Aktenzeichen 19 ZB 15.510
Leitsatz
1 Das Rechtsschutzbedürfnis einer Anfechtungsklage gegen die Befristung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 2 S. 2 AufenthG entfällt nicht durch den zwischenzeitlichen Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis, da die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis den Bestand der vorher erteilten Aufenthaltserlaubnis voraussetzt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes, der damit verwirklichten Bündelung der Kompetenzen zwischen Arbeitsverwaltung und Ausländerbehörde („one-stop-government“), der Zweckbindung des Aufenthaltstitels sowie dem in §§ 7, 8 AufenthG zum Ausdruck kommenden Trennungsprinzip und dem in § 4 Abs. 2 S. 1 und 2 AufenthG normierten Zusammenhang der Erwerbstätigkeit mit dem Aufenthaltstitel wird eine die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis überschreitende Arbeitserlaubnis und damit eine aufenthaltsrechtliche Wirkung des Diskriminierungsverbots aus Art. 64 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien praktisch nicht mehr in Frage kommen (ebenso BVerwG BeckRS 2012, 210537; VGH BW BeckRS 2016, 47869). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 7 K 14.430 2015-01-19 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz (insoweit) erfolglose Klage gegen die Verkürzung der Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid des Landratsamtes vom 27. März 2014 sowie auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis weiter.
Der Kläger ist tunesischer Staatsangehöriger und reiste am 23. Dezember 2011 nach der Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen mit einem Visum zum Zweck des Familiennachzugs in das Bundesgebiet ein. Ihm wurde am 4. Januar 2012 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt, die zuletzt bis zum 3. Januar 2015 befristet wurde.
Nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft am 23. Juni 2013 verkürzte das Landratsamt mit Bescheid vom 27. März 2014 die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis des Klägers nachträglich auf den Tag der Bekanntgabe des Bescheides (Nr. 1), forderte den Kläger zur Ausreise bis zum 30. April 2014 auf (Nr. 2) und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung an (Nr. 3). Für den Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wurde der Kläger zur Ausreise binnen eines Monats nach Bestandskraft des Bescheides verpflichtet (Nr. 4).
Die gegen Nr. 1 des Bescheides erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 19. Januar 2015 (Az. W K 14.430) mit der Begründung abgewiesen, dass die Verkürzung der Aufenthaltserlaubnis rechtmäßig sei und dem Kläger auch aus Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tunesischen Republik andererseits (98/238/EG, EGKS: Beschluss des Rates und der Kommission vom 26.1.1998, ABl. EG L 97/2 vom 30.3.1998 – Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien) kein Aufenthaltsrecht zustehe. Der Ausnahmefall einer aufenthaltsrechtlichen Wirkung von Art. 64 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien sei nur bei weitergehenden Berechtigungen anzuerkennen, insbesondere einer über die zeitliche Dauer der Aufenthaltserlaubnis hinausgehenden Arbeitsgenehmigung. Der Kläger sei allein aufgrund der ihm nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 27 Abs. 5 AufenthG zur Erwerbstätigkeit berechtigt gewesen. Er habe daher nicht über eine zeitlich über die Dauer seiner Aufenthaltserlaubnis hinausgehende Arbeitsgenehmigung verfügt. Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes stehe einer nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen (auf EuGH, U.v. 14.12.2006 – Gattoussi, C-97/05 – juris Rn. 35 ff. wurde Bezug genommen). Der Kläger habe vor Eintritt der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 AufenthG kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, auch nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft weiterhin erwerbstätig sein zu können. Die Nrn. 2 bis 4 des Bescheides vom 27. März 2014 hat das Verwaltungsgericht mit Blick auf die aufschiebende Wirkung der Klage aufgehoben.