit des Klägers auf der Grundlage einer Identitätsprüfung der afghanischen Behörden bestätigt (Bl. 391 ff. und 375 f. der elektronischen Ausländerakte). Der Kläger gab, auf Frage des Gerichts, wieso er sich für die Taufe entschieden habe, an, nachdem er genug Informationen gehabt habe und das Christentum mit dem Islam verglichen habe, sei er zu dem Entschluss gekommen, sich taufen zu lassen. Welche Information er hierzu noch benötigt habe, konnte der Kläger auf entsprechende Frage des Gerichts nicht sagen.
Dies alles lässt nach der Überzeugung des Gerichts nicht erkennen, dass seine geschilderte Konversion zum Christentum tatsächlich von einer ernsthaften und festen inneren Überzeugung getragen wird. Dass die Nichtwahrnehmung der islamischen Glaubensriten die religiöse Identität des Klägers prägt und für diesen unverzichtbar ist, hat sich für das Gericht aus dem Eindruck der mündlichen Verhandlung in keiner Weise ergeben. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den Angaben des Beistandes des Klägers oder der vorgelegten pfarramtlichen Bestätigungen, da es – wie oben bereits ausgeführt – ureigene Aufgabe des Gerichts zu einer eigenen Einschätzung hinsichtlich der Frage der Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts zu gelangen.
1.2 Weiterhin bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger im Falle der Rückkehr nach Afghanistan eine Gruppenverfolgung aufgrund seiner Volkszugehörigkeit zur Bevölkerungsgruppe der Hazara durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG (erstmals) droht. Insofern hat sich die Lage nicht im Vergleich zum Erstverfahren verändert.
Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa U.v. 18.7.2006 – 1 C 15/05; U.v. 21.4.2009 – 10 C 11/08 – beide juris) voraus, dass eine bestimmte Verfolgungsdichte vorliegt, die die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr einer Betroffenheit besteht. Zudem gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, wenn also auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar ist. Dies zugrunde gelegt, droht dem Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und zur Religionsgruppe der Schiiten nicht die Gefahr einer landesweiten Verfolgung.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064; U.v. 1.2.2013 – 13a B 12.30045; B.v. 1.12.2015 – 13a ZB 15.30224; B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – alle juris), der sich das erkennende Gericht anschließt, unterliegen Hazara und Schiiten in Afghanistan zwar einer gewissen Diskriminierung; sie sind derzeit und in überschaubarer Zukunft jedoch keiner an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung ausgesetzt. Auch durch den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 31. Mai 2018 wird diese Einschätzung nicht erschüttert. Zwar wird darin berichtet, dass die Hazara in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert seien. Auch gesellschaftliche Spannungen bestünden fort und lebten in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf. Des Weiteren seien die Hazara überwiegend schiitischer Konfession und aus diesem Grund zunehmend Opfer des sogenannten „Islamischen Staates“. In den Jahren 2017 und 2018 kam es mehrfach zu tödlichen Angriffen auf schiitische Moscheen und Kulturzentren in Kabul und anderen Städten des Landes. Insgesamt habe sich jedoch die Lage der insbesondere unter der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara grundsätzlich verbessert (vgl. zum Ganzen: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 31.5.2018, S. 10.). Auch unter Berücksichtigung dessen sowie der jüngsten Anschläge (vgl. UNAMA, Afghanistan Midyear Report on Protection of Civilians in Armed Conflict, Juli 2018, S. 5), die sich gegen Schiiten richteten und zu denen sich größtenteils der sogenannte „Islamische Staat“ bekannt hat, verfügen die Verfolgungshandlungen, denen die Hazara und die Schiiten in Afghanistan ausgesetzt sind, nach Auffassung des Gerichts nicht über die dargestellte, für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte.
