Aktenzeichen B 5 K 15.452
Leitsatz
Es besteht kein Anspruch auf nachträgliche Einstufung in eine diskriminierungsfreie Besoldungsdienstaltersstufe innerhalb des Systems der §§ 27 und 28 BBesG aF. (redaktioneller Leitsatz)
Ein Anspruch auf nachträgliche Einstufung in eine diskriminierungsfreie Besoldungsdienstaltersstufe kann auch nicht wegen schuldhafter Verletzung der Fürsorgepflicht auf § 45 BeamtStG gestützt werden, da der Dienstherr in diesem Rahmen nicht zu einer umfassenden Aufklärung über höchstrichterliche Rechtsprechung betreffend der Besoldungsansprüche verpflichtet ist. (redaktioneller Leitsatz)
Die Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 S. 2 AGG beginnt für den Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage ausnahmsweise zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung der Klage zumutbar ist. Dabei ist auf die Klärung durch höchstrichterliche Rechtsprechung abzustellen und darauf, dass die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Über die Streitsache kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
a) Soweit der Kläger begehrt, ab einem noch unbekannten Zeitpunkt für die Zeit bis einschließlich Dezember 2010 in diejenige Dienstaltersstufe eingestuft zu werden, die eine diskriminierungsfreie Besoldung gewährleistet, so hat das Bundesverwaltungsgericht in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 19.6.2014 – Specht, C-501/12 – NVwZ 2014, 1294) entschieden, dass die Besoldung der Beamten der Besoldungsordnung A nach den §§ 27, 28 BBesG a. F. Beamte unmittelbar aufgrund ihres Lebensalters benachteiligt. Eine Einstufung der betroffenen Beamten in eine höhere oder gar in die höchste Dienstaltersstufe ihrer Besoldungsgruppe zum Ausgleich dieser ungerechtfertigten Diskriminierung ist jedoch ausgeschlossen. Da von der Diskriminierung potenziell sämtliche Beamte erfasst sind, besteht kein gültiges Bezugssystem, das als Grundlage herangezogen werden kann. Ein besoldungsrechtlicher Anspruch des Klägers besteht daher nicht (vgl. im Einzelnen BVerwG, U. v. 30.10.2014 – 2 C 6.13 – juris Rn. 12 ff.). Im Einzelnen führt das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung folgendes aus (juris Rn. 19 und 20):
„Zwar verlangt das Gebot der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts, dass das nationale Gericht unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles ihm Mögliche tut, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel in Einklang steht (st. Rspr.; EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 – Rs. C-397/01 bis C-403/01, Pfeiffer u. a. – Slg. 2004, I-8835 Rn. 114). Eine entsprechend unionskonforme Auslegung der §§ 27 und 28 BBesG a. F. ist hier aber nicht möglich. Die diesem Besoldungssystem innewohnende Ungleichbehandlung gilt für jeden Beamten bei seiner erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis, so dass die hieraus resultierende unmittelbare Diskriminierung potenziell alle Beamten betrifft. Es existiert damit bereits kein gültiges Bezugssystem, an dem sich die diskriminierungsfreie Behandlung des Klägers orientieren könnte (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 a. a. O. Rn. 96).
Eine höhere Einstufung des Klägers innerhalb des Systems der §§ 27 und 28 BBesG a. F. würde zudem zu einer Entwertung der vom Gesetzgeber beabsichtigten Honorierung bereits erworbener Berufserfahrung führen. Nach der Rechtsprechung des EuGH darf die tatsächlich abgeleistete Dienstzeit Anknüpfungspunkt einer besoldungsrechtlichen Differenzierung sein. Der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters ist in der Regel zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet, die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2006 – Rs. C-17/05, Cadman – Slg. 2006, I-9583 Rn. 34 ff.). Mit der Höherstufung eines Beamten innerhalb des Systems der §§ 27 und 28 BBesG a. F. zum Ausgleich der Altersdiskriminierung würden aber diejenigen Beamten benachteiligt, die diese höhere Stufe unionsrechtlich zulässig aufgrund ihrer Berufserfahrung erlangt haben (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 28. November 2013 – Rs. C-501/12, Specht – Rn. 100).“
Da kein Anspruch auf Einstufung in eine diskriminierungsfreie Besoldungsdienstaltersstufe innerhalb des Systems der §§ 27 und 28 BBesG a. F. besteht, ist auch der Antrag, den Beklagten zur Bekanntgabe oder Versetzung in die höchste Dienstaltersstufe zu verurteilen, der Antrag, diese Stufe für die Zeit nach der erfolgten Versetzung in den Ruhestand beizubehalten und in das ab 1. Januar 2011 geltende Recht zu übernehmen, der Antrag, den Beklagten zur Bekanntgabe der höchsten Dienstaltersstufe zu verurteilen, in die ein anderer Bediensteter an demselben Einstufungstermin aufgrund seines höheren Lebensalters zur Festsetzung des Grundgehalts eingestuft worden ist, und der Antrag, den Beklagten zu verurteilen, alle Tatsachen, die zur Benachteiligung geführt haben, darzulegen, unbegründet.