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Die Europäische Kommission habe das Diskriminierungsverbot aus dem Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien ausdrücklich mit dem Diskriminierungsverbot aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) gleichgestellt. Dem Kläger sei für einen bestimmten Zeitraum die Erwerbstätigkeit erlaubt worden, die Arbeitsgenehmigung sei an die Aufenthaltserlaubnis gekoppelt. Durch die nachträgliche Verkürzung der Aufenthaltserlaubnis trete gleichzeitig eine Verkürzung der ursprünglich länger geltenden Arbeitserlaubnis ein. Dessen Vereinbarkeit mit dem Diskriminierungsverbot aus dem Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien erscheine fraglich. In den Fällen, in denen sich die Beschäftigungserlaubnis kraft Gesetz ergebe (§ 27 Abs. 5 AufenthG), werde einem maghrebinischen Arbeitnehmer eine weitergehende Berechtigung zur Ausübung einer Beschäftigung eingeräumt (auf Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, Abschnitt 4.2 Rn. 45 wird Bezug genommen). In der nachträglichen Verkürzung der Aufenthaltserlaubnis werde auch die Ausübung der Beschäftigung nachträglich beschränkt, was einen Verstoß gegen das Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien darstelle. Die praktische Wirksamkeit des Abkommens verlange, dass der Kläger während der gesamten Zeit seine Rechte ausüben könne. Abschließende obergerichtliche Entscheidungen, insbesondere des Europäischen Gerichtshofes, lägen hierzu nicht vor. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof werde angeregt. Aus dem Fehlen abschließender obergerichtlicher Entscheidungen und einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ergebe sich die grundsätzliche Bedeutung und besondere rechtliche Schwierigkeit des vorliegenden Rechtsstreits.
Dem Zulassungsantrag ist die Landesanwaltschaft für den Beklagten entgegen getreten.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist weiterhin zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht durch den zwischenzeitlichen Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis am 3. Januar 2015 entfallen, denn die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis setzt den Bestand der vorher erteilten Aufenthaltserlaubnis voraus (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2016 – 10 ZB 14.2877 – juris Rn. 2; B.v. 8.10.2014 – 10 C 13.1302 – juris Rn. 6; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – 11 S 2534/13 – InfAuslR 2014, 183, Rn. 32).
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat jedoch keinen Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergibt sich weder der im Wesentlichen geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, noch der der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; auch der möglicherweise sinngemäß vorgebrachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. Daher kann letztlich dahinstehen, ob die Zulassungsbegründung dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt.
1. Der vom Kläger in den Vordergrund gestellte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht gegeben. Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne hat eine Rechtssache nur dann, wenn eine im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich ist, bisher höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichtes noch nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Um einen auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren; er muss ausführen, warum diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 20.5.2016 – 10 ZB 16.29 – juris Rn. 22, m.w.N.).
Entsprechend diesen Grundsätzen ist vorliegend eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu verneinen. Die vom Kläger sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob einer nachträglichen Verkürzung der Aufenthaltserlaubnis und einer damit einhergehenden Verkürzung der Arbeitserlaubnis das Diskriminierungsverbot aus Art. 64 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien entgegenstehe, ist durch die obergerichtliche Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2016 – 1 B 96/16 -; U.v. 8.12.2009 – 1 C 14.08 -; VGH BW, U.v. 25.5.2016 – 11 S 492/16 -; HessVGH, B.v. 6.11.2014 – 6 A 691/14.Z -; NdsOVG, B.v. 17.6.2014 – 4 PA 84/14 -; BayVGH, B.v. 10.12.2010 – 19 CE 09.2874 – jeweils juris).