Auch der UNHCR geht in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 (S. 87, 59) davon aus, dass die Hazara seit dem Ende des Taliban-Regimes im Jahr 2001 erhebliche politische und wirtschaftliche Fortschritte gemacht hätten, zumal die Anzahl der schiitischen Parlamentsmitglieder in etwa dem Anteil der Schiiten in der Bevölkerung entspreche. Im Oktober 2015 berichtete das US-Außenministerium, dass die Diskriminierung von Schiiten durch Sunniten deutlich abgenommen habe und aus Kabul sowie aus größeren Randgebieten keine Vorfälle mehr gemeldet worden seien, wenn es auch zu nicht offizieller Diskriminierung und schlechterer Behandlung gekommen sei (UNHCR-Richtlinien v. 19.4.2016, S. 59 Fn. 326). In Herat seien große Teile der Bevölkerung Schiiten und sowohl schiitische als auch sunnitische Führer würden von einem weitgehend harmonischen Zusammenleben berichten (UNHCR-Richtlinien v. 19.4.2016, S. 59 Fn. 326). Eine wesentlich andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018, wonach zwar gewalttätige Überfälle durch regierungsfeindliche Kräfte auf die schiitische Bevölkerung seit 2016 beträchtlich zugenommen hätten und unter anderem Entführungen und gezielte Tötungen umfassten (S. 69). Gleichzeitig berichtete aber das US-Außenministerium im August 2017 insoweit, dass die Diskriminierung von Schiiten durch Sunniten weiter abgenommen habe, obgleich es auch weiterhin Berichte über Diskriminierungen in manchen Gebieten gebe (UNHCR-Richtlinien v. 30.8.2018, S. 69 f. mit Fn. 395). Nach dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 29. Juni 2018 (S. 278 ff.) hat sich die Lage der Hazara aufgrund von Bildung und auf dem ökonomischen sowie politischen Gebiet verbessert. So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet und einen gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt.
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Diesbezüglich kann auf die obigen Ausführungen zu § 3 AsylG in vollem Umfang verwiesen werden. Die Gefahr eines diesbezüglichen ernsthaften Schadens ist darüber hinaus nicht ersichtlich.
Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz Ghazni. Dabei kann offenbleiben, ob in der Provinz ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht. Denn für den Kläger bestünde nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, Opfer eines solchen Konflikts zu werden.
Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt aber außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen (EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 – Elgafaji – NVwZ 2009, 705 Rn. 43 und v. 30.1.2014 – C-285/12 – Diakité – NVwZ 2014, 573 Rn. 30). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in den Urteilen vom 17. November 2011 (10 C 13.10, Rn. 22 und 10 C 11.10, Rn. 20; beide juris), bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres, ein Risiko von 1:800 (0,125%) bzw. 1:1.000 (0,1%) verletzt oder getötet zu werden, als weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt angesehen. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960; B.v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970 – juris) geht weiterhin davon aus, dass für keine Region Afghanistans die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliegen.
Das Gericht schließt sich dieser Einschätzung an. Auch wenn man bei Berücksichtigung aktueller Erkenntnismittel (insbesondere Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.9.2019; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Die aktuelle Sicherheitslage – Update, 12.9.2019; UNHCR-Richtlinien v. 30.8.2018; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan: Security Information, Juni 2019) zugrunde legt, dass die Sicherheitslage in Gesamtafghanistan und auch in der Zentralregion weiterhin angespannt bleibt und sich seit Abzug der internationalen Truppen 2014/2015 grundsätzlich auch verschlechtert hat und die Aufständischen größere Bewegungsfreiheit haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der diesen Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist.