b) In Betracht käme allenfalls ein Entschädigungsanspruch des Klägers, der zwar weder aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) noch aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch folgt (dazu BVerwG, U. v. 30.10.2014 – 2 C 6.13 – juris Rn. 22 ff.), sich aber dem Grunde nach aus § 15 Abs. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG ergibt (BVerwG, U. v. 30.10.2014 a. a. O. Rn. 31 ff.). Für diesen Anspruch käme es weder darauf an, ob sich der Kläger im behördlichen bzw. gerichtlichen Verfahren auf § 15 AGG als Anspruchsgrundlage berufen hat, noch darauf, dass die Benachteiligung durch den konkreten Vollzug einer gesetzlichen Regelung eingetreten ist. (VG Bayreuth, U. v. 14.04.2015 – B 5 K 14.537 – juris). Abzustellen für den Beginn eines Entschädigungsanspruchs ist nach der eben genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Zeitpunkt des Inkrafttretens des AGG, also auf den 18. August 2006. Die Sanktionsregelung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes setzt die Vorgaben der RL 2000/78/EG nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts umfassend in nationales Recht um (BVerwG, U. v. 30.10.2014 a. a. O. Rn. 33).
Der Entschädigungsanspruch scheitert jedoch daran, dass der Kläger die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG von zwei Monaten zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG nicht gewahrt hat. Die Frist beginnt nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG zu dem Zeitpunkt, ab dem der Betroffene von der Benachteiligung Kenntnis erlangt hat, d. h. wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt, das Ziehen der zutreffenden rechtlichen Schlüsse hieraus ist nicht notwendig. Für den Fall einer wie hier anzunehmenden unsicheren und zweifelhaften Rechtslage ist von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu machen. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt dann zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung der Klage zumutbar ist. Es ist auf die Klärung durch höchstrichterliche Rechtsprechung abzustellen und darauf, dass die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. Dies war hier nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 30.10.2014 – 2 C 6.13 – juris Rn. 51 f.), der sich das Verwaltungsgericht Bayreuth im Urteil vom 14.04.2015 (a. a. O.) angeschlossen hat, durch die Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 (C-297/10 und C-298/10 – Slg. 2011, I-7965) der Fall. Die Ausschlussfrist begann daher am 9. September 2011 um 0.00 Uhr zu laufen und endete am 8. November 2011 um 24.00 Uhr (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB). Die Ausschlussfrist ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auch mit Unionsrecht vereinbar (BVerwG, U. v. 30.10.2014 – 2 C 6.13 – juris Rn. 48 unter Berufung auf BVerwG 2 C 12.11 – BVerwGE 147, 244 Rn. 59). Der Kläger hat seinen Anspruch erst mit Schreiben vom 06. Februar 2014 und somit zu spät geltend gemacht. Es steht ihm daher keine Entschädigung zu. Darauf, dass der Kläger positive Kenntnis von der objektiven Klärung der Rechtslage hat, kommt es nicht an. Der Zweck des § 15 Abs. 4 AGG, innerhalb einer kurzen Zeitspanne Rechtssicherheit und Klarheit herbeizuführen, spricht dafür, dass die Frist mit der objektiven Klärung der Rechtslage zu laufen beginnt – unabhängig von der Kenntnis, da die Frist ansonsten zu jeweils unterschiedlichen individuellen Zeitpunkten zu laufen beginnt. (VG München, U. v. 22.09.2015 – M5 K 15.1896 – juris Rn. 17 unter Berufung auf BGH, U. v. 23.07.2015 – III ZR 4 /15 – juris Rn.14).
Der Beklagte hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgelehnt. Es spricht aus den eben erwähnten Gründen der Rechtssicherheit und der einheitlichen Anwendung für alle Betroffene schon viel dafür, dass es sich bei der Frist des § 15 Abs. 4 AGG um eine Ausschlussfrist handelt, die weder von der Behörde verlängert werden kann, noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässt. Jedenfalls kann nach Art. 32 Abs. 3 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist weder Wiedereinsetzung beantragt noch die versäumte Handlung nachgeholt werden. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Fristversäumung auf höherer Gewalt beruht, was hier nicht anzunehmen ist.
c) Auch ein Anspruch wegen schuldhafter Verletzung der Fürsorgepflicht, gestützt auf § 45 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) besteht nicht. Der Dienstherr ist nicht in diesem Rahmen zu einer umfassenden Aufklärung über höchstrichterliche Rechtsprechung betreffend der Besoldungsansprüche verpflichtet (Conrad in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Mai 2015, § 45 BeamtStG Rn. 180 f.).
d) Da bereits kein Schadensersatzanspruch entstanden ist, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Ersatz etwaiger Zinsen.
3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen der Beklagten nicht, zumal diese auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.
4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor. Der Antrag des Klägers, das Verfahren an das Bundesverwaltungsgericht abzugeben, kann als Antrag auf Sprungrevision nach § 134 Abs. 1 VwGO ausgelegt werden. Die Voraussetzungen des
§ 134 Abs. 2 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO liegen nicht vor, so dass eine Zulassung nicht in Betracht kommt.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 124 und § 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht erster Instanz. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in den § 3 und § 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung nur zuzulassen ist,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Streitwertbeschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth, oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Beschlusses eingelegt werden. Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
eingeht.