Ziel des Abkommens war die Errichtung einer Europa-Mittelmeer-Partnerschaft durch schrittweise Marktliberalisierung (vgl. Art. 1 Abs. 2 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien). Im Gegensatz zum Assoziationsabkommen EWG/Türkei haben die Europa-Mittelmeer-Abkommen nicht die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zum Gegenstand (vgl. Epe, GK-AufenthG, Stand 12/2012, Abschnitt IX-2 § 1, Rn. 60; Hailbronner, AuslR, Stand 5/2007, Abschnitt D Nr. 5.5 Rn. 1; ders., NVwZ 2007, 415; Husmann, ZAR 2009, 305/310). Auf diese grundlegenden Unterschiede wird entgegen des klägerischen Vorbringens auch in der Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 12. September 2011 in der Rechtssache Gülbahce ausdrücklich hingewiesen (Nr. 56, S. 18 des Dokuments SJ.J 1053228 – VK/hve). Entsprechend der Gemeinsamen Erklärung der Vertragsparteien zum Diskriminierungsverbot des Art. 64 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien, das nach Art. 91 des Abkommens Bestandteil des Abkommens ist, kann Art. 64 Abs. 1 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien nicht in Anspruch genommen werden, um die Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung zu erwirken. Hierin wird die Absicht der Vertragsparteien deutlich, Aufenthaltsrecht und Arbeitsbedingungen zu trennen.
Nach dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes, der damit verwirklichten Bündelung der Kompetenzen zwischen Arbeitsverwaltung und Ausländerbehörde („one-stop-government“), der Zweckbindung des Aufenthaltstitels sowie dem in §§ 7, 8 AufenthG zum Ausdruck kommenden Trennungsprinzip und dem in § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 AufenthG normierten Zusammenhang der Erwerbstätigkeit mit dem Aufenthaltstitel wird eine die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis überschreitende Arbeitserlaubnis und damit eine aufenthaltsrechtliche Wirkung des Diskriminierungsverbots aus Art. 64 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien praktisch nicht mehr in Frage kommen (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2009 – 1 C 14.08 – BVerwGE 135, 325-334; VGH BW, U.v. 25.5.2016, a.a.O., juris Rn. 24; Epe in GK-AufenthG, Stand 12/2012, Abschnitt IX-2 § 1, Rn. 63; Hailbronner, AuslR, Stand 5/2007, Abschnitt D 5.5, Rn. 6 ff.; Hailbronner, NVwZ 2007, 415/416; Huber/Göbel-Zimmermann, AuslR, 2. Aufl. 2008, Teil 2 XIII, Rn. 1503; Armbruster, HTK-AuslR, Stand 9/2014, EU-Recht/Assoziierungsabkommen/EMA, Rn. 48; Husmann, ZAR 2009, 305/311).
Zwischen der Aufenthaltserlaubnis und der gesetzesunmittelbar aus § 27 Abs. 5 AufenthG an den Titel anknüpfenden, akzessorischen Berechtigung zur Ausübung von Erwerbstätigkeit besteht eine systematische Verknüpfung, die kein vom Aufenthaltstitel losgelöstes, weitergehendes Recht zu vermitteln vermag (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2016, a.a.O., juris Rn. 4; zum Nichtbestehen aufenthaltsrechtlicher Wirkungen des Diskriminierungsverbotes bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2009, a.a.O.). Wegen der akzessorischen Verknüpfung bedürfe es keiner ausdrücklichen Beschränkung der Berechtigung zur Erwerbstätigkeit. Auch nach der sonstigen obergerichtlichen Rechtsprechung steht das Diskriminierungsverbot aus Art. 64 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien wegen der untrennbaren Verknüpfung der Berechtigung zur Erwerbstätigkeit nach § 27 Abs. 5 AufenthG mit dem Aufenthaltszweck einer nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht entgegen (vgl. VGH BW, U.v. 25.5.2016, a.a.O., juris Rn. 24, wohl unter Aufgabe der Zweifel in B.v. 16.6.2011 – 11 S 1305/11 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 10.12.2010 – 19 CE 09.2874 – Rn. 12; zur gleichsinnigen Auslegung des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2006 – 24 CS 06.514 – juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 21.3.2014 – 18 A 2326/11 – juris Rn. 12; B.v. 14.1.2010 – 18 B 471/09 – juris Rn. 9; B.v. 14.9.2007 – 18 E 881/07 – juris Rn. 9; HessVGH, B.v. 6.11.2014 – 6 A 691/14.Z – juris Rn. 22; NdsOVG, B.v. 17.6.2014 – 4 PA 84/14 – juris Rn. 6). Die nationale Rechtsprechung, wonach dem Diskriminierungsverbot aus Art. 64 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Tunesien nur ausnahmsweise aufenthaltsrechtliche Wirkung zukommen kann, steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach diese – unmittelbare Wirkung entfaltende – Bestimmung nicht der Regelung des Aufenthaltsrechts tunesischer Staatsangehöriger dient und nur bei Einräumung weitergehender Rechte, einer Genehmigung der Berufstätigkeit für eine die Aufenthaltserlaubnis übersteigende Zeit, aufenthaltsrechtliche Wirkungen haben kann (vgl. EuGH, U.v. 14.12.2006 – Gattoussi, C-97/05 -, juris Nr. 43; U.v. 2.3.1999 – El Yassini, C-416/96 – juris LS 3). Angesichts der obergerichtlichen Klärung kommt es auf die Befürwortung einer aufenthaltsrechtlichen Wirkung des Diskriminierungsverbotes nach Art. 64 Abs. 1 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien im Falle der nachträglichen Verkürzung der Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG in Teilen der Literatur (vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 7 AufenthG, Rn. 38 ff.; Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, Nr. 4.2 Europa-Mittelmeer-Abkommen, Rn. 45) nicht mehr an.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist auch nicht insofern zu erkennen, als die aufgeworfene Frage die Auslegung von Unionsrecht betrifft und sich bei unionsrechtlichen Fragen die Notwendigkeit ergeben kann, eine Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV einzuholen (vgl. BVerfG, B.v. 25. 8. 2008 – 2 BvR 2213/06 – NVwZ 2009, 519). Abgesehen davon, dass sich das Zulassungsvorbringen insoweit nicht dezidiert mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur fehlenden Einschlägigkeit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auseinandersetzt (das Darlegungserfordernis gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert die Durchdringung des Prozessstoffes), steht die nationale Rechtsprechung in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. EuGH, U.v. 14.12.2006 – Gattoussi, C-97/05 – juris; U.v. 2.3.1999 – El Yassini, C-416/96 – juris) und der darin zum Ausdruck kommenden nur ausnahmsweisen Annahme einer aufenthaltsrechtlichen Wirkung des arbeitsrechtlichen Diskriminierungsverbots insbesondere unter Berücksichtigung der Gemeinsamen Erklärung der Mitgliedstaaten zu Art. 64 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien, wonach Art. 64 Abs. 1 nicht in Anspruch genommen werden kann, um die Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung zu erwirken, und für die Erteilung, die Verlängerung oder die Verweigerung einer Aufenthaltsgenehmigung ausschließlich die Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten maßgeblich sind. Die zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes sind von der Trennung zwischen Aufenthaltstitel und Arbeitsberechtigung gekennzeichnet, die in dem bis zum Ende des Jahres 2004 geltenden Ausländergesetz angelegt gewesen ist. Ausgehend vom Zweck des Europa-Mittelmeer-Abkommens, eine Erleichterung für tunesische Staatsangehörige zu schaffen, die als Arbeitnehmer in den Mitgliedstaaten tätig sind, und ihre Rechte bei legaler Aufnahme einer Beschäftigung zu sichern, kommt es auf eine ausdrückliche Eröffnung des Zugangs zum Arbeitsmarkt an (vgl. HessVGH, B.v. 6.11.2014 – A 691/14.Z – juris Rn. 20). Mit der im Zuge des Zuwanderungsgesetzes geschaffenen gesetzlichen Akzessorietät zwischen Aufenthaltsrecht und dem Recht zur Erwerbstätigkeit ist bei Aufenthaltserlaubnissen, die das Recht zur Erwerbstätigkeit – wie von § 27 Abs. 5 AufenthG für den Familiennachzug vorgesehen – beinhalten, ein vom jeweiligen Aufenthaltszweck unabhängiges Sicherungsbedürfnis für die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Erwerbstätigkeit nicht anzuerkennen.