In der Provinz Ghazni wurden im Jahr 2019 673 Zivilisten getötet oder verletzt (vgl. UNAMA, Annual Report 2019 Afghanistan, Februar 2020, S. 94). In Anbetracht der Gesamteinwohnerzahl für diese Regionen lag die Anschlagswahrscheinlichkeit deutlich unter 1:800 und daher nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – juris). Damit ist derzeit nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hinaus auf Grundlage seines Vorbringens nicht erkennbar. Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nicht ersichtlich; auch insofern ist auf die Ausführungen des Gerichts zu § 3 AsylG zu verweisen.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
3.1 Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. In Konstellationen wie der vorliegenden, in der gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, weshalb in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris zu § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.; VG München, U.v. 8.5.2014 – M 15 K 12.30903 – juris Rn. 37). Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt demgegenüber keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris; BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a ZB 17.31960; B.v. 29.11.2017 – 13a ZB 17.31251 BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 12). Die diesbezügliche aktuelle Lage in Afghanistan stellt sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 2. September 2019 (Stand: Juli 2019) aus, dass Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2018 lediglich Rang 168 von 189 im Human Development Index belegt habe. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe geprägt von den Nachwirkungen des Abzugs bis 2014 in größerer Zahl präsenter internationaler Truppen, die schwierige Sicherheitslage sowie schwacher Investitionstätigkeit. Zugleich gebe es erhebliche Bemühungen internationaler Partner zur Wirtschaftsbelebung. Das Wirtschaftswachstum sei zuletzt von 2,7% (2017) auf 1,0% (2018) zurückgegangen. Für 2019 gehe die Weltbank von einer leichten Erholung aus, erwartet werde ein realer BIP-Zuwachs von 2,5%. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer in besonderem Maße gelte. Die Armutsrate habe sich laut Weltbank von 38% (2011) auf 55% (2016) erhöht. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das World Food Programme reagiere das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen und Notsituationen. Das rapide Bevölkerungswachstum von rund 2,4% im Jahr bei gleichzeitiger Verbesserung der Lebenserwartung stelle neben der Sicherheitslage die zentrale Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben der Weltbank sei die Arbeitslosenquote innerhalb der erwerbsfähigen Bevölkerung in den letzten Jahren zwar gesunken, bleibe jedoch auf hohem Niveau (laut ILO 2017 bei 11,2%). Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch (vgl. diesbezüglich: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2016, S. 22). Die – durch die hohe Zahl der Binnenvertriebenen und Rückkehrer aus dem Ausland bereits stark in Anspruch genommenen – Ausweichmöglichkeiten für bedrohte und verfolgte Personen würden maßgeblich vom Grad der sozialen Verwurzelung, der Ethnie und der finanziellen Lage abhängen. Die sozialen Netzwerke vor Ort und deren Auffangmöglichkeiten spielten eine zentrale Rolle für den Aufbau einer Existenz (so auch BFA Österreich, Fact Finding Mission Report Afghanistan, April 2018). Die afghanische Regierung habe 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen, der u.a. ein Verfahren zur Landvergabe an Rückkehrer beinhalten soll. IOM biete Unterstützung bei der Ankunft in Kabul mit bis zu zweiwöchiger Unterkunft und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits. Auch die Bundesrepublik Deutschland fördere Reintegrationsprojekte, etwa im Zusammenhang mit der Existenzgründung und Integration in den Arbeitsmarkt.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Gefährdungsprofile vom 12.9.2019, S. 16 ff.) führt aus, dass aufgrund der zunehmenden Gewalt, der anhaltenden internen Vertreibung und der sehr hohen Rückkehrerströme aus dem Iran die humanitäre Situation weiterhin gravierend bleibe. Die Armutsrate in Afghanistan sei seit 2011 sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten rasant angestiegen und betrage inzwischen 54,5%; Ende 2018 lebten 6,3 Millionen Menschen in akuter humanitärer Not und rund 3,7 Millionen in schwerwiegender Not. Die Ernährungssituation habe sich seit 2013 in den meisten Provinzen verschlechtert; 2019 seien landesweit knapp 15,9 Millionen Menschen von Lebensmittelunsicherheit betroffen, 4,9 Millionen benötigten dringend Lebensmittel- und Lebensunterhaltshilfe. 2018 habe zudem eine verheerende Dürre 22 der 34 Provinzen heimgesucht, weshalb rund 3,9 Millionen Menschen Lebensmittelhilfe benötigt hätten und sich der Gesundheitszustand sowie die Einkommenssituation betroffener Menschen verschlechtert habe. ¼ der arbeitsfähigen Bevölkerung sei arbeitslos und 80% der Arbeitenden habe eine unsichere oder gefährdete Arbeitsstelle. Bis 2025 würden jährlich geschätzt 480.000-600.000 junge Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt eintreten – viel mehr als dieser absorbieren könne. In den großen Städten lebten 72,4% (ca. 5 Millionen Menschen) in Slums oder inadäquaten Unterkünften. Die Suche nach geeignetem Wohnraum sei für die meisten Afghanen eine große Herausforderung. Weniger als 64% der Bevölkerung hätten Zugang zu aufbereitetem Trinkwasser und nur 40% zu sanitären Anlagen. Weitverbreitete Gewalt, unerschwingliche Preise sowie eine unzureichende Abdeckung und Kapazität verhinderten oder verzögerten den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen; rund 30% der Bevölkerung verfüge über keinen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen. Das Gesundheitssystem stehe weiterhin vor großen Herausforderungen einschließlich zerstörter oder beschädigter Infrastruktur sowie fehlendem ausgebildetem Gesundheitspersonal und unterversorgten Gesundheitseinrichtungen, weshalb die Nachfrage nicht befriedigt werden könne. 2018 seien über 800.000 Afghanen aus Pakistan und vor allem aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt und für 2019 würden weitere etwa 570.000 Rückkehrer erwartet. Rückkehrer würden in der Regel zu intern Vertriebenen, da sie aufgrund der bewaffneten Konflikte und fehlender Netzwerke meist nicht an ihre Herkunftsorte zurückkehren könnten; viele lebten in notdürftigen Unterkünften, wobei sie hinsichtlich ihres Bleiberechts den jeweiligen Landbesitzern ausgeliefert seien. Vom eingeschränkten Zugang zu Grunddienstleistungen seien Rückkehrer und intern Vertriebene stärker betroffen als die Gesamtbevölkerung. Hinzu kämen sehr beschränkte Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu verdienen. Auch komme es häufig zu Spannungen innerhalb der Aufnahmegemeinden um die knappen Ressourcen. 2018 seien aufgrund von Gewalt und politischer Instabilität 343.000 Menschen landesintern vertrieben worden sowie weitere 226.000 aufgrund der Dürre. Ende September 2018 lebten mindestens 2 Millionen Menschen als intern Vertriebene – eine Verdreifachung zu 2012. Die hohe Zahl an Rückkehrern und intern Vertriebenen, insbesondere in Kabul und den anderen Großstädten, verstärke die Nachfrage nach Dienstleistungen und sozialer Infrastruktur und beeinträchtige die Aufnahmefähigkeit des Landes.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist das Gericht davon überzeugt (§ 108 abs. 1 VwGO), dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage sein wird, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen. Die Überzeugung des Gerichts stützt sich insbesondere auf den persönlichen Eindruck des Klägers in der mündlichen Verhandlung sowie der konkreten persönlichen Umstände des Klägers. Der Kläger ist ledig und kinderlos und hat mithin keine Unterhaltslasten zu tragen. Der Kläger ist jung und arbeitsfähig. Zwar hat der Kläger nach eigenen Angaben in Afghanistan die Schule nur bis zur achten Klasse besucht. Der Kläger hat jedoch bereits in Afghanistan verschiedene Tätigkeiten ausgeübt. Bei dem Kläger ist auch positiv zu berücksichtigen, dass er in Deutschland die Berufsintegrationsklasse besucht hat. Der Kläger spricht neben Dari, einer der Landessprachen in Afghanistan, auch Deutsch. Damit verfügt der Kläger, auch aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen und Sprachkenntnisse, über eine Qualifizierung, mit der er gegenüber der weniger qualifizierten jungen afghanischen Durchschnittsbevölkerung erheblich im Vorteil ist. All diese Kenntnisse und Erfahrungen wird der Kläger sicherlich auch nach seiner Rückkehr in sein Heimatland gewinnbringend einsetzen und damit seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen können. Der Kläger hat den größten Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht und hat damit die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in ausreichender Weise kennengelernt, um sich auch nach einer Rückkehr dort zurechtfinden zu können. Nach Überzeugung des Gerichts bieten die beschriebenen persönlichen Verhältnisse und Ressourcen des hiesigen Klägers ausreichende und realistische Möglichkeiten dafür, ein Leben in Afghanistan, insbesondere in den Städten Herat und Mazar-e Sharif zumutbar erscheinen zu lassen.
Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern – wie dem volljährigen Kläger – in urbanen und semiurbanen Gebieten eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 30.8.2018, S. 110; so auch: EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 106 f.), wobei der UNHCR – unter Zugrundelegung seiner eigenen Maßstäbe – eine interne Schutzmöglichkeit speziell in Kabul nicht für gegeben erachtet (a.a.O., S. 114). Der UNHCR weist in seinen Richtlinien darauf hin, dass die Sicherheitslage in Afghanistan volatil bleibe. Es sei eine kontinuierliche Verschlechterung der Sicherheitssituation und eine Intensivierung des bewaffneten Konflikts in den Jahren nach dem Rückzug der internationalen Truppen in 2014 zu verzeichnen gewesen. Die Taliban setzten ihre Offensive zur Erreichung der Kontrolle über eine größere Zahl von Distrikten fort, während sich die Regierung auf die Verteidigung der Bevölkerungszentren und strategischen ländlichen Gebiete beschränke. Die zivilen Opferzahlen lägen trotz der Tatsache, dass die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan im Jahre 2017 gegenüber dem Vorjahr um 9% gesunken sei, auf einem hohen Niveau. Die Zahl der konfliktbedingt intern Vertriebenen habe am Ende des Jahres 2017 bei geschätzt über 1,8 Millionen gelegen, 2017 sei hierbei ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr bei den neu Vertriebenen zu verzeichnen gewesen. Zusätzlich seien im Jahr 2016 über 1 Million Afghanen aus den Nachbarländern Iran und Pakistan zurückgekehrt und weitere 620.000 im Jahre 2017. Die wirtschaftliche Situation habe sich seit 2013/2014 aufgrund der Unsicherheit und dem hohen Bevölkerungswachstum verschlechtert. Zwar habe sich das Wirtschaftswachstum in 2017 gegenüber dem Vorjahr leicht erhöht, allerdings leide der Landwirtschaftssektor unter einer schweren anhaltenden Trockenzeit, vor allem in den nördlichen und westlichen Regionen des Landes. Der Anteil der Bevölkerung, der unterhalb der nationalen Armutsgrenze leben müsse, habe sich von 38,3% in 2011/2012 auf 55% in 2016/2017 erhöht. Die Arbeitslosenrate habe sich von 22 auf 24% erhöht. 3,3 Millionen Afghanen würden 2018 einen akuten humanitären Bedarf aufweisen, 1,9 Millionen müssten mit ernsthafter Nahrungsunsicherheit leben. 4,5 Millionen Menschen hätten keinen Zugang zu primären essenziellen Gesundheitsdienstleistungen. Afghanistan bleibe eines der ärmsten Länder der Welt und liege daher auf Rang 169 von 188 Ländern im Human Development Index. In den größeren Städten sei zudem zu berücksichtigen, dass sich dort eine sehr hohe Zahl von Rückkehrern und intern Vertriebenen ansiedle, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten geführt habe. Dies gelte insbesondere für die Stadt Kabul, wo zusätzlich die Gefahr von Anschlägen mit hohen Opferzahlen zu berücksichtigen sei. Dort übersteige das Bevölkerungswachstum die Kapazitäten der erforderlichen Infrastruktur, Hilfs und Arbeitsmöglichkeiten, so dass geschätzte 70% der Bevölkerung in informellen Siedlungen leben müssten. Trotz dieser Einschätzung, für die der UNHCR seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser daran fest, dass bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt, wovon das Gericht bei dem hiesigen Kläger ausgeht.