2. Aus den unter Nr. 1. dargestellten Gründen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache nicht die behaupteten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist. Mangels einer „überschießenden“ bzw. vom Aufenthaltszweck weitergehenden Berechtigung zur Erwerbstätigkeit kommt es auf die Frage aufenthaltsrechtlicher Wirkungen des Diskriminierungsverbotes in diesem Fall nicht entscheidungserheblich an.
3. Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen, die nachträgliche Verkürzung der Aufenthaltserlaubnis verstoße gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 64 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien, sinngemäß geltend macht, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts, führt dies nicht zur Zulassung der Berufung.
Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11). Abgesehen davon, dass die klägerische Begründung des Zulassungsantrages eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils vermissen lässt und sich im Wesentlichen im bisherigen Vorbringen erschöpft, liegen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht vor.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG entfallen ist. Damit haben die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis des Klägers nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorgelegen. Die Frage, ob der Kläger trotz Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG oder auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus sonstigen Gründen hat, ist unter Berücksichtigung des insbesondere in §§ 7, 8 AufenthG verankerten Trennungsprinzips nicht (mehr) inzident im Rahmen der Entscheidung über die Verkürzung der Frist für die bisherige Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu prüfen (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 11/08 – InfAuslR 2009, 440/441). Vielmehr ist diese Frage als Gegenstand eines gleichzeitig zu bescheidenden Begehrens auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus anderen Gründen anzusehen, das hilfsweise für den Fall geltend gemacht wird, dass sich die Verkürzung der Geltungsdauer der bisherigen Aufenthaltserlaubnis als rechtmäßig erweist (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2009 a.a.O.; BayVGH, B.v. 21.6.2010 – 10 ZB 09.2959 – juris Rn. 10).
Im Rahmen der Ermessensausübung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist damit nur noch das Interesse des Klägers, bis zum Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer seiner Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bleiben, und das öffentliche Interesse an der Beendigung seines materiell rechtswidrig gewordenen Aufenthalts gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG vom 9.6.2009 a.a.O. S. 441). Unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes waren dabei insbesondere die Verfestigung der Lebensverhältnisse in Deutschland und die Entfremdung vom Heimatstaat in den Blick zu nehmen. Dass die Ermessenserwägungen des Beklagten bei der Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung der bisherigen Aufenthaltsdauer, einer ggf. bestehenden Beschäftigung und dem erfolgreichen Abschluss eines Integrationskurses keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen, hat das Verwaltungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt.
Einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer vom bisherigen Aufenthaltszweck unabhängigen Aufenthaltserlaubnis hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht verneint. Das Erstgericht hat dabei ohne Rechtsfehler und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass ein rechtmäßiger Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft des Klägers und seiner deutschen Ehefrau von mindestens drei Jahren (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) nicht gegeben ist.
Darüber hinaus hat sich das Verwaltungsgericht im Urteil vom 19. Januar 2015 unter Nr. 2.2 (S. 9 ff,) ausführlich mit dem Diskriminierungsverbot aus Art. 64 Abs. 1 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien auseinandergesetzt. Die Verneinung eines weitergehenden Rechts des Klägers, weil eine zeitlich über die Dauer der Aufenthaltserlaubnis hinausgehende Arbeitsgenehmigung nicht vorhanden ist, entspricht der Akzessorietät der Arbeitserlaubnis zur Aufenthaltserlaubnis.
Soweit der Kläger mit seinen Ausführungen betreffend einen Verstoß gegen das arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 64 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien einen Ermessensfehler der Entscheidung rügen und damit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend machen möchte, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Wie unter Nr. 1 ausgeführt liegt ein solcher Verstoß nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).