Auch durch die tatsächlichen Feststellungen von EASO (vgl. Afghanistan – Key socio-economic indicators – Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif an Herat City vom April 2019 sowie Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019) wird vorstehende Einschätzung gestützt.
Unabhängig von vorstehenden Ausführungen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger unter Berücksichtigung seiner o.g. individuellen Fähigkeiten und Erfahrungen in den Großstädten Herat und Mazar-e Sharif, die ein Sammelbecken für Menschen verschiedenster Herkunft aus Afghanistan darstellen, in der Lage sein wird, anknüpfend an ethnische, religiöse, lokale bzw. Stammes- und Clan-Verbindungen an diesbezüglich bestehende Netzwerke anzuknüpfen bzw. solche für sich weiter aufzubauen, um seine individuelle Lage in Afghanistan nach seiner Rückkehr zu verbessern. Auf derartigen Netzwerken beruht im Kern das Zusammenleben in Afghanistan. Afghanen sind in der Regel gut darin, sich in derartige Netzwerke einzufinden bzw. diese weiterzuentwickeln und es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies bei dem Kläger anders wäre (vgl. insoweit EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan Networks, Januar 2018, S. 10 f.).
Vor diesem Hintergrund folgt das Gericht auch nicht der Einschätzung von Frau Friederike Stahlmann und Amnesty International, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt bzw. überholt sei (vgl. Friederike Stahlmann, Gutachten zu Afghanistan an das VG Wiesbaden vom 28.3.2018, Überleben in Afghanistan, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff.; Amnesty International, Auskunft an das VG Leipzig vom 8.1.2018 und an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018). Denn Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger und Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, liegen nicht vor. Zwar lassen sich auch schwerwiegende Nachteile bei Unterkunfts- und Arbeitssuche in Afghanistan durchaus nicht ausschließen, eine tatsächliche Gefahr, dass sie eintreten werden, besteht indes nicht (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris). Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem jüngsten Bericht von Frau Stahlmann (vgl. Studie zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobene Afghanen, Asylmagazin 10-11/2019, S. 276 ff.), aus dem sich ebenfalls nicht mit der notwendigen Nachvollziehbarkeit und Klarheit ergibt, dass erwerbsfähige Rückkehrer und abgeschobene Personen in Afghanistan verelenden werden, sodass eine tatsächliche beachtliche Wahrscheinlichkeit hierfür nicht angenommen werden kann. Zudem verweist die Autorin hinsichtlich ihrer Erkenntnisse selbst darauf, dass es aufgrund der der Studie zugrundeliegenden Selbstauskünfte und Angaben aus dem nahen Umfeld der Befragten zu Verzerrungen im Antwortverhalten infolge von Eigeninteressen kommen kann.
3.2 Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht je-doch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit strengeren Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Von einer solchen Unzumutbarkeit ist auszugehen, wenn der Ausländer ansonsten gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – NVwZ 2013, 1489; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; vgl. zudem BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 13).
Eine solche, extreme Gefahrenlage kann vorliegend nicht angenommen werden. Zum einen besteht – wie sich unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen bereits ergibt – keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers aus individuellen Gründen. Zum anderen droht dem Kläger auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Liegen die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus (BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960; VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris). Vorliegend vermögen die – fraglos schlechten – Lebensverhältnisse nach den vorstehenden Ausführungen keinen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. Dass gerade der Kläger als leistungsfähiger, erwachsener Mann mit den von ihm erworbenen Kenntnissen und Erfahrungen im Falle einer Rückkehr alsbald sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde, vermag das Gericht danach nicht festzustellen. Auch aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergibt sich nichts Anderes. Insoweit kann auf die Ausführungen unter 3.1 verwiesen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

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